Donnerstag, 10. Januar 2013

Nimm Deine Füsse mit

Wie gehst Du, wenn Du gehst? Hast Du mit Deinem inneren Blickorgan innerhalb Deines Gedanken-und Empfindungsnetzwerkes Kontakt zu Deinen Füssen, die Dich gerade da oder dorthin führen? Bist Du Lenker/in Deiner Schritte oder werden Deine Füsse von diesen oder jenen Gedanken (auch Idealen), Gefühlen oder Wunschvorstellungen einmal hierhin, dann wieder dorthin gezogen? Gehst Du Deine Wege mit einer klaren Intention oder trudelst Du mehr oder weniger im Schleudergang oder im innerlich abgeschotteten Gewohnheitstrott, gewürzt mit Sarkasmus durch Deinen Tag. Es ist nicht ganz einfach sich darüber einen nüchtern sachlichen und korrekten Aufschluss zu geben, ohne irgendwelche eingeflochtene Selbstbeschönigungen. Diesen blickst Du nämlich unmittelbar in die Augen, wenn Du einmal damit begonnen hast Dir gelegentlich selber über die Schulter zu schauen.
Das Ego ist ein Meister der Selbsttäuschung, wie du spätestens dann anfängst zu bemerken. Und wenn Du damit einmal angefangen hast, dann wird es Zug um Zug schwieriger derartige Manöver zur Selbstvertuschung einzufädeln.
Du hast mit der Übung Dir selber wie ein Fremder über die Schulter zu schauen einen Weg betreten, auf dem Du von einem gewissen Punkt an nicht mehr umkehren kannst. Es geht nicht mehr, ohne dass Dir leise, bzw. bis in der Art einer Sturzflut überdeutlich eine Schamröte ins Gesicht steigt. Nimm es als Fortschritt. Du kannst den erlebenden Teil Deiner Seele nicht mehr deckeln. Vom Leben berührt durchpulst Dich hinfort eine Bewegungskraft, mit der umzugehen Du nun lernen musst.
Im Bilde des Märchens gesprochen: Dem treuen Johannes springen seine drei Eisenringe auf, die er um die Brust getragen hat oder anders ausgedrückt, das Ego hat sein Werk getan und das Ich ist gefordert die Verantwortung für die weitere Entwicklung seines Königtums zu übernehmen.

Nimm Deine Füsse mit!
Deine Füsse haben etwas mit dem Willen zu tun, dem von Dir umgekehrten, dem Ego abgewandten Willen, dem Willen sich auf das Unterbewusste in Dir einzulassen, das Dir das Du in Teilen stets da und dort spiegelt.
Nur auf den ersten Blick scheint es so, als ob das Denken nichts mit den Füssen zu tun hätte. Es hat! Das Denken gründet nämlich auf einem Willensakt, was übersehen wird, solange es einfach im Alltagsgeschäft vor sich hin plätschert, ohne dass Du dabei wirklich bemerkst, was Du da eigentlich tust.
Mit den Füssen gehst Du in die Welt. Mit Deinem Denken, das für seinen Willensanteil in sich erwacht, gibst Du der Welt, den Menschen in Deinem Schicksalsumkreis durch Dein Vorbild die Gelegenheit ihrerseits einen Metanoia-Prozess zu initiieren. Indem Du an Deinem Gegenüber, dem Du anderer Menschen für  Dein Unterbewusstes erwachst, das Dir von dort her gespiegelt wird, indem Du nicht nur heftige, sondern auch leise Regungen, die sich in solchen Begegnungen in Dir auftun, nicht mehr sogleich zurück weist, sondern Dich darauf einlässt, beginnst Du für das, was Dein Ich in seinem Kern ist, aufzuwachen.
Deine Füsse tragen Dich also in die Welt, Deine Füsse führen Dich letztlich immer wieder zu Dir selbst.
Versuch es einmal, in einer Fussgängerzone oder auch auf einer Parkbank sitzend die Vorbeigehenden still zu beobachten - ohne dies oder jenes, was Du siehst zu bewerten. Du wirst sehen, dass dies gar nicht so einfach ist, dass Dir das Urteil schneller über die Schippe springt, als Du es zurückhalten kannst. Damit bist Du aber wieder bei Dir angekommen. Mit Deinem Willen Dich nicht in der blossen Anschauung der Geschehnisse zurückhalten zu können, gibst Du Dir  U n b e k a n n t e n  die Gelegenheit Dir so manche Kleingeistigkeit Deiner Unterwelt wider zu spiegeln.

Lass Dich darauf ein. Du kannst nur gewinnen, indem Du Dir in dieser Art zu begegnen bereit bist. 

Du resignierst nach wenigen Übungseinheiten, weil Du keine oder in Deinen Augen nur eine zu geringe Veränderung zum Besseren an Dir feststellen kannst? Dein Ego hat Dir ein Bein gestellt, denn Du hast das Lächeln über Dich selber vergessen!
Mit dem Lächeln weitet sich Dein Herz, Gelassenheit kehrt ein. Du betrachtest Situationen, andere Menschen weniger unter Deinen, in der Regel kaum mit reflektierten, eng auf Deine Art der Weltbetrachtung bezogenen Gesichtspunkten. Du gibst innerlich Raum dafür andere Weggebärden wahrzunehmen und  w ü r d i g e n  zu können. Du brichst Deine Ordnungsmuster auf und beginnst nach und nach Dich auf ein  E r l e b e n  einlassen zu können, das andere Erfahrungs- und Entwicklungswege zulassen kann. Du fängst, vielleicht zunächst zögernd zu erfahren an, wie es ist tatsächlich den ein oder anderen Schritt „in den Schuhen eines anderen Menschen“ zu gehen.
Das Abrücken von Deinen (eingeengten) Gesichtspunkten schafft Dir inneren Raum zuerst leise, dann immer deutlicher zu erspüren, was es bedeutet ein Ich zu  s e i n  . Seltsam, nicht wahr, im Abrücken von Dir selbst, Deiner Art der Weltbetrachtung, findest Du Dich selbst, lernst du dich in Deinem Ich zu ergreifen und ... aus dem Ich zu leben.
Für Deine Wahrheit zu kämpfen und damit verdeckt die Möglichkeiten anderer Entwicklungswege zu bekämpfen, „leise“ gewalttätig zu verdrängen oder auch in Achtsamkeit verpackt sie letztlich nur scheinheilig zu tolerieren, weil Du nicht für Dich einstehen kannst, ist eines. Da wären wir erneut an der Klippe zwischen Ego und Ich, zwischen Angst und dem möglichen Sprung über einen, Deinen Abgrund.
Ein anderes ist es innerlich im Begegnen mit dem Du soweit loszulassen, dass alles, was Du bis an hin gewöhnlich so sagen konntest, wie vor Deinen Augen verbrennt, in einem Sturm Dir entrissen wird und Du in eine Erfahrungszone eintrittst, die Sokrates so beschrieben hat: „Ich weiss, dass ich nichts weiss.“ Eine sehr luftige Nullpunkt Erfahrung, wenn Du Dich im Durchgang durch die Unterwelt, im Annehmen der unterbewussten Seiten aus den Spiegelungen, wie Du sie durch die Du Begegnungen Deines Lebensumkreises erfahren kannst, innerlich in Deinem Willen mehr und mehr aufrichten konntest.

Nimm Deine Füsse mit!
Die Kunstgeschichte hat in ihren Archiven nicht wenige Bilder von Michael im Kampf mit dem Drachen. Lassen wir uns auf das eine oder andere Bild tiefer ein, so können wir eine unerwartete innere Erfahrung machen. Im Zentrum des Kampfgeschehens, dort wo der Speer den Drachen zu treffen scheint, kann sich ein Raum unerwarteter Stille auftun. Michael tötet den Drachen nicht, er schafft einen inneren Abstand, in dem er die Kräfte des Drachens sich zur Anschauung bringen kann. Und damit sind die Bilder Michaels mit dem Drachen Urbilder des Erwachens zum Ich.
Noch tiefer betrachtet sind es Bilder tiefster Demut, denn sie sprechen von der Integration der Schattenwelt und nicht von deren Bekämpfung und Verdrängung. Auch eine bestimmte Art postmoderner Abstraktion kann einen verborgenen Verdrängungsfilter leise beinhalten, kann!
Wie will das Ich je, in Quadranten verschoben, zu einer real erfahrbaren innerer Grösse heranwachsen können. In Abstraktionen sich scheinbar zu verständigen, visionär Absichtserklärungen zu pushen, erweckt das Ichkraft über einen kleinen Augenblick hinaus? Jemand tritt Dir damit auf die Zehen, mobilisiert zum wievielten Male Sisyphos Kräfte in Dir und der Stein entgleitet wieder und wieder im Anschieben auf ein Gipfel Erreichnis Deinen Händen. Willst Du im Ich wirklich erwachen, dann wirst Du nicht umhinkommen diese Schicht der Abstraktion mit Deinem Willen, die Drachenhaut in Dir belebend, zu durchdringen.
Und das bedeutet dem Du  o h n e  die Panzerungen Deiner Abstraktionen  e r l e b e n d  zu begegnen, die letzte Himalaya Hochburg aus freien Stücken zu verlassen und ins Tal, in das Tal Deiner Unterwelt hinab zu steigen. Dem Leben begegnest du dort in der Tiefe. Die Tiefe wird Dich von der hartnäckigsten Illusion befreien, Du könntest über die Abstraktion zu einem nachhaltigen Erwachen gelangen. Den in der Abstraktion verborgene Sternen Kranz, kannst Du ihn opfern?

Bernhard Albrecht