Montag, 9. März 2020

Ein Spaziergang mitten durch den Sturmwind der Bewusstseinsseele

„Das Wesentliche ist und bleibt, dass man nicht über die Sache meines Denkens redet und schreibt, sondern sich auf sie einlässt, auf dass das mir Eigene das verwandelte Eigene eines Anderen werde. Was den Schritt zur Freilegung der Wahrheit des Seins selbst betrifft, so muss ich differenzieren. Wesentlich war der Schritt vom Vorstellen des Seienden als solchen zur Andacht des Seins als Sein. Da ich jedoch zunächst und lange hin das Sein gemäss derselben Offenbarkeit gedacht habe, gemäss der die Metaphysik das Seiende als solches  v o r s t e l l t,  (Hervorhebung von mir) blieb ich, wiewohl schon auf dem Wege aus der Metaphysik heraus, ihr dennoch verhaftet. Erst als mir mit der Kehre, die ich die eigentliche nenne, die ursprüngliche Un-Verborgenheit als die dem Sein eigene Offenheit aufging, konnte man wahrhaft von einem Verlassen der Metaphysik und einem Einsprung in eine nicht mehr metaphysische Dimension des Denkens sprechen.“ (Martin Heidegger in einem Gespräch mit Fridolin Wiplinger 1972) (1)

Was in diesen Worten dem Leser in einem selten so transparenten seelischen Beobachten eigenen philosophischen Denkens formvollendet vor Augen tritt, kann als eine Sternstunde zwischen Lehrer und vormaligem Schüler auf Augenhöhe gesehen werden. Das Denken wird zur Andacht und weitet sich zwischen den miteinander Sprechenden unversehens über den reinen Intellekt hinaus still zu einem Herzdenken. Die Hoheit vorschneller Deutung tritt, zurückgehalten in den Hintergrund und erschlossen wird im inneren Mitgehen Seins-Offenheit.
Un-Verborgenheit kehrt sich bewegt in Bewegung in gemeinsames inneres Erfahren von Seins-Offenheit … Geist-Berührung mit der stillen Möglichkeit fortschreitender Geist-Erfahrung. Zwei Individualitäten reichen in einem Über-Individuellen Raum einander verstehend die Hände.
Emaus 1972. Aletheia als  S e i n s - E r f a h r e n  (Hervorhebung von mir) von Nicht-Verborgenheit (2), Aletheia als Kraft-Ferment zu einer der Möglichkeit nach in jedem Augenblick sich fortlaufend erneuern könnenden sozialen Offenheit. Der Dialog als Spielfeld, auf dem im umeinander Bemühen Inspirationsfelder eröffnet werden, wenn mitgebrachte Vorstellungen in den Hintergrund treten dürfen.
Gelingt dies, so lässt sich von hier aus innerlich anschauend nach und nach näher erschliessen warum Rudolf Steiner über sein gesamtes Werkschaffen hin immer und immer wieder, wie er es zu charakterisieren pflegte, auf das Verbrennen der eigenen Vorstellungen hinwies. Diese mitgebrachten Vorstellungen sind es nämlich, die verhindern in die Gegenwärtigkeit der Geist Berührung und Geist Erfahrung eintreten zu können. Die Vorstellung als abstraktes Bild von „Seins-Wirklichkeit,“ von dem, was unter subjektiver Perspektive gemeinhin als  d i e  Wirklichkeit oder Wahrheit angesehen wird, sie ist vorgängig zu löschen, wenn in Seins-Erfahrung bewegt in Bewegung eingetreten werden will.
Seins-Erfahren erwächst aus der Bereitschaft mit dem Fremdartigen im dialogischen Raum erst einmal bereit sein mitzugehen. Es kommt demnach darauf an in den Worten der Dialog Teilnehmer mit aktiv beobachtendem Interesse das ganzheitliche Umfassen und Anschauen des fremd Anmutenden versuchsweise aktiv zuzulassen (und wie Heidegger sagt, das Denken überhaupt einmal erst zu lernen (2)), damit sich im Sinne des Ereignisses von Emaus der Möglichkeit nach eine „Lichtung“ (3) im Geschehnis-Raum der Dialogbemühungen bilden kann. - Die Wolken subjektiven Vermeinens sich lichten könnten, um auf diese Weise, was in geblendeter Selbsttäuschung nicht hinterfragt das eigene Erleben gleichsam besetzte, unverborgen in Seins-Offenheit erblühen zu lassen.
Das aber hebt den Dialog gegenüber der Diskussion gewissermassen auf eine höhere Stufe der Bemühung um ein Miteinander. Der Dialog trennt streng zwischen dem was Sache ist und dem Menschen, der etwas zu einem bestimmten Sachzusammenhang in den Dialog einbringt. Der Dialog ist selbst dann von Respekt geprägt, wenn in der Sache die Auffassungen weit auseinander liegen.
In einem echten Dialog wissen die Teilhaber untereinander eine Atmosphäre wechselseitigen Zugewandt-Seins über alle sachlichen Differenzen hinweg durch ihr menschliches Interesse aneinander aufrecht zu erhalten. Der Dialogverlauf wird auf diese Weise von einer Achtsamkeit gestaltet, unter deren Schirm sich jeder Dialogteilhaber auf seine ihm eigene unnachahmliche Weise an dem im Mittelpunkt stehenden Sachzusammenhang beteiligen kann, ohne wegen seiner besonderen Auffassung als Mensch ausgegrenzt zu werden. Der Dialog ist Herausforderung für den eigenen Willen, in welche Tiefe hinein seine Teilhaber bereit sind Freiheit tatsächlich zu leben, inwieweit sie die ihnen jeweils angemessene Kehrtwende aus eigenen Vorstellungskonstrukten heraus zur Seins-Offenheit im Erwachen am anderen Menschen für sich konkret an die Hand nehmen können und wollen. Von daher  kann die Wirklichkeit eines freien Geisteslebens an der Qualität seiner Dialoge abgelesen werden.

Der einleitende Dialog-Ausschnitt zwischen Martin Heidegger und Fridolin Wiplinger zeigt beispielhaft auf, wo wir heute in der Entwicklung auf ein sich erneuerndes Geist-Erfahren in der so genannten Aussenwelt stehen, eine Entwicklung, die seit 1972 weiter fortgeschritten ist, während in anthroposophischen Zusammenhängen nach aussen hin selbstvergessen zunehmend Deutungshoheiten den Ton anzugeben scheinen und das Begehen wirklich authentischer Neuland-Wege sich in kaum zur Kenntnis genommenen Randzonen abspielt.
Die beiden Jünger von Emaus haben zu ihrer Zeit unmittelbar und doch nahezu unbemerkt den Keim eines ersten Erfahren von Bewusstseinsseele gelegt, einen Keim, der heute mitten in der Gesellschaft angekommen ist, von Eiferern jedoch nicht wahrgenommen, bzw. in gemeinsamen Erfahren als Kraftquelle verantwortungsvoll gestaltet und behütet werden kann. Es geht nämlich innerhalb sozialer Prozessherausforderungen nicht mehr darum von anderen Teilhabern des jeweiligen gesellschaftlichen Umfeldes vermeintlich etwas einfordern, ein so oder so geartetes Anliegen auf diesem Weg zu mehr Aufmerksamkeit auf seine innewohnende Problemlage hin performen zu können.
Angesagt ist vielmehr eine andere Qualität von eigenem Seelenverhalten in das gesellschaftliche Umfeld einzuspeisen, was heisst ein stärkeres Auge auf die eigenen inneren Prozessqualitäten, die eigenen ätherischen und astralen Prozess-Dynamiken zu richten, um auf diesem Weg am sich Bilden einer „erhöhten Seins-Offenheit“ mitwirken zu können, der die entsprechende Erkenntnishaltung und stringente Handlungsreife sodann folgen kann. Mit anderen Worten:„Seelisches Beobachten nach naturwissenschaftlicher Methode“ ist zu vertiefen, damit auf den sozialen Feldern das zu Entscheidende aus allzu vielen Sackgassen heraus auf Neuland-Wege geleitet werden kann.
Die tagtäglichen Verkehrsstaus auf unseren Strassen sind nur Bilder für die vielen Staulagen innerhalb unserer sozialen Verhältnisse. Die gestaffelten Barrieren, die wir hier täglich durchlaufen, damit wir uns durch Stop and Go Gassen mühsam unseren Zielen annähern können, sind, aus einem gewissen inneren Abstand betrachtet, nichts anderes als Hürden für die Schulung unseres Willens. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit wirklich darauf richten wollten, uns in Tateinheit daran erinnerten, was Rudolf Steiner vor beinahe einhundert Jahren, weit voraus schauend für die neu zu begründende soziale Gemeinschaft selbstverantwortlich veranlagt sehen wollte, welche Konsequenzen müssten genau von diesen Bildern ausgehen? Ein resigniertes weiter so? Oder: Ich präge dem Geist Erinnern und Geist Besinnen, von dem Rudolf Steiner so eindringlich sprach, über eigene Beschämungen hinaus meine individuelle Signatur ein, löse mich mutig aus rückwärts gewandten ideell verklärenden Erinnerungen und belichte aus dieser Quelle selbsterinnernd eigene Alltagssituationen. Ich setze meine S e l b s t v e r w a n d l u n g e n  im Jetzt um. Was in seelischen Obertonlagen vieler Menschen sich heute mehr und mehr bemerkbar macht, könnte so in individuellen Wirklichkeiten Fuss fassen und von dort her, der Dringlichkeit der Stunde Rechnung tragend, in weitere soziale Räume fruchtbar ausstrahlen.
Was heisst das? Das Geist Erinnern, das uns in Alltagsbegegnungen da und dort weit mehr  berührt als wir schon wahrhaben können oder wollen wird zum leise anklopfenden Schicksalsboten für von uns aufzulösendes Karma. Wir sind also gefragt sorgsam zu ergründen, was es mit unseren Seelenregungen denn so auf sich habe, die in Begegnungen mit dem Du mitunter sehr impulsiv nach oben schwappen und für die wir oft allzu schnell unser Gegenüber verantwortlich machen, indem wir z.B. auf etwas, das uns scheinbar auf ein erstes hin völlig abwegig zu sein scheint, zurückweisend reagieren. Selbstbehauptung also anstatt über tieferes Erinnern und stilles Besinnen eine andere Sicht zu erwägen und in Folge ein Metanoia Bewusstsein zu entwickeln.
Denn: Metanoia Bewusstsein führt zu Bewusstseinserweiterung. Von daher ist also zu fragen: Sind wir irgendwann schon einmal dem Umstand denkend und empfindend näher getreten, dass es sich bei den mantrisch gehaltenen Wortverbindungen von Geist Erinnern und Geist Besinnen Rudolf Steiners um die am weitesten in die Zukunft reichende und doch zugleich die unmittelbar praktisch ganz das Hier und Jetzt berührende Bewusstseinsformel, den Code für ein an die Wurzel reichendes modernes Karma Verständnis und sein peripathetisches Verwirklichen durch unser aller guten Willen handeln könnte? Was könnte das konkret für die gegenwärtig neu aufgeflammten Auseinandersetzungen um die SKA bedeuten, was für unser aller still zu erlauschenden und selbstverantwortlich anzunehmenden Auftrag innerhalb unserer jeweiligen sozialen Alltagssituationen? (4) (5)
Geist-Erinnern und Geist-Besinnen beinhaltet also den Weckruf an den eigenen individuellen Willen schlechthin, ist die Herausforderung individuelle Selbstermächtigung zu wagen und mit ihr den stürmischen Winden wider die Selbst-Denkerschaft nicht auszuweichen. Das war das Ansinnen Rudolf Steiners, das in dem Michael-Spruch seiner letzten Ansprache kulminierte und nicht Anhänger diesen oder jenen Couleurs um sich zu scharen, die in Folge um die Vorherrschaft untereinander stritten. Wenn er sprach, dann sprach er in einer schöpferischen Art und Weise, die nicht nachzuahmen war. Als Selbstdenker, der sich sprechend an unabhängige Selbstdenker wandte.

Aus dieser Grundhaltung ergibt sich streng genommen, dass Rudolf Steiner als Person auch nicht verteidigt werden kann (⭐︎). Geisteswissenschaft kann sich nur durch Selbstdenker weiter entwickeln, durch Denker also, die Eigenständiges zu sagen haben, die Keimgedanken Rudolf Steiners schöpferisch über ein Interpretieren hinaus mutig weiter denken. Der Geist steht nicht still, ist nicht stehengeblieben bei Rudolf Steiner. Und weil da seinerzeit durch die gesamte Biographie Rudolf Steiners kein Stillstand zu verzeichnen war, kann er jeweils auch wie Rudolf Steiner das tat nur immer wieder neu individuell bezeugt, d.h. sich entwickelnd transparent gemacht werden. „Das Wesentliche ist und bleibt, dass man nicht über die Sache meines Denkens redet und schreibt, sondern sich auf sie einlässt, auf dass das mir Eigene das verwandelte Eigene eines Anderen werde (⭐︎⭐︎).“ Das könnte der Essenz seiner Aussage nach auch Rudolf Steiner ausgesprochen haben.
Geisteswissenschaft zu repräsentieren bedeutet also schöpferisch denken und handeln zu wollen und keinesfalls festzukleben am Status Quo von Rudolf Steiner. Geisteswissenschaft wie sie Rudolf Steiner vor Augen stand ist in meinen Augen eine Wissenschaft mit dem Mut sein eigenes Menschsein durch sie zu entwickeln und zu weiten. Sie lebt aus dem Geiste der Freiheit und meidet von daher jedwede Art der Brandmarkung. In der Sachargumentation klar und eindeutig, in der Auseinandersetzung von Mensch zu Mensch in der inneren Haltung respektvoll und wertschätzend.
Dass dies alles andere als leicht ist, das hat heute wohl ein jeder Mensch, der strebend sich bemüht in seiner Rückschau immer wieder auf seinem Bildschirm der seelischen Beobachtung. Wenn es hier nicht weiter zu gehen scheint, dann ist zu fragen, scheue ich davor zurück in den Wetterwidrigkeiten meiner Lebenswanderschaft ernsthaft nass zu werden oder gar unsanft im eigenen Dreck zu landen. Karma-Arbeit ist eine Herkules Aufgabe und kein das eigene Selbst beflügelnder Sirenen-Reigen durch vergangene Inkarnationen. Karma-Arbeit bedeutet den eigenen Augiasstall aufzuräumen und diese Arbeit nicht ruhen zu lassen, dazu werde ich tagtäglich mit jeder sozialen Begegnung erneut aufgefordert. Einmal mehr still, das andere Mal unverhohlen deutlich. Dabei geht es in erster Linie nicht um jene Begegnungen und Beziehungen, die von mir favorisiert in mein Bewusstsein gelangen, sondern um die ganz alltäglichen Begegnungen, wie z.B. im Supermarkt an der Kasse. Gelingt diese Arbeit dort nicht, dann kann sich Karma auch rundum den „Dornacher Hügel“ nicht wirklich klären, bleibt in idealisierten Absichtserklärungen hängen. Karma-Arbeit ist also die meinerseits fort und fort neu zu aktualisierende Auseinandersetzung um den eigenen Ich-Ausdruck und …  Karma-Arbeit ist ohne Respekt vor dem Du und zwar jedwedem Du eine Illusion.
Neige ich also im hier gegebenen Zusammenhang zu der Auffassung Christian Clement, den Herausgeber der SKA wegen bestimmter Aussagen als Feind meiner grundständigen spirituellen Ausrichtung zu bezeichnen oder sind mir nach meinem Verständnis gewisse „Tatsachen“ scheinbar unabweisbar  ihn als vermeintlichen Gegner Rudolf Steiners auf den Pranger zu stellen (6), so habe ich unter Wahrung der vollen Sachlichkeit seiner Person gegenüber, in heutiger Zeit, also in einer Bewusstseinsseelen-Zeit, den Grund für diese Auffassung in erster Linie innerhalb ungeklärter Empfindungen meinerseits zu suchen. Duale Übertragungen von eigenen seelischen Befindlichkeiten unter Ego zentrierter Vorspiegelung von Sachlichkeit sind nicht zeitgerecht. Was Christian Clement über Rudolf Steiner zu sagen hat fällt insoweit in seine Verantwortung als auch er seinen ureigenen Weg zu gehen hat Freiheit individuell für sich zu verwirklichen. Ich kann und darf ihm nicht ins Stammbuch schreiben, was er zu sagen hat, damit es aus meiner Sicht mit Rudolf Steiners Werkschaffen konform geht. Ich kann nur stets auf ein Neues bemüht sein, dass meinen sprachlichen Verlautbarungen ein Seelenleben zu Grunde liegt das Bewusstseinseele, also Ich-Wirksamkeit zum Ausdruck zu bringen weis. Die gegenwärtige Auseinandersetzung um die SKA ist für einen jeden Teilhaber insofern als Herausforderung anzuschauen Ichwirksamkeit sichtbar werden zu lassen und dem Gemischten König die Türe zu weisen, indem irrlichternde Vorstellungen über das Sagen Rudolf Steiners allseitig „verbrannt“ werden.
Von daher steht die grosse Frage im Raum:
Kann heute noch mit Aussagen Rudolf Steiners argumentiert werden, die keine zeitgerecht selbständige Signatur, sprich gedankliche Weiterentwicklung erfahren haben? Ist Geisteswissenschaft im Sinne Rudolf Steiners nicht von allem Anfang an von einem schöpferischen Duktus geprägt und muss von daher in der Argumentation mehr ausweisen als lautlos ins Abstrakte abgedrängte geisteswissenschaftliche Begriffe Rudolf Steiners oder versteckt subjektive seelische Befindlichkeiten? Ist doch der Bewusstseinsseelen-Sturm bereits voll über uns und rast durch unsere Seelen. Eine in sich ruhende Urteilskraft ist das Gebot der Stunde, denn Scylla und Charybdis sind in unseren Tagen allgegenwärtig, prüfen unsere Standfestigkeit innerhalb einer vielfältig wirksamen Dynamik des Willens in unserer aller Alltag. Wer dies als solches nicht in sich erlebt, bzw. dem derartiges nicht in seinem Umfeld unter die Augen tritt, der scheint einfach immer noch zu sehr in Vorstellungsillusionen befangen zu sein. Doch unbefangen angeschaut gilt auch hier: Eines jeden Menschen Geist Erinnern wird diesen zu seiner Zeit darüber aufklären, was für seine Person „Tatsache“ (7) ist.
Dies lässt erschrecken, macht es doch offenbar, dass, wer wegschaut schon tot ist bevor er stirbt; mithin eine Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft sich ihr Grab schaufelt, wenn sie zulässt dass durch Repräsentanten aus ihren Reihen „geisteswissenschaftlich“ ins Abstrakte abgedrängte, in der individualisierten Anschauung vorschnell, weil nicht genügend vertiefte Argumente auf ein Gegenüber übertragen werden, um damit die Gegnerschaft dieses Menschen zu Rudolf Steiner zu begründen. Ist es klar, dass ich mit einem so gearteten Denken auf einer sehr dünnen Kreditnehmer Beziehung im Verhältnis zu Rudolf Steiner argumentiere, wenn ich ein Du auf der Grundlage meines Vorstellens zum Gegner mutiert darstelle, anstatt mich mit ihm in einem von unverstelltem Interesse geleiteten Beobachten, sowie  innerem Gleichgewichtsbestreben sachlich auseinander zu setzen? Unterbricht ein derartiges Verhalten nicht den von Rudolf Steiner grundständig für die Geisteswissenschaft veranlagten Freiheitsgeist? Kann lebensmässig von einem Freien Geistesleben gesprochen werden, wenn bestimmte Vertreter genau diese Freiheit anscheinend in Wort und Schrift nicht allseitig zu gewähren bereit sind? „Offenheit“ jedoch ist der Quellort von Freiheit, wie der Mut Freiheit zu leben bewirkt, dass das Ich sich innerhalb der ihm zugeordneten Berührungsereignisse verschiedener Du-Akteure sich immer mehr in seine Präsenz (8) erhebt. Denn: In und aus dem Ich kommt der Mensch erst voll in der Wirklichkeit des Lebens an, weil Leben Tätigkeit aus dem Ich ist.

Bernhard Albrecht


(1)  Von der Un-Verborgenheit. Fridolin Wiplingers Bericht von einem Gespräch mit
       Martin Heidegger, (Seite 52). Centaurus-Verlagsgesellschaft Pfaffenweiler 1987
       siehe unter anderem:
(2)  https://egoistenblog.blogspot.com/2020/01/aletheia-die-nicht-verborgenheit.html
       und weiter reichend: Martin Heidegger: "Was heisst Denken? Reclam Verlag 2015
       (nur noch als e-book erhältlich)
 (3) Eine Wortbildung von Martin Heidegger in seinem Gespräch mit Fridolin Wiplinger.
       Siehe unter (1) Seite 36/37
       Wiplinger:
       „Sie wollen also sagen: Die Lichtung ist nur dann ihrem Wesen gemäss gedacht,
       wenn sie als Lichtung des bergenden Sichverbergens gedacht ist.“
       Heidegger:
       „Das Wesentliche der Verbergung liegt nicht in der Verhüllung der Entborgenheit,
       sondern liegt in der Bergung bzw. im Sichbergen.
       Wiplinger:
       „Wenn Sie der Auffassung sind, die Lichtung sei noch nicht in der rechten Weise
       gedacht, dürften Sie auch das Wesen des Menschen, die Ek-sistenz, inzwischen anders
       denken als früher; Ek-sistenz und Lichtung gehören ja wesenhaft zusammen."
       Heidegger:                        
       „Die Er-fahrung der ursprünglichen Aletheia nötigt zu einem gewandelten             
       Verständnis alles bisher von mir Gedachten, vor allem des Wesentlichsten und dazu
       gehört ohne Zweifel das, was ich die Ek-sistenz nenne.“
       Wiplinger:
       „Dass die Bestimmung des Wesens des Menschen im Sinne der Ek-sistenz mit der  
       Exsistenzphilosophie nichts zu tun hat, versteht sich und sei nur nebenbei erwähnt.
       Wichtiger ist das Phänomen, dass Sie in Hinsicht auf die Ex-istenz im Blick haben -
       nämlich, dass einzig unter allem Seienden der Mensch offen steht für die Offenheit
       des Ganzen der Wirklichkeit, welches einheitliche Ganze das Sein ist.“
       Heidegger:
       „Und diese Offenheit habe ich in meinen früheren Schriften - man mag das etwa in    
       der Einleitung zu Was ist Metaphysik? nachlesen - als Un-Verborgenheit ausgelegt.
       Ebenso ist es mir mit der Lichtung widerfahren. was ich im Zusammenhang der
       Erörterung der Ek-sistenz - man denke an den Brief über den Humanismus -
       gedacht habe, als ich sie dachte, war nichts anderes als die Un-Verborgenheit.
       Von ihr kann jedoch, wie ich inzwischen erfahren habe,
       die Ek-sistenz nicht gedacht werden.“
       Wiplinger:
       „In welchem Sinne hat sich denn Ihr Denken über die Ek-sistenz  in den letzten
       Jahren gewandelt?“
       Worauf Heidegger nach Wiplingers Versicherung folgendes geantwortet haben soll:
       „Das tragende Phänomen einer jeden Erörterung der Ek-sistenz haben Sie schon
       in der rechten Weise benannt:
       Die Offenständigkeit des Menschen für die Offenheit des Seins.
       Die Sistenz der Ek-sistenz beruht in der Insistenz.
       Ex-sistenz besagt dann Inständigkeit in der Offenheit des Seins.
       Diese Offenheit dürfen wir jedoch nicht mehr im Sinne der Un-verborgenheit denken.
       Wir können an Stelle von Offenheit auch Lichtung sagen, müssen sie dann jedoch       
       in ihrem äussersten Wesen denken: als Freigabe
       des bergenden Sichverbergens des Seins.
       Die Inständigkeit des Menschen in der sogenannten Lichtung
       ist ekstatischen Wesens, welche Ekstasis das Ausstehen meint.
       Die hier massgebliche Weise des Ausstehens vermag ich heute
       nicht mehr als Sorge, Hut oder Wächterschaft zu begreifen, wie ich das früher tat.“
       Wiplinger:
       „Weshalb denn nicht? Wenn die Ek-sistenz die Insistenz der Lichtung des sich
       verbergenden und bergenden Seins ist, anders gesagt die Lichtung des Geheimnisses,
       als welches das Sein west, dann ist das Hüten des Geheimnisses,
       zu dem sich ja der Mensch nicht selbst ermächtigt,
       sondern in das er gerufen ist, doch das einzig angemessene Verhalten des Menschen.“
(4)  siehe:
       https://egoistenblog.blogspot.com/2020/01/aletheia-die-nicht-verborgenheit.html
(4)  siehe https://ich-quelle.blogspot.com/2019/12/der-dialog-als-beburtsstatte-der.html
(5)  und https://egoistenblog.blogspot.com/2020/01/denunzianten-und-gralsritter.html
       (⭐︎)     siehe oben unter (4)
       (⭐︎⭐︎)  siehe oben unter (1)
(6)  siehe: Ludwig Wittgenstein, tractatus-logico-philosophicus Traktate 1 -  2.013
(7)  und einige Anmerkungen zum Tatsachenbegriff gegen Ende des Essays hier: 
      https://ich-quelle.blogspot.com/2017/09/den-willen-dynamisieren_97.html
(8)  siehe unter anderem dies in:
      https://ich-quelle.blogspot.com/2018/09/ich-karl-balmer-die-frage-geht-weiter.html
„Das Ich als die sich selbst greifende, sich fliessend beständig wandelnde Entität des Seins       schlechthin zu verstehen, als den Gestaltfaktor der das sogenannte Übersinnliche in fortlaufender Vertiefung zur Seinserfahrung werden lassen könnte, das wäre „die“ erweiterte Aufgabe, die ein sich selbst zu gegenwärtigen Erfahrung bringendes Ich in die eigene Seinserfahrung zu implementieren hätte. Ein Denken, welches das Übersinnliche nicht praktisch konkrete Seinserfahrung werden lassen kann ist in meinen Augen nämlich eine Verzerrung dessen was es sein kann.“