Freitag, 23. Februar 2018

Den Irrtum verwandeln

«Denn die wirkliche Wahrheit ist nicht die Wahrheit, sondern der überwundene Irrtum».

Ich kannte Friedrich Benesch, aus mancherlei persönlichen Gesprächen und bin ihm, seinen Vorträgen lauschend, im Kreise vieler junger Menschen an verschiedenen Orten über Jahre hinweg immer wieder begegnet. Er war ein Meister der pointierten leisen Wortbetonungen, die sich für den, der ein Ohr dafür hatte dann überraschend weit in ihrer Bedeutung und Tragweite öffnen konnten, ohne dass er selbst dazu grosse Erläuterungen hinzufügen musste. Er ging auf seine Art immer hautnah an der Kimme der Worte und Gedanken Netzwerke entlang, die er sich für seine Vorträge zum Thema gewählt hatte. Und gerade das konnte unter seinen Zuhörern ein Gefühl für ihre eigene innere Freiheit wecken und in Folge Begeisterung hervorbringen.
Graniten sein Denken, ja. Doch da war noch etwas anderes, das dem inneren Anschauen sich nicht unbedingt zeigte. Ein Feuer, das um seine Zügelung und innere Führung mit grosser Disziplin rang. Benesch war ein starker Raucher, aber keiner aus Lust oder ausgefranster Gewohnheit heraus. Er benutzte unter anderem das Rauchen, um sein Feuer in den Klüften seiner kräftigen physischen Gestalt abschirmend bändigen zu können. Wie schwer ihm das auch werden konnte, das trat nicht oft und wenn überhaupt nur ganz leise in Erscheinung.
Den Kopf in die linke Hand gestützt, den Körper leicht nach links und hinten geneigt, so konnte er in der Runde junger Menschen in seinem Lehnstuhl sitzen. Ein leises, nach innen gewandtes Lächeln, so, als ob er dort etwas bewachte, verbunden mit einem Flor von Schmerz, bevor er seinen Falken gleichen Blick wieder voller Interesse auf die jungen Menschen um sich herum richtete. Einfach unauffällige Präsenz in Person.
Einmal erzählte er wie nebenbei von seiner dramatischen Flucht mit den Bewohnern von Birk aus Siebenbürgen. Ein Kette von Ereignissen, aus dem sich eine heldenhafte Vita stricken liesse. Doch er lenkte dabei den Blick, als er den Flüchtlingstreck als Anführer kurz entschlossen eine Brücke im Galopp nehmen lies, die schon unter Beschuss stand und die kurz danach in sich zusammen brach auf ein ganz anderes Ereignen. Grau im Gesicht, die Pupillen seiner Augen wie arretiert auf ein bestimmtes Nacherleben gerichtet, lies er mich an dem Ineinander Fallen von Vergangenheit und Zukunft in diesem dramatischen Augenblick teilhaben. Danach verlies er die Runde der jungen Menschen, was er meiner Erfahrung nach in einer Seminarpause niemals vorher getan hatte.
Erst Jahre später begriff ich wie viel mehr noch mit diesem Geschehen verbunden war. Was in esoterischen Kreisen heute oft so gerne vermarktet wird, der eindringliche Verweis auf das Hier und Jetzt kann zu einem intellektuellen Fallstrick werden, wenn nicht das Dahinter in ihm … bewegt in Bewegung … innerlich gefasst wird.
Friedrich Benesch hat seine nationalsozialistische Vergangenheit an entscheidender Stelle offenbar nicht aufgedeckt. Er hat aber die Verwandlung seines Irrtums durch tausend Tage nachfolgenden Alltags in einer nicht alltäglichen Präsenz vor aller Augen, die das sehen wollten, unauffällig vorgelebt. - Seine Art von Freiheit nicht nur zu sprechen, sondern diese auch zu leben.

„Denn die wirkliche Wahrheit ist nicht die Wahrheit, sondern der überwundene Irrtum“
https://egoistenblog.blogspot.ch/2018/02/friedrich-benesch-nationalsozialist.html?showComment=1519390543203#c1615849764438047754