Montag, 13. Juni 2022

Ein Weniges über die Gefahren im inneren Handhaben von "Ein" ... "Sicht"

Wer kennt sie nicht, die überraschend sich einstellenden Momente von „Ein“ … „Sicht“ - nicht nur mitten im prallen Leben, sondern durchaus auch aus der meditativen Arbeit heraus - in seinem Leben, wer durfte dabei nicht ab und an einmal befreit in dem Gefühl ausschwingen: Ach so ist das also? Die Faszination die ein derartiges Gefühl nicht selten begleitet erzeugt dann leicht eine Art seelischen Schleier-Nebel, der den fragend prüfenden Blick auf die „empfangene“ „Ein“ … „Sicht“ verdunkelt, um nicht zu sagen vergessen lässt. 

In der Tat: Der wachsam prüfende Blick im inneren Umgang mit seelischen Beobachtungen lehrte mich über so manche Irrtümer hinweg, nichts ist auf diesem inneren Felde wichtiger als das fragende Rückfragen auf das solchermassen Gesichtete. Das bedeutet die hier stets mögliche Täuschung, bzw. die nicht ganzheitliche Sicht auf das Erfahrene will auf das hin hinterfragt sein, was ich tatsächlich weiss oder eben gerade noch nicht wirklich sicher weiss. Weil: Die Illusion unbemerkt ausbremsend, dich schleichend umkreisend sich auf vielfältige Weise Dir immer wieder in den Weg stellt, bis Du bereit bist Deine mentalen, psychischen und physiologisch-leiblichen Muster diesbezüglich aufzudecken und zurückzudrängen, was heisst im inneren Blick auf das „Erkenne Dich selbst“ tiefer befragend ausleuchtest.

Die seelische Beobachtung „nach naturwissenschaftlicher Methode“ stellt an den der sich ihr ernsthaft widmet höchste Ansprüche was die eigene Redlichkeit und vor allem  „Bescheidenheit“ betrifft. Schon die äussere naturwissenschaftliche Laborarbeit ist an höchste hygienische Standards gebunden. Um wieviel mehr hat das für die Arbeit des inneren Denkblick-Auges im Umgang mit Phänomenen auf der seelischen Petri-Schale zu gelten. Hier ist eine Unterscheidungskraft von Nöten, die erst mit einer gereiften inneren Furchtlosigkeit (geistes-wissenschaftlich) handhabbar wird. Warum? Weil sich dynamische Lichtkraft-Ereignisse einstellen, die nur mit „Mut“ nach und nach immer besser handhabbar werden.

Ich will es mit aller Deutlichkeit sagen, wer nicht bereit ist sich durchgängig auf die „Vielschichtigkeit“ allein seines Denkens einzulassen, der steht noch nicht wirklich selbständig  auf eigenen Füssen und setzt sich damit unter Umgehung der „Zurückdrängung des Leibes,“ was heisst der nicht durchschauten Einflussnahme mental-psychischer und physisch-physiologischer Prozess-Ereignisse dem Hineingleiten in eine Hellsicht aus, die ungeprüft sich als unzeitgemäss herausstellen kann, weil sie von Fall zu Fall die der zutage getretenen Beobachtung entsprechende eigenständig eingebrachte denkerische Bewusstseinskraft vermissen lässt.

Das „ERKENNE DICH SELBST“ lässt sich eben nicht nebenbei abhalftern. Wer hier nicht nachhaltig durch erhebliche innere Schmerzen hindurchgeht - und das fortlaufend immer wieder - der ist aus meiner Sicht auf dem Schulungsweg noch nicht in Echtzeit zugange. Vor den Spiegel der Wahrheit zu treten ohne jedwede Selbstbeschönigung ist alles andere als ein leicht Ding. Das „ÜBE GEISTERINNERN“  a u s s c h l i e s s l i c h  bei sich selbst - also ohne Müllverklappung bei Menschen des jeweiligen eigenen sozialen Umfeldes zu meistern - kann und muss Dich schon gelegentlich in die Knie zwingen. Denn erst dann erwachst du innerlich dahingehend welcher Art hochgradig inneren Gleichgewichtes es bedarf um seelische Beobachtungen „geisteswissenschaftlich“ untersuchen zu können.

In den Bereich des stringenten „Erkenne dich Selbst“ gehört noch ein weiteres hier zu benennendes Sediment bewusstseins-genetischer Prozess-Ausfällungen, das als Multimedia-Faktor innerhalb dualistischer Verhaltensstrukturen gerne übersehen wird. Und das ist, wie ich es bezeichnen will, das sogenannte „Man-Gebaren,“ ein Verhalten, das ursprünglich aus wissenschaftlich philosophischen Forschungen hervorging und daselbst aus der Abgrenzung subjektiver Denkwege gegenüber als möglich betrachteten objektiven Betrachtungsweisen. 

In der Kommunikation unter spirituell arbeitenden Menschen hat sich daraus wie nebenbei eine Art Bumerang-Effekt heraus entwickelt. „Man“ dünkt sich unversehens gerne, weil in einer  vermeintlich „Höheren Ein-Sicht“ stehend dazu berufen einem anderen Du so dies und das mehr oder weniger „wohlmeinend“ als Handreichung zur Beachtung nahezubringen. Und übersieht dabei - so tritt es mir rückfragend immer wieder innerlich vor Augen - dass von anderen Menschen keinerlei Veränderung erwartet werden kann, solange ich nicht mein ERKENNE DICH SELBST, angestossen durch ein anderes Du, im inneren und äusseren Selbstausdruck auf mehr Menschlichkeit im Selbstausdruck ein jedes Mal weiter entwickle.

Die alte Grussformel „Grüss Gott“ bedeutet nämlich - modern übersetzt - ich grüsse im anderen Menschen „MEIN“ ERKENNE DICH SELBST. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Hat die Selbsterkenntnis, das besonnene Innehalten - das Erinnern, das sich aus den Tiefen meiner Seele kundgeben will - um auf dieser Grundlage Freiheit aktiv verwirklichen zu können, werden diese Grundtöne des Seelenlebens, wenn überhaupt dann noch umfassend genug wahrgenommen? Geschieht es in meinem Multimedia-Alltag etwa, dass ich während des Sprechens zu einem anderen Menschen plötzlich erschrecke und so an die Würde des anderen Menschen erinnert werde? Warum eher nicht? Weil ich mir die Augenhöhe zu ihm einzunehmen innerlich versagt habe, was heisst seiner Lebenswirklichkeit in Echtzeit zu begegnen, mithin T E I L H A B E zu leben.

Haben wir im Zeitalter der Täuschungen und überbordenden Zerstreuung (Z - S Y M B O L), der  vom Grund her eigentlich nicht mehr zu übersehenden  Zeitenwende (Z - S Y M B O L) etwa die Wirklichkeit (1) verloren? Die Wirklichkeit des anderen Menschen, der seinen ureigenen Weg gehen darf? An dem wir durch mitmenschliche Zugewandtheit (Z - S Y M B O L) kritisch teilhaben und selbstkritisch uns hinterfragend auf bis anhin noch nicht genügend beachtete eigene Entwicklungsbaustellen wachsen können? Machen wir uns also nichts vor, das Z - S Y M B O L  ist schon lange in unserer Welt zu Gange und keinesfalls  durch Putin erstmals in Erscheinung getreten.

Der Krieg mitten in Europa hat nicht erst mit der sogenannten Sonderoperation Putins gegen die Ukraine am 24.02.2022 begonnen. Wagen wir es doch einmal versuchsweise so anzuschauen: Dieser Krieg ist nur die wiederum erneut nach aussen in Erscheinung getretene Fortsetzung des ersten Weltkrieges, der nie aufgehört hat. Erinnern wir uns: In der Jahreswende 1923/24 hat Rudolf Steiner mit den eindringlichen Worten ÜBE GEISTERINNERN und ÜBE GEISTBESINNEN die aus Geisteserkennen notwendige Zeitenwende (Z - S Y M B O L) versucht einzuleiten. Was ist aus diesem Impuls geworden? Ein Gesellschaftskrieg ist aus ihm hervorgegangen, der bis heute unterschwellig weiter schwärt. Ein tragfähiges Erkenne dich selbst als Basis eines beispielhaft sich fort und fort erneuernden Gesellschaftskörpers ist nicht entstanden. Warum: Weil dem Willen zur eigenen Selbstveränderung aus den Schicksalsbotschaften des je anderen Du innerhalb der eigenen sozialen Umräume zu begegnen nicht tief genug Rechnung getragen wurde. Die Zeitenwende (Z - SYMBOL) ist in scheinbar unüberwindbar sich darstellenden alten Gewohnheiten hängen geblieben. … Und wo ENTWICKLUNGEN hängen bleiben, da führt das früher oder später zu kriegerischen Turbulenzen innerhalb der Weltverhältnisse. Dies kann ein jeder Zeitgenosse weltweit erkunden, dem ein tiefer reichendes Erforschen der jeweiligen Sachzusammenhänge ein Anliegen ist. Gerade in der heutigen Zeit ist SELBSTERKENNEN ein Faktor für die weitere Weltentwicklung, der nicht mehr kleingeredet werden kann.

Zum Schluss sei hier noch dies angemerkt. Europa steht von seiner geistigen Grundkonfigurierung her auf diesen beiden Beinen: Der erratischen Frage - weis ich was ich weis oder tue ich das eher noch nicht (Sokrates) und dem Erkenne Dich Selbst, das Aristoteles zu seiner Zeit aus uraltem Mysterien-Wissen heraus als Kern-Dynamik dem von Platon entwickelten neuen Denken verborgen einpflanzte. Womit er den Keim legte Freiheit denken zu können, um sie in Folge sodann in Taten wirksam werden zu lassen. Von heute her betrachtet könnte das nicht heissen: Bin ich aus dem  Hinschauen auf die  Zeitereignisse bereit  „m e i n e“  individuelle  Sonderoperation  im  Selbsterkennen in  eigene  Hände  zu  nehmen  und  Z E I T E N W E N D E (Z - SYMBOL) aktiver mitzuverantworten?

© Bernhard Albrecht Hartmann 07.06.2022

(1)   Matthew B. Crawford: Die Wiedergewinnung des Wirklichen 

       Eine Philosophie des Ichs im Zeitalter der Z  rstreunung, Ullstein Verlag Berlin 2016