Sonntag, 9. Juli 2023

Schatten Aufmerksamkeit versus Schatten Blindheit

Kann es angehen, dass die sich selbst so benennende „Letzte Generation“ die Peitsche zur Umerziehung der Mehrheit der Menschen einzelner Regionen eines Landes ziehen kann ohne dass dem laut widersprochen wird? 

Was hier geschieht ist in seiner Handlungsweise nämlich in einem Masse von seiner Gesinnung hintergründig autoritär bestimmt, dass es eigentlich jeden Menschen, der in den Bannkreis derartigen „sozialen Umgangs* gerät unter seiner Haut frösteln müsste. Gewiss die Umweltkrise läuft auf einen Kipppunkt zu von dem her unumkehrbar der Katastrophenmodus zum bestimmenden Faktor gesellschaftlicher Lenkungsmassnahmen wird (1). Doch kann damit ein derartiges Vorgehen seine Rechtfertigung finden?

Betrachten wir „das Bild“ auf Hauptverkehrsstrassen festgeklebt sich dem Verkehrsstrom entgegenstellender Menschen einmal unter einer anderen Perspektive etwas näher. Hunderte von Verkehrsteilnehmern werden im Morgenverkehr daran gehindert (genötigt?) rechtzeitig ihre Arbeitsstelle zu erreichen. Ich wage es rundheraus einmal so zu sagen, sie werden geohrfeigt weil sie aus der Sicht der Kleber einfach nicht sehen wollen wie dramatisch sich die Umweltkrise zugespitzt hat. Deshalb sollen sie nach Art gewisser Eltern, die ihren Kindern morgens die wärmende Bettdecke wegziehen um sie zum aufstehen zu bewegen aufgeweckt werden. 

Sehen diese Menschen durchwegs wirklich nicht wie es um die Umwelt bestellt ist? Oder sehen die Kleber in ihrer eigenen Existenzpanik vielleicht Entscheidendes in diesem Zusammenhang nicht?

Der Entwicklung des Menschen liegt eine über Jahrtausende hinweg alte Weisheit zu Grunde. Nämlich die, dass die Menschen zu keinem Zeitpunkt ihrer langen Geschichte durch äussere Maßnahmen zur Umkehr in ihrem Verhalten bewegt werden konnten. Babylon, Alexandria und Rom mussten untergehen ehe sich Neues entwickeln konnte. Denn jede evolutionäre Bewegung hat ihren entscheidenden Keimpunkt in der Selbsterkenntnis einiger weniger Menschen und entwickelte sich von dort her evolutionär in die Breite. Evolution baut also auf der Selbsterkenntnis auf „Du“ allein musst dein Leben ändern bevor in der Breite grössere Veränderungen möglich werden können.

So betrachtet können sich also die Klimakleber auf der Strasse nach aussen bezüglich der Klimaproblematik wach, im Hinblick auf ihre „Innwelt“ Problematik aber blind in ihrem terroristischen Idealismus verklebt und die gehinderten Verkehrsteilnehmer zumindest in Teilen in selbsterzeugtem Zweckoptimismus es werde „irgendwie“ schon weitergehen eingekleistert erfahren. Schatten Aufmerksamkeit versus Schatten Blindheit treiben einander wechselseitig auf den Systemzusammenbruch  zu. 

Kein wie auch immer gearteter Aktionismus, wozu auch der sogenannte politische Realismus gehört, wird daran etwas ändern können. Was allein zählen wird je näher wir auf die Stunde Null hin zu rücken ist Mut. Der Mut von vielen einzelnen Menschen, die ihr Leben von Augenblick zu Augenblick in die Hand zu nehmen wissen und von dorther bereit sind das Mögliche unerschrocken zu tun.

© Bernhard Albrecht Hartmann 09. Juli 2023

(1)  Thomas Metzinger „bewusst seins kultur" Spiritualität, intellektuelle Redlichkeit                                                                               und die planetare Krise, Berlin Verlag 3. Auflage 2023, 1. Kapitel