Dienstag, 17. September 2019

Notwendige Berichtigungen

https://egoistenblog.blogspot.com/2019/09/vom-hoheren-sinn-zum-unsinn.html#more

Lieber Michael, es wäre sehr Vieles zu diesem Deinem Blog-Beitrag zu sagen, ich will es bei sieben Kommentierungen zu einigen Sentenzen belassen.

1. Absatz
„Es ist im Grunde genommen recht egoistisch, wenn wir anfangen, uns für Anthroposophie zu begeistern, weil uns die Gedanken der Anthroposophie begeistern, uns als wahr erscheinen. Denn was befriedigen wir dann? Wir befriedigen das, was unsere Sehnsucht nach einer harmonischen Weltanschauung ist.“ (1)
1. Kommentar:
R.St. legte hier warmherzig und dennoch leise warnend den Finger darauf aufmerksam zu sein wie „gestimmt“ unsere Begeisterung für Anthroposophie sei, forderte also indirekt dazu auf den Prozess der Verarbeitung aufmerksam zu begleiten. Innerlich regsame Begeisterung in der Erarbeitung von Anthroposophie oder selbstbefriedigender Egoismus durch ausufernde visionär und illusionär sehnsüchtige Kataklysmen in der Seele des die Anthroposophie Aufnehmenden, das war in meinen Augen also die mehr untergründige Frage hier, die R.St. mit seinem „So-Sagen“ den Zuhörern der Vorträge zur selbstverantwortlichen Entscheidung anheim gab.

2. Absatz
„Nein, mit einer „Philosophie der Freiheit“, die die Autonomie & Souveränität des Denkens hochhielt, kann man in solchen Zeiten keinen Blumentopf gewinnen.“
2. Kommentar:
Richtig ist, R.St. konnte nicht äusserlich an seine Philosophie der Freiheit anknüpfen, indem er etwa seminaristisch diese mit seinen Zuhörern erarbeitete. Er konnte aber aus der Anschauung der Geist-Berührung heraus sprechen, die sich ihm aus seinem in die Welt stellen der Philosophie der Freiheit für ihn eröffnet hatte. Er repräsentierte die Philosophie der Freiheit also durchwegs in seiner Haltung während er sprach. Er nahm über seinen ethischen Individualismus im sich Ausdrücken die Haltung der Bewusstseinsseele ein. Er erzählte also nicht von Bewusstseinsseele, sondern war in Persona Ausdruck dieser Bewusstseinsseele während er sprach.

… Die „Wege und Ziele des geistigen Menschen“ …
3. Kommentar:
Von heute her gesehen betrat R.St. mit der Vortragstätigkeit (zunächst) innerhalb der Theosophischen Gesellschaft seinen Weg der Repräsentanz von Bewusstseinsseele. Er wartete nicht länger mehr darauf bis sich Menschen für seine Philosophie der Freiheit interessieren würden, sondern begann damit sie dialogisch über die Art und Weise seines Sprechens zu vertreten. Ein Umstand, der bis heute viel zu wenig in den Blick genommen, bzw. mit Untersuchungen zu seiner Sprache phänomenologisch näher erforscht wurde.
Die Sprache R.ST`s ist willensbetont geprägt. Er erzählt nicht Geschichten, sondern spricht in Bildern, um „seine“ Willensbewegungen darin zum Ausdruck zu bringen. Imaginationen fallen nicht einfach vom Himmel, auch nicht für Rudolf Steiner. Seinem Sprechen geht also Arbeit, harte innere Arbeit voraus. Dies hier zu sagen fordert schlichtweg der Respekt gegenüber einem geistig produktiven Menschen ein.
Rudolf Steiner zum Geschichtenerzähler herunter dimmen zu wollen ist kurz und bündig gesagt einfach nicht lebensecht, ist in meinen Augen Ausdruck eines aus dem Gleis geratenden Assoziieren, ist (auch) selbsttäuschend verpackte Gefühligkeit - Michael -, die Du doch bei den Anthroposophen so anzuprangern weist. Halte also bitte nicht nur anderen Menschen einen Spiegel vor die Nase, sondern erblicke Dich im gleichen Atemzug auch selber darin. „Geisterinnern.“
Eine Zwischenbemerkung:
Als ich Deinen Blog-Beitrag las und mir dabei Dich, diesen Text sprechend, vor Augen hielt, musste ich an den sich eskalierenden Streit-Dialog zwischen dem Studentenführer und dem Universitäts- Rektor der Kölner Universität 1969 denken, dessen unmittelbarer Zeuge ich war. Der Mangel an Unterscheidungsvermögen zwischen den beiden Wortführern führte schlussendlich zur Stürmung der Kölner Universität durch 500 Knüppel bewehrte Polizisten, bei der, wie ich selbst mit eigenen Augen sah, nicht wenige an der eigentlichen Demonstration und dem studentischen Besetzungsversuch völlig unbeteiligte Menschen eines über die Rübe gezogen bekamen.
Und Du Michael, ziehst Du nicht auch immer wieder mit Deinem Sagen in Deinen Blog-Beiträgen den Knüppel aus dem Sack und triffst Menschen … einfach so? Meinst du etwa andere Menschen aufwecken zu müssen?
Zum Aufwachen kannst Du nur Dich selbst bringen. Getreu der Inschrift über dem Tempel zu Delphi: Erkenne Dich selbst. Daran führt für keinen von uns beiden, wie auch weiteren Lesern hier der Weg vorbei. Ob pro oder kontra Haltung zu dem hier Geschriebenen, das Erkenne Dich selbst mit all seinen möglicherweise schmerzhaften Facetten ist nicht zu umgehen.

„Sagenhafte geheime Rosenkreuzer-Vereinigungen, … die die „harmonische Weltanschauung“ mittels „welthistorischer Stimmung“ in „rechter Vorstellungsart“ bediente, …
4. Kommentar:
Für wie dumm hälst du eigentlich Deine Leser, Michael? Das ist doch ein Kuschel Meeting der Gefühligkeit mit Dir selbst, garniert mit spitzen Bemerkungen zu angeblichen „Meister Handlungsnotwendigkeiten in der ersten Dekade des vergangenen Jahrhunderts, an dem Du meinst uns Leser teilhaben lassen zu müssen. Es fällt mir schwer zu sehen wie die Worte Rudolf Steiners in ihrem tatsächlichen Gehalt noch mehr herunter geschliffen werden, bzw. aus dem Zusammenhang gerissen und gleichsam neu zusammengenäht aneinander gereiht präsentiert werden könnten, als Du es hier tust. Und Du findest diese Deine Schreibe wohl auch noch toll, denn ansonsten hättest du sie sicher nicht veröffentlicht.
Doch ich will mich hier weiterer Charakterisierungen Deines Sagens enthalten. Einer kritischen Auseinandersetzung mit Rudolf Steiner dienen Deine Aussagen nicht. Dazu hast Du Dich in meinen Augen immer wieder zu sehr auf die Seite des Vermeinens hinausgelehnt und einer nüchternen Sachlichkeit den Abschied gegeben.

„Ein solcher Troubadour der starken Bilder und auch grossen, wenn auch simplifizierenden Narrative …“
5. Kommentar:
Ich frage mich, Michael, hast Du schon je einmal über Dein Vermeinen hinaus Dich einem anderen Menschen hörend anzunähern versucht? Bei einem derartigen Versuch kannst Du nämlich die Erfahrung machen, dass Dir buchstäblich jegliche Worte innerlich nur so weg bröseln, Du die Erfahrung der leeren Hand machst, und Du sprachlos wirst. Du betrittst das Land des bedingungslos offenen Herzens. … Und Troubadoure waren solche Menschen. Deshalb gab es auch nur so wenige von dieser Art … Meister des Oberton-Hörens. Sie verstanden es in einzigartiger Weise Lebenslinien singend aufzuzeigen, die ansonsten keiner in dieser Art vernahm. Deshalb wurden sie mitunter auch die tragischen Helden genannt, weil ihre Lieder gleicherweise jubelnd aufgenommen (wie nicht selten auch grimmig mit Hass belegt) wurden. Sie führten ein gefahrvolles Leben des Nicht-Verstanden-Werdens. Wie sehr, das führst Du eindrücklich unter anderem hier vor, wenn Du R.St. einen Meister „simplifizierender Narrative“ nennst. Abstrakt betrachtet kannst Du es nur so sehen, das will ich Dir zugute halten.

3. Absatz
„Es war das zentrale Versprechen … „Die Erkenntnis der in diesem Buche gemeinten Geisteswissenschaft kann jeder Mensch sich selbst erwerben.“ …“
6. Kommentar:
Wie hältst Du es mit der genauen Verarbeitung von Wortbedeutungen, bzw. präzisen Aussagen R. Steiners. Wenn Du zunächst von einem Versprechen Rudolf Steiners sprichst, um im nachfolgenden Satz dann ein wörtliches Zitat R. Steiners anzuführen, in dem dieser davon spricht, dass Geisteswissenschaft ein jeder Mensch selbst erwerben könne, wo ist durch diese Aussage bitte ein Versprechen ausgedrückt. Von selbständiger Arbeit ist die Rede und von nichts sonst.

„Und ist nicht die Konstruktion des Bildzusammenhangs „höherer Welten“ an sich schon der denkbar größte Dualismus, der die Hindernisse erst aufbaut, die er zu überwinden vorgibt?“
7. Kommentar:
Nun den Dualismus hat R. St. nicht erfunden, sondern die Schwierigkeiten, die diese Welt-Betrachtungsweise hervorruft vorgefunden,
Versuch es einmal so zu sehen: Rudolf Steiner hat nicht „gemunkelt“ wie Du sein Sagen anzuschauen geneigt bist, er hat auf alle nur mögliche Weisen geradezu den Grind von den Vorstellungen der Menschen zu lösen versucht, sich abgemüht sie für ein differenzierteres Anschauen geistiger Phänomene zu sensibilisieren. Wer >sein ureigenes  E r f a h r e n < nicht bis auf den Grund hin durchackern und beleuchten will, der kann nur weiter von einer geistigen Welt träumen, bzw. als Alt-Achtundsechziger darüber räsonieren was „in seinen Augen“ alles im Argen liegt.
Ich sagte es ja schon: Am erkenne Dich selbst kommt keiner vorbei. Da hindurch zu gehen liegt, wie ich für mich den Lebensgang Rudolf Steiners innerlich bearbeitet habe, ausserhalb jeder Verantwortung von Rudolf Steiner. Einmal muss der Lehrer seine Schüler ins  L e b e n  entlassen. Das Metanoia sich im Durchgang durch das eigene individuelle Jordan-Tauf-Erlebnis zu erringen kann niemandem abgenommen werden. Da Rudolf Steiner das nicht konnte, das ist auch der bis heute aus meiner Sicht nicht wirklich verstandene Grund dafür, dass ihm mit letzter Kraft schlussendlich nicht anderes mehr verblieb als sein Lehramt niederzulegen.
Natürlich kann ich Deinen Einwand verstehen, dass von „höheren Welten“ zu sprechen auch durchaus kritisch angeschaut werden kann und „von heute her“ betrachtet mit innerem Augenmass auch muss. Einhundert Jahre nach Rudolf Steiner ist die innere Willenslandschaft der Menschen eine andere als dazumal. Ich habe ja immer wieder einmal vorsichtig auf eine notwendige Willensdynamisierung hingewiesen, was mir nicht unbedingt mit Verständnis goutiert wurde. Sich auf die eigenen Füsse zu stellen ist keineswegs pietätlos gegenüber Rudolf Steiner, es ist schlichtweg nur unbequem.
Mal ehrlich, um im Bilde zu sprechen, sich in einen Windkanal hineingestellt zu erleben und darin gleichsam rudernd im weitesten Sinne die Herrschaft über die eigene Körperausrichtung zu erlangen, bzw. erlangen zu wollen ist ein sehr, sehr schwieriges Unterfangen. Und damit ziehe ich noch einen eher harmlosen Bildvergleich mit den tatsächlichen Turbulenzen heran, denen Du Dich bei einer echten, nach innen wie nach aussen gewendeten Dynamisierung Deines Willens erlebend ausgesetzt sehen kannst. Da lasiere ich doch lieber die Wände meines Schlafzimmers mit einem zarten Rosa und lasse es mir darin wohl sein. Oder etwa nicht?
Hier mehr Herzensverständnis für Deine Mitmenschen sich innerlich zu erlauben und nach aussen auch zu zeigen gehört mit zu einer praktischen Willensdynamisierung. Solange Dir das nicht einigermassen zureichend gelingt bist Du einfach Dir gegenüber nicht ehrlich. Punkt.

                                                                                                                                     Bernhard Albrecht