Dienstag, 21. April 2015

Ich

Nachfolgenden Beitrag habe ich im Juni 2014 schon einmal hier eingestellt. Aus aktuellem Anlass tue ich dies erneut, ergänzt um einen kurzen Dialog aus dem Blog von Info 3, in dem dieser Beitrag ebenfalls veröffentlicht wurde, sowie einem neuen "Fadenschlag" zum Thema von mir aus den letzten Tagen. Mit und weiter denken aus dem Leserumkreis, in welcher Form auch immer, würde mich sehr freuen.

Bewegt in Bewegung. Ich ist nicht, wo diese fliessende Bewegung, dieses bewegt in Bewegung Sein nicht in sich aufgesucht werden kann.

Ich sehe den Einwand. Ich ist nicht? Das widerspricht dem Anschein nach jeglicher philosophischen Forschung über Jahrhunderte hinweg, die sich um dieses Thema bemüht hat. Es widerspricht auch den Forschungen der Entwicklungswissenschaften, die von einem ersten grossen Schritt der Ich Vergegenwärtigung des Kindes im Alter von etwa drei Jahren ausgehen. Das Kind spricht zum ersten Mal von sich als Ich.

Und jetzt: Ich ist nicht, wenn ... Ja wenn fliessende Bewegung in sich nicht aufgesucht, wenn eine Erfahrung dieser Art sich nicht eindeutig vergegenwärtigt werden kann. Ja, was nun? Fliessend erfahrene Bewegung in sich soll zum Ich führen und wo diese Bewegung sich nicht vergegenwärtigt werden kann, da ist kein Ich, da ist Ich nicht, noch nicht? Ja wie nun?

Ich und Bewegung, wie hängen sie zusammen? Und die andere zwangsläufig sich daraus ergebene Frage? In welcher Beziehung steht dazu die Erfahrung der Leere als scheinbarem Endpunkt einer Bewegung, als Erschöpfungszustand des Verstandes am Abgrund, als Sinnkrise, die heute so viele Lebensbereiche der Menschen durchzieht? Leere und Sturz ins Nichts, Depression. Nun, ich will hier diese Fragen nicht ins Einzelne gehend ausloten, vielmehr das Augenmerk allein auf einige wenige Tatbestände lenken, die zum Ausgangspunkt von eigenen inneren Erkundungen werden können.

Wer sich auf eine so geartete Selbsterkundung einlassen kann, der wird in deren Verlauf unschwer feststellen, dass nur das zu einer Erkenntnis hin reifen kann, was aus einer Eigentätigkeit hervorgeht. Mehr Wissen zu den angedeuteten Zusammenhängen führt, auch dies kann als Selbsterkenntnis aus einem derartigen Erkundungsgang hervorgehen, nur immer näher an eine zunächst schleichend auftretende Depression heran, mit der Folge früher oder später sich in panikartigen inneren Zuständen vor einen schwarzen Abgrund gestellt zu sehen.

Es ist heute eine allgemein zugängliche Erfahrung, dass sich unsere gegenwärtige Verstandestätigkeit als eine seit der griechischen Antike entwickelte Kulturtechnik des Denkens auf ein Aussen bezieht, also dual gepolt ist. Die Folge davon ist, dass sich daraus eine höchst differenzierte abbildende Denktätigkeit, ein abbildendes Wirklichkeitsverständnis entwickelt hat. Die bloss abbildende Tätigkeit des Denkens hat dabei eine derartige Intensität angenommen, dass unkritisch sich selber gegenüber sogar geistige Prozesse anscheinend nicht mehr anders als abbildend wahrgenommen werden können, mit der Konsequenz eines nahezu durchgehenden materialistischen Weltverständnisses.

Es scheint mir in dieser über alle Grenzen hinaus betriebenen Denkbemühung längst nicht mehr um die Abgrenzung von Subjektivität und Objektivität, was den wissenschaftlichen Blick auf die Ergebnisse des Denkens hin betrifft zu gehen, sondern um einen krampfhaft verdeckten Selbstausschluss der Kraftgestalt des Denkens innerhalb eigener innerer Erfahrungsmöglichkeiten schlechthin.

Ich und Welt erleben sich per paradigmatischer Festlegung als getrennt. Ich? Sagte ich nicht, Ich ist nicht, wenn es nicht in fliessender Bewegung, als in Bewegung auftretende Erfahrung erlebend gegenwärtig werden kann. Das aber ist die Schwierigkeit für ein abbildendes Verstandesdenken. Es hat die Verbindung zur schaffenden Bewegung in sich verloren, mit anderen Worten, die Kraftgestalt, aus der im ursprünglich aristotelischen Sinne das Denken hervor zu gehen hat, ist dem inneren Blickfeld entschwunden. Dieser Umstand aber ruft das Abgrund Erleben von immer mehr Menschen in der heutigen Zeit hervor. Die selbst geschaffene Dualität im Verhältnis zur Welt muss aus sich heraus dynamisiert werde.

Das mit diesem dualen Wirklichkeitsverständnis erworbene Selbstbewusstsein und daraus resultierend die Möglichkeit zur fortlaufenden Selbstbestimmung hat ihren Preis in einer immer offenkundiger zu Tage tretenden Angst, sprich einem fast pandemisch um sich greifenden Sicherheitsbedürfnis auf beinahe allen Ebenen des Seins. Der Mensch stürzt ins Nichts, erlebt sich in einer immer tiefer um sich greifenden Leere, die er durch alle nur erdenklichen Ablenkungen zu unterlaufen, von sich zu weisen sucht. Seine grösste Angst ist es dabei den Boden unter seinen Füssen und damit im Bodenlosen sich selber zu verlieren.

Die Schnelligkeit, die im äusseren Leben allenthalben gefordert und forciert wird, ist, tiefer betrachtet, ein Hinweis auf die notwendig zu entwickelnde Wachheit für im Inneren eigentätig zu gestaltende und fortlaufend tiefer zu erfahrende Bewegungen. Schwimmen lernen in geistigen Prozessen ist angesagt. Dort aber wo das abbildende Denken unterschwellig immer noch als Massstab für ein sich selbst ordnend im Denken Einfinden Können angesehen wird, ist der Sprung über diesen inneren Abgrund hinweg ein immer wieder auf ein Neues sich bemerkbar machendes und zu verdrängendes Ärgernis eigene Entwicklung nur selbstverantwortlich in die Hand nehmen zu können.

Ich in Bewegung zu erfahren scheint in der Tat für ein zur Gänze in die Abstraktion geratenes Denken unmöglich zu sein. Dennoch ist die Abstraktion ein nicht zu überspringender höchst bedeutsamer Schritt in der Entwicklung zu selbstbestimmtem Denken, führt sie den Menschen doch an eine einzigartige Grenze heran, an eine Grenze, die, so der denkende Mensch sich eine innere Anschauung von seinem Tun des Grenzganges verschafft, eindrücklich zum Erleben bringen kann, dass an dieser Grenze im eigentlichen Sinne überhaupt kein Abgrund vorhanden ist.

Die Abstraktion ist ein unendlich weites Feld und was in dumpfem Erleben hier einen Abgrund vorgaukelt, das ist genauer besehen der in Kraftlosigkeit hinein zusammenbrechende Ausdruck eigenen Denkens, ist Ausdruck von Muskelkater in Bezug auf die eigenen Möglichkeiten denken zu können. Die innere Spannkraft fehlt das Feld der Abstraktion in seiner verschleierten Imateralität zu durchdringen. Bildhaft gesprochen liegt der Abstraktion ein Denken im Glashaus zu Grunde. Das der Abstraktion innewohnende Wesenhafte kann nicht erfasst werden, weil dem Denken die Kraft dazu abhanden gekommen ist und Wege diese Kraft aufs Neue zu erwerben zwar vorhanden, aber allem Anschein nach als Quellgrund für ein weitreichendes forschendes Tätigwerden Können noch nicht ernsthaft genug begangen und erkundet worden sind.

Es mag verwundern, wenn hier gesagt wird, dass die Überwindung oder besser gesagt ein lebensvolles Durchdringen der Abstraktion nur über eine innere Neuausrichtung von Ich und Du im sozialen Raum möglich werden kann. Aus dem einfachen Grunde heraus, weil Gleiches nur durch Gleiches, Wesenhaftes also nur durch Wesenhaftes erkannt wird. Gelingt es das Wesenhafte im sozialen Raum sich erneut lebendig vor Augen zu führen, dann wird es auch möglich werden die Abstraktion in der Wissenschaft aufzubrechen, sie auszurichten auf einen Paradigmenwechsel in der Anschauung immaterieller geistiger Realitäten.

Was als Kraftgestalt hinter dem aristotelischen Denken liegt und was Aristoteles einstmals in seinen Dialogen, soweit sie noch erhalten sind, allem Anschein nach zum Ausdruck gebracht hat, das gilt es im Dialog zwischen Ich und Du erneut an das Licht des Tages, ins Bewusstsein herauf zu heben, wenn die über weite Ereignisfelder hin reichende gegenwärtige Bewusstseinskrise überwunden werden soll. Das Ego als ein Ergebnis dual ausgerichteten Wirklichkeit Verstehens will dynamisiert werden.

Dass ein vertieftes Verständnis, ein Durchschauen der dem Ego zugrunde liegenden Bewegungsdynamik für die Erweiterung des gegenwärtigen Wissenschaftsverständnisses in Richtung auf eine noch zu entwickelnde naturwissenschaftssysthematische Erforschung geistiger Realitäten von entscheidender Bedeutung sein könnte, das kann einem jeden einsichtig werden, der sich auf ein Erkunden der Bewegungsdynamiken innerhalb des Ich Du Prozesses über längere Zeit einlassen mag. Dass damit auf keinen leichten Weg verwiesen wird, das kann nicht verschwiegen werden. Bewusstseinsklarheit zu erringen, ganz gleich auf welchem Arbeitsfeld, das ist noch zu keiner Zeit eine einfache Aufgabe gewesen.

Ein Gewinn, den das abbildende Verstandesdenken in Bezug auf das heutige Wirklichkeitsverständnis gebracht hat, ist aber nicht hoch genug zu bewerten, nämlich ein damit einher gehendes Selbstbewusstsein des Menschen als Basis eines der Möglichkeit nach immer weiter um sich greifen könnenden Freiheitsbewusstseins. Dass an dieses Selbstbewusstsein nicht wenige auch leidvolle Erfahrungen von Verstrickungen in Ego Mustern innerhalb des eigenen sozialen Umgangs eingebunden sein können, das wird ein jeder Zeitgenosse auf seine ganz eigene Weise bestätigen können. Für den Fortgang der Bewusstseinsentwicklung ist das Ego aber nicht zu überwinden, sondern in seiner inneren Bewegungsdynamik anschauend zu verstehen. Kann doch bei genauerem Hinsehen das Ego verstanden werden als die Samenkapsel, aus der durch eine entwickelte Eigentätigkeit das Ich bewegt in Bewegung mehr und mehr in Erscheinung treten kann.

Die Abstraktion ist das Ergebnis eines auf sich bezogenen Ego zentrierten Denkens. Diesem Denken ist das Erleben der eigenen Kraft im Denken entglitten. Denken wird nicht als eine eigene Kraftbewegung erfahren und noch weniger als eine aus einem inneren Blicken hervor gehende Tätigkeit. Erwacht innerhalb dieser blickenden Tätigkeit das Bewusstsein für ein in fliessender Bewegung sich ausdrückendes Ich, dann keimt in der blickenden Tätigkeit zeitgleich ein Lichtprozess auf, der das Feld der Abstraktion mehr und mehr gleichsam aus einer Erstarrung wie aufweckt und den Blick öffnet auf ein Reich wesenschaffend zu einander in Beziehung stehender Wesenheiten.

Für mutige Wegsucher auf dem inneren Feld des Denkens wird damit auf ein weites Forschungsfeld verwiesen, das ein jeder nur Kraft eigenen Entschlusses betreten kann. Wahrheit kann nur dem zu Teil werden, der die Vertiefung eigenen Erfahrens nicht scheut. Keine Institution, kein wie auch immer ausgebildeter Mensch kann mir die Schritte zu Entwicklung einer inneren Eigentätigkeit abnehmen, auf dem sich Erfahrungs- und Forschungsfelder dieser Art eröffnen können und damit Selbstgewissheit in Bezug auf Wahrheit dessen was ist ermöglichen. Der Dialog über alle Grenzen unterschiedlichen Anschauens hinweg, bezüglich dessen, was ein jeder zunächst für wahr halten mag, baut Schwellenängste ab und lässt scheinbare Abgründe verschwinden. Wahrheit ist eine Prozesserfahrung im Dialog.

Bernhard Albrecht Hartmann 25. 06. 2014
Hallo Bernhard,
könntest Du mal Deinen Text auf das in ihm wohnende Prinzip, bzw. die von Dir gemachte Aussage darin (etwas) eindampfen?

Manroe 12.07.2014


Hallo Manroe

Zuerst einmal, ich freue mich sehr, dass Du als erster auf meinen Beitrag einsteigst. Da wir aber auch in der Vergangenheit eine gewisse Geschichte im Umgang auf verschiedenen Foren im Internet miteinander haben, ist es mir ein besonderes Anliegen Dir zu sagen, dass ich Dich mit keiner meiner Aussagen hier und heute und in Zukunft persönlich treffen will, auch dann nicht, wenn ich einmal hart vor dem Wind segelnd mit meinen Aussagen Dir in die Quere kommen sollte. Es geht mir immer um die Sache. Ich schätze deine Art sehr, selbst dann, wenn wir uns in unseren augenblicklichen Auffassungen zu einem Thema immer wieder einmal unterscheiden sollten. Für mich liegt in der Unterscheidung ein grosses Entwicklungspotential, wenn Ich/Du bereit sind sie jeweils innerlich auszuhalten und die Unterscheidung nicht zum Anlass nehmen sich voneinander abzuwenden.

Das Thema „Ich“ ist ein hoch sensibles. Aus meiner Sicht kann es da nicht um Meinungen gehen. Der kristalline Filz, der sich in einem weiten Bogen um dieses Thema auf verschiedenen Ebenen in meinen Augen abzeichnet, er will existentiell bearbeitet sein. Ich muss mich also im Geiste des Sokrates tief innerlich berühren lassen können und mich meinen Ängsten stellen. Denn: Die Frage nach dem Ich ist, wie ich es sehe, eng an die Aussage des Sokrates geknüpft, „ich weiss, dass ich nichts weiss!“

Daraus ergibt sich aber, wie Dir, meinem Sagen folgend, nunmehr bereits selber vielleicht innerlich gedämmert ist, dass ich meinen Beitrag für Dich hier und jetzt nicht „soweit“ eindampfen kann, dass Dir das „in ihm wohnende Prinzip“ damit sichtbar wird.

Wenn Du hier Klarheit weiter suchen willst, dann wird Dir nichts anderes übrig bleiben, als gewissermassen durch die innere Wand: „Ich weiss, dass ich nicht weiss“ hindurch zu gehen, den Schritt hinaus ins Nichts, in die Leere zu wagen. Ich selber bin diesen Weg viele, viele Male gegangen und das Ergebnis ist ein immer tieferes Gewahren eigener Gegenwärtigkeit in Bewegung.

Jede Frage, die Dir wie mir oder anderen Lesern hier bei einem derartigen Bemühen innerlich entstehen mag, sie miteinander ein Stück weit weiter zu bewegen, selbst dann wenn sie sich für einen jeden unterschiedlich weit auflösen mag, sehe ich als einen Gewinn an der Frage nach dem Ich existentiell beobachtend näher zu kommen.

Bernhard Albrecht 13.07.2014





Hallo Bernhard,

...freut mich ebenfalls Dich hier zu sehen und ich hoffe wir kommen bei einem weiteren Versuch etwas besser miteinander aus als so manches andere Mal. Lass es mich gleich zu Anfang kurz aus meiner Sicht beschreiben, warum wir aneinander geraten sind, aus meiner Sicht, natürlich :-). Du hattest immer "nur" so Andeutungen gemacht an entsprechend "heiklen" Stellen und sie dann nicht belichtet, weiter ausgeführt, was, meiner Ansicht, nicht Meinung nach, wenn es um das Ich geht, eben nicht geht. Da stehen sich dann "Auge" und "Auge" gegenüber, im Nullpunkt selbst und ein jeder Ausdruck der nun kommt ist dann im wahrsten Sinne der ent-scheidende, weil dann dem jeweiligen "Null-Ort" entsprechend sich neue Wege und Abzweigungen ergeben, die die jeweilige Schöpfung repräsentieren und aufzeigen, beschreiben, was gerade geschieht. Also frei nach Sokrates, man muss es dann aussprechen, um was es geht. Man schaut gewissermassen im Bilde ausgedrückt, werdenden Verzweigungen beim Auskristallisieren des gefrierenden Atems zu. Und jene "innere Wand" durch die es zu schreiten gälte, trennt ja ab das Reich vor meinem Atemzug von dem des sich auskristallisierenden, in der Überschau umfasse ich beide Seiten. Und ein Gespräch in diesem Sinne sollte im Sinn haben, dass das miteinander Ausgetauschte sich wieder auflöst dadurch, dass man sich gegenseitig gesehen hat, dann werden Kristalle wieder zu frisch belebtem Wasser, das dann in der Lage sein wird, wiederum neue Schöpfungen zu zeigen. Von Atemzug zu Atemzug.

Und, so sehe ich es, was absolut von Wichtigkeit ist, dass aus den in diesem Sinne getätigten Taten keine Lehren oder sonstigen gesetzmässigen Fakten angestrebt oder gar irgendwie ins geistige Erdreich betoniert werden, sondern ein Fluidum schwebend gehalten wird, das anders denn jene Fakten oder sonstigerlei in diesem Sinne wie beratend und ständig mich begleitend mich umhüllt. Keine harten Fakten, sondern transparente Schwingungen.

Manroe 15.07.2014


Im Prozess mit Manroe
"... Da stehen sich dann "Auge" und "Auge" gegenüber, im Nullpunkt selbst ..,"

„Auge“ und „Auge:“ Welches Auge steht da welchem Auge gegenüber, Deines dem Meinen oder schaust Du Auge in Auge mit Dir, Dir selber ins Auge, bist im Begriff Dich eigentätig auf den Punkt der Gegenwärtigkeit mit Dir zu zu bewegen? Sind wir beide bereit in den Augenblicken des einander Begegnen dies aus der bewegt in Bewegung sich bildenden immer neuen Gegenwärtigkeit heraus zu tun?
Wenn ich Deine Aussage hier so befrage, dann trete ich damit an eine aus meiner Sicht heraus ganz entscheidende innere Hürde heran, was das Durchschauen des Kommunikationsprozesses zwischen Ich und Du betrifft. Schwierig, weil hier ja permanent sich alles in Bewegung befindet.

Sich in Bewegung befindet? Will ich prüfen, in wie weit ich in Bezug auf ein mir begegnendes Du hin im Augenblick der Begegnung, also Auge in Auge mit diesem Du meinerseits wirklich in Bewegung mich befinde, also nicht aus einer statisch, dualen Haltung heraus auf das Du und sein aktuelles Sagen hinschaue, dann kann ich das z.B. daran ablesen, ob mir angesichts der Aussage des Du mehr oder weniger schnell ein „Ja Aber“ aufstösst. Im „Ja Aber“ falle ich nämlich sowohl aus dem inneren Anschauen der Aussage des Du heraus, bzw. komme erst gar nicht an deren Kernbereich heran, ich verliere darüber hinaus auch die Augenhöhe zu mir selber, schaue mir selber nicht mehr ins Auge, zumindest nicht mit der notwendigen inneren Wachheit.

Ich sagte ja, alles ist hier in Bewegung und meine Aufmerksamkeit für die vielfältigen Bewegungen kann hier sehr schnell in ihrer Eigentätigkeit durch diese oder jene Nuance des Geschehens ins Flackern geraten, für das Wesentliche erblinden; kann sich einnebeln durch unterbewusste Einflüsse, die sich im konkreten Augenblick noch der eigenen geführten Aufmerksamkeit entziehen, mit der Folge von Irrtümern und Missverständnissen. Das „Ja Aber“ baut innere Wände zwischen einander Begegnenden auf, kehrt die Aufmerksamkeit in mir um auf den eigenen vergangenheitsgeprägten Vorstellungsgehalt über eine bestimmte Sache und erzeugt sehr schnell eine Haltung das jeweilige Du in dieser oder jener Weise vermeintlich korrigieren zu müssen. Es führt ausserdem zu Übertragungseffekten eigener Vorstellungen auf das Du und öffnet damit einem Hick-Hack Tür und Tor, das so viele Diskussionen begleitet und Gespräche sehr, sehr erschwert, wenn nicht sogar verunmöglicht. Wenn Du Dich erinnern willst, dann kannst Du in Deinen eigenen Erlebnisräumen hier gewiss so manche Begebenheit in dieser Richtung ausmachen.

Es ist aus meiner Sicht ein nicht ganz leicht auszumachender Irrtum im Hinschauen auf eine Aussage des Du, Ich könnte in dessen Denkprozess so ohne weiteres einsteigen. Die jeweilige Denkdynamik ist in sich einmalig und kann nicht nachbildend kopiert werden. Noch schärfer ausgedrückt: Dort wo alles so eminent in Bewegung ist (auch in einem mehrheitlich abstrakten Denken lassen sich hinter Schleiern kraftvolle Bewegungen ausmachen und wirken aufeinander) kannst Du „nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen“ (Heraklit).

Wie kommt dann aber Verständigung von Du zu Du zustande? Du kannst nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen, was gleichermassen für den Denkprozess des Du gilt, wie für Deinen eigenen Denkprozess. Kommst Du auf dem Seelengebiet, in dem dies so nach und nach beobachtbar wird, in fortlaufend sich vertiefenden inneren Bewegungen immer mehr voran und kannst Du die Angst in Dir bändigen, bzw. im inneren Gleichgewichtsempfinden immer wieder auflösen, wenn Du einem kleinen Bergbach gleich zwischen Steinen, Gras- und Fels Katerakten in Deinen inneren Bewegungen vorwärts stürzt, auseinander gerissen und zusammen gepresst wirst, dann siehst Du Dich irgendwann wie vor eine innere Wand gestellt, an der nichts mehr weiter zu gehen scheint.

Hier geht im Wortsinne nichts mehr, denn alles, was sich bis an hin in Dir und um Dich bewegt hat, das entpuppt sich als nicht zu Dir gehörig, ist Abbild geprägtes Baugerüst, ist ein auf Dein Ego hin bezogener Ego Wirklichkeitstraum. Verkürzt gesagt, Du bist nicht Es. Es geschieht in Dir und um Dich, aber Du bist Es nicht.

Im inneren Zwiespalt zwischen dem „Tanz der Affen“ in Dir, den Du eigentlich bändigen willst und der Leere, die sich einstellt, wenn sich dies alles als Chimäre entpuppt, als nicht eigentlich zu Dir gehörig, weisst Du nicht, wohin Du Dich nun wenden sollst. Furcht und Angst breiten sich aus, der Boden unter Dir scheint weg zu brechen.

Du - in der Konfrontation mit dem Nichts und in einer gesteigerten inneren Erfahrungsweise mit der Leere. Das Nichts - ein Erlebnisfeld der Verzweiflung des Verstandes, der um seine gewohnten Haltestreben kämpft; die Leere - ein Erlebnisfeld langsam gegenwärtig werdender Bewegungskräfte, deren Tragfähigkeit in der noch Dunkelheit erprobt sein will.

Dies zu verstehen, auf was ich hier gerade hinzudeuten versuche, das ruft ein grosses, ein tiefgreifendes Dilemma mit auf den Plan. Die Begriffe Nichts, Leere und Dunkelheit sind über eine lange Zeit hinweg überlagert worden von einer immer dichter werdenden Patina materialistischer Vorstellungsschichten, so dass an ihre ursprüngliche Gestalt nicht ganz leicht heran zu kommen ist. Hier gewissermassen den Flammenwerfer in Gang zu setzten und alles niederzubrennen auf ein - „ich weis, dass ich nichts weis“ - hin, dazu gehört, konsequent durchgeführt, einiger Mut, denn ich schlage mir im Wortsinne damit unmittelbar und eigenhändig den Boden unter den Füssen weg, auf dem ich vermeintlich stehe.

Wenn ich auf meine Erfahrungen vieler Jahre zurückblicke, dann kann ich nur sagen Unkraut, in Form von Abbildern, also toter, lebensleerer Begriffe oder materialistischer Worthülsen, wächst hier von den verschiedensten Seiten (nicht nur von den oben bezeichneten Begriffen) her immer wieder nach und fordert Dein inneres Beweglich-Werden beständig neu heraus. Entgegen vieler spiritueller Bestrebungen hat der Materialismus bis in vermeintlich spirituelle Begriffe hinein sehr viel mehr seine Anker versenkt, als gemeinhin bemerkt wird.

Ernst genommen hat dies eine grosse individuelle Verantwortung zur Folge. Ich kann mich auf keine Aussage eines anderen Menschen mehr und sei es auch „ein noch so grosser Lehrer“ dauerhaft gleichsam setzten ohne, erwachend zu mehr Eigentätigkeit, diese Aussage bewegt in Bewegung zu prüfen und zu individualisieren, mit eigenen inneren Anschauungen erlebend zu durchdringen. Mit anderen Worten ausgedrückt mich beständig wiederum neu auf den Nullpunkt eigener Gegenwärtigkeit sachbezogen und nicht voreilig rechthaberisch zu zu bewegen.

Du sprichst ja Deinerseits von dem Nullort und der Möglichkeit von dort her einer beständigen Entkristallisation, Verflüssigung im inneren Durchdringen von Begriffen zu zu wachsen, Dich bewegt in Bewegung innerlich transparent in der eigenen Anschauung erfahren zu können in Resonanz mit rein geistigen Lichtschwingungen.

Leicht durch mich verwandelt, wie Du wohl siehst, lächel! Ich hoffe, Du nimmst mir das nicht übel, denn ich hoffe damit mit Dir einen möglichen Weg für weiteres Forschen und Selbsterfahren zu öffnen, für ein Beschreiben des selbst Erfahrenen von unseren jeweiligen Nullpunkten, Nullorten her.

Der Respekt füreinander, auch wenn sich wechselseitig vielleicht einmal nicht eine jede Aussage sogleich erhellen mag, sei der Wächter über unser Bemühen.
Ich grüsse Dich,

Bernhard Albrecht 13.08.2014 



Ein neuer Fadenwurf in einer schwierigen Fragestellung

Warum Du den angefangenen Dialog nicht weiter führst ist Deine Sache Manroe und bedarf keiner Erklärung oder gar einer Rechtfertigung. Wenn ich den Faden jetzt erneut aufgreife, dann tue ich das, weil mich die aufgeworfenen Fragen in Zusammenhang mit Deinem und meinem Sagen weiter beschäftigen. Fühle Dich also nicht genötigt hier mit zu denken. Das Ich spricht, wenn es aus sich heraus und aus nichts anderem als diesem sprechen will. Dies gilt auch für diejenigen Leser, die sich aus einer erweiterten Runde heraus für das bisher hier Gesagte lesend interessiert haben.

Ich lade alle Leser, die als „Ich“ hier sprechen wollen zum „Dialog“ ein. Denn das „Ich“ kann sich seiner selbst nur im Dialog gewahr werden, erfährt Belichtung dadurch, dass es das Wagnis eingeht sich sprechend zu zeigen.

Das Ich ist keine abstrakte Grösse, die gewissermassen auf einem Seziertisch in einem quasi Nullort Vakuum unter einem Mikroskop analysiert werden könnte. Das Ich ist eine Bewegungsentität, ist eine Kraftgestalt und kann demgemäss also nur in Bewegung, in bewegter Selbstbefragung überhaupt zu einer inneren Anschauung seiner selbst gelangen, zu einer Erfahrung in Bewegung werden.

Das Ich lässt sich mit Vorstellungen, gleich welcher Art, nicht einfangen oder abstrakt auch nur annähernd verstehen. Es ist eine einzigartige Kraftgrösse. Als diese kann es in einer Persönlichkeit langsam aufwachen, indem sich der Keimzustand des Ich, wie er in einem Kind von etwa drei Jahren erstmals sich zu regen beginnt in vielfältigen Du - Erfahrungen immer wieder aufs Neue spiegelt, in der Nährlösung dieser Erfahrungen innerlich reift und in Folge mehr und mehr seiner selbst gewahr werdend, in ein Eigenerfahren hinein wächst.

Von einem gewissen Augenblick an schaut das Ich seinem eigenen Auskristallisieren zu. Und diese Erfahrung ist im Anfang so erschütternd, weil Verantwortung einfordernd, dass ein keimend erwachendes Ich sich immer wieder hinter seiner Ego Schürze zu verstecken geneigt ist. Solange, bis die Erfahrung eigener Kraft gross genug ist, dass sie sich auch ungeschützt zeigen kann. In seiner tieferen Potenz ist das Ich nämlich unverletzbar. Dahin allerdings gelangen und in Erfahrungen innerlich stabil bleiben zu können ist ein sehr schweres Unterfangen.

Das Ich in seinem Werden zu schützen ist von da her der tiefere Grund für das Gebot: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Diese Würde zu schützen dafür braucht es den Respekt. Im Reden und Ringen um Klärung in dieser oder jener vielleicht tiefen Erkenntnisfrage ist dem Respekt die oberste Wächter Funktion zugewiesen.

In meinen Augen zeigt sich die Stärke eines Ich in seiner Fähigkeit zum Respekt über alle Grenzen hinweg.

Bernhard Albrecht, 04.04.2015