Sonntag, 20. November 2016

Bruchstücke 1

Vorbemerkung:
Bruchstücke stehen im Rang einer Notiz, die eine erste Ausarbeitung erfahren hat, ohne vollendet worden zu sein. Sie deckt das Thema, das behandelt wird also nicht voll umfänglich ab. Wenn ich diese Ausführungen jetzt dennoch auf meinem Blog einstelle, dann als Denkanstoss, um sich mit dem Thema weiter über eine abstrakt philosophische Dimension hinaus vertieft zu beschäftigen und auf diese Weise das Denken in inneren Erfahrungen soweit zu verdichten, unmittelbar in ihm präsent zu werden, dass es in eine Anschauung erwächst..

Was ist gemeint mit der Aussage Rudolf Steiners, dass eine gegenwärtige Beobachtung des Denkens nicht möglich sei (Philosophie der Freiheit, 3.Kapitel). Von welchem Denken schreibt da Rudolf Steiner. Es ist das Denken vor Erreichen des Ausnahmezustandes, das Denken in Vorstellungsbildern oder Abbildern des eigentlichen Denkens, das im Sinne von Platos Höhlengleichnis als eine Illusion von Denken durch die innere Umwendung und den nachfolgenden Sprung über das Feuer (alle Vorstellungen müssen innerlich gleichsam verbrannt werden) vorrangig als dem eigentlichen Denken realitätsfern durchschaut werden muss.
Erst im Durchgang gewissermassen durch die Desillusionierung in Bezug auf die so genannte Wirklichkeit des eigenen Denkens, kann eine allmähliche Annäherung an den so benannten „Ausnahmezustand“ erfolgen.
Dass dies nicht ganz einfach ist, das soll nicht bestritten werden, denn wer zieht sich schon ohne Absicherung durch einen Fallschirm selber den Boden unter den Füssen weg und lässt sich ins Bodenlose fallen. Wer löscht schon eigentätig von einer Leinwand alle Schriftzeichen und die damit verbundenen Vorstellungsbilder, kann sich ganz mit dem Weiss der  blossen Leinwand verbinden, ohne von Bewusstseinsturbulenzen aufgescheucht innerlich mit seiner anfangs instabilen Aufmerksamkeit weg zu dämmern oder sogar ein zu schlafen.
An derartige Grenzerfahrungen eigener Bewusstseinstätigkeit im Umgang mit dem eigenen Denken auch nur peripher heran zu treten, ruft unterschwellig die denkbar heftigsten Abwehrreaktionen des Ego auf den Plan. Denn was im Bereich dieser Grenzerfahrungen geschieht, kommt bildhaft gesprochen einer Wildwasser Fahrt mit dem Kajak in schwierigen Gewässern gleich, bei der einem das Paddel bricht oder kenternd aus den Händen gerissen wird und bei der zu lernen ist einen hochaktiven Ruhepunkt innerhalb extremer Bewegungen in sich zu finden. Gelingt dies, verzieht sich der Sturm, der einem bis an hin zwischen Scylla und Charybdis auf dem eigenen inneren Bewusstseinsfeld denkerlebend hin und her geworfen hat.
Dem Sturm folgt sodann die Herausforderung auf dem Feld innerer Beobachtung hoch aktiv ganz in diesem Ruhepunkt der Stille, dem Auge des Hurrikans, also ohne eine irgendwie geartete „duale“ Abstützung, allein im Bewegungsfeld dynamischen Denkerfahrens eine wenigstens vorübergehende Wachheit zu erlangen. Es beginnt das Krafttraining für den eigentlichen Ausnahmezustand des Denkens im Alltag.
Der Ausnahmezustand ist nämlich in einem durch verschiedene Stufungen hindurch entwickelten fortgeschritteneren Ereignen ganz und gar kein Zustand, der in der meditativen Zurückgezogenheit eines Arbeitszimmers  zu erlangen ist (Rudolf Steiner auf die Frage wie er zu seinen Fähigkeiten gelangt sei: „Ich habe mir mein ganzes Leben hindurch die Schuhe immer selber geputzt“).
Mit anderen Worten, erst wenn sich innerhalb der Lebenswelt des Alltags das Denken in einen Ausnahmezustand immer wieder und wieder umstülpen lässt, bekommt Geisteswissenschaft aus meiner Sicht eine Basis, auf der ein Forschen beginnen kann.
Das Reden von und über das reine Denken scheint mir in allzu vielen Fällen auf dem Hintergrund  nicht durchschauter Anhaftung an Abstraktionen geführt zu werden, welche von den Kreiselbewegungen des Ego - Mahlstroms umnebelt wird. Wobei gegen die Abstraktion im Denken nichts zu sagen ist, wenn denn die in ihr äusserst fein verwobenen Vorstellungsbilder einer Auflösung zugeführt werden können. Die Abstraktion kann als janusköpfig beschrieben werden, mit zwei Toren: Einem das in die All - Leere führt und einem anderen, das den Wanderer im Erfahren des Ausnahmezustandes im Denken in die All - Fülle geleitet. Ego - Verhaftung oder aktives  sich Versetzen in die Ich - Präsenz ist hier die Entscheidung!
Wenn, wie zum Beispiel Mieke Mosmuller von gewissen Seiten eine ureigene Erfahrung des Ausnahmezustandes im eigenen Denken abgesprochen wird, dann wäre für diverse Opponenten vorweg zu klären inwieweit sie ihrerseits über eine Erfahrung des Ausnahmezustandes im Denken verfügen. Denn nur auf der Grundlage eigener Erfahrung dieses Zustandes kann die Erfahrung des Ausnahmezustandes eines anderen Menschen überhaupt ins Auge genommen werden. Eine Abstützung auf Aussagen Rudolf Steiners zu diesem Ausnahmezustand taugt für die eigene Argumentation „wissenschaftlich“ hier in keiner Weise irgendetwas. Allein die eigene Erfahrung kann hier Klärung bringen.
Und mit der eigenen Erfahrung im Hintergrund kann wechselseitig individuelle Erfahrung dieses Ausnahmezustandes nur zu einer Bereicherung im Forschen von verschiedenen Seiten her führen, zu Respekt vor dem Bemühen eines anderen Menschen auf einem Forschungsfeld, das erst ganz im Anfang seiner Erforschung steht.