Sonntag, 25. Januar 2015

Weil ich ja weiss, wie es richtig ist!

... Weil ich ja weiss, wie es richtig ist! ... Weil ich ja weiss ...
Beginnt nicht genau da, in unserer vielleicht allzu schnellen Positionierung, in einer (sehr leisen, zunächst kaum zu identifizierenden) Überheblichkeit schon das, was wir dann oft nach langen schmerzvollen Umwegen als Irrtum erkennen müssen?
Wie wäre es stattdessen damit: Nichts ist ungewisser als die Gewissheit. Wenn ich damit jetzt nicht den alles zersetzen könnenden Zweifel ins Feld führen, sondern nur anregen möchte in die Haltung der Gewissheit ein kleines Zögern gleichsam zu implantieren, ganz im Stillen es mir zu Gewohnheit werden lasse ein kleines Türchen offen zu halten, dass es auch anders sein könnte. Was verändert sich dadurch in mir, ganz leise? ...
Ich entwickle ein Haltung der Ehrfurcht hin auf ganz andere Möglichkeiten, wie es auch noch sein könnte.
Und im weiteren Verlauf dieses Weges, wo gelange ich hin, wenn ich lange genug in diese Richtung voran geschritten bin? Wenn sich eine Ehrfurcht an die andere zu reihen begonnen hat, wenn ich vielleicht auch zu einem Menschen aufschauen durfte, der aus meiner Sicht so viel mehr zu wissen scheint, als ich? Was dann, wenn sich das Freiheitsempfinden, der Drang es zum Ausdruck zu bringen immer stärker in mir zu regen beginnt, was dann?
Nach dem Hin- und Aufschauen in vielerlei Ehrfurchten werde ich dem ersten Anschein nach vor ein dunkles Tor geführt. Nach dem Hin- und Aufschauen, was ja auch einem von mir Wegschauen entspricht, einem nach Aussen Schauen, werde ich ganz auf mich zurück geworfen und erfahre, dass ich im Grunde
"weiss, dass ich nicht weiss (Sokrates)".  

Diese Art von Erfahrung, nach vielen lichtvollen Ehrfurcht Ausblicken und Ehrfurcht Aufblicken ist nicht leicht zu verdauen. Sich in einem gewissen Sinne wieder lösen von einer derartigen Erfahrungsweise fällt schwer. Aber sie ist notwendig, wenn ich Freiheitsfähigkeit aktivieren will, wenn ich nicht nur von der Notwendigkeit der Freiheit rede, sondern sie eigenständig auf die Füsse stelle.

Hier habe ich gestern „den Stift“ niedergelegt und kann aus aktuellem Anlass meine Gedanken nicht in der Weise fortsetzen, wie ich sie gestern noch vor Augen hatte.

Wie aktiviere ich nach den Tagen von: „Je suis Charlie“ Freiheitsfähigkeit? Bin ich in der Solidarisierung für „Charlie“ schon „Charlie per se“ mit all seinem Mut, seiner Risikobereitschaft stündlich mein Leben aufs Spiel zu setzen für die Freiheit des Wortes?

Wenn ich weiss, wie es richtig ist! ... stehe ich ich da unter Umständen, wenn ich mich hier  nur tiefer gehender beobachten will, nicht sehr, sehr nahe jenem Sandwirbel, aus dem ein Tornado entsteht, eine terroristische Bewegungsdynamik in mir, in der ich einige wenige Sandkörner zu einer weiter umgreifenden Bewegungsdynamik in der Welt unversehens beitrage? Solches, wenn ich es denn als einen kleinen Stolperstein in mir überhaupt wahrnehmen will, derartig untergründiges Ereignen schiebe ich natürlich schnell zur Seite, verlagere es in die Welt hinaus, um mich sodann, mit den fremdgesteuerten Folgen einer terroristischen Schreckenstat aus der Distanz zur keimhaft möglichen eigenen Mittäterschaft zu solidarisieren.
Mich bestürzt dieser Ausblick zutiefst und ich erlebe in mir, dass ich genau in diesem Augenblick jener oben bereits angesprochenen Erfahrung:

„dass ich weiss, dass ich nicht weiss“

noch um einiges, was die damit verbundene existentielle Intensität betrifft, näher gerückt bin. Ich stehe dem Feuer speienden Drachen aussen, wie innen gegenüber.
Resignation, Entsetzen, Zorn, um sich Schlagen, Depression und vieles mehr, was an dieser Erfahrungsschwelle in mir auftreten mag, dies alles in ein waches anschauendes Gleichgewicht in mir gebracht, wohin führt mich das? Gibt es überhaupt Sinn in dieser Richtung zu denken?

Um das wissen zu können, muss ich bereit sein über den Zustand des inneren Gleichgewichtes hinaus in die Stille einzugehen, muss ich bereit sein für die Erfahrung, im Bodenlosen Fuss fassen zu können. Durch was?
Durch den „guten Willen,“ der mich, von innen heraus wie neu belebend, mir nach und nach immer deutlicher zuwächst! Das Zünglein für Veränderung in der Welt bin ich und niemand anderes sonst! Bewegung ganz aus dem eigenen Kern heraus und durch nichts anderes als das.
Was zeichnet den guten Willen aus? Eine Erfahrung, die aus der Welt, in der wir uns bis anhin fest verankert fühlen nicht möglich zu sein scheint, dass es anders als wir sein könnten, welche die Urteile über die Welt und andere Menschen bilden. Eben aus einer dualen Weltsicht heraus.
Mit der tatsächlich existentiellen Erfahrung, „dass ich weiss, dass ich nicht weiss,“ verlagert sich die Möglichkeit dieser dualen Weltsicht gleitend oder mitunter auch ruckartig in eine nonduale Betrachtungsweise der Welt, das heisst, die Dinge und Menschen erklären sich durch sich selbst und das Ergebnis dieser sich aus sich selbst erklärenden Dynamik unterscheidet sich nicht selten sehr von meinen vorausgehenden Urteilen.

© baH, 11.01.2015

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