Sonntag, 4. Dezember 2022

WindWorte 2

Wenn Sinnesoffenheit in Achtsamkeit tiefer hineinwächst gehst Du auf einer inneren Ebene irgendwann durch das Tor des Schweigens. Was nicht heisst, dass Du damit für das alltägliche Leben verstummen musst. Nein. Du wirst ganz bei Dir immer wacher für das was Du jeweils tust, was heissen kann, dass auch das Wort merklich immer bedeutsamer für Dich und Deinen Umgang mit ihm wird. Kommunikation bekommt eine neue und tiefere Bedeutung und das kann auch eine zeitweise Hemmung im persönlichen Umgang mit Worten zur Folge haben. 

Die bisherige meist eher gegen aussen agierende seelische Empfindsamkeit weitet sich mit Aufmerksamkeit-Übungen. Du rückst mehr ins Zentrum, wirst zum immer unmittelbar erfahrenden Kreuzungspunkt allseitig in Dir und um Dich herum sich begegnender Empfindungen. Sie verflüssigen sich gewissermassen. Verletzungen treten schneller in Erscheinung. Du spürst allenthalben, dass Du selbst alltägliche Willensstrebungen gehalten bist mehr geführt in Deine Hände zu nehmen, damit Du nicht unversehens aus dem Gleis gerätst. Der Wille ist immer weniger das was Dich selbstverständlich trägt. Du musst die Führung übernehmen.

Schuldige im Aussen zu suchen wird obsolet und bisher verlässliche Schutzmechanismen brechen weg. Du erfasst von Mal zu Mal tiefer die Herausforderung, die darin sich zeigt, dass vermeintlich andere es sind, die Dich da oder dort scheinbar verletzen und im schlimmsten Fall sogar vorübergehend erschöpft einknicken lassen und Dein Seelenerleben abdunkeln. Der Anschein trügt. Sie treffen durch ihr Tun nur eine Wunde in Dir, die vordem schon da war und möglicherweise schon eine lange Zeit dort vor sich hin schwärte. Ihre vermeintliche Untat beinhaltet in Wirklichkeit also nur eine Briefbotschaft mit einer Aufmerksamkeit-Übung. Widme diesem oder jenem bestimmten seelischen Erlebnisbereich in Dir mehr Achtsamkeit … 

„Bewusstseinsseele“ fällt Dir nicht in den Schoss, sie will in Respekt vor jedwedem anderen Menschen erarbeitet sein. Freiheit ist kein zu beanspruchendes Gut. Sie will individuell aktiv hervorgebracht und gestaltet sein.

© Bernhard Albrecht Hartmann 04.12.2022

Der Ukraine Krieg - eine ungewöhnliche Anmerkung

Und immer noch ist Heraklit höchst aktuell … denn das Denken ist trotz aller Dialektik und Reflexion vor der eigenen, individuell „tatsächlich inneren Anschauung“ her bis heute das am wenigsten Durchdrungene (1). Es ist abstrakt und damit tendenziell tot und in sich leer, was in meinen Augen bedeutet in seinem je tieferen Gehalt deswegen zu wenig authentisch. Es fliesst eben nicht, weil ich zu seinen verborgenen Gestalt gebenden Bewegungen innerlich nicht vordringe. Ich halte mich zumeist eher hinter Vorstellungsbarrieren bedeckt zurück, als konkret Räume oder wohl besser gesagt Dimensionen des Nichts anschauend zu erkunden. 

Wie es so schön im Märchen benannt wird, das Fürchten will gelernt sein oder mit Thomas Nagel das Denken will vom Nirgendwo (2) her erkundet sein. Mit anderen Worten, der Wille im Denken darf als Erfahrung nicht länger mehr verborgen bleiben.

Grundständig ist aber bei derlei Bemühungen der Satz des Sokrates nicht zu umgehen. Jener Satz nämlich der bis heute durch vielerlei philosophische Bemühungen und Coach Beratungen geistert, jenes die Zeiten übergreifende hintergründig sich zu erschliessende Selbsterkenntnis Eingeständnis, das Sokrates seinen Schülern immer wieder bei vielerlei Gelegenheiten wie leise ermunternd zusprach und für das er selber mit aller Konsequenz einstand nachdem er vor das Mysterien Gericht gestellt worden war: „Ich weis, dass ich nicht weis.“ 

Ich wage es hier einmal ganz offen so auszusprechen, dieser Satz ist bis heute in seiner Essenz nicht wirklich breitere innere Erfahrung geworden. Und von daher ist der je eigene individuelle Giftbecher nicht einmal im Ansatz ausgetrunken.

Der Krieg bleibt also in meinen Augen so lange der Vater aller Dinge bis das Denken sich in heutiger Zeit bis auf die „Erfahrungsebene“ des Heraklit (alles fliest) in eigenen individuellen Erfahrungen vertieft hat.   

© Bernhard Albrecht Hartmann

Siehe dazu auch: https://ich-quelle.blogspot.com/2022/01/mit-den-augen-des-falken-3.html   

https://ich-quelle.blogspot.com/2016/07/einige-anmerkungen-zu-thomas-nagel-der.html



Freitag, 28. Oktober 2022

Über das Dialogische

 https://www.facebook.com/groups/nobuanthro/posts/6544069638943584/?comment_id=6544105825606632&reply_comment_id=6545032998847248&notif_id=1666778489030147&notif_t=group_comment&ref=notif

Der nachfolgend hier eingestellter Kommentar wurde vor zwei Tagen auf Facebook gepostet, kurz nachdem der Beitrag auf den er sich beziehen sollte von Facebook wegen Hatespeech gesperrt und gelöscht wurde. Ein zu denken gebender Vorgang. Denn besagter Beitrag verwies per Kopie des Beitrages von Maria Dörig lediglich auf Aussagen daselbst in dem Magazin Agora 5/2022, war durch sich selbst geprägt demnach keine unmittelbar ausgeübte Hatespeech. Selbst wenn ich meinerseits die Aussagen von Frau Dörig als grenzwertig ansehe waren sie genau besehen nur Interpretationen von Vorgängen, die sie ihrerseits innerlich sich eben so zum Verständnis brachte. Eine direkt ausgeübte Hatespeech gegen eine konkrete Person konnte ich darin nicht erblicken. Insofern betrachte ich es als bedenklich, wenn von Facebook in die freie Meinungsäusserung auf diese Weise eingegriffen wird. Anscheinend sind die Algorithmen die Facebook hier einsetzt nicht differenziert genug entwickelt.


In Krisen-/Kriegs-Zeiten dem Dialogischen Bedeutung zusprechen, ist das nicht durchgedreht weltfremdes Wunschdenken?

Kann somit Waffen zu Pflugscharen umzuschmieden heute noch ein hehrer Wunsch, eine taugliche und damit auf die besonderen Gegebenheiten hinorientierte innere Haltung zum Ausdruck bringen? Oder ist dies in unseren Tagen in seinen vielfältig abgewandelten Varianten mit seinem vor sich selbst nicht selten verborgen gehaltenem, (gerade deshalb aber immer wieder mit Verve intellektuell virtuos und politisch scharf bis spitzfindig argumentierend vorgetragenen) ideologisch hochgetunten Background nicht naiv und weltfremd? Kann darin also ein Zeiten - Wende Wille, eine aktive Zeiten - Wende - Haltung tatsächlich und wirklichkeitsnah zum Ausdruck gelangen?

Ich will damit wen auch immer keinesfalls verurteilen, sondern nur versuchen den Finger in „die“ Wunde zu legen, die wir alle, mich also eingeschlossen heute mit uns durch unser Leben tragen. Und das ist bildhaft gesprochen die Wunde der (auch unerkannt oder verschleiert) gebrochenen Authentizität, des sich Abstützens letztlich mehr oder weniger deutlich auf wie auch immer vorbildhafte andere Menschen, bzw. fremdseitig eingespielte, meinerseits wohl häufiger eher nicht wirklich bis auf den Grund hin überprüften sogenannten Tatsachen (z.B. unter anderem auch Fake-news bzw. Verschwörungstheorien).

Aufrecht stehen und diesen in jedem Falle sehr individuellen Ausdruck auch durch alle inneren und äusseren Wendespiele, die dich/mich im nu dabei in Dialogen unterspülen und verdrehend in einem Malstrom erfassen können durchzuhalten, das ist wahrhaft eine Kunst innerhalb der Strudelereignisse von Scilla und Charyptis in der heutigen Zeit (→ Mehrfahrt des Aeneas, bzw. die des Odysseus).

Wie schwer diese „Dialog-Kunst“ im Leben zu verankern ist, das zeigt Maria Dörig in ihrem hier von Rainer Herzog (leider teilweise für mich nicht lesbar, zwischenzeitlich wieder zurückgezogenen) Agora Beitrag. Und wie sehr der Dialog dabei auch aus dem Ruder laufen kann, das wird an Inhalt und Duktus ihres Sagen wie auch der Reaktion hier nur mehr als deutlich.

Vor weiteren Einlassungen meinerseits zum Beitrag von Maria Dörig eine aus meiner Sicht notwendig ernste Anmerkung vorweg: Die Dialogkunst führt mich, innerlich konsequent verfolgt in das Nichts hinein, prüft mich auf jede nur erdenkliche Weise auf eine innere Meerfahrt ohne Rückhalt hin, d.h. ohne festen Boden. Was mich in meinem ganz persönlichen Erfahren, so ich aufmerksam in und um mich in den sozialen Raum hinein lausche, zum immer umfassenderen Verzicht auf alle Vorstellungen die ich über andere Menschen in mir trage offen oder verdeckt auffordert. Dialog auf eine fortschreitend sich entwickelnde Kunst hin geübt, weckt damit gleichlaufend in mir eine weitere Kunstfertigkeit, die der seelischen Beobachtung.

Kurz und bündig auf Maria Dörig bezogen, übt sie im Hinblick auf Ute Halaschka und Jaroslava Black-Terletska hier seelische Beobachtung? Die seelische Beobachtung zeichnet sich nämlich gerade dadurch aus, dass sie vorsichtig fragend an das tiefer zu Verstehende herantritt. Maria Dörig hingegen tritt kämpferisch auf, wogegen grundsätzlich nichts zu sagen wäre. Nur, zeichnet sich ein echter Kämpfer nicht durch differenzierte Waffenführung aus?

Nimmt Frau Dörig von daher die Argumente von Ute Halaschka und Jaroslava Black-Terletska näher unter die Lupe? Knüpft sie mit eigenen Gedanken an sie an? Nein, sie wischt sie vom Tisch, belegt sie mit der Deutung der luziferischen Irreführung und unterstellt Manipulation. Doch weil das noch nicht reicht bringt sie sogar die schwarzmagische Keule ins Spiel.

Frau Dörig, ich will sie hier ganz direkt offen ansprechen, haben Sie, ihrem Beitrag in Agora 5/2022 vorauseilend sich um Teilhabe an den Geschehnissen z.B. in Butscha soweit innerlich angenähert, dass sie nachfühlen konnten was Schmerzagonie für eine Grossmutter bedeutet? Eine ältere Frau, die Tochter, Enkelkind und Mann, sowie ihr Haus mit bescheidener Habe in einer einzigen Nacht verloren hat? Können Sie innerlich erlebend nachvollziehen, dass, um am eigenen Schmerz nicht zu ersticken, Schreien und in Gemeinschaft sich Bewegen hilfreich sein kann, um sich selbst wieder zu spüren und damit dem Leben nicht verloren zu gehen?

Können Sie das, was ich Ihnen denkend hier näher zu bringen versuche, Frau Dörig, können Sie konkret auf die Situation dieser schwer traumatisierten Menschen in Kiew bezogen Mitgefühl in sich soweit aktivieren, dass Sie in Ihrem Herzen still geöffnet nachempfinden den Schmerz, die innere Leere, das innerlich ausgebrannt Sein dieser Menschen? Oder bin ich in Ihren Augen, weil ich diesbezüglich anders denke als Sie auch ein luziferischer Verführer? Ein Un-Denker?

Ein Wort zum Schluss: Die Mitte Europas liegt nicht in Deutschland und nicht in der Ukraine, also nicht im Aussen. Aus meiner Sicht hat Rudolf Steiner sie zu Weihnachten 1923/24 als dynamische Äthersubstanz in die Herzen der Menschen zur frei zu verantwortenden Entwicklung eingepflanzt, auf dass sie aus dieser Keimkraft im Dialog Wege eröffnen könnten alle ihre „Vorstellungen“ auf mehr „gelebte“ Menschlichkeit untereinander hin zu verwandeln. Die Versäumnisse hier sind ein wesentlicher Auslöser für den Krieg in der Ukraine heute. Denn was ich hier vor meiner Haustüre, in den menschlichen Zusammenhängen, die mir geistig etwas bedeuten durch „meine innere Verwandlung“ als Beitrag einbringe, nur das kann sich in die Weite atmen und in Russland zur gegebener Zeit als neuer Geisteskeim aufblühen. Konkret individuell gelebte Ich geführte Geistestat also, frei von jeglicher Dogmatik.

© Bernhard Albrecht Hartmann


Montag, 22. August 2022

Ich geleitetes Denken: Ein Z u r u f aus dem Alltag

Wie bewege ich mich in meinen Alltagsgeschäften im Einklang mit dem Ich-Schreiten, wie kann ich von Tag zu Tag immer näher und tieferreichender an „meine“ ureigene Ich-Gegenwärtigkeit im Tun erfahrend herantreten mich mit ihr innerlich verbinden?

Es ist im Grunde eine ganz einfache Bewegungsgeste innerhalb des Fundus meiner Alltagsabläufe. Und die heisst Abläufe unterbrechen. Gezielt unterbrechen und innehalten. Innehalten und sich besinnen, was als nächstes zu tun ist - und für einen kleinen Augenblick mit erhöhter Aufmerksamkeit in die anstehende neue Tatbewegung einsteigen. Für einen kleinen Augenblick … . Nichts weiter? Ja nur dies, immer wieder.

Was geschieht in einem derartigen Augenblick? Ich belüfte so wie ich die Fenster meines Arbeitszimmers regelmässig öffne um frische Luft hereinzulassen, ich belüfte auf diese Weise meine inneren Seelenräumlichkeiten, löse mich aus der Umschlingung von so manchen Antreibern, die meinen Alltag allzu oft eher unbewusst bestimmen. Ich kann des geistigen Himmelblau inne werden und mit seiner Vergegenwärtigung Einsitz nehmen in der Stille. 

Geistiges Himmelblau: Ist das ein Metapher oder weisst das auf eine reale Erfahrung? Nun, es führt den, der sich tatsächlich darauf einlassen kann immer wieder einmal mit Nachdruck seine Alltagsverläufe zu unterbrechen in ein tieferes Anschauen von dem hinein was ist. Es weitet den Blick auf die eigenen Seelenkräfte hin und lässt beobachten wie sie Wirklichkeit konstituierend arbeiten. Stellt Sinnesnähe her zu dem, was ich gerade tue und - öffnet damit unmittelbar erfahrend die Verbindung zu den universalen begriffsbildenden Elementen im Wirklichkeitsaufbau.

Statt dem Leben nachzujagen werde ich durch diese einfache mit Nachdruck geübte Unterbrechung in  meinem Alltagsverlauf  an den beständig leise rieselnden Quell des Lebens herangeführt. Erfahre Kraft Aufbau.             

 © Bernhard Albrecht


Donnerstag, 11. August 2022

Das Denken ist eine Ich-Erfahrung (1) oder es ist kein Denken (❋ 2)

Das Denken ist eine Ich-Erfahrung. Wie kann das sein? Ist eine derartige Auffassung von allem Anfang her nicht zumindest tendenziell als tollkühn zu betrachten? Um  hier nicht weiter  um sich greifende Mutmassungen zu befördern kann ich nur versuchen mich der angesprochenen Aussage sachlich tiefer anzunähern. Welche besondere Art der Anschauung des Denken könnte demnach also aufzeigen, dass mit diesem Denken Ich-Erfahren zum Ausdruck kommt, mithin in einer direkten  Verbindung steht? Das bedeutet, dass die auf das Denken hin gerichtete unmittelbare Aufmerksamkeit näher zu untersuchen, also im Grunde die Möglichkeit das Denken überhaupt beobachten zu können zu prüfen wäre. Schon diese wenigen Fragen mit der durch sie aufscheinenden Problemlage zeigt, dass wir uns zwecks tatsachengerechter Klärung dieser Fragen auf ein sachlich nicht einfach zu erschliessendes und darüber hinaus eventuell individuell noch schwerer zu durchdringendes Erfahrungsfeld begeben. Das kann für einen innerhalb seiner Denkwege aufgeschlossenen Suchenden die innere Spur sichtbar machen, dass es sich bei dem hier umrissenen Fragehorizont um nichts weniger als den Weg vom Gedanken gesättigten Ich-Sagen zum Ich-Erfahren im Denken handelt. Die möglicherweise denkbar schwerste Herausforderung in Zeitenwende Zeiten wie den gegenwärtigen.

Das Denken „ist“ eine Ich-Erfahrung. Klingt das apodiktisch oder ist in dieser Ist-Aussage jenseits der möglichen, bzw. zu unterstellenden Behauptung eine tiefere Erfahrung angesprochen? Was beinhaltet eine Erfahrung? Was ist der eigentümliche und tiefere Gehalt von Erfahrung? Konsequent betrachtet: Suchen wir im Umgang mit unserem Erfahren nicht immer und immer wieder „die Erfahrung der Evidenz?“ Das bedeutet ich kann mich nicht „mit Glauben im Sinne einer in sich nicht plausiblen, irrationalen Hypothese zufrieden“(3) geben, wenn ich darüber Gewissheit erlangen will, dass Denken tatsächlich eine Ich-Erfahrung ist. Was ist also Erfahrung per se? Dies ohne wenn und aber stets auf ein Neues hin fragend sich zu vergegenwärtigen, das führt uns, so wir  aufmerksam die  Tiefen wie gleichermassen  die  U n t i e f e n   unserer Erfahrungen erkunden wollen an den Angelpunkt möglicher Ich-Erfahrung im Denken heran.

Der Angelpunkt oder auch Schnittpunkt wirklichkeitsgemässer Erfahrung: Hier türmen sich die Schwierigkeiten in der  U n t e r s c h e i d u n g  dessen, was wir für uns möglicherweise vorschnell als  unser Erfahren gelten lassen. Halten wir inne. Leben wir nicht alle mehr oder minder in der Entfremdung zu dem, was wir als unser Erfahren ausgeben? Die Schnelligkeit unserer Alltagswelt führt uns in beinahe jedem Lebensmoment diverse Täuschungen vor Augen, so dass wir mehr als uns eigentlich lieb sein kann nicht mehr unmittelbar zu einer sinnlichen Erfahrung  dessen was tatsächlich ist durchdringen. Wir leben in Repräsentationen von dem, was Erfahrung der eigentlichen Bedeutung nach ist. Erfahrung ist nämlich von ihrem Ursprung her eine Angelegenheit des aktiven sinnlichen Bezugs. Und diesen Bezug stellen wir den genauer besehen nicht allzu oft nur noch rudimentär her? Wir leben, ohne dass wir uns das im jeweiligen Augenblick unmittelbar vor Augen bringen in einer in sich vielfältig verkapselten Welt abstrakter Tatsachen. 

Dieser Umstand der verkapselten Tatsachen, in denen wir leben, bestimmt auch weitgehend folgenschwerer als es von seinen jeweiligen Anfängen her zunächst den Anschein haben mag, das soziale Beziehungsgefüge der Menschen untereinander. Das heisst: „ich sehe dich, und du siehst mich. Ich erfahre dich, und du erfährst mich. Ich sehe dein Verhalten. Du  siehst mein Verhalten. Aber ich sehe nicht  deine  Erfahrung von mir…(4).“ Noch pointierter gesagt: „Ich kann deine Erfahrung nicht erfahren. Du kannst meine Erfahrung nicht erfahren. Wir sind beide als Menschen unsichtbar. Jeder ist für den anderen Menschen unsichtbar. Erfahrung ist die Unsichtbarkeit des Menschen für den Menschen (5).“

Ich will diese Aussagen von meiner Seite zunächst bewusst keiner Auflösung zuführen. Auch wenn das bei manchen Lesern innere Fluchtbewegungen in ihrem Denken auslösen kann, einfach weil eigenes Vermeinen sie dazu verleitet schnell den einen oder anderen Vorstellungsschleier über Menschen, die sie kennen auszuwerfen und sie damit in ihren Augen zweifelsfrei höchst sichtbar zu machen. Beides, die Unsichtbarkeit des anderen Menschen, wie auch seine eventuelle dennoch Sichtbarkeit müssen individuell vielfältigen Fragen unterworfen werden, um in Bezug auf das was tatsächlich ist Sicherheit zu erfahren. Das bedeutet über die faktisch sich uns anzeigende vielfältig verkapselte Welt hinaus, in der wir dem Anschein nach selbst entfremdet leben wieder zu sinnlich ursprünglicher Erfahrung durchzudringen. Das kann die Möglichkeit erschliessen die im abstrakten Denken verloren gegangene Seele über vertiefte sinnliche Erfahrung wieder zu finden. Anders gesagt ermöglicht dies des Seelenauges wiederum ansichtig zu werden, das sie werter Leser, wie mich beobachten lässt das, was in abwägender Beobachtung am Ende Gewissheit vermittelt über das was tatsächlich ist. Bildhaft ausgedrückt - allseitig knospend für das Leben zu erwachen.

Vertiefte sinnliche Erfahrung: Ein Augen öffnen. Ein leises Hineinwachsen in das Gewahren neuartiger Zugänge schöpferischer und nicht mehr allein leibgebundener Willenskräfte. Bedingungslose Offenheit für den anderen Menschen im Widerstreit mit der Zurückdrängung des Leibes. Aktiv geführte Aufmerksamkeit. Im Umgang mit Natur und Mensch heisst dies: „Reine Erfahrung ist die Form der Wirklichkeit, in der diese uns erscheint, wenn wir ihr mit vollständiger Entäusserung unseres Selbstes entgegentreten (6).“ Das bedeutet: Die Form der Wirklichkeit nicht l e i c h t h i n  als Gegebenheit zu erfahren. Diese Hürde im Wiedergewinnen der Wirklichkeit  ist vielmehr durch alle Sinne hindurch immer und immer wieder aktiv zu nehmen. Sich dieser Herausforderung in je andersartiger individueller Ausgangskonfigurierung zu stellen ist mit schmerzhaften inneren Aufrichte-Prozessen, wie gleicherweise Aufmerksamkeit-Korrekturen verbunden, die weit mühseliger innerlich ordnend zu durchlaufen sind als das Aufwachen nach einer durchzechten Nacht mit einem ominösen Kater. Denn es geht hierbei nicht um das Durch-Deklinieren bestimmter Übungsabläufe, sondern um das sich Stellen vor den  S p i e g e l  d e r  W a h r h e i t  in strengen Selbstbefragungen bezüglich dessen was ist, bzw. nicht ist. Ein Vorgang durch alle nur denkbaren Turbulenzen innerlich sich beständig neu und anders überlagernder Bewegungen im Hinblick auf in sich zu erweckende Fragen für im Nachgang zu tätigende Unterscheidungsvorgänge vielfältigster Art. Seelische Beobachtung eben. Und sie fusst auf    n i c h t s  a n d e r e m  als Selbstbefragungen.

Der Spiegel der Wahrheit: Er ist  u n s c h e i n b a r  beständig präsent in uns, nur wischen wir die Bilder, die er uns vermitteln will meist viel zu schnell beiseite um damit der allgegenwärtigen Täuschung Tür und Tor zu öffnen. Denn in unseren sozialen Begegnungen kommen wir in der Mehrheit entsprechender Situationen unangemessen schnell zu dem Schluss, dass sich in erster Linie der andere Mensch hier in Bereichen von Irrtümern oder zumindest nicht zur Sache gehörenden Einlassungen bewegt und nehmen ihn von da her ohne grosses Prüfverfahren kurzerhand auf die Gabel unserer intellektuellen Hörner. Mindestens partielle Verurteilung, bzw. Abgrenzung zu ihm unter Einsatz von Musterfiltern des eigenen Selbst haben Vorrang in der Einschätzung auf das vermeintlich an ihm Wahrgenommene, ohne das ich im inneren Durchgang auf die sinnliche Basis des Gesehenen mich in so weit aufgefordert fühle mich zu vergewissern was an dem vermeintlich Wahrgenommenen nun tatsächlich Sache ist und was eben nicht. Das Gift der Täuschung  wirkt unscheinbar und beraubt mich dadurch wertvoller Selbsterkenntnisse. Wie aktuell z.B. im Falle des sich gegenwärtig entwickelnden Skandals um die zurückgetretene ARD Intendantin Schlesinger, der bündig wie folgt kommentiert wird: „Gier frisst Hirn.“ Was hier von der Presse notwendig laut ans Licht gebracht wird, das wird in vielen Fällen unserer Alltagsbegegnungen einfach fraglos beiseite geschoben und vergraben. Nur, Selbsterkenntnis ist in sich zeitlos geduldig, bis eines Tages ans Licht tritt, was nicht länger mehr zu verbergen ist. Selbst wenn darüber ein halbes Jahrhundert und mehr vergeht. Selbsterkenntnis überwindet selbst die Hürde des Todes.

Um was geht es also in zwischenmenschlichen Begegnungen in  e r s t e r  L i n i e ? Es geht vor jedwedem Vermeinen über den anderen Menschen um die grundlegende Prüffrage, warum spricht mich der andere Mensch so an wie er es tut und was hat das mit mir zu tun, dass er es so tut wie er es tut und nicht anders. Einsichtnahme in Bezug auf das eigene Selbst, innere Einkehr oder doch zumindest ein Innehalten ist im Hinblick auf einen möglichen Dialog das Gebot der Stunde. Die vorrangige Selbstbereinigung öffnet im wiederholenden Bemühen dann nach und nach tiefer reichende tatsächliche Begegnungen mit dem anderen Menschen. Was in früheren Zeiten die Funktion des Mysterien-Wächters beim Eintritt in die Mysterien-Stätte war, das ist heute die Aufgabe des von Mal zu Mal anderen Menschen. Er mahnt offen oder verdeckt das „Erkenne Dich selbst“ an und öffnet oder versperrt so gleicherweise Wege zu tieferen Geistesberührungen und Geisteserfahrungen. Und das gilt für einen jeden Menschen und nicht nur für Menschen denen ich dafür aus meiner Sicht die Fähigkeit zuspreche.

Nach der Selbst-Bereinigung geht es in einem fortgeschritteneren zweiten Schritt innerer selbstbefragend herauszukristallisierender seelischer Beobachtungen um die eigene Selbst-Kernung innerhalb der jeweiligen zwischenmenschlichen Beziehungen. Und dies bedeutet die Selbstbereinigung über ein Ich-Sagen hinaus auf die eigene Ich-Geburt hin voran zu bringen. „Wer nicht stirbt bevor er stirbt der verdirbt.“ Dieser Spruch von Angelus Silesius kann für den modernen Mysterien-Wanderer zur Wegleitung werden, so es ihm auf seinen weiteren Wegen tatsächlich um Geistesbegegnung geht. Es ist dies der Weg zur praktischen Demut mitten im alltäglichen Geschäft des eigenen Handelns. Denn die Selbst-Kernung gelingt nur insoweit als bedingungslose Teilhabe an den Wegen anderer Menschen geübt wird. Teilhabe ohne Kritik. Wem hier ein ja aber aufstösst, dem will ich aus meiner Selbsterkenntnis-Erfahrung heraus zu bedenken geben, dass in dieser Phase der inneren Ausforschung des Koan, „Denken ist eine Ich- Erfahrung oder es ist kein Denken,“ es sich zunehmend innerhalb eigener Erfahrungen als notwendig herausstellt so zu verfahren, soweit tatsächlich Klarheit angestrebt werden soll. Evidenz-Erfahrung kann sich nicht lebensnah einstellen, wenn die eigenen Willenshandlungen nicht aus der Bereitschaft zur strengen Klarheit, sprich Unterscheidung hervorgehen. Gesteigerte Selbstbereinigung also vor vermeintlich berechtigter Kritik am anderen Menschen. Auf die Basis unmittelbarer Sinneserfahrungen innerhalb sozialer Interaktionen über alle Sinnesebenen hinweg ist eben nicht durchzudringen ohne vorrangig strenge Ausrichtung auf die eigene Selbstbereinigung. Das kann sich als innerlich aufreibend darstellen, um nicht zu sagen mitunter sogar als unerträglich, weil die allgemeine kulturelle Entwicklung weitreichend auf nahezu blinde soziale Polaritätsbildungen innerhalb zwischenmenschlicher Prozesse sich hin entwickelt, in mancher Hinsicht sogar gefährlich verhakt hat. Die je individuelle Art der Abgrenzung und Selbstbehauptung hat ein Mass erreicht, das unterschwellige Stagnationsprozesse zum bestimmenden Faktor allzu vieler sozialer Geschehnisse hochschaukelt, bzw. soziale Glutnester fortlaufend immer wieder neu entflammt. Wechselseitige emotionale Entgleisungen, wie unterschwellige zynische Sticheleien oder verdeckte Überheblichkeiten führen in sozial schwierigen Prozessen zu keinen Lösungen, solange individuell induzierte Selbstbereinigung nicht immer wieder für Belüftung sozialer Räume sorgt.

Der dritte Schritt umfasst schlussendlich Prozesse des Hineinwachsen in das was Salvatore Lavecchia (7) das Ichsame Gespräch: „Im Schmerzen ichsam, frei von sich und anderem, Augende Wärme“ nennt. Augende Wärme - das Erwachen des Geistesauge im Denken. Wie das? Zehn Sinne sind darauf hin angelegt uns die Wirklichkeit in den zugrunde liegenden Elementen in vielschichtig übereinander gelagerten wie gleicherweise vielfarbigen unverbundenen Einzelheiten darzustellen. Diesen Zustand der unverbundenen Einzelheiten erleben und erfassen wir allerdings, wenn überhaupt dann nur mehr sehr rudimentär und flüchtig. Warum? Weil wir bis heute nach dem Verblassen unserer Kindheitsaugen für die unmittelbare Sinnen intensive Begegnung mit der Wirklichkeit durch Willensumkehr, die über den 11 Sinn, den Begriffs oder Wortsinn zu eröffnen wäre zu wenig an die Hand genommen haben. Deshalb meine diversen Verweise hier und an anderen Stellen meines Blogs. Wir verstehen es ausgezeichnet uns durch Vorstellung-Poltersteine den Zugang zu einer Geist belebten Wirklichkeit immer und immer wieder selbst zu verbauen. Diese Barrieren kann ein jeder nur über seine individuell fort und fort neu zu initialisierenden Selbstbereinigungen aus dem Weg schaffen und in individueller Selbst-Kernung auflösen. Was heisst die Annahme von Metanoia Prozessen aus dem Sozialen Beziehungsraum und deren bedingungslose individuelle Umsetzung im  E r k e n n e  D i c h  S e l b s t.  Rudolf Steiner hat seinerzeit sein Lehramt geopfert um der Freiheit all derer Willen, die in seinen vielfältigen Hinweisen etwas sehen wollten, das durch sie auf individuelle Weise zu verwirklichen ist. Er löste damit von sich aus eine jegliche Anhaftung an seine Person im Vertrauen auf die Gehfähigkeit all derer denen selbstverantwortliche Eigenständigkeit ein Anliegen ist. Freiheit ist eben nicht zu haben sondern kann nur in Prozessen der Selbstbereinigung im eigenen Willen mehr und mehr verankert werden. Dass dies möglich ist, das hat Rudolf Steiner durch seinen individuellen Lebensweg aufgezeigt. Die Möglichkeit zu einer neuen Art von Mysterien-Dasein ist damit eröffnet. Gehen wir also aufeinander zu und halten uns nicht weiter von einander getrennt. Wenden wir unseren Willen in ichsamen Gesprächen, beenden wir unsere Unsichtbarkeit und machen uns sichtbar (5), denn wir sind ein jeder für den anderen jeweils der unentbehrliche Mahner, Förderer, Herausforderer und stille Begleiter, mithin Weggenosse auf einander wiederum bezogenen Entwicklungswegen.

Ausklang: Ich frage mich wer Du bist, wann immer ich zu Dir rede, ich frage mich bei jedem Wort, das ich an Dich richte. Ich frage mich, bin ich berechtigt Worte wie diese, die ich gerade jetzt zu Dir spreche, wirkkräftig über die Schwelle meiner Lippen auf die Reise zu schicken?!  Und ich sage Dir, ja so ist es, denn Du hast mich gerufen. Ich frage mich weiter, was diese Worte  mir selber b e d e u t e n  wollen, indem sie meinen Mund zum Ort für ihr Erscheinen in dieser Welt bestimmt haben. Auch wenn das zunächst rätselhaft klingen mag, wir sind auf eine unscheinbare und tiefe Weise miteinander verbunden. Metanoia ist der Ton, der uns durch die Zeiten wieder zueinander ruft. Metanoia, zu der ein jeder von uns sich nur auf seine ganz eigene Weise auf den Weg machen kann. Auch wenn es schwer fallen mag, schenken wir uns doch vorgängig gegenseitig ein Lächeln, bevor wir uns selbst vergessend die Augenhöhe zu einander verlieren und über Vordergründiges hinweg uns berechtigt sehen so dieses oder jenes vermeintlich Irrtümliche einander vorhalten zu können. Über mich/dich (auch subtil freundlich) herzufallen ist leicht, schwer ist es auf einander wirklich zu zugehen und wechselseitig unser beider Reichtümer, die wir in uns bergen miteinander zu teilen. Diese Reichtümer bergen nämlich die Spurenelemente in sich, durch die ein jeder von uns nur seinen ureigenen Weg finden und fortsetzten kann. Sie sind Kraft und Trost in einem, gerade in Zeitenwende - Zeiten. Das Denken ist eine Ich-Erfahrung dort wo der Vogel Phönix fragend sich über sich hinaus erhebt, horizontlos sich weitet - mutig und damit im Sinne von Wilfried Jaensch Geisteswillenschaft (8) eigentätig aus sich heraus bezeugt.

© Bernhard Albrecht Hartmann

(1)  https://ich-quelle.blogspot.com/2016/02/ein-koan.html 

(❋) im Gedenken an Wilfried Jaensch all jenen gewidmet, die bereit sind    

      sich ohne wenn und aber in Frage zu stellen, um auf diese Weise mehr in   

      "die schöpferische Kraft des eigenen Willens“ hinein erwachen zu können.

(2)  https://ich-quelle.blogspot.com/2022/02/im-gedenken-wilfrid-jaensch-1.html 

(3)  Ronald D. Laing, Phänomenologie der Erfahrung, Edition Suhrkamp 314, Suhrkamp Verlag

      Frankfurt am Main, 19. Auflage 1998, Seite 11, 1. Absatz 

(4)  dito Seite 11, 4. Absatz

(5)  dito Seite 12, 2. Absatz

(6) Rudolf Steiner, Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung        

     Philosophisch Anthroposophischer Verlag Dornach, 3. Auflage 1924, 

     4. Kapitel Feststellung des Begriffes der Erfahrung, Seite 13

(7)  siehe Salvatore Lavecchia Ich als Gespräch Anthroposophie der Sinne, 

      Verlag Freies Geistesleben & Urachhaus GmbH, Stuttgart 1. Auflage 2022, 

      Seite 115/116, Ausklänge

(8)  http://enzyklika.blogspot.com/2015/04/geisteswillenschaft.html

 

Montag, 13. Juni 2022

Ein Weniges über die Gefahren im inneren Handhaben von "Ein" ... "Sicht"

Wer kennt sie nicht, die überraschend sich einstellenden Momente von „Ein“ … „Sicht“ - nicht nur mitten im prallen Leben, sondern durchaus auch aus der meditativen Arbeit heraus - in seinem Leben, wer durfte dabei nicht ab und an einmal befreit in dem Gefühl ausschwingen: Ach so ist das also? Die Faszination die ein derartiges Gefühl nicht selten begleitet erzeugt dann leicht eine Art seelischen Schleier-Nebel, der den fragend prüfenden Blick auf die „empfangene“ „Ein“ … „Sicht“ verdunkelt, um nicht zu sagen vergessen lässt. 

In der Tat: Der wachsam prüfende Blick im inneren Umgang mit seelischen Beobachtungen lehrte mich über so manche Irrtümer hinweg, nichts ist auf diesem inneren Felde wichtiger als das fragende Rückfragen auf das solchermassen Gesichtete. Das bedeutet die hier stets mögliche Täuschung, bzw. die nicht ganzheitliche Sicht auf das Erfahrene will auf das hin hinterfragt sein, was ich tatsächlich weiss oder eben gerade noch nicht wirklich sicher weiss. Weil: Die Illusion unbemerkt ausbremsend, dich schleichend umkreisend sich auf vielfältige Weise Dir immer wieder in den Weg stellt, bis Du bereit bist Deine mentalen, psychischen und physiologisch-leiblichen Muster diesbezüglich aufzudecken und zurückzudrängen, was heisst im inneren Blick auf das „Erkenne Dich selbst“ tiefer befragend ausleuchtest.

Die seelische Beobachtung „nach naturwissenschaftlicher Methode“ stellt an den der sich ihr ernsthaft widmet höchste Ansprüche was die eigene Redlichkeit und vor allem  „Bescheidenheit“ betrifft. Schon die äussere naturwissenschaftliche Laborarbeit ist an höchste hygienische Standards gebunden. Um wieviel mehr hat das für die Arbeit des inneren Denkblick-Auges im Umgang mit Phänomenen auf der seelischen Petri-Schale zu gelten. Hier ist eine Unterscheidungskraft von Nöten, die erst mit einer gereiften inneren Furchtlosigkeit (geistes-wissenschaftlich) handhabbar wird. Warum? Weil sich dynamische Lichtkraft-Ereignisse einstellen, die nur mit „Mut“ nach und nach immer besser handhabbar werden.

Ich will es mit aller Deutlichkeit sagen, wer nicht bereit ist sich durchgängig auf die „Vielschichtigkeit“ allein seines Denkens einzulassen, der steht noch nicht wirklich selbständig  auf eigenen Füssen und setzt sich damit unter Umgehung der „Zurückdrängung des Leibes,“ was heisst der nicht durchschauten Einflussnahme mental-psychischer und physisch-physiologischer Prozess-Ereignisse dem Hineingleiten in eine Hellsicht aus, die ungeprüft sich als unzeitgemäss herausstellen kann, weil sie von Fall zu Fall die der zutage getretenen Beobachtung entsprechende eigenständig eingebrachte denkerische Bewusstseinskraft vermissen lässt.

Das „ERKENNE DICH SELBST“ lässt sich eben nicht nebenbei abhalftern. Wer hier nicht nachhaltig durch erhebliche innere Schmerzen hindurchgeht - und das fortlaufend immer wieder - der ist aus meiner Sicht auf dem Schulungsweg noch nicht in Echtzeit zugange. Vor den Spiegel der Wahrheit zu treten ohne jedwede Selbstbeschönigung ist alles andere als ein leicht Ding. Das „ÜBE GEISTERINNERN“  a u s s c h l i e s s l i c h  bei sich selbst - also ohne Müllverklappung bei Menschen des jeweiligen eigenen sozialen Umfeldes zu meistern - kann und muss Dich schon gelegentlich in die Knie zwingen. Denn erst dann erwachst du innerlich dahingehend welcher Art hochgradig inneren Gleichgewichtes es bedarf um seelische Beobachtungen „geisteswissenschaftlich“ untersuchen zu können.

In den Bereich des stringenten „Erkenne dich Selbst“ gehört noch ein weiteres hier zu benennendes Sediment bewusstseins-genetischer Prozess-Ausfällungen, das als Multimedia-Faktor innerhalb dualistischer Verhaltensstrukturen gerne übersehen wird. Und das ist, wie ich es bezeichnen will, das sogenannte „Man-Gebaren,“ ein Verhalten, das ursprünglich aus wissenschaftlich philosophischen Forschungen hervorging und daselbst aus der Abgrenzung subjektiver Denkwege gegenüber als möglich betrachteten objektiven Betrachtungsweisen. 

In der Kommunikation unter spirituell arbeitenden Menschen hat sich daraus wie nebenbei eine Art Bumerang-Effekt heraus entwickelt. „Man“ dünkt sich unversehens gerne, weil in einer  vermeintlich „Höheren Ein-Sicht“ stehend dazu berufen einem anderen Du so dies und das mehr oder weniger „wohlmeinend“ als Handreichung zur Beachtung nahezubringen. Und übersieht dabei - so tritt es mir rückfragend immer wieder innerlich vor Augen - dass von anderen Menschen keinerlei Veränderung erwartet werden kann, solange ich nicht mein ERKENNE DICH SELBST, angestossen durch ein anderes Du, im inneren und äusseren Selbstausdruck auf mehr Menschlichkeit im Selbstausdruck ein jedes Mal weiter entwickle.

Die alte Grussformel „Grüss Gott“ bedeutet nämlich - modern übersetzt - ich grüsse im anderen Menschen „MEIN“ ERKENNE DICH SELBST. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Hat die Selbsterkenntnis, das besonnene Innehalten - das Erinnern, das sich aus den Tiefen meiner Seele kundgeben will - um auf dieser Grundlage Freiheit aktiv verwirklichen zu können, werden diese Grundtöne des Seelenlebens, wenn überhaupt dann noch umfassend genug wahrgenommen? Geschieht es in meinem Multimedia-Alltag etwa, dass ich während des Sprechens zu einem anderen Menschen plötzlich erschrecke und so an die Würde des anderen Menschen erinnert werde? Warum eher nicht? Weil ich mir die Augenhöhe zu ihm einzunehmen innerlich versagt habe, was heisst seiner Lebenswirklichkeit in Echtzeit zu begegnen, mithin T E I L H A B E zu leben.

Haben wir im Zeitalter der Täuschungen und überbordenden Zerstreuung (Z - S Y M B O L), der  vom Grund her eigentlich nicht mehr zu übersehenden  Zeitenwende (Z - S Y M B O L) etwa die Wirklichkeit (1) verloren? Die Wirklichkeit des anderen Menschen, der seinen ureigenen Weg gehen darf? An dem wir durch mitmenschliche Zugewandtheit (Z - S Y M B O L) kritisch teilhaben und selbstkritisch uns hinterfragend auf bis anhin noch nicht genügend beachtete eigene Entwicklungsbaustellen wachsen können? Machen wir uns also nichts vor, das Z - S Y M B O L  ist schon lange in unserer Welt zu Gange und keinesfalls  durch Putin erstmals in Erscheinung getreten.

Der Krieg mitten in Europa hat nicht erst mit der sogenannten Sonderoperation Putins gegen die Ukraine am 24.02.2022 begonnen. Wagen wir es doch einmal versuchsweise so anzuschauen: Dieser Krieg ist nur die wiederum erneut nach aussen in Erscheinung getretene Fortsetzung des ersten Weltkrieges, der nie aufgehört hat. Erinnern wir uns: In der Jahreswende 1923/24 hat Rudolf Steiner mit den eindringlichen Worten ÜBE GEISTERINNERN und ÜBE GEISTBESINNEN die aus Geisteserkennen notwendige Zeitenwende (Z - S Y M B O L) versucht einzuleiten. Was ist aus diesem Impuls geworden? Ein Gesellschaftskrieg ist aus ihm hervorgegangen, der bis heute unterschwellig weiter schwärt. Ein tragfähiges Erkenne dich selbst als Basis eines beispielhaft sich fort und fort erneuernden Gesellschaftskörpers ist nicht entstanden. Warum: Weil dem Willen zur eigenen Selbstveränderung aus den Schicksalsbotschaften des je anderen Du innerhalb der eigenen sozialen Umräume zu begegnen nicht tief genug Rechnung getragen wurde. Die Zeitenwende (Z - SYMBOL) ist in scheinbar unüberwindbar sich darstellenden alten Gewohnheiten hängen geblieben. … Und wo ENTWICKLUNGEN hängen bleiben, da führt das früher oder später zu kriegerischen Turbulenzen innerhalb der Weltverhältnisse. Dies kann ein jeder Zeitgenosse weltweit erkunden, dem ein tiefer reichendes Erforschen der jeweiligen Sachzusammenhänge ein Anliegen ist. Gerade in der heutigen Zeit ist SELBSTERKENNEN ein Faktor für die weitere Weltentwicklung, der nicht mehr kleingeredet werden kann.

Zum Schluss sei hier noch dies angemerkt. Europa steht von seiner geistigen Grundkonfigurierung her auf diesen beiden Beinen: Der erratischen Frage - weis ich was ich weis oder tue ich das eher noch nicht (Sokrates) und dem Erkenne Dich Selbst, das Aristoteles zu seiner Zeit aus uraltem Mysterien-Wissen heraus als Kern-Dynamik dem von Platon entwickelten neuen Denken verborgen einpflanzte. Womit er den Keim legte Freiheit denken zu können, um sie in Folge sodann in Taten wirksam werden zu lassen. Von heute her betrachtet könnte das nicht heissen: Bin ich aus dem  Hinschauen auf die  Zeitereignisse bereit  „m e i n e“  individuelle  Sonderoperation  im  Selbsterkennen in  eigene  Hände  zu  nehmen  und  Z E I T E N W E N D E (Z - SYMBOL) aktiver mitzuverantworten?

© Bernhard Albrecht Hartmann 07.06.2022

(1)   Matthew B. Crawford: Die Wiedergewinnung des Wirklichen 

       Eine Philosophie des Ichs im Zeitalter der Z  rstreunung, Ullstein Verlag Berlin 2016



Samstag, 16. April 2022

Eine Anmerkung/Kommentar

 https://www.facebook.com/groups/2073248482692411/ 

daselbst weiter unten: Licht auf Selenskyj und Putin, Heinz Grill im Gespräch

https://www.youtube.com/watch?v=uauZzS6VUps

Heinz Grill und sein tiefer forschendes Ertasten Wollen der Physiognomie von Putin und Selensky? Eingrosses Vorhaben, denn es gibt ja nicht nur die Kopf-Vorderseite einer Physiognomie, sondern auch deren hintere Seite. Es gibt eine dynamisch bewegte Willensseite, die sich vorne wie hinten in einer Physiognomie ausdrückt, eine atmend mit der sozialen Umwelt korrespondierende Seite der Herzebene vorne und hinten, offen oder verklebt, in sich ruhend oder verdeckt gejagt im sich Ausdrücken, sowie eine oben/unten Gesamt-Ausdrucksseite, welche die gegenwärtige Inkarnation klar zum Ausdruck bringen kann oder in der sich eine Person schlingernd immer wieder verliert, weil sie durch Nebelkerzen der Selbsttäuschung sich wie selbst den Boden unter den Füssen wegzieht. 

Damit deute ich skizzenhaft in mehr als knapper Weise das Forschungsfeld aus um das es hier aus meiner Sicht geht.

Ich beziehe mich hier auch auf andeutend Gesagtes von Beppe Assenza aus einer Kurssitzung zum Porträt-Zeichnen im Jahr 1974, der er seinerzeit keine Fortsetzung folgen lies, weil sich dazumal keine drei Schüler bereit fanden sich mit dem „Geisterinnern“ existentiell tiefer auseinander zu setzten. Wenn ich seine kryptischen Worte vom Ende dieser Sitzung hier in ihrer Essenz wiedergebe, dann ist zeitgemässes Porträtzeichnen, bzw. können Aussagen über die Physiognomie eines Menschen nicht wahrheitsdienlich sein ohne dass der Porträtzeichner seinerseits durch die eigene seelische Dunkelheit bereit ist hindurchzugehen.

Modernes Porträtzeichnen hätte die Aufgabe die lichten Möglichkeiten, wie die dunklen Gefährdungen im Durchgang der zu zeichnenden Porträtperson in ihrer gegenwärtigen Inkarnation transparent zu machen, was wiederum nur möglich sei wenn der Zeichner selber bereit ist sich seiner eigenen Inkarnationsaufgabe zu stellen. 

Zeichnerische Wahrheit gebiert sich hier also aus dem wechselseitigen Erwachen beider aneinander im innerlich sich überkreuzenden prozesshaften Geisterinnern.

Wird damit auf das in meinen Augen bis heute kaum verstandene, bzw. noch weniger aktiv entwickelte Karma Verständnis Rudolf Steiners vom Ende seines Lebens gedeutet? Geisterinnern und Geistbesinnen als Gestaltungsprinzipien für einen grundlegend neu zu konfigurierenden sozialen Organismus? Mit der strengen Anforderung auf diesem Weg alle Vorstellungen zu verbrennen, was heisst alles bis auf den Fragegrund des „weiss ich, dass ich nicht weiss(?)“ wie ihn Sokrates seinerzeit im Umgang mit seinen Schülern umriss zu hinterfragen, um damit im Durchgang durch das Nichts den Willen mit dem Denken in einer integrativ dynamischen Erfahrung sukzessiv wie zeitgemäss wiederum tiefer verbinden zu können?

Ich will die Aussagen von Heinz Grill zu Putin hier nicht von vorne weg in Frage stellen, weil ich meinerseits ein eher dynamisch ausgerichtetes Grundverständnis im Umgang mit der menschlichen Physiognomie für wichtig halte. Herr Grill  hat sein forschendes Vorgehen in seinem Video in meinen Augen nicht umfassend genug beschrieben, um von daher in einen sachlich fairen Urteilsprozess eintreten zu können.

Ich denke dass wir alle wissen wie schnell uns Physiognomien in unserem Alltagserfahren zu Fehleinschätzung von anderen Menschen veranlassen, um nicht zu sagen geradezu verführen können. Da wird dann in bestimmten Situationen oft allzu schnell das Hackebeil des fake new offen oder verdeckt gezogen, entweder um eine gespürt unangenehme Selbstbetrachtung oder aber die sich von aussen her zeigende Sachlage widerspruchsfrei hinterfragt leise zu umgehen und damit das eigene Glaubensfeld zu schützen.

Fake new als Wortgeschoss gebraucht ist in meinen Augen eine willfährige Waffe um sich der eigenen not - wendenden Selbsterkenntnis zu entziehen.

Auf Putin und seinen Umgang mit fake news hingeschaut, so befindet er sich anscheinend auf dem besten Wege sich eine absolute Berechtigung zu unterschreiben sein Entscheiden sei hier, heute  und immer von vorne herein unanfechtbar. Das hängt sicher mit seinem Wahrheitsbegriff (Dugin) zusammen. Dennoch gilt auch für ihn die ethische Verantwortung für all sein Tun - gerade wegen seiner uniroyalen Sichtweise auf die Weltverhältnisse, denn Entwicklung läuft selbst bei umfassend diktatorischen Vorkehrungen nicht durchgehend kontrolliert zu überwachen uniroyal, sondern immer multipolar. Das ist die Wunde über die am Ende noch ein jeder Diktator gestürzt ist. 

Uniroyale Sicht auf der einen Seite und Naivität auf der anderen Seite. Der Krieg in der Ukraine ist das eine, der Krieg um das Bewusstsein des Menschen, um seine Fähigkeit aus seiner Mitte heraus Wirklichkeit hervorzubringen das andere. Diese Verantwortung lässt sich nicht abstreifen, denn sie anzunehmen bestimmt unser Menschsein.

© Bernhard Albrecht Hartmann, 15.04.2022


Dienstag, 29. März 2022

Der so andere Mensch 1

Der so andere Mensch, berechtigt das die Frage was weis ich wirklich oder eher die, weis ich, dass ich nicht weis? Allein schon die stille, schnell wieder beiseite geschobene Möglichkeit ich könnte etwas über den anderen Menschen nicht wissen, ruft ein leises Rumoren am fernen Horizont meines Inneren hervor, das Zittern eines vorbeigehenden Schwankens auf dunklen Seitenwegen abseits meiner beleuchteten Strasse. Bleibe ich im Augenblick des berührt Werden hier nicht stehen, um mich zu vergewissern was mir da geschah, dann schliesst sich der Schleier des schönen Scheins schnell wieder um mich. Die nicht gestellten und verfolgten Fragen sind es, die mich fern halten von der Wirklichkeit jenseits des schönen Scheins und … wer will es schon genauer wissen, ich gehe stattdessen unbemerkt lieber den Weg der Illusionen weiter, um der Anstrengung zu entgehen über das hinauszusehen was das tatsächliche Erfahren und Durchleben von Wirklichkeit betrifft.

Was ist so angeschaut also die Wirklichkeit jenseits des schönen Scheins und … wer ist demgemäss der andere Mensch, so ich konsequenter in das hinein frage, was er mir anzeigt? Ein Mensch mit seinen ganz eigenen Lebensereignissen, die er auf seine ureigene Weise zu durchleben und umzuwandeln hat? Billige ich ihm das zu, lasse ich ihn im einander Begegnen seinen Weg gehen oder grätsche ich mit diesem oder jenem Ja-Aber dazwischen, eingepackt in eine Ausdrucksweise „ich weiss es besser“? Wie gelange ich vor diesem verborgenen Hintergrund also zu einem je neuen Verständnis seiner Lebensgebärde im Begegnen über meine Vorstellungen hinaus? Wie kann ich die Schleierbildung zurückhalten, sodass sie sich nicht immer und immer wieder „zu unrecht“ über einen anderen Menschen legt, über den Menschen, der mir in diesem Augenblick eigentlich der wichtigste Mensch unter allen anderen Menschen sein sollte?

Aufmerksamkeit: Die Selbstverständlichkeit einer Annahme, wie z.B. der, die Lücke im Verkehrsfluss sei gross genug, dass der PKW vor mir doch endlich die Kreuzung passieren könne. Welche Fehleinschätzung der Situation könnte hier vorliegen? Zum einen, ich kann einfach nicht meine Einschätzung bezüglich der Grösse der Verkehrslücke so ohne weiteres zur Grundlage für das Handeln des Verkehrsteilnehmers vor mir machen. Was sieht er möglicherweise das ich nicht sehe? Und, er muss die Verkehrssituation mit seinen Fähigkeiten der Fahrzeugbeherrschung meistern können. Da steht mir mit meinem Fahrvermögen schlichtweg keine Entscheidungsbefugnis zu. Also Klappe halten … und die Aufmerksamkeit auf die eigene innere Seelische Verfasstheit richten. 

Bin ich hier mit meinem Drängeln auf den Verkehrsteilnehmer vor mir in meiner Mitte verankert? Das sich mehr oder weniger in einem solchen Augenblick ausser sich Erfahren, wie wirkt sich das auf das eigene Fahrvermögen aus? Kann ich von der Bedächtigkeit des Verkehrsteilnehmers vor mir etwas lernen? Steht diese Frage an mich in dieser Situation vielleicht in erster Linie vor mir? Muss „ich“ mehr an meinem inneren zentriert Sein arbeiten, um der Vertiefung eigener Willenskultur willen anstatt mit den Chaos Kräften aus meinem Unbewussten heraus um mich zu ballern?

Was soll das höre ich von innen her mir wie zuflüstern. Es bekommt ja niemand mit welchen aufgebrachten Dialog ich soeben in meinem Inneren führe. Hm, wirklich? Greifen die Kräfte, die mich von innen in meinem Auto bestürmt haben wirklich nicht weiter um sich? Kann ich das wissen?

Die nicht gestellten, die nicht erwartungsbereit offen gehaltenen Fragen sind es, die mir ein vertieftes Wirklichkeit Verstehen in der eigenen Anschauung versperren. Ein Verstehen welcher Wirklichkeit? Wie von Ferne spüre ich, dass mich da eine Wirklichkeit leise berührt, die nicht so fest gefügt ist wie die, mit der ich es ansonsten in meinem vertrauten Alltag zu tun habe. Diese Wirklichkeit fordert mich und deshalb wische ich sie von allem Anfang des leisen Berührt Werden durch sie lieber schnell wieder beiseite. Sich was die eigene innere Anschauung betrifft zu weiten und damit vor Entwicklungserfordernisse gestellt zu sehen, die mir eine erhöhte Verantwortung über mein gegenwärtiges Sein hinaus aufbürden könnten … ? Da gehe ich doch jetzt nach Corona lieber wieder einmal in den Club und tanze mit dem Teufel. Koks eröffnet mir neue Wirklichkeitsräume ohne Anstrengung.

Ohne Anstrengung …? Ja, mit Koks kann ich die Clubnacht und manch andere Tage auf den Wogen des Flow scheinbar anstrengungslos durchwandern. Scheinbar. Doch sind die dabei gemachten Erfahrungen, sind diese tatsächlich als Mittel geeignet für die eigene grundständige Lebensbewältigung? Durch den Tag gammeln, verführen oder sich jagen lassen was heisst ohne bewusst gesetzte Initiative im Mainstream abzutauchen, bzw. als Wutbürger ideologisch mehr oder weniger gut gepanzert über die Randsteine desselben sonor zu kotzen, ist das die Haltung mit der sich durch die gegenwärtige „Zeitenwende“ gehen lässt? Ist das Spinnen von Verschwörungsgeschichten wirklich geeignet für einen Reset von innen. Ja von innen, denn „alle“ Erneuerung kann niemals von aussen erwartet werden, sie kann nur bei mir beginnen. Sie liegt also in meiner Selbstverantwortung zur Willenskultur, in unserer aller gemeinsamen Verantwortung den längst überfälligen Reset von innen auf individuell vielfältige Weise wechselseitig zu unterstützen.

Reset als Zeitenwende: Schon das Wortteil Wende im Gesamtwort Zeitenwende impliziert in der anschauenden Rückbesinnung, dass diese Wende nicht anstrengungslos zu bewerkstelligen ist, also nur unter der Einbeziehung eigener Willenskraft überhaupt möglich werden kann. Das Wortteil Zeiten… umfasst darüberhinaus einen grösseren Zeitraum und damit verbunden die Frage, um nicht zu sagen geradezu ein individuell zu differenzierenden Fragen Komplex, der sich daran knüpfen lässt, verbunden mit der Grundfrage was denn Zeit ihrer Essenz nach überhaupt sei. Hand aufs Herz, was ist Zeit für Sie werter Leser dieser Zeilen? 

Zeit: Gestern, heute, morgen … die Minuten unmittelbar vor diesem Jetzt, in denen sie mit so mancherlei Gedankenbruchstücken innerlich Umgang pflegten, der Termin in einer Stunde, der Augenblick da sie hier lesen und aufgefordert werden sich Gedanken darüber zu machen was sie „erleben“ während sie dieses hier lesen. Hören sie hinein in meine Worte? Was spüren, empfinden oder erfahren sie in ihrer Art innerlich eine Verbindung einzugehen mit diesen Worten. Verbindung … sich verbinden: Hat das nicht etwas mit Bewegung zu tun? Bewegung und Wille, denn genauer besehen wird Wille ohne Bewegung für mich nicht erfahrbar. Dynamische Willenserfahrung als Folge der tieferen Einlassung auf das lesend erhörte Wort hin? Im Urbeginn war das Wort …

Kommen wir zur Sache oder tasten wir uns zumindest für einen kleinen Augenblick an den Rand dessen heran, wo es beginnen könnte in eigene tatsächlich so zu benennende dynamische Willenserfahrungen einzutreten. Im Urbeginn war das Wort: Urbeginn … eine Zeitdimension weit vor meinem gegenwärtigen Erfahrungshorizont, ein durch mich nicht erfassbarer Zeitaugenblick, und von daher ein mit dem Hauch von Unwägbarkeit verhüllter Verweis auf eine ferne Zeit „schöpferischen“ Urbeginns. Urbeginn verlegt in einen transzendenten Zeitenraum? Oder möglicher Urbeginn dort wo ich mich tatsächlich einlasse auf das Wort, beginne meditativ Umgang mit dem Wort zu pflegen unter Ausschluss aller Vorstellungen im Hier und Jetzt.. 

Der so andere Mensch und der Umgang mit Worten die durch ihn von aussen wie gleicherweise von innen an mich herantreten. Eine Möglichkeit habe ich dazu oben in meinen Ausführungen skizzenhaft ausgeführt. Sehr viele weitere derartiger Begebenheiten könnten, müssten hier jeden Tag tiefer untersucht werden so ich in meiner Person auch nur anfänglich zu eigenen dynamischen Willenserfahrungen vordringen will. Vorstellungen … wagen Sie dies nur ein klein wenig sich „bildhaft möglichst anschaulich“ vor Augen zu stellen, dass Vorstellungen sich wie Killer Spinnen verhalten können. Killer Spinnen durch deren fein gesponnene Maschen die im konkreten Augenblick nicht neu belebten Vorstellungen als Abstraktionsleichen hindurchfallen. Der schöne Schein weiter im Modus des Nicht Hinterfragens bestehen bleibt.

© Bernhard Albrecht Hartmann 29.03.2022


Donnerstag, 17. März 2022

Wind/Worte 1

Wie viele Perlen trägt doch der Wind des Lebens unversehens unscheinbar an mir vorüber, wieviel Perlengeflüster geht im medialen Kampf um die Meinungshoheit, um das „up to date“ Sein auf Randwegen der Aufmerksamkeit verloren.  Wir leben in einem sozialen Kräfteorganismus. Von daher ist Innehalten um nicht nur zu registrieren, sondern bewusster aufzunehmen eine Zeitnotwendigkeit. Ist Ansichtig-Werden von „WindWorten“ im überbordenden Informationsalltag  so wichtig, heisst in gehaltenen Freiräumen atmend sich inspirieren lassen - um gelebter Freiheit willen. Bedeutet das tiefer hinein Lauschen in so dies und das eines Nebenbei, das der Wind mir von den Rändern des Lebens, ob von innen oder aussen zuträgt geistig am Leben zu bleiben.

Gerade heute ist „offen bleiben für das Licht Friedensarbeit,“ Friedensarbeit, die aus mir und der Umgangsweise mit meinen Gedanken und Gefühlen hervorgeht. Ist Perspektivenwechsel meinen eigenen Gedanken und Gefühlen gegenüber zeitgemässe Friedensarbeit. Denn Tretmienen liegen nicht nur auf den Strassen der Vorstädte von Kiew, sondern auch unter den Mustern meiner Denkgewohnheiten und Gefühlswallungen verborgen, Tretmienen, die von einem Augenblick auf den anderen die Mitglieder einer Familie auseinanderreissen können. Tretmienen weil z.B. meine Angst grösser ist als mein Vertrauen. 

Kinder müssen ihre eigenen Wege gehen dürfen … ohne dass Mütter und Väter sich verleugnen bis zum geht nicht mehr nur um „zusammenzuhalten.“ Da krachen halt dann auch mitunter abrupt berstende Eischalen durch den eben noch einvernehmlich erscheinenden Familien Zusammenhalt. Das  Nesthäkchen findet Worte, die Eigen-Sinn wie auch individuelle Eigenart ausdrücken und führt die Trennung aus dem Familienverbund herbei nicht ohne eine Rauchbombe der Schuldzuweisung zurückzulassen. Schuldzuweisung, die eine Mutter nicht zu sich nehmen muss, weil sie im Grunde nur ein Abwehrfeuer zum Ausdruck bringt um in diesem Augenblick nicht der vollen Konsequenz der eigenen Freiheitsentscheidung begegnen zu müssen. Vegan essen wollen ist das eine, es nicht zu wollen oder zu können das andere. Wenn ich das will muss ich mir die Bedingungen schaffen ohne jedwede Vorwürfe oder gar Forderungen gegenüber anderen. Das ist dann  im Gegensatz zu ideell beanspruchter Freiheit gelebte Freiheit. Die aber tut weh, weil sie auf zumindest partiellem Verlust gründet.

Freiheit leben ist ein Weg in die Einsamkeit. Das aber wissen Jugendliche zu Anfang nicht, müssen es auch nicht wissen, denn sie sollen sich auch unbeschwert erproben dürfen. Das Geheimnis ist, dass still begleitendes Vertrauen sie späterhin gereifter zurückfinden lässt. Vertrauen und zeitgleiche Bemühung die eigene Freiheitsarbeit im Umgang mit persönlichen Gedankenmustern und Gefühlseigenarten einer leisen Wandlung zu unterziehen, das lässt Zusammenhalt auch über einen langen Zeitraum nicht verlorengehen, lässt vielmehr Fähigkeiten reifen sich späterhin über das Eltern- Kind- Verhältnis hinaus auf Augenhöhe neu begegnen zu können. Friedensarbeit bedeutet  hier also loslassen.

© Bernhard Albrecht


Sonntag, 13. März 2022

Die innere Haltung der leeren Hand

Auf was lasse ich mich mit diesem Titel schreibend wie lesend ein: „Die innere Haltung der leeren Hand?“ Was bedeutet das, mit was habe ich es zu tun, wenn ich hier von der inneren Haltung der leeren Hand zu sprechen versuche?

Haltung … innere Haltung … innere Haltung der leeren Hand: Haltung hat etwas mit Aufrechte zu tun, innere Haltung mit Abgrenzung nach innen wie gleicherweise nach aussen, innere Haltung der leeren Hand bringt Offenheit und Unvoreingenommenheit ohne wenn und aber zum .Ausdruck. Drei grosse und von daher herausfordernde Ausdrucksweisen seelischen Verhaltens also. Aufrechte, Abgrenzung und Offenheit. Mit den beiden ersteren Charakterisierungen der Aufrechte und Abgrenzung kann ich mich rückbesinnend unmittelbar identifizieren, nicht aber mit der dritten, also letzten Charakterisierung. Da scheint mir über die genannte Offenheit im betrachtenden Verstehen hinaus etwas noch nicht erfasst zu sein. 

Gewiss die ausgestreckte Hand kann Offenheit ausdrücken, auf was weist in diesem Zusammenhang jedoch die explizit so benannte „leere“ Hand? Die ausgestreckte Hand, die zugleich leer erscheint, ist dies nicht ein Widerspruch in sich? Die „ausgestreckte“ Hand, die nichts enthält, also von Angesicht zu Angesicht im aufeinander Zugehen leer erscheint … ? Auf was werde ich da gleichsam hingestossen, wenn ich im Hinschauen auf die leere Hand, im Ergründen der Leere, die mich anweht, wenn ich die leere Hand erlebend in mein Betrachten aufnehme, sie also nicht zurückweise weil sie leer ist oder gar an ihr vorübergehe? Sie, die leere Hand mithin als Tatsache ernst nehme und … in ihrem besonderen Ausdruck zu verstehen trachte?

Die leere Hand als untergründige Willens- und Herzgebärde: Die leere Hand als vorurteilsfreie, mithin von berechnend hintergründigen Interessen freibleibende ausgestreckte Hand. … Die Willenshaltung zum Ausdruck bringend, welche weit über das landläufig offenherzige aufeinander Zugehen und Händeschütteln hinausgeht. Eine Willensgeste nicht nur vordergründig diplomatischer Offenheit, sondern die Geste, die gepaart mit dem in die Weite und Tiefe reichenden umfassend menschlichen Interesse … und der „allseitig“ schöpferischer Lösungs- wie Tatbereitschaft einhergeht. 

Die Willensgeste, die zumindest den Menschen in Europa von heute an tagtäglich zunehmend unmissverständlicher eine innerlich selbstverantwortete oder von aussen her angeordnete Haltungsumkehr auf Neulande hin abverlangen wird. Denn anders werden wir die Ansage einer „Zeitenwende,“ die sich untergründig schon mindestens einhundert Jahre anzeigte und die seit wenigen Tagen in der Ukrainekrise nunmehr offen zu Tage tritt weder als einzelne Individuen noch im staatlichen Gemeinwesen Verbund bewältigen können.


Intermezzo. Ich greife auf ein eigenes biographisches Erleben zurück. !985 begegnete ich in einem längeren Gespräch der Witwe des Malers Gerhard Reisch. Sie schlug im Anschluss daran eine Mappe mit verschiedenen Entwürfen ihres Mannes auf, blätterte ein wenig darin und reichte mir daraus als Geschenk einen kleinen unscheinbaren Linoldruck. Dieses Bild brachte in seiner Schlichtheit eine stille Kraft und Entschlossenheit zum Ausdruck, die mich über die Jahre, ohne dass ich das Bild jeweils erneut direkt betrachten musste, auf meinem Lebensweg begleitete. Es prägte von innen her mein weiteres Dasein. Abgebildet war der Erzengel Michael, gestützt auf sein Schwert stehend an der Seite eines felsigen Hügels. Blickend auf ein weites Feld kriegerischer Zerstörungen.


Heute stehen wir in Europa und weltweit nun von einem Tag auf den anderen vor ungeheuerlichen kriegerischen Zerstörungen angesichts einer völkerrechtswidrigen Invasion in die Ukraine durch Vladimir Putin. Was bedeutet das über die umfänglich in Gang gesetzten Hilfsinitiativen für die Ukraine hinaus für unser aller Selbst- und Menschenverständnis? Sind wir bereit uns auch nur ein wenig über den Horizont unseres weltweit Vernetzt-Seins im Internet hinaus zu bewegen? Können wir sehen, dass über viele Facebook Scheinfreundschaften hinweg unser aller Seelenleben einen Einfluss auf das Weltgeschehen hat, dass wir also nicht nur in einem von vielen Zwängen geleiteten Sozialgefüge leben, sondern in einem allseitig gestaltbaren geistig seelischen sozialen Kräfteorganismus? 

Wenn wir das tiefer anfangen zu sehen, dann ergibt sich daraus in der Konsequenz eine viel grössere Verantwortung nicht nur für das politische Establishment, sondern für uns alle. Folgt dem gegenwärtigen Umdenken in der Politik über die anfängliche Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge aus der Ukraine hinaus ein weiter reichender Haltungswandel unter den Bürgern? Wollen wir also zulassen dass am Ende wieder die vergänglichen Informationsfluten, die sich über unsere Fernsehschirme in unterschiedlicher Weise manipulativ entfesselt verbreitet haben eimal mehr uns "einfach so" überrollten? … Oder ist die Wirklichkeit der Zeitenwende, unser aller Entscheidung. Wer bin ich und was will ich von daher nachhaltig beitragen zu Frieden und Menschsein? „Zeitenwende“ wirksam ernstgenommen ist in meinen Augen jedenfalls kein Spaziergang.

An dieser Stelle tritt mir das Bild Johannes des Täufers bei der Jordan Taufe innerlich vor Augen. Nicht aber als ein Bild mit historisch religiösem Hintergrund, sondern vielmehr als ein gegenwärtiges Ereignen, in dem wir alle gleichsam durch ein Bad der Reinigung von vielen Illusionen schreiten. Die kommende Zeit wird uns innerhalb dieses Prozesses aus meiner Sicht noch einiges mehr als uns lieb sein wird abverlangen. Metanoia auf allen Ebenen. Das heisst in Konsequenz erkenne dich selbst im Prozess eigener Willenserweckung. 

Damit komme ich zurück auf die innere Haltung der leeren Hand. Sie ist im Grunde der Ausdruck des sich ins Nirgendwo stellen. Ist von dort her die Herausforderung selbstverantwortete Wegfindung anzunehmen. Ist mit der Angst das Fürchten zu lernen, weil alle Ego Anhaftungen und somit Sicherheiten, sprich Haltestangen hier fallen. Ist Ich-Geburt durch zu gestaltenden ethischen Individualismus im eigenen Willen. Ins Nirgendwo … stellen: Im Sinne des Sokrates heisst das mich denkend hindurch bewegen durch den Frageraum des  „ich weiss dass ich nicht weiss,“ mich schmerzhaft auseinanderzusetzen mit all seinen Aspekten, Angst und Bodenlosigkeit, Furcht und Dunkelheit, um am Ende die Halt gebende Leine durch das Ego preiszugeben und die Erfahrung einer wachsenden Gestaltungskraft im dynamischen Fortgang auf neue Bewusstseinsstrukturen hin annehmen zu lernen. 

Die Ukraine Flüchtlinge werden durch Bomben, die ihre Häuser zerstören ins Nirgendwo geschleudert, von einem Augenblick auf den anderen gefordert in tausend folgenden Augenblicken am Rande des Nichts neue unbekannte Wege zu finden; der aktiv Selbsterkenntnis Suchende lernt auf seinem Weg Dualität nicht länger gegen seine Weggenossen einzusetzen, bzw. auf sein gesellschaftliches Umfeld zu projizieren. Er lernt aus seinen Erfahrungen vielmehr die Spannungen von Sympathie und Antipathie, das unvermittelt herauf drängende Chaos der eigenen seelischen Unterwelt immer mehr allein in sich aufzulösen anstatt in endlosen Streithaltungen weiterzuschleppen. Die Geschichte von einem der auszog das Fürchten zu lernen ist die Geschichte der von innen her leeren Hand, die Geschichte vom leeren Willen angesichts des  N - ich - ts, also der Auflösung meiner Fragen des „weiss ich dass ich nicht weiss.“ Die Geschichte von einem der auszog das Fürchten zu lernen ist die Geschichte von einem jeden von uns in seiner individuellen Einzigartigkeit auf diesem Weg hineinzufinden in das Ich-Erwachen und darin mehr und mehr einzugehen in die zeitgemässe Erfahrung lebendiger Geistesfülle.

© 13. 03. 2022 Bernhard Albrecht Hartmann

 

Donnerstag, 3. Februar 2022

Im Gedenken an Wilfrid Jaensch ✲

Der Ordo Blog schreibt sich selbst durch eure Mitarbeit. Diese stark verdichteten Worte zur Einführung in den Ordo Blog werfen auch ein Licht auf den Willensweg von Wilfrid Jaensch. Ich kann nicht verhehlen, dass mich diese Worte in diesen Tagen unmittelbar stark berührt haben. So will will ich also dieser leisen Aufforderung folgend das Wort zu dem Thema: „Dass die Zukunft eine Kunst ist“ ergreifen, das Wilfrid Jaensch 1996 für die Zeitschrift Gegenwart bearbeitete und dessen Text seine Frau Mirija Jaensch im Angedenken an diesen echten Querdenker zu seinem 6. Todestag am 17.6.2021 ein weiteres Mal auf Ordo veröffentlichte. (1) Nicht ohne anzumerken, dass ich Wilfrid Jaensch persönlich in diesem Leben nie begegnet bin, dass ich seine Lebenswege aber peripher seit den frühen siebziger Jahren mit verfolgt habe, wie auch er meinen Blog https://ich-quelle.blogspot.com immer wieder einmal eingesehen hat. Ein wechselseitiges sich Berühren also "über die Zeit" hinweg auf unterschiedlich individuellen Willenswegen.

Zukunft ist kein irgendwie Erwarten besserer Tage als sie sich heute zeigen, kein Zudecken oder gar Auflösen von  Ängsten, umgebogen in eine Hoffnung von Morgen und ganz und gar nicht die Erfüllung der Erwartung mit Covid verlorene Freiheiten so einfach wieder zurück erhalten zu können. Freiheit will eigentätig erworben sein. Ganz in dem Sinne wie es Wilfrid Jaensch einst ausdrückte: Geisteswissenschaft müsse Geisteswillenschaft (2) werden.

Zukunft kann aus dem Heute sich demnach nur gebären - das ist die hintergründige Signatur der gegenwärtigen Pandemie, welche die gesellschaftliche Innwelt-Krise immer unverhohlener zu Tage treten lässt - wenn der Wille im Denken der Vergessenheit entrissen im seelischen Beobachten wieder gefunden werden kann. Rudolf Steiner hat in seiner Philosophie der Freiheit über Emanuel Kant hinaus weisend dazu Wegleitendes gesagt. Er hat gewissermassen das Prozesshafte in der Gedankenbildung des Denkens über eine jede dinghafte Bindung des Gedankens hinaus wieder frei gelegt. Nichts desto trotz wird in den Augen nicht Weniger die Möglichkeit innerhalb dieser Prozessabläufe des Denkens zu einer inneren Anschauung desselben gelangen zu können immer wieder heftig bestritten.

Dass dies so ist hängt in meinen Augen mit der grundsätzlich permanent innerlich neu zu dynamisierenden Fragestellung zusammen: Weis ich, dass ich nicht weis (Sokrates) oder weis ich, dass ich weis zusammen,  was heisst ganz bei mir bleibend zu unterscheiden, was weis ich wirklich und was weis ich nicht wirklich? Bin ich von daher also jeweils aktuell offen in die „forschende“ eigene innere Seelische Beobachtung einzutreten oder wo drücke ich mich um Tatsachen herum, die ich nicht wirklich vor mein aufmerksames Auge stelle? Bin ich bereit über das heute übliche abstrakt formale Reflektieren hinaus zu schreiten und damit erfahrend durch das Nichts zu gehen, um daselbst wiederum schrittweise in Kontakt zu treten mit dem Willen? Dem Willen als konkrete innere Erfahrung?

Eben „diese“ konkret innere Erfahrung des Willens hat Kant seinerzeit erkenntnismässig nicht schlüssig belegen können und deshalb zum Schlussstein seiner Analytischen Philosophie das sogenannte Ding an sich bestimmt. Eine formal abstrakte Annahme, ein nicht wahrnehmbares Substitut und von daher ein Widerspruch in sich? Eingeschworenen Kant Referenten wird das nicht gefallen. Doch wer kann schon sagen, dass Kant von sich selbst aus nicht weiter gedacht werden wollte? Hat er mit dem Ding an sich, dies - wer immer dies eigentätig prüfend zu erforschen sich auf den Weg machen will - es also über eine längere Zeit meditierend mit sich tragend möglicherweise ein ganz persönliches Fragezeichen für weitere Forschungen zum Denken hinterlassen? Ist Kant mit dem Ding an sich vor seiner ganz persönlichen inneren Nichts-Erfahrung gestanden und hat dieses Tor verschlossen mit dem leisen Wink von dorther innerlich mutig fragend weiter zu schreiten?

All dies sind Fragen mit denen der echte Zeitgenosse um der Zukunft Willen sich nur selber auffordern kann ernsthaft auseinander zu setzen. Also individuelle Geisteswillenschaft tätig zu begründen indem er gewissermassen durch das abstrakte Reflektieren wie hindurch schreitend das Sagen eines jeglichen Du immer deutlicher als eine Briefbotschaft in erster Linie allein an sich selbst begreifen lernt, die es vorrangig auf die Entwicklung eigener Geisteswillenschaft zu entschlüsseln gilt. Denn: Das Denken wie es von anderen Menschen an mich herangetragen wird ist, aus der tatsächlich eigenen inneren Erfahrung erfasst der Spiegel dafür wie von meinem jeweils aktuellen seelischen Zustand her die konkreten Entwicklungsaufgaben für meine Geisteswillenschaft aktiv ergriffen werden können. Was in meinen Augen heisst, nur die vorausgehende, bzw. im Dialog zwischengeschaltete  fragende Besinnung auf mein Denken hin (3) kann die mit der Covid Pandemie nicht länger zu verdrängende gesellschaftliche Innwelt Krise ohne ins Unendliche sich ziehende neue Schäden am gesellschaftlichen Gesamtkörper bewältigen helfen.

Geisteswillenschaft ist eben nicht etwas was per Bildungsgutschein zu erwerben ist. Sie kann allein durch selbst erkennende Denkerfahrungen und damit einher gehende Denkentscheidungen selbstverantwortlich Wirklichkeit werden. Wenn aber durch mich etwas wirklich wird, dann ist Zukunft. Erinnern wir uns also des verloren gegangenen Willens in unserem Denken … und entwickeln daraus Geisteswillenschaft als neue Lebenskunst.

© 03.02.2022 Bernhard Albrecht Hartmann

✲  Kommentar auf das Gedicht von Wilfrid Jaensch zum 01.05.2015 

    https://enzyklika.blogspot.com/2015/06/neulich-schrieb-wilfrid-jaensch-sein.html

                            Zu allen Zeiten war es so,

                            dass Toren Tore öffneten,

                            die,

                            weil vom Grunde her

                            an der Zeit

                            sie zu durchschreiten,

                            oft nur den Stinkefinger

                            als Antwort mit sich nahmen.


                            Zu allen Zeiten war es so,

                            dass, wer in die Tiefe griff

                            und

                            vom Grund des Nichts

                            so manche Perle

                            denkend, wie erlebend

                            an die Oberfläche hob

                            als Tor belächelt wurde.


                            Zu allen Zeiten war es so,

                            dass unter einer Linde

                            nach langen Jahren

                            Menschen die Hand sich reichten,

                            um den Mut des Ahnen zu besingen,

                            der einst im Ich vorangeschritten.

    

                            © bah, 20.06.2015 - eine Resonanz

                    

(1)   http://enzyklika.blogspot.com/2021/06/dass-die-zukunft-eine-kunst-ist.html       

(3)   https://ich-quelle.blogspot.com 

       siehe hier durch die Jahre verschiedene Essays und Dialoge zu unterschiedlichen 

       Gesichtspunkten des Denkens