Sonntag, 25. Januar 2015

Selbstgeburt

Zum Beitrag von Burghard Schild: "Aus durchwachter Nacht" vom 17.1.2015 auf www.egoistenblog.blogspot.de eine Fortsetzung unter einem etwas anderen Gesichtspunkt.

Selbstgeburt voranzubringen ist, das Küken zeigt es uns, ein Weg durch Härten hindurch. Das Ei will aufgepickt, die zunächst kleine Öffnung erweitert werden, damit das Küken seinen Weg ins Leben hinaus finden kann.
Versetze ich mich in die Lage des Küken, dann entwickelt das Küken an der harten Eischale die Intention diese zu durchdringen. Alle Kraft wird gebündelt, um das Tor zum Leben hin zu öffnen. Zum Leben hin ...
Was aber ist Leben? Für das Küken ist Leben mit Nahrung verbunden, denn der Vorrat an Nahrung im Ei geht mit seinem Heranwachsen dem Ende zu. Deshalb verwendet das Küken alle Kraft darauf aus dem Ei schlüpfen zu können, um neue Nahrungsquellen zu erschliessen.

Wie aber sieht nun Selbstgeburt beim Menschen aus. Gibt es da Ähnlichkeiten auf dem Weg ins Leben hinaus? Dabei habe ich nicht die Geburt eines Kindes aus dem mütterlichen Schoss im Auge, sondern jene zweite Geburt des Menschen, seine Geistgeburt.
Geistgeburt, ein Weg der Selbstgeburt aus einer höher dimensionalen Erfahrung des sich in einem Ei eingeschlossen Empfinden. Selbstgeburt als ein Prozessgeschehen seinen individuellen Freiheitsweg aus sich heraus zu entfalten.
Was aber sind die Mittel dazu? Das Küken fokussiert, von dem Verlangen nach Selbsterhaltung getrieben, seine ganze Kraft in seinem Schnabel, um die Härte der Eischale aufzubrechen. Der Mensch sieht sich in seinem Seelenleben einer Vielzahl von Vorstellungen gegenüber gestellt, deren Härten zu durchdringen sind.
Härte!
Die Härte oder auch Notwendigkeit, vor die sich der Mensch hier gestellt sieht, ist die nur sehr langsam wachsende Einsicht, dass er sich in einem Geflecht von Abbildern verfangen hat, die er für Wirklichkeit hält, die ihn aber letztlich nicht befriedigen und seine Sehnsucht nach Leben nur noch mehr antreiben.
Leben, ein Prozessgeschehen aus der Liebe zum Handeln.
Liebe zu welchem Handeln? Die seelische Beobachtung kann Dir die Antwort darauf geben, sofern Du ihr ein inneres Freigehege überlässt, in dem Selbstgewissheiten aus den Vorstellungen, die zunächst Deine Welt sind, heranreifen können. Heranreifen dann, wenn Du die Vorstellungen, die Du Dir bildest nicht missbrauchst, um damit Urteile über andere Menschen zum Ausdruck zu bringen, sondern um Dich an diesen Vorstellungen zu erinnern wer Du selber bist. Es ist leichter über gewisse Vorstellungen einem anderen Menschen so dies und das anzuheften, als sich in diesen Vorstellungen, in der Art wie Du sie bildest, was Du einschliesst, was Du ausschliesst, sich selber zu erblicken.
In seinem Spätwerk spricht Rudolf Steiner davon Geisterinnern zu üben, in seinem Frühwerk beschreibt er wie Du über die seelische Beobachtung Deinen Weg zu eben diesem Geisterinnern finden kannst.
Ohne Selbsterkenntnis, die aus dem Geisterinnern hervorgehen kann, lässt sich kein wirklich nachhaltig förderlicher Umgang unter den Menschen begründen, lassen sich gegenwärtige soziale Ordnungen, wo auch immer heute auf der Welt, nicht im Sinne von gelebtem Respekt vor der Würde jedweden anderen Menschen geistgemäss umgestalten. Das stösst hart auf, hart auf auch für mich, der ich dies jetzt schreibe.
Selbstgeburt voranzubringen ist kein Spaziergang. Vor der österlichen Auferstehung ist der Durchgang durch den Hades, die Todeswelt eigener Vorstellungen zu bewältigen, immer wieder und mit jedem weiteren Male vertiefter ...
Das scheint mir das zu sein, was Rudolf Steiner vorgelebt hat. Der Vogel Phönix will auf dem Weg über die seelische Beobachtung zum Fliegen gelangen.

baH, 24.01.2015

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich über jeden Kommentar, der sachlich und wertschätzend geschrieben unter Deinem tatsächlichen Namen hier eingestellt wird und werde diesen baldmöglichst freischalten. baH.