Dienstag, 25. August 2020

Fragment 1/2020

Welch ein Widersinn die Grundlegung der modernen Wissenschaft vom Nirgendwo her in einer Suchbewegung neu ins Auge zu nehmen? Das kann doch nicht sein - oder? Oh doch … und gerade jetzt, wo diese Wissenschaft in der vielleicht grössten Krise ihrer ursprünglichen Entwicklung steht.
Denn: Das Nirgendwo weisst auf die Grundfrage der Wissenschaft schlechthin. Das Nirgendwo führt uns in dynamischer innerer Bewegung an den Ausgangspunkt von Wissenschaft. Das Nirgendwo kann uns die Augen öffnen, hin auf die Brücke, die Sokrates seinen Schülern erstmals vom Denken her innerlich versucht hat aufzuzeigen.
Das Nirgendwo wird uns, so wir es wirklich wollen über die Schwelle des „ich weiss, dass ich nichts weiss“ hinaus führen die Wissenschaft jenseits scheinbar nicht zu umgehender Interessenkonflikte und dogmatischer Sicherheitsverpflichtungen allein auf der Grundlage der Würde des Menschen zu erneuern.
Sie, die Würde des Menschen ist der Anker, den es heute vorrangig zu verteidigen gilt. Ihr allen nur denkbaren Mut angedeihen zu lassen, das ist die Verantwortung eines jeden Menschen heute, der nicht länger mehr zu warten gewillt ist, bis ein Jemand den Karren aus dem Dreck zieht, sondern der das Seine still und leise im mutvollen Durchgang durch das „ich weiss, dass ich nichts weiss,“ tut, weil es nur von ihm, im stillen Verbund mit Vielen getan werden kann.

© Bernhard Albrecht 25.08.2020

Freitag, 14. August 2020

Zwischenruf 4/2020 ... oder die Furcht vor ...

Die Maske ist, „ist“ das Zivilisationsprodukt schlechthin. Weil … sich verbergen wenigstens vorübergehend die Illusion von Sicherheit vermittelt. Einer Sicherheit, die „nicht“ ist, denn ansonsten würde nicht soviel offenkundige und verdeckte Hektik unser aller Alltag immer wieder bestimmen. Ohne es „wirklich“ zu bemerken, sind wir nicht in einem viel zu grossen Ausmass unserer Tageszeit allein damit beschäftigt „Sicherheitslücken um uns zu schliessen?
Sie müssen das nicht glauben. Aber vielleicht nehmen „Sie“ doch gelegentlich einmal so etwas wie eine Lupe zur Hand und untersuchen ihr aller nächstes eigenes Bewegungsfeld innerhalb verschiedener Alltagssituationen, innen wie aussen. Je unbefangener Sie das tun können umso besser, denn die Selbst-Verschleierung ist die Mutter der Furcht.
Der Furcht … vor dem Ich.
Vor über 100 Jahren wurde es gesagt: Das Ich „lebe“ in der Aussenwelt (1). In der Aussenwelt? Für wen ist das eine Erfahrungstatsache?
Rudolf Steiner sprach in diesem Vortrag auch über die Bedeutung von Symbolen für die erfahrungsbasierte Erschliessung der „geistigen Welt.“ Nun, Laute wie Wortbildungen, sind sie ihrer Konnotation nach nicht auch so etwas wie Symbole? Mir ist klar, dass sich hier Widerspruch regt. Doch Widerspruch vielleicht nur, weil die Worte heute mit einem so hohen Abstraktionsgehalt gleichsam ummantelt sind, dass ihr verweisender Symbolgehalt auf eine geistige Welt nicht mehr so ohne weiteres erlebnismässig erfahren wird.
Wir haben uns eigentätig in Isolationshaft gegenüber der geistigen Welt versetzt. Und aus dieser Isolationshaft kann uns „niemand“ befreien als wir selbst.  
Das aber bedeutet in je individueller Weise: Willst Du Deine Furcht bemeistern und Dein Leben ändern? Willst Du Dein Welt-Anschauen, Dein Wissenschaftsverständnis erfahrungsbasiert öffnen und erweitern? Willst Du Deinen Willen vom Nirgendwo her dynamisieren? …

© Bernhard Albrecht, 14.08.2020
 

(1) Rudolf Steiner in seinem Vortrag auf dem Philosophen Kongress in Bologna 1911