Mittwoch, 6. Dezember 2017

Dialogische Herausforderungen /1 - 2017

Eine Antwort auf Anonym 30.11.2017 um 12:45 MEZ
https://egoistenblog.blogspot.ch/2017/11/ralf-sonnenberg-vergangenheit-die-nicht.html?showComment=1512042321527#c5603489302077417728

Wenn Sie meinen dafür stehen zu können mit dem Habitus der Wissenschaftlichkeit die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners aus gegenwärtigen, gewiss nicht immer durchweg sachlichen geführten, aber nichts desto Trotz geführt in dem mutigen Ringen Klarheit für sich zu finden, was aus der Sicht von heute innerhalb zunehmender Verschleierungen und Verkleisterungen die Kernaussage und Kernaufgabe der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners sei, wenn Sie meinen sie aus diesen Auseinandersetzungen, diesem Ringen um Erkenntnis bis in die existentiell eigenen Willenstiefen hinein herausführen zu können, dann irren Sie sich. Was Sie herausführen ist ein toter Korpus, denn Sie trennen den Namen Rudolf Steiners von der Geisteswissenschaft. Ich bezeichne ein derartiges Unterfangen schlicht und einfach als einen Schachzug offener Rückführung in die kurialen Hallen einer fürsorglichen grauen Omnipotenz. Verbunden mit der indirekten Kernaussage: Wir vergeben das Imprimatur für das, was in Bezug auf die Geisteswissenschaft zukünftig als wissenschaftlich zu gelten hat.
Tiefer kann in meinen Augen Geisteswissenschaft im Sinne Rudolf Steiners nicht missverstanden, um nicht zu sagen verzerrt werden. Und das alles vollmundig in sonor einlullender Tonlage. Respekt, sehr gekonnt, aber dennoch durchschaubar.
Doch das eigentlich entlarvende Ihres Tuns zeigt sich daran, Sie tun was sie tun anonym, ohne den Mut im eigenen Namen zu sprechen, ohne die auch äusserlich sichtbare Anbindung an den eigenen tatsächlichen Namen, die eigene von daher individualisierte, von jeglicher Verschleierung freie Verantwortung. Grau, grau grau …
Rudolf Steiner hat ja nicht aus engen persönlichen Ambitionen heraus davon gesprochen die anthroposophische Geisteswissenschaft dürfe nicht von seinem Namen getrennt werden. Warum also dann? Er hat es getan, weil „seine Zeugenschaft für die reale Erfahrung der geistigen Welt“ nicht von dieser Wissenschaft getrennt werden dürfe. Darum ginge es ihm. Und Geisteswissenschaft in diesem Sinne wird sich nur weiter entwickeln, wenn sich Zeugen finden, die in diesem Sinne wissenschaftlich arbeiten, mit eigenem Namen ihre Zeugenschaft bezeugen.
Was Sie tun werter Anonym: Sie galvanisieren die Geisteswissenschaft in eine noch tiefere Schicht der Abstraktion hinein, als sie über das jahrzehntelange Exegetisieren von Steiner Aussagen bisher schon gelangt ist.

Bernhard Albrecht Hartmann

Die Antwort von Anonym
Donnerstag, 30. November 2017 um 19:04:00 MEZ


Vielen Dank für den Versuch einer Analyse meiner Standpunkte und Anthroposophie-Interpretation. Die schon mehrfach kritisierte Anonymität sehe ich als notwendiges Mittel, den in diesem blog bei Meinungsverschiedenheit leider üblichen und nicht selten weit unter die Gürtellinie gehenden persönlichen Angriffen etwas weniger Spielraum und Projektionsflächen zu gewähren, die in sachlichen Auseinandersetzungen ja auch keine Rolle spielen sollten.


Außerdem missverstehen Sie mich gründlich. Gerade ich habe immer wieder kundgetan, dass ich jede Anmaßung zu diktieren, was an der Geisteswissenschaft richtig oder unrichtig ist, zutiefst verabscheue. 

Warum behaupten Sie dann, ich würde so quasi das Imprimatur beanspruchen, ich würde für mich beanspruchen zu definieren "was in Bezug auf die Geisteswissenschaft zukünftig als wissenschaftlich zu gelten hat" ? Alles was sich als Wissenschaft bezeichnet, ist bis zu seiner Widerlegung als Wissenschaft anzusehen.


Sehen Sie es doch einmal so, ich trenne nicht die Anthroposophie von Steiners Namen, ich trenne sie sehr wohl aber von seiner Person.

Ich spreche mich gegen die Denigrierung der Person Steiner aus, was hier leider im Übermaß betrieben wird. Warum und aus welchen Motiven , hatte ich schon ausführlich begründet.


Heutige Anthroposophie kann nur dasjenige von Rudolf Steiner Mitgeteilte sein, das sich heute auch sinn- und gewinnbringend im geistigen Sinne einsetzen lässt. Wer also Steiner persönlich angreift, zum Beispiel als Antisemiten oder Rassisten, verfolgt damit das Ziel durch den damit suggerierten Zusammenhang seiner Person mit der Anthroposophie, gegen den ich mich vehement ausspreche, auch den Ruf und die Wirkungsmöglichkeiten der Anthroposphie selbst negativ zu beeinträchtigen.

Meine Erwiderung
Samstag 2.12.2017 um 13:56/13:57 MEZ

Werter Anonym, wenn sie meinen ich hätte ihre Aussagen einer Analyse unterworfen, so irren Sie sich gründlich. Was ich getan habe ist, ich habe in Ihr Sagen vertieft hinein gelauscht und aus den Klangräumen Ihrer Worte, den Ober- und Zwischentönen, die dabei an mein Ohr gelangt sind in meinen Worten einen Klangspiegel vor Ihren Augen aufgezogen, der ihnen die freie Möglichkeit vor Augen führt in diesen dynamisierten Klangräumen sich selber tiefer erkennend wahrnehmen zu können, wenn Sie das wollen. Doch wie es aussieht haben Sie auf Ihrem Lebensweg allem Anschein nach keine Vorsorge ausgelassen ein Verhältnis zur Anthroposophie aufzubauen, das sich auf nicht wenige aussen und innen Standpunkte stützt.
Nun haben es aber Standpunkte (das Stehen auf einem Punkt) so an sich, das Sie von dort her nur einen sehr begrenzte Sicht auf das hin erlangen können, was Sie in Ihre Betrachtung rücken, also in unserem Falle die Anthroposophie. Im Heilpädagogischen Kurs spricht Steiner von der Notwendigkeit ein Tänzer zu werden. Ich will hier dieses: „Werden Sie wie ein Tänzer“ einmal auf das Verstehen-Können von Anthroposophie beziehen und sagen, ohne eine hohe, eine sehr hohe innere Beweglichkeit im Denken „und“ Erleben zu entwickeln kann das Wesen Anthroposophie nicht erfasst werden.
Standpunkte sind zudem meist sehr tief beeinflusst von dem Selbstbild, das ein jeder Mensch durch sein Leben trägt, gewissermassen - um es bildhaft auszudrücken - als seinen Monteuranzug, auf dem alle Risse, Öl- und Schmierflecken usw. abgebildet sind, die er mit anderen Menschen schicksalhaft noch in der einen oder anderen Weise abzuklären hat. Wenn dann innerhalb seiner sozialen Begegnungen seine Schicksalsgenossen im Vorbeigehen aneinander von dem einen oder anderen Flecken wie getriggert darauf reagieren, dann hat das nicht unbedingt etwas mit negativer Projektion zu tun, sondern in erster Linie mit einem vielleicht sogar schmerzhaften Impuls dasjenige erinnernd (Geisterinnern!) innerlich heraufzuholen, was es noch zu bereinigen gilt. Hiergegen wehrt sich nun das eigene Selbstbild vehement, fühlt sich vielleicht so gar beschmutzt ohne zu bemerken, dass der Schmutz bereits tief in seine Bekleidung eingewoben vorhanden ist und es „nicht die Anderen sind,“ die dieses Kleid beschmutzen.
Damit habe ich „eine“ wesentliche Dynamik sozialer Interaktionen aus der seelischen Beobachtung heraus skizziert. Es gibt noch andere. Doch diese wesentliche Linie will zuerst bearbeitet sein, bevor aus meiner Sicht heraus ein fruchtbarer Umgang mit anderen Dynamiken möglich wird. Andernfalls kommt einem eine latente, vom Selbstbild gesteuerte Überheblichkeit allzu leicht in die Quere und treibt soziale Interaktionen an Abgründe heran und über diese hinweg. Die Geschichte der grossen und kleineren Konflikte innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft bietet hierfür mehr als ausreichendes Anschauungsmaterial.
Was Sie über die Angriffe auf Rudolf Steiner sagen, dazu will ich vorderhand nur dieses erwidern. Diese Angriffe auf Rudolf Steiner sind die Folge starker Defizite innerhalb der Anthroposophenschaft genau das untereinander zu bearbeiten, was ich Ihnen oben als Dynamik aus der seelischen Beobachtung heraus skizziert habe. Wäre dieses umfassender geschehen, so hätte sich damit auch gegenüber der Öffentlichkeit eine andere Sprache herausbilden können darauf einzutreten. So aber wird nicht wenig verdeckt ideologisch argumentiert, verharmlost, zugedeckt, gerechtfertigt und wer weiss was sonst noch. Die Probleme hier sind also in erster Linie hausgemacht und kommen nicht in dem Umfang von aussen wie es den Anschein hat. Wenn Sie tiefer hinschauen, können Sie auch von einer Sogwirkung im Hinblick auf gleichsam schwarze Löcher innerhalb der sozialen Abläufe in der Anthroposophenschaft sprechen. Kein inneres Tun oder nicht Tun bleibt ohne Aussenwirkung.
Abschliessend noch dieses: Ich habe nicht behauptet „Sie“ würden quasi das Imprimatur beanspruchen, „was in Bezug auf die Geisteswissenschaft zukünftig als wissenschaftlich zu gelten hat.“ Da Sie sich aber in Ihrem Sagen gerne nicht nur als Verteidiger Ihres Verständnisses von Anthroposophie darstellen, sondern auch auf eine unterschwellige Art gleichsam auch als Sprecher einer nicht näher umrissenen Gruppe anderer Menschen hat das Imprimatur oder besser gesagt  die „Haltung zu einem Imprimatur“ möglicherweise auch etwas mit Ihnen zu tun. Doch die möglichen tieferen Zusammenhänge mit Ihnen gesprächsweise zu bearbeiten, das ist nicht meine Aufgabe. Wenn Sie den oben skizzierten Weg gehen wollen, dann werden Sie es früher oder später schon selber herausfinden.

Bernhard Albrecht Hartmann