Samstag, 31. Januar 2015

Von der Herausforderung "Freies Geistesleben" zu leben

Weitere Anmerkungen zur Auseinandersetzung um die Steiner Kritische Ausgabe auf: www.egoistenblog.blogspot.de

Was suche ich, wenn ich bemüht bin mit einem anderen Menschen in ein Gespräch einzutreten, wenn ich mich an einer Diskussion beteilige? Was suche ich?
Diese Frage scheint auf ein Erstes hin widersinnig zu sein und sie ist es auch, denn das was "Ich" suche steht nicht unmittelbar in meinem Fokus, wenn ich in die Teilhabe an einem Gespräch eintrete. Im Vordergrund steht eine Anmerkung, die mir wichtig ist zu einem vorausgehenden Beitrag zu machen. Es geht also um Mitteilung meiner Weltsicht auf ein zuvor von einer anderen Person Angemerktes.
Mitteilung.
Wie schnell aber kann eine solche Mitteilung ganz leise eine Korrektur oder auch eine latent wirkende Behauptung mit enthalten, der Andere sei einem Irrtum verfallen oder seine Sicht auf den Sachzusammenhang sei einfach nur falsch. Steht es mir zu darüber zu befinden, auch nur leise, unausgesprochen ganz bei mir, ob die Sicht eines Anderen in einer Diskussion falsch ist, wenn mir gleichzeitig die lebensvolle Ausgestaltung eines "Freien Geisteslebens" wichtig ist?
Freies Geistesleben.
Muss ich mich im Sinne eines freien geistigen Austausches unter Menschen nicht eines jeglichen Urteils über andere Menschen enthalten? Denn, wirkt nicht das Unausgesprochene, das so nebenbei unbemerkt Beigepackte in einem Gespräch mit, trägt dazu bei über Gelingen oder Misslingen eines Gespräches? Und umgekehrt: Hat nicht auch die vorschnelle, auch die stille Abwehr eines nicht unmittelbar Beteiligten einer Mitteilung in einer Diskussion möglicherweise stärkere Folgewirkungen auf den weiteren Verlauf des Gespräches? Ob es ausufert oder verhärtet?
Abwehr.
Kann ich in mir eine Abwehr gegenüber einem in einem Gespräch Mitgeteilten ausmachen, in welchem Verhältnis stehe ich dann in mir zu einem wirkungsvoll in Erscheinung treten wollenden "Freien Geistesleben?"
Damit komme ich zurück auf die eingangs gestellte Frage, was suche ich, wenn ...? Suche ich vielleicht über meinen vordergründigen Drang zur Selbstmitteilung hinaus die Selbstbegegnung mit mir? Und wenn dem so sein sollte, was hat dann Abwehrverhalten gegenüber dem Sagen eines anderen Menschen mit meiner möglichen (Nicht)Bereitschaft zur Selbstbegegnung zu tun. Abwehr und (Nicht)Erwachen am anderen Menschen? Abwehr und selbstverzehrende Sehnsucht nach Freiheit? Abwehr und vielleicht sogar (unterschwellig missionarischer) Überzeugungsdrang anderen Menschen gegenüber, weil ich ja weiss, wie es richtig ist? Abwehr und Kopf schüttelndes Verhalten gegenüber, wie ich es vielleicht bezeichnen möchte, befremdlichem  sich Ausdrücken? Abwehr gegenüber dem Fremden im Anderen schlechthin?
Was ist also vorrangig zu löschen bevor in dieser Hinsicht ein ordnender Eingriff von aussen zu erwägen ist? Es sind meine vorschnellen Urteile über einen anderen, diesen bestimmten anderen Menschen. Alle Vorstellungen sind einer kritischen Sichtung zu unterziehen. Was bedeutet Selbstbegegnung auf einen Nullpunkt hin, innerhalb dessen ich mich fortschreitend immer weniger auf ein Aussen als Referenz für mein weiteres Tun und Sagen werde abstützen können. Freiheit in innerer Haltung zu leben ist ein schwieriges Unterfangen, ein beständiges Wagnis und ...
Sokrates modern! Freiheit ist nicht zu haben ohne sich mit dem Gift in der eigenen Unterwelt zu konfrontieren.

Ein neuer Anlauf und weiter reichende Zusammenhänge?
Geht es in der Abwehr der SKA als einer Unternehmung von Christian Clement möglicherweise gar nicht in erster Linie um eine Abwehr dieses Unternehmens, das dem Vorhaben nach kritisch geführt sein will?
Geht es vielleicht eher um die unterschwellige Furcht vieler randständig oder direkter auf dieses Unternehmen hin ausgerichteter Menschen dadurch zu sich selber in ein kritischeres Verhältnis unabwendbar und verstärkt eintreten zu müssen?
Geht es um die Herausforderung der seelischen Beobachtung als einer Schulung in kritischer Selbstbeobachtung von Phänomenen eigener seelisch - geistiger Bewusstseinsprozesse, geht es darum diese anzunehmen und mit den daraus sich ergebendn Konsequenzen zu leben, was aus meiner Sicht und beschränkten Erfahrung heraus alles andere als leicht ist?

Dritter Anlauf, nunmehr im engeren Sinne zur philosophischen Biographie von Rudolf Steiner.
Emanuel Kant äussert sich einmal dahingehend, dass es vor seiner "Kritik der reinen Vernunft" gar keine Philosophie gegeben habe. Eckart Förster widmet dieser Behauptung und einer weiteren Behauptung von Hegel, dass die Philosophie mit dem Jahre 1806 ende, ein bemerkenswertes Buch.
Eckart Förster - Die 25 Jahre der Philosophie - 2. Auflage 2012, Vittorio Klostermann GmbH,  Frankfurt am Main - Rote Reihe, ISBN 978-3-465-04166-5
Ich habe nun gerade erst damit begonnen mich mit diesem Buch tiefer auseinander zu setzen, habe aber an verschiedenen Stellen immer wieder fragend innegehalten, unter anderem an dieser ganz am Anfang des Buches. Kant schreibt in einem Brief an seinen ehemaligen Schüler Marcus Herz, dass er sich gestehen musste,

"dass mir noch etwas wesentliches mangle, welches ich bey meinen langen metaphysischen Untersuchungen, sowie andre, aus der Acht gelassen hatte und welches in der That den Schlüssel zu dem ganzen Geheimnisse, der bis dahin sich selbst noch verborgenen Metaphys:, ausmacht. Ich frug mich nämlich selbst: auf welchem Grunde beruht die Beziehung desjenigen, was man in uns Vorstellung nennt, auf den Gegenstand?" 
Förster, Seite 13, Absatz 2.

Dies lesend habe ich mich gefragt,

hat Rudolf Steiner mit seiner Philosophie der Freiheit nicht über die grossartige Leistung der abstrakt konkreten Herausarbeitung der kritischen Vernunft durch Emanuel Kant hinaus gehend einer zukünftig noch vertiefter zu erarbeitenden kritischen Phänomenologie des Denkens als Bewusstseinsprozess eine erste Spur gelegt?
Diese Frage will ich als eine aus meiner Sicht eminent wichtige Forschungsfrage in die Runde stellen.

© baH, 29.01. 2015