Dienstag, 1. Januar 2013

Ziehe Deine Schuhe aus ...

Und immer wieder die Frage nach dem Willen!
Ein ganz wesentliches Hindernis den eigenen Willen in den Blick zu bekommen scheint mir in den Bildern zu liegen die „ein jeder“ meist sehr, sehr unterschwellig von sich selber hat und mit sich herumträgt, in sein Denken und Sagen unversehens mit hinein flicht. Kommt es dann zu einer Antwort eines Du auf mein Sagen, so ist sogleich das Bild von mir, das eng verbunden ist mit dem, was ich sagend auszudrücken versucht habe, damit angesprochen - fühlt sich mehr oder weniger deutlich gedrängt sich zu verteidigen. Ich springe innerlich gleichsam der Antwort auf den Rücken, dresche ihr eins über, - das kann durchaus auch vornehmer sein - und übersehe, ja ich berühre in einer derartig reaktiven Haltung nicht annähernd die Sachebene des Gesagten.
In diesem ersten Augenblick des Hinschauens auf eine Antwort entscheidet sich, ob damit ein Erwachen am Anderen mit initiiert wird oder nicht.
Viele, viele Missverständnisse können so, ohne einen gewissen Abstand, indem ich gleichsam wie ein von meiner Seite aus unbeteiligter Fremder auf eine Antwort an mich hinblicke, unter Menschen entstehen, ziehen unscheinbare Gräben, richten Mauern auf und die eine oder andere Seite miteinander Reden Wollender überhört so die Oberton-Fanfaren, die durch das Du zu neuen Ufern durch innere Wandlung riefen.                            
Nicht selten schleppen sich derartige Brüche über Jahre hinweg durch eine Biographie als prägende Eindrücke weiter, können sich zu wahren inneren Komplexen erweitern und verseuchen als zunehmend giftiger werdender Bodensatz neue Begegnungen, blockieren oder behindern, allen Anstrengungen zum Trotz die weitere Entwicklung.  
Es ist also das Bild von mir, das ich unterschwellig zunächst in alles mit hinein trage, was ich kommuniziere, das mich daran hindert an den Ursprungsquell meines Willens innerlich herantreten zu können, solange ich aktiv von meiner Seite aus das Erwachen nicht mit initiiere. Solange ich also auf ein Antworten mich innerlich nicht abfragen kann, was hat diese Regung, dieser Drang in mir dies und das vermeintlich darauf erwidern, richtig stellen oder behauptend dem Anderen glauben gar unterstellen zu können, was hat das mit mir zu tun.
Oder auch: was hat dieses gegenüber dem Du, nicht selten gut kaschierte, zurück gehaltene innere Grollen und Giften, das sich zur Gänze innerlich auf dieses hin projizierend richtet, ohne die tief in mir verdeckt gehaltene Quelle eines derartigen Prozesses ins Auge zu nehmen; welche innerliche Unausgeglichenheit oder Unsachlichkeit in weiter zurückliegenden Geschehnissen, möglicherweise auf ganz anderen Geschehnis Feldern, drängen hier wieder an die Oberfläche und verleiten mich sie erneut zu verdrängen und auf das Du hin zu übertragen? Wenn derartige Regungen angesichts der Worte des anderen Menschen in mir mehr oder weniger hoch kochen, ohne dass ich sie auf seinen Bezug zu mir hin abfrage, bleibt mir die Tür über die seelische Beobachtung im Denken sehend werden zu können verschlossen.
Mein Selbstbild ist die Tür - und Interesse, ein Interesse ohne jeden Vorbehalt auf den anderen Menschen und sein Sagen hin kann diese Türe öffnen. Erwachen am Anderen ist meine Aufgabe. Den Anderen widerlegen und korrigieren zu wollen, in diesem oder jenem innerhalb seines Sagen, das ist nicht mein Ding, das kann er nur selber. Kein noch so gutes Argument kann, genau besehen, innerhalb von Entwicklungsprozessen da irgendetwas ausrichten.
Mein Erwachen am anderen, mein fortlaufendes Bemühen darum, das allein kann lebendige Kräfte freisetzen, die hilfreich sein können für den anderen Menschen seinerseits zu erwachen, mehr aber auch nicht. Durch seine Prozesse hindurch gehen, die Not wendenden Schritte dazu nach und nach ins Auge zu nehmen, das kann allein er selbst. 

Und immer wieder die Frage nach dem Willen!
Mit dem vorausgehend Gesagten ist immer wieder, wenn auch mehr indirekt, aber dennoch sehr präzise auf den Willen verwiesen, ohne ihn selber näher zu beschreiben. Beschreiben lässt sich der Wille nämlich nicht, denn non duale Vorgänge lassen sich nicht von Du zu Du adäquat beschreiben, sie lassen sich nur auf dem jeweils eigenen Geschehnis Untergrund selber beobachten und das erst dann, wenn du aufhörst das Du als Deine Projektionsfläche zu missbrauchen, wenn Du die Verschleierungen Deines Ich durch dein Ego bezogenes Selbstbild bereit bist erwachend zu durchdringen.
Das Feld auf dem das Ich, erwachend für sich selbst tätig werden kann, ist die Unmittelbarkeit. Die Unmittelbarkeit wiederum ist eng an den Zeiten-Raum der Stille geknüpft. In der Stille, dem Quellpunkt des Ich, wiederum ist der unbewegt bewegte Wille, der gleichsam jungfräuliche, noch nicht durch das Ego korrumpierte Wille beheimatet.
Es gehört ein sehr fein gestimmtes waches inneres Gleichgewichtsempfinden dazu, sich dieser Sphäre der Erfahrung, dem unbewegt bewegten Willen, dem Willen als schöpferische Potenz des Ich, innerlich auch nur annähern zu können. Hier gilt nämlich das Wort, das sich dem inneren Erfahren des Moses in einem  Moment des Erwachens einstmals offenbarte: „Ziehe Deine Schuhe aus, denn der Grund, den Du betrittst ist heiliger Boden.“

Bernhard Albrecht