Montag, 15. November 2021

Fragment 1/2021 - Aristoteles über das geistige Forschen

Auf Aristoteles geht die Peripatetik, zumindest in der stringenten Anwendung derselben zurück, das Denken und Sprechen im Schreiten, das Denken und Sprechen in und aus der Bewegung heraus. Es wird erzählt, dass er bei seinen Vorlesungen in Platons Akademie und später in seiner eigenen Akademie immer mit einem ein wenig geneigten Kopf vor seinen Schülern auf und ab schritt, während er sie „unterrichtete.“ Von was „unterrichtete“ er sie? Er erzählte ihnen von seinem inneren Forschen in eben diesem Augenblick, während er zu ihnen sprach. Er berichtete ihnen von seinem inneren Grenzgang entlang des Nichtwissens, mit den Worten des Sokrates, wie sie von Platon übermittelt wurden, ausgedrückt, von seinem „ich weiss, dass ich nicht weiss.“ Aristoteles schritt, wenn er sprach immer entlang des Ursprungs im Denken, vermittelte die Ursprünglichkeit der Bewegung im Denken und was von daher in Erscheinung trat.

Er erzählte ihnen, dass „er“ sie nichts lehren könne, er könne ihnen alleine aufzeigen, was zu finden sei, wenn sie sich ihrerseits wie er an die Grenzen des ich weiss, dass ich nicht weiss vorwagten und im Zusammenschluss mit der stetig fliessenden Bewegung des Denkens Einblick erhielten, was in diesem ihren ureigenen forschenden biographischen Augenblick zu erfahren möglich sei. Er könne ihnen nur die von ihm weiter entwickelte Fragetechnik des Sokrates ans Herz legen und sie ermuntern in Selbstversuchen niemals nachzulassen. Ergebnisse seien eine Frage des Reifens, erwüchsen mithin aus dem stillen Erwarten im Inneren.

Aristoteles, der Meister des inneren Dialogs … mit dem Geist. Mithin: Die seelische Beobachtung, eine Methode um Denken und Wille wiederum miteinander neu zu verbinden und damit gegenüber dem Geistigen die jeweils Geist gemässe Plattform für sein aktuelles sich Ausdrücken aus dem tatsächlichen Nichtwissen zu ermöglichen. Das bedeutet, dass von heute her ein Erforschen der geistigen Welt nur aus gleichermassen nach innen, wie nach aussen unverstellten Dialogen entstehen kann.

Ohne tief innerliches Lauschen lässt sich keine zeitgemässe Brücke zum Geiste hin erbauen … und Freiheit über alle heute gewohnheitsmässigen Abstraktionen in landläufigen Kommunikationsprozessen hinweg in seiner ursprünglichen Essenz nicht lebendig verwirklichen.


© baH, 15.11.2021

Mittwoch, 10. November 2021

Freude

Dieser Beitrag ist eine Antwort auf einen Kommentar des nachfolgenden Links

https://ich-quelle.blogspot.com/2021/03/einer-wagemutig-fragenden-freundin.html

Liebe Ursa

Du weisst gar nicht wie sehr ich mich über Deinen fragenden Kommentar gefreut habe. Dein „bedingungsloses Interesse“ ist es, das mich Dir offen und über das hinaus, was üblicherweise auf Blog Ebene offen gelegt wird, antworten lässt.

Ja, ich bin nicht aus dem Denken herausgefallen. Im Gegenteil, dieses mir eigene Denken hat mich, zu Ostern ohne jede vorausgehende Vorwarnung mit einer weit fortgeschrittenen, aggressiv  Metastasen bildenden Krebserkrankung konfrontiert, durch alles Folgende hindurch getragen. Heute, nachdem ich über das medizinische Netzwerk guter Freunde innerhalb weniger Tage in die europaweit bestmöglichen fachlichen Hände vermitteltet, umgehend mit einer streng getakteten, mehrmonatigen Therapie beginnen und diese zwischenzeitlich auch abschliessen konnte, darf ich sagen, dass ich entgegen der ursprünglichen Aussichten noch eine echte Lebenszeit vor mir liegt. Medizinisch ohne Symptome kann ich mich als geheilt betrachten.

Die Wochen nach der zuletzt auch physisch sehr herausfordernden Therapie habe ich seither damit zugebracht darüber nachzusinnen, was für mich nach diesem Lebenseinschnitt in der mir geschenkten Zeit als noch zu tun sich anzeige. Dass das was ich auf meinem Blog Ichquelle bisher zur Problematik gegenwärtigen Umgangs mit der Bildung von „Vorstellungen“ in heutiger Zeit, zum Ich Verständnis und Ich Erleben, zum Denken wie auch zu einem zu erweiternden Wissenschaftsverständnis da und dort an gedacht habe, was ich auf Wege der Befreiung als einen poetisch verklausulierten Weg seelischer Beobachtungen für mögliche individuelle Willensdynamisierungen niedergelegt habe, das ist Weg und Baustelle gleicherweise. Und das wird auch vom Ansatz her so bleiben.

Da mein Blog Wege der Befreiung seit Jahren vom Deutschen Literaturarchiv gelistet ist, sowie darüber hinaus per internationaler Bibliothekskennzahl von mittlerweile 16 grossen Bibliotheken, vorwiegend im süddeutschen Raum anscheinend auch registriert wird, ist eine Buchpublikation aus meiner Hand, um die ich mich offen gestanden bisher immer wieder herumgedrückt habe, wohl nicht mehr zu umgehen. Auf welche Weise ich in diese deutlich breitere öffentliche Wahrnehmung gelangen konnte, das weis ich offen gestanden bis heute nicht. Interesse geht offenkundig ihre ganz eigenen Wege, ein Interesse, das ich mir von Seiten spiritueller Kreise durchaus vermehrt gewünscht hätte. Und dies nicht aus persönlichen Gründen, sondern um der Sache praktischer, sozialer Willensdynamisierung willen, um die es im Grunde innerhalb unserer gegenwärtig unabweisbaren gesellschaftlichen Umbrüche geht.

Covid, die weltwirtschaftlich äusserst kritische monetäre Situation, das immer unverblümtere Ausufern des Hashtags in den sozialen Medien mit seinen unter anderem geradezu kruden, aller mitteleuropäisch entwickelten Denkkultur ins Gesicht spukenden Verschwörungsmythen (nicht zuletzt auch von spirituellen Menschen, die eigentlich über ein Basiswissen verfügten, von dem her eine derartige Entwicklung nicht hätte ausgehen dürfen) usw., dies alles scheint in einem Krisenmodus unaufhaltbar auf einen grossen Crash mit schwerwiegenden politischen und sozialen Folgen zu zulaufen. - Und die verdeckte Innwelt Krise, die Krise eines vor allem bewusster zu führenden Willens im Denken vor der gemeinhin kommunizierten Umweltkrise in nicht länger mehr zu verdrängender Weise sichtbar zu machen. Die gegenwärtige Klimakonferenz von Glasgow ist diesbezüglich geradezu ein grotesk tragisches Beispiel politischen Unvermögens zeitgemäss zu denken und zu handeln.

Damit lanciere ich nicht einen weiteren von vielen derzeit auf die eine oder andere Weise publizierten Kassandrarufen, sondern stelle nur, gleichsam wie ein Fremder mich von aussen her in den Blick nehmend der selbsterkennenden Zeitnotwendig, „habe ich in meinem bisherigen Leben über zu viele Situationen hinweg geschlafen, von denen her andere Weichenstellungen möglich gewesen wären?“ Gilt für mich von daher also das Wort: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben?“

Unter einem Gesichtspunkt will und muss ich diesem Gedankengang jedoch sogleich deutlich widersprechen. Ich bin verschiedentlich darauf angesprochen, um nicht zu sagen geradezu unfreundlich angerempelt worden meine auf Ichquelle geäusserten Gedankengänge wissenschaftlich mehr zu verdichten und zu systematisieren. Dies habe ich nicht getan und werde es auch in der nächsten Zeit nicht tun können. Denn die hier peripathetisch angelegten Gedankengänge bedürfen vor aller heute noch nicht absehbaren Systematisierung einer sozialen Praxiserfahrung, einer durch und durch sachlich und wertschätzend geführten Disputatio. Einer Gesprächsbereitschaft über alle etwa vorhandenen Grenzen und Vorbehalte unterschiedlich im Leben unterwegs seiender Menschen hinweg, die trotz mancherlei von meiner Seite in konkreten Situationen angestossener Bemühungen bis heute leider nicht zu Stande gekommen wollte. Der Wille muss auf breiterer Ebene im Denken zu einer Erfahrung werden bevor über ihn weiterreichender wissenschaftstauglich geschrieben werden kann.

Doch die Protagonisten diverser unterschiedlicher Geistesrichtungen schienen letztlich wohl lieber in ihren eigene behüteten Zirkeln verbleiben zu wollen, als die sachlich gegenseitig befruchtende Auseinandersetzung zu suchen, bzw. längerfristig aufrecht zu erhalten oder vielleicht auch aushalten zu können, wenn es im weiteren Verlauf auch nur möglicherweise darum hätte gehen können eigene eingemachte Töpfe zu öffnen und die Zutaten bisheriger Denkbemühungen neu abgeschmeckt zu verkochen. Dass solches Verhalten weit ab davon liegt die Möglichkeiten eines freien Geisteslebens zu nutzen und praktisch innerhalb dieser weiter zu entwickeln, das schien mir dabei eher nicht in den Fokus gerückt zu werden.

So bin ich im Durchgang durch meine eigene Lebenskrise im Laufe dieses Jahres in einem modernen Sinne vor die Situation gestellt mich in meinem Denken, Fühlen und Wollen gleichsam an den „Jordan Fluss“ geführt zu sehen, den seit uralten Zeiten so benannten „Fluss der Reinigung oder auch des Metanoia.“

Mit Blick auf die gegenwärtige Gesellschaftslage in etwas anderen Worten sozialkritisch zum Ausdruck gebracht: Es wird zum wer weis wievielten Male „gegen“ Covid geimpft, bzw. freundlich gesagt mit den erstaunlichsten Argumenten sich gegen eine Impfung ausgesprochen. Was beidseitig in dieser gesellschaftlichen Lage aus meiner Sicht nicht wirklich bedacht wird, das ist die vertiefte Durchleuchtung der Hintergründe dieser Vorgänge und das sind mannigfaltige Vorstellungsverkrustungen hinsichtlich der zugrunde liegenden Wirklichkeitsbezüge, bzw. der notwendig zu dynamisierenden Denk- und Willensbewegungen innerhalb dieser Zusammenhänge, die eigentlich anstehen geistesgegenwärtig durch geputzt zu werden. Ein vom Bewusstsein her zu vertiefendes Erfahren von dem was Immunisierung ist bzw. an vielfältigen unterschiedlichen Faktoren eigentlich umfasst. Ein Bewusstsein für Immunisierung, das nicht nur auf Gefahrenabwehr beruht, sondern auch auf „atmender“ Weltoffenheit. Nicht umsonst offenbart sich uns Covid auch als Atemwege Erkrankung. Lernen wir von daher also wieder über Grenzen hinweg einander atmend zu begegnen. Zukunft beginnt in der Offenheit des Herzens eines rein menschlichen Interesses.

Liebe Ursa. 

Wir sind uns durch Deinen Kommentar auf der Hochseil-Brücke begegnet und Du hast mir auf die Beine geholfen (lächel). Denn: Ich habe in den vergangenen Wochen eine nicht unerhebliche Anzahl von Anläufen unternommen wieder zu schreiben, doch das meiste davon schon im Anflug verworfen, obwohl es vor meiner inneren Anschauung sich durchaus bedeutend genug zeigte es schreibend weiter zu entwickeln. Wenn es um lebendig Geistiges geht dann bedarf dieses eben eines aktiven sozialen Interesses, damit es in Erscheinung treten kann. Das ist mir in den letzten Wochen noch einmal verstärkt zum Bewusstsein gekommen. Ein Interesse nicht des anhaftenden zu Füsse Liegen um eine wie auch immer geartete Lehrerpersönlichkeit oder gar eine im Grunde kraftlos gewordene nostalgisch verbrämte Erinnerungskultur im Hinblicken auf eine verstorbene, ehedem bedeutende Geistespersönlichkeit der Vergangenheit. Nein, diese Art des Verbindung Schaffens zu geistigen Belangen ist vorbei. Was not tut ist, dass Schüler und Lehrer vergangener Zeiten im Hier und Heute sich beidseitig aufraffen zu einer aktiven Partnerschaft auf Augenhöhe. Die knospende Blüte des Gral will aufblühen in ein Morgenrot des Geistes hinein.

Bernhard Albrecht






Sonntag, 3. Oktober 2021

Aus aktuellem Anlass - eine persönliche Anmerkung

Ich beobachte nicht erst seit heute durchaus sehr aufmerksam, was sich im Statistik-Verlauf meines Blogs abbildet. Ich sehe, was von meinen Essays aktuell gelesen wird und in welcher Reihenfolge dies geschieht.

So will ich heute dies anmerken: Werte Leserin, werter Leser, niemand kann sich - bewusst oder unbewusst - in den Rang versetzen mich zu irgendwelchen weiteren Verlautbarungen wie etwa zum Kräftebereich des Ich hier zu äussern. Was hierzu bisher gesagt ist, das ist gesagt. 

Und damit diesbezüglich nicht Missverständnisse ins Kraut wachsen, alles was dazu von mir bis anhin gesagt wurde, das sind Ergebnisse von Erlebnissen und Begegnungen auf den Fussgängerzonen  nahegelegener Städte, sind Zusammenfassungen von zahlreichen „Gesprächen“ da und dort, nicht wenige davon mit mir bis zu diesem Augenblick unbekannten Menschen, sind … darüber hinaus praktische Dynamisierungen auf das sogenannte „Ding an sich“ von Kant hin, das ja im Denken ergründend zu erfahren sein Vermächtnis an unsere heutige Zeit ist.

Provokativ gesagt: Corona und die Folgen daraus lassen sich aus meiner Sicht nur bewältigen, soweit es einer grösseren Anzahl von Menschen gelingt das sogenannte „Ding an sich“ in und aus sich heraus zu beleben. Also liebe Leser, nehmen sie ein Streichholz zur Hand und entzünden sie es, halten sie es sich unter ihr Hinterteil und fangen sie Feuer, Feuer für allseitig offene Dialoge "hier" und auf den Strassen und Marktplätzen dieser Welt. 

Wichtiger als alles andere ist mir der Dialog. Freiheit kannst Du heute nicht mehr nur „rückfordernd“ einfach wieder herstellen, Du kannst sie nur leben. Denn: Der nicht ideologisch geführte offene Dialog ist die Geburtsstätte der modernen Freiheit. Freiheit kann kein Verfassungsgericht, so wichtig diese Institution nach wie vor ist, mehr von Gesetzes wegen anmahnen. Sie will aus denkenden, freiheitsliebenden und einander allseitig sich gegenseitig respektierenden Menschen in die Welt hinaus wachsen. Jetzt - und von diesem Augenblick an. Durch sie, die Sie dies lesen und hoffentlich individuell verinnerlichen.

Bernhard Albrecht 

Dienstag, 27. Juli 2021

Geistesgegenwart als Ich - Präsenz

Wer heute mit wachen Augen - nach aussen wie nach innen gerichtet - das gegenwärtige Weltgeschehen verfolgt, der kann nicht anders als besorgt sein über das, was da vor seinen Augen abläuft. Das  freiheitlich liberale Denken schafft sich durch intransparente Denkvorgänge innerhalb seiner eigenen Denkmöglichkeiten selbst ab. Überrumpelt von vielfältigen offenbaren wie auch schleichend herantretenden Denkereignissen an eben diese grundständig liberale Denkmöglichkeit übernimmt die Täuschung im Kleide biopolitisch sozialer Fürsorge, wie es scheint von Seiten des Staates, mit der Ansage der Bedrohung durch Corona die Macht. 

Was geht da vor sich? Ist es die Pandemie, die so bedrohlich ist, dass damit ein derartiges Vorgehen gerechtfertigt werden könnte oder hat die Täuschung, die im Zuge dieser Pandemie schleichend an die Oberfläche tritt noch ganz andere Ursachen? Stehen wir mit dieser Pandemie etwa vor der Tatsache, dass wir den Zugriff auf eigenständiges Fragen verlieren und ein von welcher Seite auch immer bedrängtes In-Fragestellen von Sachzusammenhängen allzu schnell im Begriff sind preiszugeben? Ist diese Pandemie demnach ein Ausdruck unserer schwärend um sich greifenden, nunmehr aber nicht länger mehr zu verbergenden Krise in Bezug auf eigenständig hervor zu bringende, Wirklichkeit bildende Denkakte aus geistesgegenwärtiger Ich-Präsenz heraus? 

Haben wir den Zugang zu der Logos Kraft, die im Denken in Erscheinung treten kann und will verloren oder wollen wir etwa keinen wirkkräftigen Gebrauch davon machen? Folge ich gewissen Geschehnis Abläufen wirklich allseitig kritisch, was heissen würde unter Einschluss der Achtsamkeit auch auf meine eigenen Argumentationslinien? 

Der Erwerb einer inneren Haltung, die von durchgängig sachlicher Haltbarkeit, um nicht zu sagen Nachhaltigkeit innerlich gefestigt in den Stürmen gegenwärtiger Auseinandersetzungen nicht die Orientierung verliert scheint mir jedenfalls alles andere als leicht zu sein. Sich angesichts der gegenwärtig über uns hereinbrechenden Tatsachen weg zu ducken, anstatt sich willenskräftig der Durchdringung und Überarbeitung unseres eigenen Denkens in den Interaktionen mit unserem jeweiligen sozialen Umfeld zu zu wenden stellt mich heute vor grosse Herausforderungen.

Ist die individuelle Verantwortlichkeit in dieser Richtung in der Breitenwirkung auch nur annähernd auf den Punkt gebracht? Schaue ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten z.B. in der anthroposophischen Szene um, so staune ich immer wieder welche Trennungen hier immer noch und immer wieder auf ein Neues hin untereinander stattfinden und mit welcher Verve dann über die Dächer hinweg Gehässigkeiten und Unterstellungen versandt werden. Kann sich so eine Bewusstseinsverdichtung mit einer starken Aussenwirkung bilden?

Ich pointiere hier nicht ohne Grund. Kann es sein, dass das Denken - und nicht wie es sich aufzudrängen scheint die Corona Pandemie die hintergründig eigentlich grosse Baustelle darstellt? Weit hergeholt, um nicht zu sagen weltfremd? Wir werden sehen. Dass sich unsere gesellschaftlich sozialen Verhältnisse durch eine Krise bewegen, zumindest dies kann wohl kaum noch bestritten werden.

Tritt so betrachtet über diese Pandemie gesamtgesellschaftlich die bisher eher weniger betrachtete Inn-Weltkrise in Erscheinung, die ihre Vorläuferin seit den Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts in dem wachsenden Bewusstsein für eine sich anbahnende Umweltkrise hatte? Unfrisierte Fragen, gewiss, die jedoch heute weitläufig und mutig, wie aus meiner Sicht unvoreingenommen noch tiefer heraus gearbeitet und sensibel differenziert zu stellen sind, wenn der Mensch die innere Ausrichtung für seine weitere Entwicklung nicht in höchstem Masse gefährden will. 

Bis hierher war ich im Schreiben meines Essays gelangt als ich folgendes erlebte. Auf einem Spaziergang  ging ich  an einem etwa  3 - 4 jährigem Kind vorbei, das in einem Fahrrad Anhänger sitzend anscheinend auf seinen Vater wartete. Was ich da zu hören bekam lies mich abrupt stehenbleiben und lauschen. Das Kind spielte versonnen mit einer Perlenkette und wechselte in einer Art Dialog mit einem imaginären Gegenüber Worte, die wie ich schnell bemerkte einen bedeutungsschwerem Inhalt anzeigten. Mein Bemühen, das was da geschah zu entschlüsseln und die einzelnen Wortfolgen in einen inneren Zusammenhang zu bringen dauerte. 

Der denkwürdige Vorgang  in seiner Ganzheit, der, wie ich nicht verhehlen kann mich viele Tage danach immer wieder beschäftigte, umfasste  schlussendlich diese Worte: „Denke nie gedacht zu haben, denn das Denken der Gedanken ist gedankenloses Denken. Wenn Du denkst Du denkst, dann denkst Du nur Du denkst.“

Dass das Kind diese Worte irgendwann aus seinem sozialen Umfeld heraus zu hören bekam, das war für mich von allem Anfang an keine Frage. Was mich betroffen machte war wie dieses Kind damit umging. Bei meiner lebenslangen beruflichen Erfahrung im Umgang mit besonderen Kindern und Erwachsenen war es das „Wie“ mit dem dieses Kind seine Worte aneinander reihte, das mich betroffen machte. Es spielte, ja es spielte wie mit bunten Kugeln, fügte sie in immer neuer Weise zusammen um still zu verweilen und dann von Neuem zu beginnen. Es war in einer Weise mit seinem Spiel beschäftigt, dass es nichts von dem was um es geschah zu bemerken schien. Kindhafte Verbundenheit mit der Totalität der Lebenswelt, wie sie auf diese Weise kein Erwachsener zu Stande bringt.

Nach dem ich meine Arbeit wieder aufgenommen hatte merkte ich, wie sich in meinen inneren Dialogen die Diktion des Sagen da und dort leise veränderte. Das „denke nie gedacht zu haben“ lies mich meine Worte noch sorgfältiger abwägen. Um die Leser dieses Essays aber meinerseits frei zu lassen will ich hier meine ganz persönlichen Denkbewegungen dazu nicht näher beschreiben. Das individuelle Erfahren soll so weit als möglich unbeeinflusst bleiben, damit eigene Erinnerungen, welche die Mitteilung dieses Erlebnisses möglicherweise auslösen nicht durch mein Sagen verbaut werden. Ich will vielmehr meinen oben auf die Inn-Weltkrise gerichteten Gedankengang noch näherhin untersuchen. Die Inn-Weltkrise als Wirklichkeitskrise.

Wachen wir nicht “alle“ gegenwärtig in der einen oder anderen Weise in einer Welt auf, die durch die Pandemie nicht mehr die unsere zu sein scheint. Und was sich da in seelischen Tiefen-Schichten ereignet, ist aus meiner Sicht ein zumeist eher unwägbares Erfahren. Sind Gefühle wie zum Beispiel: Bin ich hier in einen falschen Film hinein geraten? Was sich dann so ausdrückt, dass der vertraute Boden für einen kurzen Moment unter den Füssen wie zu wanken scheint. Eine  als solche kaum wahrnehmbare traumatische Erfahrung der Seele, die rasch wieder verschwindet, aber weit reichende Wirkungen nach sich zieht. 

Ein gebrochenes Wirklichkeitsverständnis bleibt zurück, denn die Wirklichkeit ist nicht mehr die gleiche. Und mit dem Versuch die alten Vertrautheiten für sich irgendwie wieder herzustellen zeigen sich Risse, die von überall her immer unabweisbarer auf mich zulaufen. Panik weht durch die Strassen, anfangs leise, dann immer deutlicher. Von allen Seiten versucht sie anzudocken und bedroht die Orientierung oder nimmt sie schleichend. 

Um dem eigenen Vermeinen nach in diesen schwierigen Zeiten nicht ganz den Boden unter den Füssen zu verlieren werden immer mehr Scheuklappen aus dunklen Winkeln hervorgeholt und mit fragwürdigen Argumenten versehen mehr oder weniger offen durch die Strassen getragen. Bildhaft  ausgedrückt, ist  die  Illusion etwa über die  rein  physische Ursachenebene auf dem Weg zu einer über viele Ebenen hinaus immer mehr sich ausdehnenden maskierten Täuschungsschleuder zu werden? 

Nur wird diese Art von „Seuche“ der etwas anderen Art anscheinend viel weniger wahrgenommen als die eigentliche Pandemie, in deren Schatten sie aus ihren dunklen Nestern hervor kriecht. Haben wir also genauer besehen zwei Pandemien, die nebeneinander herlaufen? Und auf was wären diese zurückzuführen oder liegen hier möglicherweise viel umfassendere Geschehnisse und das über einen weitaus grösseren zurückweisenden wie vorausdeutenden Zeitrahmen hinaus zugrunde?

Das Undenkbare tritt in Erscheinung. Wir werden aus einer Ecke unserer allzu sehr zur Gewohnheit gewordenen Wirklichkeitsauffassung nunmehr von der staatlichen Fürsorge in einer Weise ins Visier genommen, die uns ängstigt. Was schaukelt sich da hoch, erwecken doch die einzelnen Spieler auf dem Felde als Ereignisgeber nicht immer den Anschein als ob sie die Wirkungen ihres Sagen im voraus genügend bedacht hätten. Und das betrifft nicht nur die offiziellen staatlichen Spieler, sondern auch die Anderen, die als Staatsbürger nunmehr gegen ihren Staat monieren anstatt sich um eine ganz auf sich allein zu gründende freiheitliche Haltung vermehrt zu bemühen. Wo letzteres zu wenig geschieht hat dies vielerorts schleichend ein egozentrisches Belieben mit gefährlicher Schlagseite zur Folge. 

Genommen von den Ereignissen bauen sich Wellen auf, die das Sozialgefüge in seiner Belastbarkeit über seine Grenzen hinaus leicht unberechenbar, um nicht zu sagen unkontrollierbar machen können. Statt Weitblick und Umsicht begleitet das Geschehen die mannigfaltig verborgen gehaltene Angst das Heft des Handelns aus den jeweiligen Händen zu verlieren. Mit den Jägern um den notwendigen Erfolg wird die erstrebte Öffentlichkeitswirksamkeit zum verdeckten Fallbeil des Scheiterns. Eines Scheiterns das mit schnellläufigen Umdeutungen und allgemeinen Absichtsbekundungen die Unsicherheiten bezüglich der jeweiligen Wirklichkeitsbeurteilung exponentiell wachsen lässt. 

Was die Wirklichkeit „ist“ wird so in Schattenbereiche abgedrängt. Das wiederum wirft unumkehrbar die Frage auf, was Wirklichkeit in ihrer Essenz nach ausmacht und welchen eigen zu verantwortenden Anteil wir an der Wirklichkeitsbildung haben.

Dem Wort Wirklichkeit liegt als Tätigkeitswort wirken zu Grunde. Es geht also im Umgang mit der Wirklichkeit um Bewegung, um stete Veränderung. Von allem Anfang an war Wirklichkeit nicht etwas fest Gegebenes, sondern immer etwas, das es zu erringen und zu bilden galt durch die Art unserer jeweiligen Arbeit, der individuellen Anstrengung für Ihr in Erscheinung Treten. Wird Wirklichkeit zur festen Gewohnheit dann haben wir es nicht mehr mit Wirklichkeit in ihrem ursprünglichen Sinne zu tun, sondern nur noch mit dem schönen Schein von ihr. Es ist nur noch eine ihrer schöpferischen Kraft mehr oder weniger beraubte Wirklichkeit und hat sich von daher insoweit vom Leben abgekoppelt. 

Die heute so weit verbreitete Jagd nach immer neuen Events, nach immer ausgefalleneren Urlauben ist also letztlich eine Folge unseres beinahe allgemeinen Wirklichkeitsverlustes, ist eine Vorstellung vom Leben, das so nicht ist wie wir es uns als ein Art Lebens-Narrativ innerlich gerne vorzeichnen oder auch einbilden, dass es so sei wie wir es sehen wollen. Tief in uns wissen wir zumeist sehr genau wie unsere Geschichte, dass unser Lebens-Narrativ nicht das darstellt, was es wirklich ist, sondern allenfalls der Vorschein des in Wirklichkeit erst noch zu erschaffenden Lebens ist. Von daher gesehen ist das Leben also Schein und ist somit nicht das, was es zu vermitteln sich bemüht, sondern Selbsttäuschung und Täuschung aus einer Hand.

Leben hingegen  das bereit ist sich des Scheins wirkkräftig zu entledigen ist ein Weg durch das eigene Erkenne dich Selbst hindurch, was heisst das Erwachen am anderen Menschen ohne wenn und aber. Leben verläuft demnach nicht in einem vorrangigen ja aber auf den oder die anderen Menschen, sowie in mehr oder weniger gut verpackten Selbstrechtfertigungen und Ausweichmanövern vor dem Aufräumen des eigenen Augiasstall hinaus. Wenn uns eines die gegenwärtige Corona Situation mit überdeutlichem Ernst zu verstehen geben will, dann dieses: Die eigene selbstbestimmte  michaelische Heldenreise anzutreten - noch heute. Und damit die Kehrtwende zu einer schöpferisch neu zu gestaltenden Wirklichkeit in die eigenen Hände zu nehmen.

Auf die wissenschaftliche Problematik in der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit der Corona Pandemie hingeschaut bedeutet dies nicht weniger als sich der einstmals unvollendet gebliebenen Epoche der Aufklärung in unserer an stürmischen Auseinandersetzungen geschichtsträchtigen Zeit wieder zu erinnern und diesbezüglich an den Mut unserer Vorväter erneut tatkräftig anzuknüpfen. Was heisst die dazumal einseitig nach aussen gerichtete naturwissenschaftliche Forschungsgesinnung um eine ebenso naturwissenschaftlich exakt forschende Haltung in Bezug auf das Denken in seinen weitgehend noch unerforschten Bereichen zu erweitern. Die Dornenhecke um den Jahrhundert Schlaf unseres zutiefst in den analytisch abstrakten Schlaf versetzten Denkens zu durchdringen und die „Materia“ in ihrer tieferen Wesensgestalt mit neu aufgerüsteter Kraft wach zu küssen. Forschung mit Weitsicht ist also angesagt. Eine Forschung, die auf erweiterten Denkwegen schreiten darf ohne von wissenschaftlichen Dogmen behindert ins Abseits abgedrängt zu werden. Denn es wäre mehr als fatal für die menschliche Gesundheit, wenn die Forschung hier im Wesentlichen auf Impfen ausgerichtet bliebe und der Immunforschung das erweitert fragende Erforschen am Ende unterbunden würde. Die verschleierten klerikalen Denkwege innerhalb der gegenwärtigen Wissenschaftsauseinandersetzungen sind jedenfalls nicht zu übersehen. Verschliessen wir also gerade hier nicht die Augen im leichtfertigen Hinweg Ducken vor scheinbaren Hindernissen, um nicht Chancen preiszugeben dem Mut mit seinem ihm innewohnenden Entwicklungspotenzial Tore offen zu halten. 

Bernhard Albrecht Hartmann

(1) Eine Antwort mit einem etwas anderen Blickwinkel 

      auf Philip Kovce, Andreas Laudert & Salvatore Lavecchia  

      in die Drei 3/2021 www.diedrei.org


Freitag, 23. April 2021

Die grosse Täuschung

Was heute landauf und landab, in privaten, wie gleicherweise in öffentlichen Räumen geschieht kann im Grunde einen jeden Menschen nur betroffen machen. Das tut es aber nicht oder wenn doch dann viel zu wenig. Die Nachrichtenwelle überrollt etwaige Erlebnisansätze zu öffentlichen Ereignissen in breiter Front, bzw. ein bereits tief eingebranntes individuelles  Wahrnehmungsausschluss-Verhalten lässt diese Erlebnisse nur noch oberflächlich bis gar nicht mehr auf den Bildschirm des eigenen Bewusstseins gelangen. Die eigene tiefer reichende Logik wird im weiträumigeren Verfolgen dieser Nachrichten nicht selten unversehens ausgeschaltet und die Leser finden sich mehr oder weniger in einer Grauzone der Täuschung wieder ohne dass dies klar durchschaut wird. Und das nicht nur bei weniger gebildeten Menschen, nein schleichend geschieht des auch innerhalb höher gebildeter Menschenkreise.

Mit nur ein wenig innerem Abstand zu den Tagesnachrichten kann dieser Phänomen Komplex jedoch durchaus aufgelöst werden. Erinnern wir uns, so war der Begriff „Lügenpresse,“ vor nicht allzu langer Zeit noch eine Randerscheinung. Ja er war es. Neuerdings drängt er immer unverblümter in die Nachrichtenspalten und mischt sie auf die eine oder andere Weise auf. Differenziert? Der Tendenz nach eher nicht. 

Auch der Begriff „Verschwörungsdenken“ dringt, wenn auch etwas langsamer in  der Gesellschaft zunehmend weiter vor. In kruden Varianten, weltanschaulich rechtslastig, reichsbürgerlich, in Richtung kämpferische AFD Randbereiche oder Q-Anon gewendet. Auch Rudolf Steiner und die Waldorfschule meint so mancher damit in Verbindung bringen zu können. Genauer und tiefer reichender werden diese Vorgänge jedoch meiner bisherigen Überschau nach nicht untersucht. Warum auch, das würde einige Arbeit erfordern, bei Verfechtern dieser Begriffe, wie bei Bedenken Trägern. Der schnelle Punsch Ball ist in der Kommunikation einfach tagesaktuell in Nachrichten oder privaten Gesprächen wirksamer einzubauen. Verstärkung der eigenen Ego Position und oder Sensation als Geschäftsmodel. Nur für nicht wenige ist genau diese Haltung schon ausreichend, um von Lügenpresse zu sprechen, einfach weil die „eigene Meinung“ scheinbar überhaupt nicht, bzw. nur ungenügend einbezogen oder abgebildet wurde. Und das beidseitige Karussell wechselseitiger Täuschungen dreht und dreht sich.

Der Verfassungsschutz nimmt neuerdings auch Teile der sogenannten Querdenker-Bewegung unter Beobachtung. Wie weit hinein wurde meines Wissens nach nicht öffentlich kommuniziert. Das trifft gegebenenfalls auch Menschen, die sich nur um eine eigene tiefer reichende Meinungsbildung bemühen und darüber randständig da oder dort sprechen ohne sich an konkreten Querdenker Aktionen zu beteiligen. Das immer weiter um sich greifende Sicherheitsdenken öffnet Grauzonen, die immer schwieriger zu übersehen sind und demgemäss sachlich nicht mehr so ohne weiteres reguliert werden können. Der Argwohn, bzw. das erblindete verwaltungsmässige Agieren greifen um sich und erodieren in Schattenprozessen gesellschaftliche Strukturen. Über zahllose, meist nicht näher identifizierbare Kanäle - raunende Sprechblasen, Meinungssteige vom Hörensagen - bahnen sich Veränderungen am Gesellschaftskörper an, die eigentlich aufhorchen lassen müssten. 

Während über die richtigen Corona-Massnahmen gestritten wird - mit der Keule der Panikmache in der Hand - blubbert der Gedanke der Verhältnismässigkeit innerhalb aller dieser Erwägungen nur noch in Restbezügen angekündigter Verfassungsbeschwerden über Bordstein Kuppen. Die Logik, sprich die sachlich weiter und tiefer verknüpfte Argumentation - folge ich den Trendverlautbarungen der Meinungsbildung des öffentlichen Lebens zur Corona Lage - werden unscheinbar in Sackgassen abgedrängt. Durchgreifen ist die Ansage. Durchgreifen ohne zu bemerken, dass dies mit der Täuschung in der Hand selbst auf mittelfristige Sicht nicht zu machen sein wird, wenn nicht noch mehr Schwierigkeiten losgetreten werde sollen. Aber genau diese Blickrichtung wird von den Befürworten durchgreifender Massnahmen, bzw. privater kurzschlüssiger Ego Positionierungen in diesem Zusammenhang ausser Acht gelassen.

Und das geschieht an einem einfachen Vorgang aufgezeigt so: Die steigende Inzidenz ist in aller Munde, was aber nicht kommuniziert wird das ist, dass mit gesteigerter Testaktivität zwangsläufig auch mehr  Corona-Erkrankungen ans Licht kommen müssen. Die ins öffentliche Bewusstsein hinein primär verschobene Dritte Welle ist in ihrer benannten Ausprägung von daher nur eine Halbwahrheit und als Modus operandi eine Täuschung. Darüber hinaus ist auch das eine Täuschung, es gibt in Deutschland einiges mehr an Intensivbetten als aktuell in Betrieb. Nur können diese auf Lager stehenden Betten zu wenig aktiviert werden, weil das Fachpersonal für ihre Inbetriebnahme fehlt. Folgen des über Jahre hinweg tot gesparten Gesundheitssystems.

Mit solcherart Desinformation wird kein umfassend stabiles Mittragen der Corona- Massnahmen auf längere Dauer hin erreicht werden. Die Unzufriedenheiten bündeln sich und brechen von unterschiedlichen Orten her aus. Das ist zu erwarten. Dennoch in diesem Zusammenhang von Lügenpresse zu sprechen ist nicht richtig.

Das Dilemma: Über Jahrhunderte hinweg hat sich weltweit ein Verstandesdenken ausgebildet, das sich in seinen Grundstrukturen an die unterschiedlichsten Ego- Basispunkte gebunden hat. Und von diesen Punkten her hat es sich dual ausgerichtet. Dass dem so ist entspricht der geistigen Evolution auf die notwendige Ausbildung  des Ego hin. Kant hat vor dem Hintergrund dieser Entwicklungslinie gegen Swedenborg und, wie er es dazumal sah, dessen illusionär überbordenden Subjektivismus einen Wall errichtet, der in einer kaum zu überbietenden Abstraktheit in dem „Ding an sich“ seiner Transzendental Philosophie gipfelte. So angeschaut kann Kant als der Vater gegen jede Art von fake news in unserer Zeit angesehen werden.

Es mag manchem Querdenker unter den Lesern dieses Essays hart aufstossen, wenn ich hier sage, Lügenpresse ist ein abwehrendes fake new gegen eine vermeintliche Intransparenz der sogenannten Mainstream Presse. Denn: Die Mainstream Presse ist per se nicht intransparent, sie bewegt sich denkend im Allgemeinen nur innerhalb eines Ego Netzwerkes, welches durch das Verstandesdenken in einer langen Entwicklung entstanden ist. Und genau das tun Querdenker auf der anderen Seite auch. Das in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht weitgehend unerkannte Problem ist, dass Dualität im gesellschaftlichen Diskurs heute ein Auslaufmodel ist.

Haben wir von Kant genug gelernt, wenn wir behaupten die Mainstream Presse lüge? Oder schauen wir hier nur einem eigenen transzendentalen Begriff in die Augen, der weit davon entfernt ist von lebendigem Denken durchdrungen zu sein? Der von Kant geprägte Begriff „des Ding an sich“ kann, mühe ich mich ab über seine vordergründige Abstraktion hinaus in seine Tiefe vorzudringen die Erfahrung einer im höchsten Sinne dynamischen Begrifflichkeit vermitteln. Und diese Erfahrung könnte je nach Sichtweise auf unterschiedlichen Wegen allmählich dazu führen den Tanz um das goldene Kalb eigenen Vermeinens einzustellen und echte Entwicklungsbeiträge im Hinblick auf die Überwindung der Dualität im gesellschaftlichen Diskurs zu Tage fördern. 

Will die allseitige grosse Täuschung überwunden werden geht es also um die Entwicklung eines tief greifenden eigenen lebendigen Denkens. Dieses ist in meinen Augen aber nicht ohne sich wiederholende bittere Durchgänge im Hinblick auf eigene Selbsterkenntnisse zu erreichen. Über Kant hinausgehend stelle ich zum Ende dieses Essays daher die weitere Frage, haben ich von Rudolf Steiner genug gelernt, wenn wir vollmundig einem Verschwörungsdenken innerhalb unseres eigenen Denkens Platz einräumen? Und das 125 Jahre nach dem Erscheinen seiner Philosophie der Freiheit? Nicht was ich denke ist wichtig, sondern wie ich denke, d.h. ob und wie ich die beständig sich vertiefende Anschauung meines eigenen Denkprozesses weiter belebe. Durchschaue ich also immer besser die Täuschungen, die das Ego gegen mich verschwörerisch führt und erwache in die Aufrechte meines Ichs, so kann der Pfingstgeist die Verkrustungen meines Ego durchbrechen. In wie weit bin ich hier individuell unterwegs, das scheint mir die entscheidende zu klärende Frage im Angesicht der gegenwärtigen Corona Krise zu sein. Bin ich  fremdbestimmt von Anhaftungen der unterschiedlichsten Art oder ein im belebten Geist atmender Denker? Die grosse Täuschung ist eine vielfarbig individuelle Erfahrung, die es zu durchschauen gilt.

© Bernhard Albrecht Hartmann 23.04.2021 


Mittwoch, 21. April 2021

Der Pfingstgeist im Aufbruch

Ist es nicht so ? Du wartest auf ..., auf was? Du meinst, es ginge nicht weiter, wenn ... ich, Du, er nicht voraus ginge, dies oder das in Gang brächte, bevor Du das Deine einbringen könntest? Ist das Deine gegenwärtige Realität?

Na dann verkennst Du, ihr, die ihr dies lest die Welten-Wende, die sich leise, unabwendbar still vollzieht ... 

Niemandes Stille kann kraftvoller ein Flügelschlagen in die Welt hinaus versetzen, als das Wort, das Du aus Deiner Stille freigibst. Es ist immer Deine ... und nur Deine Stille, die etwas in der Welt wendet, "Dein guter Wille," in einem jeden Augenblick.

Die Welt mag von endlosen Hurrikan Stürmen und Tsunamis aufgewühlt werden. Das Auge im Zentrum dieser Stürme ruft nach Deiner Tat und sei sie scheinbar noch so klein. Dein Mut ist gefragt. Verorte Dich also im Zentrum Deiner inneren Stürme und gib den Geschehnissen um Dich herum genau die kleine Wende, die sie hier und jetzt in diesem einen Augenblick brauchen und die nur Deine uneigennützige Liebe in Gang bringen kann, nur Du allein.

Ein Schmetterling kann mit seinem Flügelschlag den Keim für einen Hurrikan legen. Sei Du der Schmetterling, der im Zentrum dieses Hurrikans die Saat uneigennütziger Liebe ausbringt.

Bernhard Albrecht

Aus aktuellem Anlass erneut veröffentlicht. 

Montag, 12. April 2021

Zur Erinnerung in bewegter Zeit (überarbeitet)

Das Quadrat  im  Kreis, der Verweis auf die vier  Grundkräfte des  Geistes - Wille,  Gefühl, Intellekt und Bewusstsein - die über das Denken untereinander ins  Gleichgewicht zu bringen sind, lässt uns im Leben die Freiheit finden und damit die individuelle Erfüllung. 
Über  die  sokratische  innere  Haltung des in jedem  Einzelfall auf das Du hin ausgerichteten Fragen des "ich weis,  dass ich nicht weis" (was weis ich wirklich über Dich und was weis ich nicht in genau diesem Augenblick, klebe ich von daher an  Vorstellungen aus meinem  Gedankenfundus heraus über Dein tiefer gegründetes  "Sein)."  Das  Denken, das sich mir eben  "Jetzt"   offenbaren will,  so "Ich" es nur zulassen  will). Denn die innerer  Bewegung dieser sokratischen Frage  aushaltend kommen mir  im Lauschen "aus dem Leben" genau jene  Antworten zu, die ich jeweils brauche.                                                                            







Vertrauen ist hier alles und in diesem  Vertrauen das  jeweilige  Gleichgewicht zu  bewahren. Das lässt den Menschen in seine wahre innere Aufrechte in jeder Lebenslage immer  besser  hineinfinden. Hilft ihm sich von Innen her im Willen selbst dynamisierend aus der im Bild in der Kreuzigungshaltung hintergründig so dargestellten Selbstfesselung an Ängste bzw. an in eigenen Vorstellungen des Ego erstarrten Bewegungskräften zu befreien. Jene Kreuzigungshaltung, die den  Betrachter verborgen zum  "Aufrechten Stehen" im  Ich aus  selbst gefügten  Begrenzungen  auffordert. Zu einem in  innerem  Bewegen  gewagten Perspektivenwechsel, bewegt gezeugt von Augenblick zu Augenblick. 
Sich zu  öffnen für den  stetig zu vertiefenden  Zugriff in  den  ganzen  Kosmos des  Lebens  hinein, um in Hingabe dem Menschenleben zu dienen.

© Bernhard Albrecht Hartmann 

Mittwoch, 7. April 2021

Alpha und Omega

 Lieber Daryl

Erinnerst Du Dich noch an unsere kleine Kommentar-Begegnung auf meinem Blog (1 und 2)? Vermutlich eher nicht, denn die Begegnungen im Raum des Internet sind flüchtig, ähnlich vielleicht Begegnungen von der Art, die wir beim Gehen durch die Fussgängerzone einer Stadt haben können, wenn uns im Vorbeigehen irgend ein Gesicht kurz beeindruckt, ohne dass wir genau sagen können warum eigentlich, es tut es und dieses momenthaft Beeindruckt-Sein wieder verschwindet wie eine blühende Blume, die vor unseren Augen an einem Flussufer in der Strömung des Wassers an uns vorüber gleitet. Einfach so. 

Doch das Leben ist niemals oberflächlich, auch nicht in derartigen Begebenheiten. Es erinnert uns immer an irgendetwas, auch wenn wir diese Erinnerung nicht sogleich tiefer zu fassen vermögen oder innerlich auf längere Sicht gegenwärtig halten können. Mitunter kann es sogar Jahre dauern, bis in uns ein Verstehen aufsteht oder sich in einer mittlerweile vertieften Sicht aus den Strömungen des Lebens neu zusammensetzen kann. 

Das Leben ist ein Netzwerker, der grösste den es gibt - ohne jegliche technische Ausstattung. Leider vergessen wir das allzu oft oder bekommen es überhaupt nicht auf den Schirm unseres Bewusstseins. Und so tippen wir auf unseren Handys in der U-Bahn oder sonst wo vor uns hin und verlieren das tatsächliche Leben um uns oder in uns aus den Augen. Und was entsteht … Du beschreibst es auf Deinem Blog: „Die ewige Leier, es dreht sich im Kreis. Alpha und Omega, der Anfang und das Ende. Könnte gähnen, so ermüdend ist dieses Thema für mich. Lasst uns die Gewohnheit feiern, denn in der Gewohnheit liegt die Sicherheit und in der Sicherheit? Tja, da können wir uns verkriechen. Wer hat denn schon Lust den Kreis zu durchbrechen …“ (3).

Das Alpha und Omega. Grosse Worte, die Du hier - genauer besehen - in einem ihnen fremden Zusammenhang gebrauchst. Von ihrer Ursprungsbedeutung her sind es nämlich Worte der Schöpfung, Worte von Anfang und Ende, von Tod und Auferstehung. Sie weisen auf ein Kräftewirken des Mutes und des inneren sich Aufgerichtet-Haltens durch alle Wirrnisse des Lebens. Es sind Worte, die in ihrer einzigartigen Tiefen-Dimension auf ein Bewusstsein deuten, das mächtiger ist als gebündelte Atomkraft. Worte, die auf die Ur-Schöpfermacht verweisen, die als Keim in jedem Menschen schlummert, bis er sie durch sein Entscheiden nach und nach in ihrem Wirksamwerden zum Sein erweckt.

… „bis er sie durch sein Entscheiden …“: Hm, welche Entscheidungen wirst Du im Hinblicken auf das hier vorausgehend Gesagte bezüglich Deiner Gewohnheiten treffen? Wirst Du Dich der tief in Dir verankerten Kraft des „Alpha und Omega erinnern, in Tateinheit erinnern wollen? 

Gewohnheiten sind nämlich sehr hartnäckige seelische Kräftegebilde. Sie sind auf Ego-Einstellungen fussende und da allermeist auf sehr unbewusste, fort und fort auf Bequemlichkeit hin sich ausrichtende, wenig rationale Vorstellungen mit einem steigend irrationalen Charakter bezogen. Kurz gesagt sind sie von daher verdeckte Produkte der eigenen inneren Faulheit. Mithin also  Selbsterzeugnisse aus dem Ruder laufender Triebkräfte und alles andere als ein Alpha und Omega.

Das Alpha und Omega fusst nämlich auf der Fähigkeit zur Selbstbestimmung und stetig wachsender Selbstermächtigung. Sich in die Kraft des Alpha und Omega hineinstellen ist von daher alles andere als bequem. Es ist eine Entscheidung auf eigene Authentizität hin. Bedeutet für die Würde des Menschen in immer weiter reichender Weise durch den Alltag des Lebens einstehen zu wollen und zu können.

Das Alpha und Omega findet seinen Ausdruck in schöpferischen Ich-Taten, in Kreis-Durchbrecher-Taten. Es ist kein Selbstläufer im ewig Gleichen, sondern fordert leise und beständig die Entscheidung Deines Ich-Willens, der Dir allein die Freiheit wahren Menschseins immer mehr verleihen kann. Wenn Du also so dies und jenes in Deinem Leben beklagst siehst Du nur Dir selber in die Augen, denn allein Dein Ich-Wille kann die Schlösser zu Veränderungen in Deinem Leben öffnen. Oder siehst Du das etwa anders?

Bernhard Albrecht

(1)  https://ich-quelle.blogspot.ch/2013/04/zuruf.html  

(2)  https://gedankenpoesie.blogspot.ch/2013/04/hauptsache.html#comment-form 

(3)  https://gedankenpoesie.blogspot.ch/2020/06/850-keine-lust.html 




Freitag, 19. März 2021

Was hinterlasse ich am Ende an lebendigen Spuren auf dieser Welt?

Eine Replik auf: 

https://egoistenblog.blogspot.com/2021/03/ich-sah-die-aura-des-meisters-rudolf.html#more 

Lieber Michael

… „denn wer kommt schon gegen das Karma an?“

Ernsthaft Michael, ist das wirklich eine Deiner zentralen Erkenntnisse, wenn Du zum wievielten Male über Hintergründe anthroposophischen Gemeinschaftslebens berichtest … oder sollte ich vielleicht besser sagen in einem gehobenen Stammtisch Jargon tiefsinnig plauderst, damit Deine Leser nicht bemerken wie Du Oberflächen Ansichten der Geschehnisse mit Deinen ganz persönlichen Vorstellungen davon verklebst und so „gekonnt“ eine Melasse aufkochst, die in meinen Augen wenig geeignet erscheint die Fragilität des dazumal tatsächlich Geschehenen auch nur annähernd zu beschreiben oder gar tatsachengerecht durch mehrere (von Dir offenbar nicht gesamthaft ins Auge genommenen) Schichten hindurch einer Auflösung näher zu bringen. Warum tust Du das? Und das beinahe 100 Jahre nach Rudolf Steiners Tod?

Muss heute nicht viel tiefgreifender an die Frage des Karma herangetreten werden, um diesbezüglich über wechselseitiges Windel-Einnässen im Umgang mit dieser Frage hinauszugelangen?

Ich frage Dich, wäre es nicht zielführender diesbezüglich einmal strenger in die Innenschau zu gehen wie sich unser Bewusstsein in den letzten 100 Jahren dahingehend verändert haben könnte, dass die Antworten wie Karma jeweils zu lösen sei im Denken eines jeden Menschen nur darauf wartet „gesehen zu werden,“ damit eine neue Art sozial gestalterischer Dynamik sich mehr und mehr daraus entfalte. Essenz: Du musst also nicht mehr zwingend gegen das Karma ankämpfen oder es notgedrungen hinnehmen, es sei denn Du scheust davor zurück in die Kraft Deines Denkens hineinzugehen und bevorzugst das Begaffen der abstrakten Eisblumen-Konstrukte im Rückspiegel deines Denkens.

Dass im Rückspiegel Deines Denkens aber noch anderes unscheinbar gelagert ist das muss sich bei derartigen Eisblumen Scharaden im Hintergrund wie in einem Schattenreich verlieren. Und das so lange bis die zeitlos moderne Frage des Sokrates: „Ich weis, dass ich nicht weis“ soweit verinnerlicht werden konnte, dass sie im Herzen zu schwingen vermag, lebendig erfahrene Resonanzklänge hinterlassen kann.

Resonanz: Es gibt mittlerweile sich beständig erweiternde Forschungen zu den gesellschaftlichen Resonanzräumen. Du hast gewiss davon schon Kenntnis genommen. Nur ein klein wenig von diesen Erkenntnissen in ganz individuelle Erfahrungsbemühungen um das Denken im Geiste der Philosophie der Freiheit hereingenommen könnte in Aha-Erlebnissen sichtbar machen, dass das „Übe Geisterinnern“ längst nicht mehr nur auf ein Ereignis vor beinahe 100 Jahren zu beziehen ist, sondern mitten in der Welt von heute angekommen ist. 

Doch wer da nicht in individueller Selbstverantwortung hinzuschauen gewillt ist, den wird schlicht und einfach das Leben bestrafen. Selbst wenn Rudolf Steiner heute 100-fach dupliziert sich erneut in den sozialen Räumen dieser Welt um Erneuerung bemühen würde, er könnte nichts auf eine Wende der Verhältnisse hin bewirken, er könnte keinen einzigen Menschen über die Schwelle ziehen, wenn dieser dabei nicht aktiv mitwirkt. Seit Weihnachten 1923 ist es ausschliesslich in die individuelle Verantwortung eines jeden Menschen gelegt welche Entwicklung die Menschheit nehmen kann und wird.

„Den Egoismus zu überwinden und den Zug nach dem Allgemein- Menschlichen und Kosmischen sich anzueignen, ist nicht so leicht, wie mancher sich das vorstellt“ (Rudolf Steiner, „Okkulte Geschichte“ S. 60). Was wirst Du Michael von daher positiv aufbauend gestaltet auf dieser Welt an lebendigen Spuren hinterlassen, wenn Du in einer absehbaren Zukunft diese Welt wiederum verlassen wirst? Ich für meine Seite weis das. Ich grüsse Dich herzlich.

Bernhard Albrecht 

Dienstag, 16. März 2021

Einer wagemutig fragenden Freundin zugeeignet

Zuerst einmal, Du bist eine sehr mutige Frau … und ich denke und empfinde das aus meinem tiefsten Herz-Denkkräften heraus, wenn ich dies an den Anfang meiner Antwort auf Dein Fragen hin hier sage. Du bist bereit Dich den zunächst unangenehmen Begleit-Empfindungen in der denkenden Auseinandersetzung um das Nichts zu stellen. Wenn ich mir vor Augen halte, dass allein im Januar diesen Jahres 1150 Menschen diesen Beitrag angeklickt haben, der Dein Fragen ausgelöst hat, dann frage ich mich, in welches Kästchen haben diese Menschen ihre Kenntnisnahme von dem dort Gesagten abgelegt? … Und sind weitergeschritten … ohne anscheinend innezuhalten und für sich „tiefer“ zu hinterfragen, was das dort Gesagte für sie bedeuten könnte, wenn sie sich ihm denn jenseits der Neugier öffnen würden.

Nun, es ist wie es ist. Wir sind in weiten Teilen zu einer „Klick-Gesellschaft“ degeneriert, zu einer Gesellschaft ohne vielerorts tiefer reichendes sowie anhaltendes Interesse für andere Menschen und deren Denkweisen … und noch weniger Interesse für die tatsächlich tiefer gelagerten Abläufe unseres eigenen Denkens. Unser Rückspiegel auf unser eigenes Denken hin ist, ja er ist „dauerhaft“ eingefrostet und vorstellungsverklebt … und niemanden „erschreckt“ das. Das Frostschutzmittel für den Rückspiegel unseres Autos haben wir zur Hand, nicht aber die Aufmerksamkeit für die krebsartigen Abstraktionen, die unser eigenes Denken von der Wirklichkeit abschnüren.

Soll sich das ändern, geht es also um Offenheit für das Sagen des Du schlechthin, um die lauschend bis auf den Grund hin fragend zu erschliessende, verschlüsselte Entwicklungsherausforderung, abgelegt als Botschaft des Geistes in den individuell unterschiedlichen Resonanzen, die ein Du (die ich) mit einem Sagen auslösen können. Mit der inneren Hinwendung auf die individuellen Resonanzräume wird nämlich jener Frageraum erschlossen, der einst schon Sokrates vor Augen stand, wenn er seine Schüler ermunterte denkend dem Geist auf den Grund zu gehen. Denkend bis an das Erfahren des „ich weis, dass ich nicht weis“ fragend vorzudringen. 

Was von heute her gesehen dann heisst: Das über die Abstraktion hinaus sich weitende Denken bringt vor die innere Anschauung einen in sich gelagerten gegenläufigen Willensprozess. Schöngeistig zu gepuderte verdeckte Ängste oder Mut. Ich bin die Lösung für alles, was in der Welt geschieht, ich bin die Kraft der Veränderung, die freizusetzen meine Verantwortung ist, eine Verantwortung, die nicht delegiert werden kann. Denn das Ich ist in seiner Kräftekonfiguration einmalig. Fehlt die besondere Kräftefarbe auch nur eines einzigen Ichs oder wird sie innerhalb der denkenden Auseinandersetzung mit ihr in einem bestimmten Lebensmoment nicht ernst genommen, so zieht das mehr Folgen in untereinander vielschichtig zugeordneten sozialen Kräfteverbindungen nach sich, als das auf ein Erstes hin zumeist sogleich konstatiert werden kann.

Was sich dazwischen schiebt … so diese oder jene Vorstellungen, Ängste … sie sind selbst gezimmerte Konstrukte. Du kannst nicht aus dem Denken herausfallen, wenn Du Dich nur immer tiefer in seine Eigenart hineinarbeiten willst. Langsam, ohne zu drängeln. Auf die eigenen Schritte dabei achtest. Viel wichtiger ist hier z.B. auf Deinen Umgang mit der Kassiererin beim Einkaufen im Supermarkt innerlich aufmerksam zu werden. Denn das öffnet die Wege zu einer tatsächlich realen Geist Erfahrung mehr als noch und noch … irgendwelche spirituellen Schatzsuchen. Oder es bläht Deinen spirituellen Egoismus leise ins Unermessliche anstatt aufzuwachen für das, was diese Frau „Dir“ gerade in diesem Augenblick non-verbal zuflüstert. Verschlafe solche Augenblicke also nicht und wache aus Deinem Tagträumen auf … dort wo es stattfindet, ohne dass Du es in der Regel zunächst bemerkst.

Ich will diese „unfrisierten“ Gedanken hier mit einer kleinen Geschichte beenden, die sich vor mittlerweile sieben Jahren genau so zutrug, wie ich sie hier erzähle(1).

Ich war 14 Tage, lose angebunden an eine Reisegruppe im Südwesten der USA unterwegs. Zum ersten Mal ... und auf der Grundlage eines Freundschaftsgeschenkes. Nach mancherlei Anstrengungen besuchten wir zum entspannten Auseinander-Gehen noch einen wunderschönen Erlebnis-Naturpark. Eigentlich hatte ich kein grosses Interesse an den Möglichkeiten die eigenen Kräfte zu erproben, welche dieser Naturpark bot … bis eine junge Frau an mich herantrat, mit der ich während der Reise nur einige Male eher peripher in Berührung gekommen war. Sie schaute mich an und sagte, ich würde eine so grosse innere Ruhe ausstrahlen, während sie selber von Ängsten geplagt werde, die sie schon lange zu überwinden bemüht sei, was ihr aber bisher nicht gelingen wollte. Dabei deutete sie auf eine 15 Meter über dem Erdboden schwebende Seilbrücke mit schmalen Holzbrettern, über die von den beiden Seiten her zwei Menschen aufeinander zuzugehen hätten, um in der Mitte ohne zu Fallen sich zu treffen, vorsichtig aneinander vorbei zugehen die andere Seite der Brücke zu erreichen. Ich sah das Ringen mit der Angst in ihren Augen und sagte ihr zu das Wagnis mit ihr einzugehen.

Ich begleitete sie also zur Seilleiter an ihrem Baumaufstieg zur Seilbrücke und ging nach einigen Worten, in denen ich sie bat geradeaus zu mir hinüber zu schauen und den Bohlen unter sich keine weitere Beachtung zukommen zu lassen - ihre Füsse würden von sich aus schon das Rechte zu tun wissen - einfach „langsam“ ohne innezuhalten loszugehen. Von meiner Seite der Seilbrücke aus gab ich ihr kurz darauf mit der rechten Hand noch ein aufmunterndes Zeichen loszugehen. Und sie ging langsam, aber zügig auf mich zu, bis sie kurz vor unser beider Begegnen wie aus der Konzentration, die sie leitete herausfiel und ihren Schritt ausbremste, was durch die abrupte Bewegung „mich“ zu Fall brachte.

Ich sah das Entsetzen in ihren Augen und reichte ihr mit dem Gedanken Du hast nur diesen einen Versuch meine rechte Hand und sagte, ihr in die Augen schauend verhalten bestimmt: Zieh - und sie zog, während ich mit meinen 80 kg mir einen Ruck gab und … stand, ohne das die Brücke allzu sehr schwankte. Meinerseits in der Konzentration lies ich keine Pause zu, sondern flüsterte nur - weiter - und wir fanden aneinander vorbei ohne dass die Brücke in ihren Seilen gross ausschlug und erreichten ein jeder sein Ende der Brücke. 

Unten angekommen lief die junge Frau auf mich zu, umarmte mich mit Tränen in den Augen und sprach, ich habe meine Angst überwunden.

Wie das Leben so spielt. Wir begegneten einander von diesem Zeitpunkt an nie mehr. Was zu lernen war haben wir voneinander gelernt. Du kannst nicht aus dem Denken herausfallen, es fängt Dich immer auf, wenn Du Dich von seinen Konstrukten nicht aus der anschauenden Konzentration verdrängen lässt. Bewegt in Bewegung zu bleiben erbaut das Ineinander von Sein und Leben.

© Bernhard Albrecht Hartmann, 16.03.2021

Dienstag, 23. Februar 2021

Aufrecht stehen im N ich ts - 2

Der ein oder andere Leser des 1.Teils dieses Essays wird wohl einiges auf mein Sagen  einzuwenden gehabt haben. Nun der Einwände viele habe ich mir vorauseilend selber gemacht - ohne sie dann aber im Schreiben auch nur zu berühren. Denn im Schreiben über das Nichts geht es nicht um eine quasi lückenlose Argumentationskette bezogen auf die inhaltliche Seite des Problems. Das Nichts hat nämlich kurz und bündig gesagt keinen Inhalt, auch dann nicht, wenn eine abstrakte Denkweise ihm einen solchen gerne zuschreiben möchte, weil der Umgang mit einem theoretisch angenommenen Nichts doch schon ein Inhalt sei.

Wohlgemerkt eine Annahme, aber kein Inhalt. Eine Problem-Fokussierung mit Absichtscharakter  ohne Aussage Substanz. Warum? Weil der Annahme keine Erfahrung zu Grunde gelegt ist. Spätestens seit Kant ist in der Wissenschaft jedoch alles auf Erfahrung hin zu orientieren. Erfahrung gewissermassen als eine objektive Prüfschablone. Die Prozesswege des Denkens hat Kant hierbei allerdings nicht einem fragend zu ergründenden Erfahren unterzogen. Wie seine transzendentale Philosophie zeigt hat er das Denken vielmehr mit einem dem Anschein nach undurchdringlich erscheinendem Schleier der Abstraktion umhüllt. Und eben das ist bis heute „das“ Problem. Aus der Sicht von Kant her betrachtet aber war es notwendig, um dem Subjektivismus nicht Tür und Tor zu öffnen. Es schien ihm offenbar ein Anliegen zu sein die innere Unabhängigkeit des Denken Könnens zu wahren. Deshalb schuf er mit seinem Verweis auf das „Ding an sich“ die abstrakte Denksignatur schlechthin, eine Art Observatorium, von dem aus die zu erfahrenden Erscheinungen dieser Welt in abstrakten Gedanken allgemein verstehbar gemacht werden könnten.

Von heute her ist zu fragen, kann und darf angesichts des verdeckten Erklärungsnotstandes der Wissenschaft heute noch an dieser Position von Kant in gleicher Weise wie dazumal festgehalten werden? Hat sich das Denken durch die von Kant her angewandte Abstraktionskur insofern weiter entwickeln können, dass seinen Befürchtungen nicht mehr in gleicher Weise Rechnung getragen werden müsste wie dazumal? Angesichts eines um sich greifenden Hashtag Verhaltens in Social Media Räumen, wie auch verschleiert immer hemmungsloser vorgebrachter und z.B. hinter Datenverordnungen versteckter so genannter unabweisbarer Interessen gäbe es einigen Grund daran zu zweifeln. Es besteht anscheinend immer weniger eine Hemmung sein Sagen einzudämmen. Alles scheint gesagt werden zu dürfen, ob daraus bei den Empfängern Verletzungen oder gar Einschränkungen in ihrer Freiheit resultieren oder nicht. Auch die qualitative Rückbindung an den Wahrheitsgehalt des Gesagten scheint an Bedeutung einzubüssen. Kurz gesagt: Weil ich das so sehe, darum ist es auch so.

Was in meinen Augen bei dieser Vorgehensweise allerdings übersehen wird ist dieses. Der so Denkende sieht sich selbst innerhalb dieser Vorgehensweise in der Position des „Berechtigten Gegenüber.“ Er stellt diese Position vor sich selbst nicht in Frage. Gefangen in abstrakten Argumentationsketten ist ihm die Wirkung, die er durch sein Vorgehen auf andere Menschen ausübt anscheinend aus dem Blick geraten. Dass die Ego Sicht auf die Sinnfelder seines Lebensumfeldes die individuellen Freiheitswege anderer Menschen blockieren könnte wird mit einem so genannten sachlichen Interesse einfach überblendet und damit als nicht relevant im Schattenbereich der eigenen Anschauung entsorgt. Die Abstraktion im Hochtouren-Modus. 

Es mag irritieren wenn ich hier die Frage einflechte, was haben in dieser Weise  scheinbar sachlich aneinander gereihte Gedankenketten noch mit Denken zu tun? Noch pointierter gefragt, kann ein Ego geleitetes Denken überhaupt allseitige Sachlichkeit gewährleisten oder verschleiert es hinter mächtigen Ego Schranken nur einen letztlich hemmungslosen Subjektivismus der Macht, bzw. entfesselter Willenskonvulsionen? Ist also die von Kant favorisierte abstrakte Denkweise verdeckt zu einem fragwürdigeren Subjektivismus verkommen, als dem welchen er ursprünglich eigentlich verhindern wollte? 

Doch versuchen wir noch einen Schritt weiter zu gehen und dem Problem, das sich durch das abstrakte Denken anscheinend eingestellt hat näher zu treten. Öffnen wir unsere Sicht durch tiefer greifendes Fragen also noch mehr auf den Grund hin. Wagen wir es Fragen zu stellen angesichts der Aussage des Sokrates: „Ich weis, dass ich nicht weis“ Gehen wir mutig hinein in diese Sphäre des „ich weis, dass ich nicht weis.“ Halten wir uns innerlich die Möglichkeit offen, dass aus dieser Art des Bemühens uns gleichsam Antworten zuwachsen können. Denn es geht hier um das konkrete und praktische innere Erfahren, um das Erfahren als dynamischen Prozess, das Kant seinerzeit aussen vor gelassen hat. Es geht um einen qualitativen Zugang zum Denken im eigenen Erfahren. Einen subjektfreien Zugang. Gibt es von daher also eine Beziehung zwischen Ego und Nichts? Was soll denn das, höre ich sogleich murmeln. Deshalb noch einmal nachgefragt, welche bisher nicht beachtete Verbindung könnte zwischen dem Ego und dem Nichts bestehen? 

Heisst das nicht, dass wir aufgerufen sind ein-zu-sehen und zu verstehen, wie das Ego mit seinen Dynamiken in einer Selbsterkenntnis Bemühung beobachtbar ist? Das Ego mit seinen Prozessgebärden Selbstbild und Illusion - verbunden mit seinen individuellen Fragen im inneren Erfahren in der eigenen Lebenswanderschaft? Was heissen würde, sich absetzen von einem mitunter blindwütigen Verhalten des Übertragens eigener Fehlleistungen auf andere Menschen ohne nach innen hin auch nur mit den Augen zu zucken. Eine Verirrung des abstrakten Denkens, das die Verbindung zur Prozesserfahrung des eigenen Denkens verloren hat, den Peripathetos, wie ihn Aristoteles einst vermittelte nicht mehr zu handhaben weis. Doch ohne ein sich Einstellen-Können auf zahlreiche innere Erschütterungen im forschenden Umgang mit dem eigenen abstrakten Denken,  nicht nur im wissenschaftlichen Raum, sondern gerade auch im praktischen Alltag und nicht weniger innerhalb von spirituellen Übungsbemühungen wird sich das Tor zum Nichts nicht öffnen lassen, wird sich die voll umfänglich bewusste Einheitserfahrung von Sein und Leben nicht zeitgemäss einstellen können. 

Etwas genauer besehen lassen sich in der Gestaltung des Ego zwei Grund-Dynamiken ausmachen. Dies ist einmal die Tendenz zur Stauung oder auch Selbsterhaltung um jeden Preis. Zum anderen die der Bewegung über sich hinaus. In Letzterer ist eine Besonderheit herauszuheben. Nämlich die einer beständigen Veränderung, die am Ende sich aber als keine wirkliche Veränderung herausstellt, sondern lediglich als Stillstand im dennoch gleichen Kleide. Das Ego ist nämlich ein hochkarätiger innerer Verwandlungskünstler und von daher als Meister der Selbsttäuschung oder anders gesagt Jongleur mit farbenfrohen Illusionsgebilden der Sonderklasse - mithin als Zauberkünstler in der Selbstinszenierung zu beschreiben. Und dieses Geschehen stellt sich fort und fort neu so formvollendet dar, dass der sich so Bezaubernde am Ende sich nicht anders als in seiner Grossartigkeit bewundern kann, ernsthafte Abstriche in Form von Selbstkritik ausschliessend. 

In den Tiefen des Ego ist aber noch eine andere Bewegung auszumachen, ein Inkarnations-Prozess der tatsächlichen Selbsterneuerung, so zart, dass er anfänglich unbemerkt bleiben kann. So unbemerkt, dass mancher Ego-Träger sein Ego sogar für sein Ich hält. Wo aber Selbstillusionen dauerhaft den Platz besetzen kann kein kraftvolles Ich in Erscheinung treten, denn das Ich braucht die dekomponierte Selbstillusionen als Dünger für sein verstärktes Wachsen. Das Ich wächst also auf dem Boden der kritischen Auseinandersetzung mit seinen Illusionen. Und der beste Weg hier nachhaltig auf Wachstumskurs zu gelangen ist der Weg des respektvollen Dialogs über Gegensätze hinweg. Das Ich gedeiht in der selbstkritisch gefärbten Bewegung im Umgang mit Illusionen jeglicher Art. Und wie sehr das Ego sich darstellen kann als eine Illusionsschleuder schier ohne Ende, das tritt erst dann in den Blick, wenn Du beginnst im Umfeld einer Deiner Illusionen in die Tiefe und in die Breite zu graben. Vorstellungen über dies und das in unserer Alltagszeit sind hier weit mehr die Ankerketten von Illusionen als wir es gemeinhin für möglich halten. Vorstellungen vor allem dann, wenn sie sich bei näherem Hinsehen als „alteingesessen“ herausstellen.  

Wenn ich hingegen in einem echten Dialog mich wirklich öffne für den anderen Menschen, dann muss ich fortlaufend meine Vorstellungsbildung anpassen, so vielfarbig stellt sich dieser Mensch im Laufe eines Dialogs und noch mehr von Dialog zu Dialog über einen längeren Zeitraum hin dar. Ohne präsent zu werden „auf das andere hin,“ das aus diesem Menschen in meinem Erfahren in Wort, Ton und Körpergestus spricht ist ein echter Dialog nicht möglich. Gelingt dies nicht dialogisiere ich mehr mit meinen abgelagerten Vorstellungen als mit dem anderen Menschen. 

Ich muss also eine sehr starke Bewegung aufbauen und mich in ihr halten. Und in dieser Bewegung lerne ich von einem „ich weis, dass ich nicht weis“ zum nächsten zu tanzen. Ich werde mit einiger Übung heimisch in dieser Bewegung und verschmelze mit dem Erzeuger dieser Bewegung. Ich gehe aufrecht durch das  Nichts. Das  N  ich  ts verschwindet in der Bewegung. Diese Bewegung aber ist subjektfrei, weil sie nicht durch das Ego geleitet, sondern vom Ich her geführt wird.

© Bernhard Albrecht Hartmann, 23.02.2021




Sonntag, 7. Februar 2021

Aufrecht stehen ... im N ich ts Teil 1

Kann über das was das Nichts ist etwas ausgesagt werden? Wie das? Locker vom Hocker geantwortet ist das doch Blödsinn. Denn: In einer Welt, in der die Wirklichkeit per se  aus einer Sicht von aussen und gegenständlich gedacht wird, gibt es keinen Raum für das Nichts, da das Nichts nicht räumlich vermessen werden kann. Das Nichts ist und bleibt von daher etwas nicht zu Fassendes, eben ein Nichts.  …  Auf den ersten Blick. 

Ihm dennoch Wirklichkeit zusprechen zu wollen, es in einem inneren Raum für eigenes Erfahren wenigstens anfänglich zugänglich zu beschreiben bedeutet einen schmerzlichen Weg bereit sein zu gehen. Denn das Nichts (auf den zweiten Blick) ist nicht irgendwo, es ruht und lebt, ja es lebt tief verborgen in mir. Und von dort her mahnt es heute immer dringlicher seine Befreiung an. Begeben wir uns also auf Spurensuche.

Eine erste Annäherung: Wo, wenn nicht räumlich zu fassen, könnte das Nichts sich verorten lassen? In welche Richtung wäre mein Blick auszurichten, zu lenken, um auf das Nichts zu stossen, ihm in kreisenden Annäherungen am Ende zu begegnen? In kreisenden Annäherungen? hmm. Also bewegt in Bewegung. Könnte das eine Perspektive, eine wachsend dynamische Annäherung an ein anschauend noch nicht gegriffenes Phänomen ermöglichen. Denn mit Annahme von so etwas wie einem Nichts umkreise ich in mir damit, bildhaft gesprochen, nicht so etwas wie ein „schwarzes Loch?“ Doch halt, schwarzes Loch. … in mir. Wer will mir da noch folgen? Will ich da ernsthaft selber forschend weitergehen? In ein Loch … von welchem Rand aus? Denn ein Loch, noch dazu ein schwarzes, bedarf es dazu nicht einer Umrandung, um es als solches innerhalb seiner Umgebung überhaupt als Loch identifizieren zu können?

Und weil wir hier nun schon mitten im Fragen begriffen sind, verwickle ich mit diesem meinem Fragen mich nicht in immer tiefere Widersprüche hinein? Dass das Nichts nicht räumlich vermessen werden könne, das habe ich ja schon gesagt. Was tue ich dann aber, wenn ich in meinen Innenbetrachtungen von einer „Umrandung“ spreche, die zur abgrenzenden Identifizierung dessen was das Nichts vielleicht am Ende dann ist notwendig sei. Habe ich damit  nicht quasi unbemerkt ein räumliches Vorstellen nach innen übernommen? Dürfen innerhalb der Betrachtung von inneren Phänomenen, zu denen wir das Nichts hier vorläufig einmal zählen wollen, können wir bei zu unterscheidenden Prozess-Sequenzen in der Betrachtung derselben räumliche Parameter überhaupt anwenden? Kann ich also von einem „da oder dort“ in Bezug auf ein zu identifizierendes Nichts hinweisend überhaupt sprechen?

Wie ist also mit Phänomenen auf diesem Felde umzugehen, um schrittweise zu immer differenzierteren und damit verlässlicheren Beschreibungen derselben zu kommen, dort wo alles fortlaufend in Bewegung sich befindet? Ich muss mich innerlich selber in Bewegung versetzen und bewegt in dieser Bewegung auch halten können. Das wiederum ist nicht so ganz einfach. Denn: Die grosse, wohl eher selten wirklich ausreichend überprüfte Hürde sind unsere eigenen Vorstellungen und ihr Tatsachen Fundament auf dem sie ruhen, die wir mit einem Sachzusammenhang verbinden. Und eben diese Vorstellungen tun bei einem tiefer greifenden Hinsehen alles, um uns nicht aus ihren Fangarmen entlassen zu müssen. Sie sind eine so tiefe Verbindung mit uns eingegangen, dass wir nicht bemerken wie wir unversehens über unser gegenwärtiges Wirklichkeitserfahren mitgebrachte eigene Vorstellungen „als Etiketten“ kleben und so verhindern, dass die tatsächlich augenblicklich eigene Wirklichkeitsgegenwärtigkeit an die Oberfläche unseres Bewusstseins treten kann.

Bedeutet das nicht, dass die individuellen Ankerketten, an die wir Vorstellungen aus unserer Vergangenheit, d.h. gewisse Erlebnis- und Erfahrungswelten gebunden haben, zu überprüfen sind, um das innere Sichtfeld darauf hin zu öffnen im Dialog vermehrt in die Betrachtungsweise unseres jeweiligen Gegenüber eintreten zu können und von dort her zu denken? Denn gründet Verständigung nicht über die eigene Argumentation hinaus darauf die Gedanken unseres Dialogpartners teilen, d.h. vorurteilslos mitdenken zu können, was am Ende nicht heisst, dass ich sie unwidersprochen hinnehmen muss? Ein solches Vorgehen wirkt in meinen Augen Stil bildend und wahrt darüber hinaus die Würde des anderen Menschen, kann diesen möglicherweise sogar still beflügeln eigene Festlegungen in der Argumentation verstärkt neu zu überdenken. Der „freie Geist“ kann wirksam werden. Emaus …

Doch vertiefen wir die begonnene Spurensuche weiter und wenden uns dazu einem heute im Social-Media Raum weit verbreiteten „Argument“ zu, nämlich dem, dass die Mainstream Presse lügt. Schon der weit gespannte Bogen, der sich in dieser Aussage abzeichnet deutet auf eine Kette verdeckter weiterer Vorstellungen hin, welche die Grundbehauptung, dass die Mainstream Presse lügt unterschwellig begleitet und von daher auf ihren Grund hin untersucht sein will. Damit wir uns hier jedoch nicht von Anfang an missverstehen, will ich sogleich kundtun, dass ich in Folgendem nicht die Absicht habe das Argument, dass die Mainstream Presse lüge zu widerlegen. Es geht einzig und allein darum den Sachfaktor der „eigenen Vorstellungen“ in der Auseinandersetzung mit Presseorganen um ein weniges mehr transparenter vor die eigene Selbsterkenntnis rücken zu können, d.h. die Wirkmechanismen sichtbar zu machen, die „eigene Vorstellungen“ zu vorschnellen Entscheidungsgeschossen in der Auseinandersetzung um das augenblickliche Weltverstehen mutieren lassen.

Um es kurz zu sagen, die Presse ist nicht dazu da die je eigene mitgebrachte Meinung zu stützen. Sie stellt lediglich ein mehr oder weniger tief und breit gefächertes Angebot von denkender Auseinandersetzung zu spezifischen Sachzusammenhängen zur Verfügung. Der qualitative Standart der darin zum Ausdruck kommenden denkenden Auseinandersetzung mit dem Thema beinhaltet nicht die Gewährleistung der Irrtumsfreiheit und die der durchgehenden Sachlichkeit und Folgerichtigkeit in der Argumentation. Werden vor meinen Augen vermeintlich wichtige Sachzusammenhänge nicht ausgewiesen, so lässt sich daraus „sachlich“ nicht ableiten, dass der Verfasser dieser Aussagen lügt oder „Tatschen“ verschleiert. Vor seinem Erkenntnishorizont werden diese Sachzusammenhänge einfach nicht sichtbar, weil er aus einer gänzlich anderen Perspektive schreibt, als ich seine Ausführungen lese. Aus einer sowohl im Aussenbezug anderen Perspektive, wie auch einem notwendig anderen Verhältnis zu den Möglichkeiten seines eigenen Selbsterkennens.

Und er darf das ohne dass er mit Unterstellungen oder gar mit dem General -„Verdacht“ als sogenannter teilhabender Journalist der Mainstream Presse (blinder) Mitwirkender einer Verschwörung zu sein behaftet wird. Er darf das auch dann, wenn er sich von Interessen aus seinem Umkreis manipulieren liess. Ich kann von ihm nicht einfordern, was seine Perspektive auf die Sachbelange über die er schreibt einfach nicht hergibt oder vermeintlich nicht erlaubt.

Vielmehr bin ich gefordert statt ihm etwas zu unterstellen mein Denken sachlich zu vertiefen, … zu vertiefen bis auf den sehr schmerzlichen Grund „eigenen“ Selbsterkennens hin, bis an die Pforte, dass ich weis, dass ich nicht weis. Die Pforte zum Nichts, die Pforte zum Handhaben-Können reinen schöpferischen Willens. Durch diese Pforte aber schreitet nur, wer Wertschätzung des anderen Menschen auch in denkbar schwierigen Gegensätzen zu leben weis. Und dies beinhaltet keineswegs eine apodiktische Aussage sondern ist allein Teil einer fortschreitenden Erkenntnis auf den eigenen Grund hin, ist Ausdruck der stets neu zu stellenden Frage nach der eigenen Redlichkeit im Dialog - nach aussen wie nach innen. Ist gelebte Freiheit und nicht nur Ausübung von vermeintlich verfassungsmässigen zu beanspruchenden Freiheitsrechten - ein riesengrosse Unterschied für den der wirklich denken will. Freiheit kannst Du nicht haben, Du bist vielmehr gefordert sie existentiell zu leben.

Das wusste schon Sokrates und deshalb floh er nicht vor den Mysterien-Wächtern seiner Zeit, sondern nahm den Giftbecher. Er stellte sich den Vorstellungen dieser Männer, die das Recht beanspruchten ihn verurteilen zu dürfen. So leerte er äusserlich den Giftbecher, den man ihm reichte, innerlich aber verbrannte er das Gift, das in den Vorstellungen schwärte, die ihn verurteilten und überwand damit den Tod unscheinbar vor aller Augen. - Die Antwort an Sokrates über die Zeiten hinweg von unserer Seite heute? Sie ist und bleibt offen, solange wir noch Vorstellungen als Faustkeile benutzen, um andere Menschen durch sie zu verurteilen und mit Verdächtigungen zuzuschütten. Wir haben einfach nicht verstanden, was es heisst Freiheit zu leben. Wir haben nicht verstanden, was es heisst zu sterben bevor wir sterben. Wir haben Angst vor dem Nichts. Den Mutlosen bleibt auf diese Weise das Tor des Nichts verschlossen. Diejenigen aber die aufrecht stehen lernen im Angesicht des Nichts, denen öffnet es sich zu seiner Zeit.

© Bernhard Albrecht Hartmann, 07.02.2021

Mittwoch, 13. Januar 2021

Blinde Flecken II

Blinde Flecken identifizieren im Nachgang zu Markus Gabriel. Ich erinnere, im ersten Teil dieses Beitrags habe ich mich auf die einleitenden Worte seines neuen Buches „Fiktionen“ (1) bezogen, „der Schein ist Sein …“. Da ich, was ursprünglich nicht vorgesehen war, dem schon Gesagten nunmehr eine Fortsetzung folgen lasse, so will ich den schon zitierten Gedankengang im Sinne der Überschrift dieses Beitrags noch etwas näher aufbereiten.
„Der Schein ist Sein“. Wer stösst auf ein Erstes hin nicht an diesem Satz an? „Der Schein  i s t  Sein.“ Der Schein hat sich unscheinbar seinen Weg zur Seins-Herrschaft gebahnt. Er hat in allzu vielen Bereichen dessen, was wir als Wirklichkeit betrachten sich wie selbstverständlich niedergelassen und das Ruder der Macht über uns übernommen. Welche Entfesselung der Schein bewerkstelligen kann, davon werden wir gegenwärtig alle Zeugen, in dem was Donald Trump auf der Weltbühne geradezu zelebriert. Er verleiht dem Schein Wirklichkeit und glaubt - er glaubt das  voll und ganz und ist insoweit keineswegs von der Rolle. Das was er sagt ist in seinen Augen auch tatsächlich so. Weil selbst als Person zur Gänze im Schein aufgegangen wird er zum Manifestor des Scheins im ganz grossen Stil.
Doch halt, „der Schein ist das Sein,“ wie steht es in dieser Beziehung mit einem jeden von uns hier?
Markus Gabriel: „Denn das Wirkliche ist dasjenige, zu dem  w i r  n i c h t   e r f o l g r e i c h  auf Abstand gehen können“. Wir gehen nicht erfolgreich auf Abstand weil der Schein sich dazwischen schiebt, wir durch ihn auf eine von ihm verfremdete Seins-Ebene umgelenkt werden. Wie kann das sein: Weil wir in Dialogen zumeist unversehens „eigene“ Vorstellungen als Filter unseres Verstehens einschieben. Wir gehen eher selten, also nicht selbstverständlich eine subjektfreie, tatsächlich anschauende Erlebnisverbindung mit dem Gegenüber ein. Denn eine derartige Verbindung kommt nur über die aktive Haltung von unserer Seite aus zustande. Sie stellt sich nicht von alleine ein. Sie ist willentlich hervorzubringen.
Schauen wir doch nur einmal unser alltägliches Grussverhalten mit Nachbarn oder beruflichen Mitarbeitern an. Welche Zahl wählen sie hier bei einer „strengen“ Rückbesinnung für eine jede Begegnung von 1 -10., wobei die 1 für >im Vorübergehen gerade noch wahrnehmen und sodann gleich wieder vergessen< und die 10 für >einen offenen und tatsächlich interessierten kurzen Dialog zum Befinden des anderen Menschen< steht. Wie sieht es also hier innerhalb der „scheinbar“ eher unbedeutenden Begegnungen unseres Alltags um die Qualität im Begegnen aus. Jeder dieser Menschen ist ein Mensch wie wir. Wie weit stellen wir ihm ein echt menschliches Interesse zur Verfügung? Und ich sage das hier nicht so von ungefähr, denn hier stellen wir in der Überwindung der Routine unsere tatsächliche menschliche Reife unter Beweis und nicht erst im Angesicht unter Freunden oder Gleichgesinnten.
Wenn wir hier aufmerksam werden, ist das dann nicht ein Hinweis dafür, dass wir für die Fussspur unseres eigenen „Erkenne Dich Selbst“ aufzuwachen beginnen? Dass wir salopp gesagt das vor uns selbstverdeckt gehaltene „Fremdeln“ überwinden? Denn wir treten heraus aus unseren individuell mehr oder weniger selbstbezogenen Verkapselungen, unseren diversen Bünden, seien es berufliche, weltanschauliche oder einfach nur Gewohnheiten und beginnen „den Menschen“ wahrzunehmen, der uns unscheinbar an einer jeden Strassenecke begegnet und uns diese oder jene Botschaft verdeckt zuträgt, uns in das „Hier und Jetzt“ durch seine ihm zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten aufwecken will. Wie oft aber sind wir blind, Hand aufs Herz? Wie oft übersehen wir das leise Blitzen in den Augen eines vorüber gehenden Menschen oder deuten es falsch?
Die Scheidegrenze zwischen dem Schein, der sich gewissermassen selbst mit dem Schein des Seins etikettiert, der also den unbemerkten Schatten tatsächlichen Seins darstellt, ohne dass wir das auf Sicht hin überhaupt bemerken, wird demnach dort  b e t r e t e n,  wo wir zu dem Wirklichen „nicht erfolgreich auf Abstand gehen können.“ Das Sein verbirgt sich hinter dem Schein. Das Offenbare bleibt uns verborgen, weil wir nicht aktiv gewillt sind über unsere Ego-Vernebelungen hinauszusehen. Wir leben mit Markus Gabriel, solange wir uns nicht eine mehr durchgehende aktivere Haltung im Umgang  m i t  u n s  s e l b s t  aneignen, in einer „verdrehten Differenz von Sein und Schein (2).“
Der innere Abstand führt uns demnach nur an das Sein heran. Er verleitet uns jedoch damit nicht wenig dazu, dass wir gleichsam auf der dem subjektiven Schein wie gegenüberliegenden Seite, also im abstrakt formalen Hinschauen auf die Wirklichkeit in einer gänzlich anderen Art und Weise wiederum dem Schein verfallen. Erst in einer Überprüfung auch dieses Zustandes werden wir uns der ganzen Schwierigkeit immer deutlicher bewusst, was es heisst in einer scheinbar wie unabänderlichen Weise dem Zangengriff ausgeliefert zu sein, der uns wissen lässt wie sehr wir an dem Wirklichen hängen, „zu dem dem wir nicht erfolgreich auf Abstand gehen können“ - und das ist von dieser Seite her betrachtet der Schein des  N   i c h   t s.
Um das Nichts ist viel gestritten worden. Ich will von daher in diesen kaum zu überbietenden Streiten nicht eine weitere Lanze brechen, sondern auf den bis heute in meinen Augen unerkannt grössten Praktiker im Umgang mit dem Nichts verweisen, auf Sokrates. Er wusste nämlich die Menschen, mit denen er dialogisierend unterwegs war an ihr  i n n e r e s  E r f a h r e n  heran zu führen, „dass ich weis, dass ich nichts weis.“
Sokrates hat damit jene menschliche Grunderfahrung in einigen wenigen Menschen voraus genommen, die für die heutige Zeit die bedeutendste zu erringende Bewusstseinstat ist. Und damit stelle ich keine Behauptung auf, sondern verweise nur auf die Möglichkeit diese Erfahrung zu machen und zu sehen, was sich im Vollzug derselben an eigenem Erfahren einstellt. Der Wirklichkeit, die sich von dort her innerlich zeigt kann keiner entrinnen. Er kann nur bestimmen zu welchem Zeitpunkt er bereit ist sich dieser Wirklichkeit auf seine ureigene Weise zu stellen.
Angelus Silesius umschreibt diese Erfahrung so: „Wer nicht stirbt bevor er stirbt, der verdirbt.“ Mit anderen Worten geht es damit um die Preisgabe der eigenen inneren Selbstbilder und das Erfahren des langsamen inneren Auferstehen in die Kraft des Ich. Der dunkelste blinde Fleck im Menschen ist das Nichts und die Erfahrung, dass gerade dort das Ich ruht, bis ich es bewegt in Bewegung ergreife. Das  N  i c h  t s  ist der Raum des Willens, der grösstmöglichen schöpferischen Kraft des Menschen.

Bernhard Albrecht

(1) Markus Gabriel Fiktionen, Suhrkamp Verlag Berlin 2020, Einleitung S.17, 1. Absatz
(2) dito S.17, 3. Absatz

Montag, 4. Januar 2021

Blinde Flecken I

„Und wo bist du blind? Was übersiehst du, obwohl oder weil du sehende Augen hast?“ https://windwort.blogspot.com/2018/05/blind.html
Wieder einmal trägt Dir der Wind die Frage nach den blinden Flecken im Welt Zugewandt-Sein deiner sehenden Augen zu. Ein Zugewandt-Sein beinhaltet aber im gleichen Atemzug immer auch ein spezifisches Welt Abgewandt-Sein, ob dieses die eigene Innenwelt oder die mehr oder weniger dazu korrespondierende Aussenwelt betrifft. In der Ausrichtung auf dieses oder jenes schliesst Dein Sehen ganz natürlich tote Winkel mit ein. Es ist also von einiger Bedeutung in der Urteilsfindung den dazu gehörigen Sachverhalt von möglichst vielen Seiten betrachtend ins Auge zu nehmen.
Genau an dieser Stelle verschleiern wir uns jedoch allzu häufig unser Denken, indem wir durch Filter, sprich Vorstellungen auf die Begebenheiten um uns herum schauen, die wir der Möglichkeit eines unmittelbaren Erfahren zumeist unbemerkt vorschalten. Was wir sehen und wie wir es auffassen ist also von allem Anfang her nicht selten bereits getrübt in seinem Wirklichkeitsgehalt.
Wenn dem aber so ist, wie kann ich mich davor schützen in diese selbst gestellten Fallen immer wieder hineinzulaufen? Denn was ich sehe wären ja dann von Fiktionen und eigenen Projektionen überlagerte Wirklichkeitsgebilde. Wirklichkeiten also wie ich sie sehen will, wie sie aber … vielleicht tatsächlich nicht sind.
Tatsächlich nicht sind? Ist das nicht ein wenig dick aufgetragen? Auf ein erstes hin mag das so erscheinen, aber genauer besehen …
Gehe ich nämlich der Möglichkeit immer wieder einmal entschiedener nach ich trüge da oder dort Filter vor meinen Augen, die mein Wirklichkeitsverstehen verfremdet oder getrübt haben könnten, so kann sich im Zuge anhaltenden Bemühens ein immer weniger zurück zu weisendes Empfinden einstellen dem in die Augen zu schauen, was am Horizont meines Bewusstseins sich abspielt. - Wenn das „Erkenne Dich Selbst“ immer deutlicher an inneren Türen ruckelt und die seelische Beobachtung auf Zusammenhänge stösst, die auf das eigene Selbstbild schmerzhaft zurückwirken.
Sich empören über Fake News, die z.B. über Twitter Verbreitung finden, nicht nur von Seiten Donald Trumps, ist eines, die eigenen Fakes, die ich denkend produziere genauer zu untersuchen und zu berichtigen ein anderes. Den schönen Schein also unnachgiebig mir selber gegenüber zu identifizieren.
Schein und Sein: Markus Gabriel eröffnet sein neuestes Buch „Fiktionen“ mit diesen Sätzen. „Der Schein ist Sein. Wir entrinnen der Wirklichkeit nicht dadurch, dass wir uns täuschen oder getäuscht werden. Denn das Wirkliche ist dasjenige, zu dem wir nicht erfolgreich auf Abstand gehen können. Jeder Fluchtversuch scheitert hier daran, dass wir uns mitnehmen, dass also dasjenige, dem wir zu entkommen suchen - die Wirklichkeit - durch unsere Einbildung allenfalls verändert wird. Kein Gedanke und keine Tätigkeit bringen sie zum Verschwinden (1).“
Unabhängig von der Gedankenentwicklung, den das Buch von Markus Gabriel in seinem weiteren Verlauf nimmt, will ich hier allein von diesen Sätzen her fragen, was ist die Wirklichkeit vor der wir hier fliehen, was verbirgt sich in dieser Wirklichkeit, das uns anscheinend so erschreckt, dass wir wie einen Schleier über sie zu werfen uns genötigt sehen? Was schauen wir im Spiegel unseres Denkens da an? Vorsichtig tastend gesagt, könnte es unsere embryonale Nacktheit sein, der wir hier gegenüberstehen?
In die Kulissen blinder Flecken hinein zu schauen ist eine echte Herausforderung. Denn: Du bekommst hier kaum etwas zu sehen, das dich auf das Erste hin erfreut. Schon der Jüngling von Sais floh seinerzeit vor der Wirklichkeit, die sich hinter der enthüllten Statue der Göttin ihm darbot. Nur können wir heute nicht mehr fliehen. Wir können es nicht mehr und ich will, muss das hier  auch nicht begründen. Die Antwort kann ein jeder nur allein für sich finden.
Sich an eine wie auch immer geartete Führung wenden zu wollen geht nicht mehr. Die Fussspur des erkenne dich selbst bricht heute unverhohlen vor einem jeden Menschen in je eigener Weise auf.
Sie mit Leben zu füllen ist Ich-Verantwortung. Der Reset um den es geht ist ein nachhaltiges sich Hinwenden auf einen schöpferisch gestalteten Denkprozess im jeweiligen Alltag, bedeutet  Wirklichkeit erschaffen aus dem Ich - und über Gegensätze hinweg Wertschätzung der vielfarbigen  Ich-Gebärden anderer Menschen, die ihren Ich-Weg finden und gehen dürfen. Freies Geistesleben ...

Die Eigenart des Ich aber ist es, weil durch Achtsamkeit aus vielen Quellen belebt, dass jeder seiner Schritte den Mut wachsen lässt.

Bernhard Albrecht

(1) Markus Gabriel Fiktionen, Suhrkamp Verlag Berlin 2020, Einleitung S.17

Samstag, 2. Januar 2021

Tiefer gefragt

Wer will mag dem Folgenden lauschend nachgehen, be-sinnend zu seinem Er-innern vordringen - und  aus diesem Er-innern die nächsten Schritte selbstverantwortlich besinnend an die Hand nehmen.

Ist es nicht so, dass heute von nicht wenigen Seiten her, also nicht nur von so genannten lauten Querdenkern, sondern auch aus den Reihen der eher stillen Teilhaber am Weltgeschehen die Verhältnismässigkeit so mancher Massnahmen des Corona Managements vermehrt ins Auge genommen, wie auch ein weiträumigerer Blick auf das hin, was im so genannten Wettlauf wider die Pandemie zu tun sei innerlich bedacht wird?
Bewegen wir uns nicht „alle,“ die politischen Akteure, wie die weltweiten Mehrheiten an den Fernsehschirmen, im Verfolgen von beinahe stündlichen Neuen Pandemie-Nachrichten gleichsam wie Getriebene durch ein Zahlen-Hamsterrad?
Zahlen: Können sie dieses Geschehen wirklich steuern und am Ende bewältigen oder bedarf es dazu mehr?

Die Frage warum uns diese Pandemie gerade jetzt trifft ist also tiefer zu bedenken, denn sie mit noch so ausgeklügelten Statistiken wieder einfangen zu wollen könnte sich als der ganz grosse Irrtum herausstellen. Die Büchse der Pandora ist geöffnet und mit „Deckel drauf,“ sprich Impfen allein nicht mehr zu schliessen. Höchstens vordergründig eine gewisse Zeit zurückzudämmen - bis die nächsten Pandemien dann in immer schnellerer Folge über die Welt herfallen.
Denn waren Pandemien nicht seit alters ein Alarmzeichen erster Güte innerhalb der jeweiligen Gesellschaften, die einen Bewusstseinswandel dringend einforderten?

Pandemien als gesellschaftlicher Hurrikan.

Was könnte das von heute her bedeuten? Dem Gerede vom geplanten Reset gewisser Kreise wenigstens für eine kleine individuelle Einkehr einmal Einhalt zu gebieten und den Blick zu weiten. Reset nicht als Angst-Schimäre weiter „viral“ zu verbreiten, sondern innezuhalten und nur sich ganz alleine zu fragen, was habe ich in meiner Vergangenheit innerlich nicht entschiedener an die Hand genommen und in Selbstentwicklungen durchgehalten. Was muss ich also erstrangig bei mir auf Anfang stellen bevor ich meine Stimme erhebe und Forderungen in den gesellschaftlichen Umraum hinein stelle.
Welche Haltung habe ich zu repräsentieren.
Geht es also im Umgang mit Corona um eine grosse eigene innere Umkehr? Fallen jetzt vielleicht die Viren über mich her, die ich in meinen zu wenig bedachten (auch spirituellen) Ambitionen in der Vergangenheit in mein jeweiliges gesellschaftliches Umfeld hinein frei gesetzt habe? Egoistisches Denken als soziale Virenschleuder?
Es kehrt alles wieder, was durch mich unvollendet geblieben ist. Das „Erkenne Dich selbst“ ist langmütig, aber auch unnachgiebig.

 

Bernhard Albrecht

Zwischenruf zum Jahreswechsel 2020/2021

 „Die geistige Möwe in uns gilt es zu Entdecken. Jenes Prinzip, das Raum und Zeit zu sprengen vermag.
Das Prinzip der Überwindung der erdhaften Schwere durch die Leichte geistesgegenwärtigen Seins. Gleichmut im Alltäglichen, der Niederlage das Dennoch, dem Nichtwissen die innere Ruhe abgewinnen.
Denn das Geistige öffnet sich im >Dasein-Können< des Augenblicks.“

Diese über 40 Jahre alte Notiz hat mich beim erneuten Lesen aus aktuellem Anlass heraus sehr nachdenklich gestimmt, zumal der Verweis auf die Möwe, das innere Blicken umfassender betrachtet, auf eine in sich zwiespältige Szenerie hinschauen lässt. Die Möwe durchbricht in ihrem Schrei ja nicht nur Raum und Zeit, ruft weit entfernte Artgenossen über unscheinbare Schallwellen Kanäle herbei und erzeugt durch ihren Futter gesteuerten Ruf ein Resonanzfeld durch das ihre Futtergier sich vervielfältigt. Der Futterplatz wird zum Kampffeld ihrer Artgenossen um die Futterhoheit gegenüber fremden Futter-mit-Interessenten.
Mit etwas geweitetem Blick schaut hier zeitgleich „der Kampf Aller gegen Alle“ als untergründig bereits voll gegenwärtiges Wirkgeschehen um die Ecke … und erinnert Dich - an was?

Der Egoismus lässt ein vom Grund her soziales Begegnungsfeld zum Kampffeld werden. Triebgesteuerte Deutungshoheit ruft leise manipulierend Lüge und Unsachlichkeit herbei, tritt anderen Sichtweisen ohne Bedenken ans Schienbein und beugt das Wirklichkeitsverstehen im Sinne verblendeter Machthoheit willkürlich nach Gutdünken und Eigeninteresse.

Weil … das „Erkenne Dich selbst“ in der Kommunikation nicht vorrangig ins Blickfeld genommen wird, "aktiv fragendes“ Interesse nicht bedingungslos wegleitend ist und in Folge das „Freie Geistesleben“  „Schatten-Flüchtlingen“ zum blossen Lippenbekenntnis verkommt.

Bernhard Albrecht