Dienstag, 22. Januar 2013

Über den Widersinn des Erlebens von Grenze

Über das Nichts zu reden scheint in gewissen Kreisen heute um sich zu greifen. Eine Grenze wird irgendwie erlebt, über die es einem hinaus drängt, die jedoch bei näherer Betrachtung möglicherweise nicht in der Art überschritten werden kann, wie es auf den ersten Blick hin als dunkle Möglichkeit mir vor Augen zu treten scheint. Was liegt da näher, als dieses numinosen Zustand, der gerne am ultimativen Ende einer Erkenntnis- und Selbsterkenntnis Auseinandersetzung gesehen wird, als Jenseits - Nichts oder auch Leere zu bezeichnen.
Nun, in den Grenzen des auf sich selbst bezogen Seins, in dem das Ego sich bewegt, scheint dieses Jenseits - Nichts das einzig mögliche Konstrukt extrapolierender Vorstellungsbildung innerhalb eines möglichen Erkenntnis Horizontes zu sein, welche mir eine bestimmte meditative Erfahrung plausibel machen kann. Wie weit dieses Nichts dann auch tatsächlich erlebt wird und was es mit dem möglicherweise blossen  Anschein eines derartigen Erlebens auf sich hat, das ist eine andere Frage. Eindeutig ist wohl die Tatsache eines Bedürfnisses diese Grenze zu überschreiten, die Fesseln des Ego zu sprengen, dessen Grenzinnenraum doch immer wieder gerne aufgesucht wird, um bei auftretenden Unsicherheiten oder auch gegenüber etwas, das als Gefährdung unterschwellig erlebt wird, Halt findend sich abzuschotten.

Grenze: Taste ich mich an dieses Wort heran, so kann mir eines klar werden: Ich kann nicht aus meiner existenziellen Haut heraus schlüpfen, auch nicht auf dem Weg über einen sogenannten leibfreien Zustand. Ich erfahre mich auch in dieser Formdynamik des Seins als existierend. Wenn ich den Wechsel meines Bewusstseins in diese Daseinsdynamik hinein als eine Grenzüberwindung bezeichnen möchte, dann ist es kein Wechsel in ein so genanntes Nichts hinein. Die Frage ist zudem, ob ich damit auch tatsächlich eine Grenze überwinde oder zum Inhalt meines Erlebens einfach eine anders  geartete  K r ä f t e d y n a m i k  wird.

Mein Ego versucht mich gerne auf alle nur erdenkliche Weise innerlich anzuzünden, meinen Erlebnisraum nach dieser übersinnlichen Seite hin zu erweitern, es lässt mich aber wohl weisslich im Unklaren darüber, welche Kräfte ich dazu brauche, mich in diesem Bereich dann auch sicher bewegen zu können.
Gewisse heute, auch öffentlich geübte meditative Praktiken führen, nachdem der „Affentanz“ bestürmender Gedanken beruhigt ist, dem Anschein nach in eine Art Erfahrung von Nichts oder Leere. Dem Anschein nach, denn sobald der innere Beobachter in der Meditation mitgeführt wird, ergibt sich da für den Beobachter diesbezüglicher Prozess -Szenarien nicht ein anderes Bild von dem, was da geschieht und erlebt wird?
Es ist erstaunlich wie wenig im Ausüben derartiger Meditationspraktiken das Ich in den Fokus der Betrachtung rückt. Mitunter wird in andeutenden Beschreibungen des Geschehens um derartige Meditationsweisen von der Überwindung des Ich gesprochen, ohne dass dieses selbst, wenn auch nur versuchsweise, einer näheren Betrachtung unterzogen wird.
Mit dem Ausräumen der inneren Stube von bestürmenden Gedankenwelten, im Einstieg in eine tiefere Meditationsebene, scheint unversehens auch das Ich mit ausgeräumt zu werden. Jedenfalls wird rückblickend  auf in diesem Zusammenhang gemachte  Meditationserlebnisse nicht mehr vom Ich gesprochen, sondern von Erlebnissen kosmischen erfüllt Seins mit Blick auf visionäre Willensperspektiven. Interessanterweise wird der Blick auch ausschliesslich auf die Zielrichtungen des Willens gerichtet und nicht auf ihn selbst.
Was es mit dem Willen auf sich hat wird nicht geklärt auch eine mögliche Verbindung von Ich und Wille scheint nicht am inneren Horizont des Fragens auf zu tauchen.

Eine anders geartete  K r ä f t e d y n a m i k ! Und - die Frage nach dem Willen rückt erneut vor das innere Auge.
Der Wille ist für mich, wie mir nach über viele Jahre hinweg anhaltendem Betrachten der Frage  vor Augen tritt, nicht in einem „über mich hinaus,“ sondern auf dem Weg mehr in mich hinein zu finden. Mehr in mich hinein, durch die Dunkelheit des Leiberlebens zu einer Zurückdrängung des Leibes vorzudringen, was nicht heisst den Leib abzustreifen. Der Leib ist nämlich der Schmiedemeister, der mir im Feuer der Begierden meine Sinne schärft.
Die Begierden nicht als lästige Fliegen zu betrachten, die auf dem Weg möglicher übersinnlicher Erfahrung zu überwinden sind, sondern sie als Lehrmeister für das Schärfen meiner Sinne anzuerkennen, das macht den Weg frei im Ergreifen und ichhaften Durchdringen dieser erweiterten Kräftedynamik nicht den Boden unter den Füssen zu verlieren.
An der Pforte zur Dunkelheit des Leiberlebens gilt es, wie mir scheint, eine grundlegende Erfahrung zu meistern, die durch immer wiederkehrende, hartnäckige Nebel der Müdigkeit, die über mich herfallen, sich anzeigt. Auch das immer wieder sich ereignende, meist schnelle Aufgeben oder nicht konsequent Fortfahren im Üben auf dem Weg zum geistigen Erfahren,  ist eine Wirkung solcher innerer Nebelbildungen. Und letztlich ist es das Ego, in dessen Armen ich immer wieder lande.
Mit den Nebelbildungen sind, bei näherem Hinsehen aber immer mehr oder weniger bewusste Begierden oder Ängste verbunden. Sie ruhig und wertfrei anzuschauen erfordert einigen Mut. Mit anderen Worten, sich anhaltend lächelnd über die eigene Schulter wie ein Fremder zu schauen ist hier angezeigt - immer wieder - bis sich derartige Gedanken- und Empfindungskomplexe still aufzulösen beginnen. Das Bedrängende geht, wenn Du es nicht mehr fürchtest, es mit allerlei selbst erzeugten Verschleierungen zudeckst und damit die Augen vor ihm verschliesst.
Zurückdrängung des Leibes! Auf den ersten Blick könnte der Eindruck entstehen, dass damit von einer Verdrängung des Leiblichen gesprochen wird, um an die eigentliche geistige Dimension herantreten zu können. Gemeint ist aber „durch den Leib hindurch“ und nicht am Leib vorbei zum Geiste vor zu dringen. Gemeint ist den eigenen Willen nach und nach so weit zu verdichten, ihn in innerer Präsenz, in seiner Prozessdynamik gegenwärtig zu halten, dass der Tanz der Begierden, wie er sich aus leiblichen Prozessen heraus im Seelenleben zum Ausdruck bringen kann, dass ich im Anschauen dieses Geschehens die Oberhand behalten kann. Darin liegt das eigentliche Thema von innerer Gelassenheit und Urteilsfreiheit.
Die Freiheit kann der Mensch sich nur selber nehmen, indem er sich durch Selbstverurteilungen in seinem Kräftewirken knebelt. Freiheit kann mir auch kein Mensch nehmen, ausser ich lasse es aus einer inneren Schwäche heraus zu. Insofern sind die Härten, die andere Menschen mit ihrem scheinbar unangemessenen Verhalten und ihren Übergriffen mir zumuten können meine Herausforderer im Ich zu erwachen.
Freiheit kann demgemäss auch nicht das Ziel einer fernen Zukunft sein. Sie ist und wird jetzt, in diesem Augenblick und das immer wieder neu und in einer sich vertiefenden Art und Weise, oder sie manifestiert sich nie. Von Freiheit zu träumen, sie in die Zukunft hinein zu verschieben ohne aktiv gestaltend etwas für sie zu tun ist in sich widersinnig. Freiheit ist die Aufgabe des Ich. Niemand wird sie mir geben , wenn ich sie mir nicht erwerbe, auf allen Ebenen des Seins.

Der Widersinn einer irgendwie gearteten Grenze fällt dort in sich zusammen, wo das Ich in seiner Unmittelbarkeit ins Leben eintritt, wo das Ego mit seinen selbstbezognen, Angst durchwirkten Seelenverstrebungen in dieser seiner Aktivität entlarvt wird. Und diese Aktivität kann unmerklich bis in ein Geistiges hinauf wirken.
Visionen kommen nicht wirklich aus dem Geistigen, sie sind Spiegelungen leiblicher Prozesse in einen scheinbar geistigen Raum hinein und werden demgemäss als Widerspiegelungen erfahren. Charakteristisch für sie ist, dass sie den Willen anzünden, ihn aber nicht freilassen.
Das Ego spiegelt tief unterbewusste eigene Wünsche und Sehnsüchte an die Wände seiner gleichsam „inneren Dunkelkammer,“ die in ihrer Schwärze als Nichts oder Leere erlebt wird und empfängt in einer Art Lichtreflex Visionen. Durch eine narzisstische Persönlichkeit übermittelt, können diese eine euphoriesierende Wirkung aussenden, die für den Moment begeistert, im Ansatz auch Transformation anstossen kann, aber letztendlich nicht nachhaltig wirkt, weil das Ich nicht angesprochen wird. Es werden latente Abhängigkeiten geschaffen und die Freiheit, die nur aus dem Ich heraus Leben gestaltende Wirklichkeit werden kann, bleibt aussen vor.
Die Unmittelbarkeit des Ich zu leben ist allerdings mehr als herausfordernd. Schon das  von Innen her sich Annähern an die Kräftewirkungen, die durch das Ich freigesetzt werden, erfordert Mut. Das ist kein schwereloser und auch kein abstrakter Zustand, wie mitunter angenommen, in dem der Erfahrende sich in Einheit mit einem Alleins erlebt. Es ist ein Zustand wachsender Kernung und zunehmend innerer Einsamkeit unter einem Gewicht von Verantwortung, die getragen sein will.
Die Wirklichkeit des Ich zieht die Erfahrung einer Form von Selbstkonfrontation nach sich, um die Du Dich nicht mehr herumschleichen kannst. Was es heisst sich „unbestechlich“ selber in die Augen zu schauen, das wird zum Erlebnis in den fortlaufend gegenwärtigen Möglichkeiten und tatsächlichen Ereignissen eines Absturzes, innerhalb permanenter Gleichgewichtsbemühungen im Gehen über steil abfallende Bergkämme. Und wenn ich dies sage, dann ist dies weit weniger ein Bildverweis, als wachsende unmittelbare Tatsächlichkeit im eigenen inneren seelischen Beobachten und Erleben.
Dabei geht es um das Wirksamwerden des Ich in meinem und Deinem Alltag und nicht um ein Verschieben an einen fernen sogenannten Entwicklungshorizont. Das Ich verbindet sich „jetzt“ oder nie mit Deiner Lebenswirklichkeit. Und hier gibt es nur eine scheinbare Grenze. Du vermeidest das tatsächlich tiefere Hineingehen in Deinen Willen und damit das Straffen Deiner Leiblichkeit. Der Weg, sich hier, nach Art des Mondlichtes gespiegelt, in ein Alleins hinein zu träumen scheint der leichtere Weg zu sein. Er suggeriert Dir das Erleben eines schnelleren Ankommen. Der Weg des Ich aber ist ein innerer Sonnenweg.

Bernhard Albrecht





Donnerstag, 10. Januar 2013

Nimm Deine Füsse mit

Wie gehst Du, wenn Du gehst? Hast Du mit Deinem inneren Blickorgan innerhalb Deines Gedanken-und Empfindungsnetzwerkes Kontakt zu Deinen Füssen, die Dich gerade da oder dorthin führen? Bist Du Lenker/in Deiner Schritte oder werden Deine Füsse von diesen oder jenen Gedanken (auch Idealen), Gefühlen oder Wunschvorstellungen einmal hierhin, dann wieder dorthin gezogen? Gehst Du Deine Wege mit einer klaren Intention oder trudelst Du mehr oder weniger im Schleudergang oder im innerlich abgeschotteten Gewohnheitstrott, gewürzt mit Sarkasmus durch Deinen Tag. Es ist nicht ganz einfach sich darüber einen nüchtern sachlichen und korrekten Aufschluss zu geben, ohne irgendwelche eingeflochtene Selbstbeschönigungen. Diesen blickst Du nämlich unmittelbar in die Augen, wenn Du einmal damit begonnen hast Dir gelegentlich selber über die Schulter zu schauen.
Das Ego ist ein Meister der Selbsttäuschung, wie du spätestens dann anfängst zu bemerken. Und wenn Du damit einmal angefangen hast, dann wird es Zug um Zug schwieriger derartige Manöver zur Selbstvertuschung einzufädeln.
Du hast mit der Übung Dir selber wie ein Fremder über die Schulter zu schauen einen Weg betreten, auf dem Du von einem gewissen Punkt an nicht mehr umkehren kannst. Es geht nicht mehr, ohne dass Dir leise, bzw. bis in der Art einer Sturzflut überdeutlich eine Schamröte ins Gesicht steigt. Nimm es als Fortschritt. Du kannst den erlebenden Teil Deiner Seele nicht mehr deckeln. Vom Leben berührt durchpulst Dich hinfort eine Bewegungskraft, mit der umzugehen Du nun lernen musst.
Im Bilde des Märchens gesprochen: Dem treuen Johannes springen seine drei Eisenringe auf, die er um die Brust getragen hat oder anders ausgedrückt, das Ego hat sein Werk getan und das Ich ist gefordert die Verantwortung für die weitere Entwicklung seines Königtums zu übernehmen.

Nimm Deine Füsse mit!
Deine Füsse haben etwas mit dem Willen zu tun, dem von Dir umgekehrten, dem Ego abgewandten Willen, dem Willen sich auf das Unterbewusste in Dir einzulassen, das Dir das Du in Teilen stets da und dort spiegelt.
Nur auf den ersten Blick scheint es so, als ob das Denken nichts mit den Füssen zu tun hätte. Es hat! Das Denken gründet nämlich auf einem Willensakt, was übersehen wird, solange es einfach im Alltagsgeschäft vor sich hin plätschert, ohne dass Du dabei wirklich bemerkst, was Du da eigentlich tust.
Mit den Füssen gehst Du in die Welt. Mit Deinem Denken, das für seinen Willensanteil in sich erwacht, gibst Du der Welt, den Menschen in Deinem Schicksalsumkreis durch Dein Vorbild die Gelegenheit ihrerseits einen Metanoia-Prozess zu initiieren. Indem Du an Deinem Gegenüber, dem Du anderer Menschen für  Dein Unterbewusstes erwachst, das Dir von dort her gespiegelt wird, indem Du nicht nur heftige, sondern auch leise Regungen, die sich in solchen Begegnungen in Dir auftun, nicht mehr sogleich zurück weist, sondern Dich darauf einlässt, beginnst Du für das, was Dein Ich in seinem Kern ist, aufzuwachen.
Deine Füsse tragen Dich also in die Welt, Deine Füsse führen Dich letztlich immer wieder zu Dir selbst.
Versuch es einmal, in einer Fussgängerzone oder auch auf einer Parkbank sitzend die Vorbeigehenden still zu beobachten - ohne dies oder jenes, was Du siehst zu bewerten. Du wirst sehen, dass dies gar nicht so einfach ist, dass Dir das Urteil schneller über die Schippe springt, als Du es zurückhalten kannst. Damit bist Du aber wieder bei Dir angekommen. Mit Deinem Willen Dich nicht in der blossen Anschauung der Geschehnisse zurückhalten zu können, gibst Du Dir  U n b e k a n n t e n  die Gelegenheit Dir so manche Kleingeistigkeit Deiner Unterwelt wider zu spiegeln.

Lass Dich darauf ein. Du kannst nur gewinnen, indem Du Dir in dieser Art zu begegnen bereit bist. 

Du resignierst nach wenigen Übungseinheiten, weil Du keine oder in Deinen Augen nur eine zu geringe Veränderung zum Besseren an Dir feststellen kannst? Dein Ego hat Dir ein Bein gestellt, denn Du hast das Lächeln über Dich selber vergessen!
Mit dem Lächeln weitet sich Dein Herz, Gelassenheit kehrt ein. Du betrachtest Situationen, andere Menschen weniger unter Deinen, in der Regel kaum mit reflektierten, eng auf Deine Art der Weltbetrachtung bezogenen Gesichtspunkten. Du gibst innerlich Raum dafür andere Weggebärden wahrzunehmen und  w ü r d i g e n  zu können. Du brichst Deine Ordnungsmuster auf und beginnst nach und nach Dich auf ein  E r l e b e n  einlassen zu können, das andere Erfahrungs- und Entwicklungswege zulassen kann. Du fängst, vielleicht zunächst zögernd zu erfahren an, wie es ist tatsächlich den ein oder anderen Schritt „in den Schuhen eines anderen Menschen“ zu gehen.
Das Abrücken von Deinen (eingeengten) Gesichtspunkten schafft Dir inneren Raum zuerst leise, dann immer deutlicher zu erspüren, was es bedeutet ein Ich zu  s e i n  . Seltsam, nicht wahr, im Abrücken von Dir selbst, Deiner Art der Weltbetrachtung, findest Du Dich selbst, lernst du dich in Deinem Ich zu ergreifen und ... aus dem Ich zu leben.
Für Deine Wahrheit zu kämpfen und damit verdeckt die Möglichkeiten anderer Entwicklungswege zu bekämpfen, „leise“ gewalttätig zu verdrängen oder auch in Achtsamkeit verpackt sie letztlich nur scheinheilig zu tolerieren, weil Du nicht für Dich einstehen kannst, ist eines. Da wären wir erneut an der Klippe zwischen Ego und Ich, zwischen Angst und dem möglichen Sprung über einen, Deinen Abgrund.
Ein anderes ist es innerlich im Begegnen mit dem Du soweit loszulassen, dass alles, was Du bis an hin gewöhnlich so sagen konntest, wie vor Deinen Augen verbrennt, in einem Sturm Dir entrissen wird und Du in eine Erfahrungszone eintrittst, die Sokrates so beschrieben hat: „Ich weiss, dass ich nichts weiss.“ Eine sehr luftige Nullpunkt Erfahrung, wenn Du Dich im Durchgang durch die Unterwelt, im Annehmen der unterbewussten Seiten aus den Spiegelungen, wie Du sie durch die Du Begegnungen Deines Lebensumkreises erfahren kannst, innerlich in Deinem Willen mehr und mehr aufrichten konntest.

Nimm Deine Füsse mit!
Die Kunstgeschichte hat in ihren Archiven nicht wenige Bilder von Michael im Kampf mit dem Drachen. Lassen wir uns auf das eine oder andere Bild tiefer ein, so können wir eine unerwartete innere Erfahrung machen. Im Zentrum des Kampfgeschehens, dort wo der Speer den Drachen zu treffen scheint, kann sich ein Raum unerwarteter Stille auftun. Michael tötet den Drachen nicht, er schafft einen inneren Abstand, in dem er die Kräfte des Drachens sich zur Anschauung bringen kann. Und damit sind die Bilder Michaels mit dem Drachen Urbilder des Erwachens zum Ich.
Noch tiefer betrachtet sind es Bilder tiefster Demut, denn sie sprechen von der Integration der Schattenwelt und nicht von deren Bekämpfung und Verdrängung. Auch eine bestimmte Art postmoderner Abstraktion kann einen verborgenen Verdrängungsfilter leise beinhalten, kann!
Wie will das Ich je, in Quadranten verschoben, zu einer real erfahrbaren innerer Grösse heranwachsen können. In Abstraktionen sich scheinbar zu verständigen, visionär Absichtserklärungen zu pushen, erweckt das Ichkraft über einen kleinen Augenblick hinaus? Jemand tritt Dir damit auf die Zehen, mobilisiert zum wievielten Male Sisyphos Kräfte in Dir und der Stein entgleitet wieder und wieder im Anschieben auf ein Gipfel Erreichnis Deinen Händen. Willst Du im Ich wirklich erwachen, dann wirst Du nicht umhinkommen diese Schicht der Abstraktion mit Deinem Willen, die Drachenhaut in Dir belebend, zu durchdringen.
Und das bedeutet dem Du  o h n e  die Panzerungen Deiner Abstraktionen  e r l e b e n d  zu begegnen, die letzte Himalaya Hochburg aus freien Stücken zu verlassen und ins Tal, in das Tal Deiner Unterwelt hinab zu steigen. Dem Leben begegnest du dort in der Tiefe. Die Tiefe wird Dich von der hartnäckigsten Illusion befreien, Du könntest über die Abstraktion zu einem nachhaltigen Erwachen gelangen. Den in der Abstraktion verborgene Sternen Kranz, kannst Du ihn opfern?

Bernhard Albrecht

    

Dienstag, 1. Januar 2013

Ziehe Deine Schuhe aus ...

Und immer wieder die Frage nach dem Willen!
Ein ganz wesentliches Hindernis den eigenen Willen in den Blick zu bekommen scheint mir in den Bildern zu liegen die „ein jeder“ meist sehr, sehr unterschwellig von sich selber hat und mit sich herumträgt, in sein Denken und Sagen unversehens mit hinein flicht. Kommt es dann zu einer Antwort eines Du auf mein Sagen, so ist sogleich das Bild von mir, das eng verbunden ist mit dem, was ich sagend auszudrücken versucht habe, damit angesprochen - fühlt sich mehr oder weniger deutlich gedrängt sich zu verteidigen. Ich springe innerlich gleichsam der Antwort auf den Rücken, dresche ihr eins über, - das kann durchaus auch vornehmer sein - und übersehe, ja ich berühre in einer derartig reaktiven Haltung nicht annähernd die Sachebene des Gesagten.
In diesem ersten Augenblick des Hinschauens auf eine Antwort entscheidet sich, ob damit ein Erwachen am Anderen mit initiiert wird oder nicht.
Viele, viele Missverständnisse können so, ohne einen gewissen Abstand, indem ich gleichsam wie ein von meiner Seite aus unbeteiligter Fremder auf eine Antwort an mich hinblicke, unter Menschen entstehen, ziehen unscheinbare Gräben, richten Mauern auf und die eine oder andere Seite miteinander Reden Wollender überhört so die Oberton-Fanfaren, die durch das Du zu neuen Ufern durch innere Wandlung riefen.                            
Nicht selten schleppen sich derartige Brüche über Jahre hinweg durch eine Biographie als prägende Eindrücke weiter, können sich zu wahren inneren Komplexen erweitern und verseuchen als zunehmend giftiger werdender Bodensatz neue Begegnungen, blockieren oder behindern, allen Anstrengungen zum Trotz die weitere Entwicklung.  
Es ist also das Bild von mir, das ich unterschwellig zunächst in alles mit hinein trage, was ich kommuniziere, das mich daran hindert an den Ursprungsquell meines Willens innerlich herantreten zu können, solange ich aktiv von meiner Seite aus das Erwachen nicht mit initiiere. Solange ich also auf ein Antworten mich innerlich nicht abfragen kann, was hat diese Regung, dieser Drang in mir dies und das vermeintlich darauf erwidern, richtig stellen oder behauptend dem Anderen glauben gar unterstellen zu können, was hat das mit mir zu tun.
Oder auch: was hat dieses gegenüber dem Du, nicht selten gut kaschierte, zurück gehaltene innere Grollen und Giften, das sich zur Gänze innerlich auf dieses hin projizierend richtet, ohne die tief in mir verdeckt gehaltene Quelle eines derartigen Prozesses ins Auge zu nehmen; welche innerliche Unausgeglichenheit oder Unsachlichkeit in weiter zurückliegenden Geschehnissen, möglicherweise auf ganz anderen Geschehnis Feldern, drängen hier wieder an die Oberfläche und verleiten mich sie erneut zu verdrängen und auf das Du hin zu übertragen? Wenn derartige Regungen angesichts der Worte des anderen Menschen in mir mehr oder weniger hoch kochen, ohne dass ich sie auf seinen Bezug zu mir hin abfrage, bleibt mir die Tür über die seelische Beobachtung im Denken sehend werden zu können verschlossen.
Mein Selbstbild ist die Tür - und Interesse, ein Interesse ohne jeden Vorbehalt auf den anderen Menschen und sein Sagen hin kann diese Türe öffnen. Erwachen am Anderen ist meine Aufgabe. Den Anderen widerlegen und korrigieren zu wollen, in diesem oder jenem innerhalb seines Sagen, das ist nicht mein Ding, das kann er nur selber. Kein noch so gutes Argument kann, genau besehen, innerhalb von Entwicklungsprozessen da irgendetwas ausrichten.
Mein Erwachen am anderen, mein fortlaufendes Bemühen darum, das allein kann lebendige Kräfte freisetzen, die hilfreich sein können für den anderen Menschen seinerseits zu erwachen, mehr aber auch nicht. Durch seine Prozesse hindurch gehen, die Not wendenden Schritte dazu nach und nach ins Auge zu nehmen, das kann allein er selbst. 

Und immer wieder die Frage nach dem Willen!
Mit dem vorausgehend Gesagten ist immer wieder, wenn auch mehr indirekt, aber dennoch sehr präzise auf den Willen verwiesen, ohne ihn selber näher zu beschreiben. Beschreiben lässt sich der Wille nämlich nicht, denn non duale Vorgänge lassen sich nicht von Du zu Du adäquat beschreiben, sie lassen sich nur auf dem jeweils eigenen Geschehnis Untergrund selber beobachten und das erst dann, wenn du aufhörst das Du als Deine Projektionsfläche zu missbrauchen, wenn Du die Verschleierungen Deines Ich durch dein Ego bezogenes Selbstbild bereit bist erwachend zu durchdringen.
Das Feld auf dem das Ich, erwachend für sich selbst tätig werden kann, ist die Unmittelbarkeit. Die Unmittelbarkeit wiederum ist eng an den Zeiten-Raum der Stille geknüpft. In der Stille, dem Quellpunkt des Ich, wiederum ist der unbewegt bewegte Wille, der gleichsam jungfräuliche, noch nicht durch das Ego korrumpierte Wille beheimatet.
Es gehört ein sehr fein gestimmtes waches inneres Gleichgewichtsempfinden dazu, sich dieser Sphäre der Erfahrung, dem unbewegt bewegten Willen, dem Willen als schöpferische Potenz des Ich, innerlich auch nur annähern zu können. Hier gilt nämlich das Wort, das sich dem inneren Erfahren des Moses in einem  Moment des Erwachens einstmals offenbarte: „Ziehe Deine Schuhe aus, denn der Grund, den Du betrittst ist heiliger Boden.“

Bernhard Albrecht