Samstag, 26. Dezember 2015

Ein Spaziergang mit dem Ego, Ich und Du im Denken

Für N., welche die Fragen zum Thema dieser Ausführungen gestellt hat und alle die auf dem Weg sind, sich mit mir aus gewissen lieb gewordenen und daher mitunter zu wenig hinterfragten Vorstellungen zu befreien.
Den eventuell philosophisch vor gebildeten Lesern will ich an dieser Stelle sagen: Wenn ihr diese Zeilen mit euren verrasterten Denkstrukturen verstehen wollt, dann schaltet diesen Monitor besser gleich ab und genehmigt euch ein Bier aus dem Kühlschrank oder sonst etwas, wonach es euch gerade gelüstet.
Hier geht es um die Bereitschaft zur inneren Beobachtung von Prozessen und das wird eine Berg- und Talfahrt mit dem „Mountainbike“ werden. Wer also Angst davor hat zu stürzen und mit dem Kopf aufschlagend die innere Orientierung momenthaft zu verlieren, der schalte seinen Computer spätestens hier ab.
Leitplanken verwöhnte Zeitgenossen, die dennoch zu neugierig sind, um hier aufzuhören mit zu lesen, ziehen sich besser warm an. Das Reich des „Nichtwissens,“ das ein jeder hier auf seine ureigene Art zu betreten wird den Mut entwickeln müssen, ist zunächst eine nicht unbedingt angenehme Erfahrung. Genauso wie es unangenehm ist, wenn sich einem innerlich der Boden urplötzlich entzieht. Und das wird geschehen.

Beobachten ohne zu Mogeln, das heisst ohne die Beobachtung zur Scheinbeobachtung zu degradieren, indem ihr sie durch die Hintertür unmerklich wieder mit Vorstellungen auffüllt, ist ein Feuerprozess. Und in diesem Feuerprozess werdet ihr, so ihr durch eure eigenen Bewusstseinstiefen diesen Weg gehen wollt, zunächst in die innere Dunkelheit, das auch bedrängende Nichtwissen abstürzen.
Diese Erfahrung kann sich mehr oder weniger stark so ausdrücken, dass ihr immer wieder alle nur denkbaren Abwehrmechanismen aufrufen werdet, um zwischen eure vertrauten Vorstellungsleitplanken zurückkehren zu können. Auch für scharfe Beobachter nach aussen hin wird die Erfahrung nicht zu umgehen sein, dass die Muskeln für das innere Beobachten zunächst schlaff durchhängen, also sich erst langsam entwickeln müssen, bevor sie tauglich werden innere Beobachtungen überhaupt machen zu können, bzw. sie auf die Reihe zu bekommen in einem Schrittweisen Verstehen und Überschauen von durch eigene Aktivität sich bildenden Beobachtungszusammenhängen im Denken.
Und damit ein grundsätzliches Missverständnis sich nicht von Anfang an einschleicht, mache ich sogleich auf diese Möglichkeit aufmerksam. Ihr folgt auf diesem Spaziergang nicht meinen Gedanken und versteht oder schüttelt verständnislos den Kopf an diesem oder jenem inneren Haltepunkt über meine Art zu denken, ihr folgt im  S p i e g e l  meines Denkens eurem eigenen Denken, das es gilt für euch aufzurufen. Und die erste und sehr schmerzliche Erfahrung, die sich über eine gewisse Zeit immer wieder einmal wiederholen wird, wird vielleicht für diesen oder jenen „Schein-Denkenden“ sein, dass er bisher zwar viele Gedanken gewälzt hat, aber dabei nicht wirklich dem eigenen Denken (und ich spreche von einem eigenen Denken erst dann, wenn ich die dem Denken zugrunde liegenden Denkbewegungen  wenigstens anfänglich innerlich beobachtend in den Blick genommen werden können) begegnet ist.
Wenn euch also diese oder jene Kritik auf dem weiteren Weg aufstossen mag, dann … kritisiert ihr eigentlich eure Unschärfe im eigenen Beobachten. Diese Sicht ist ungewöhnlich, in diesem Zusammenhang aber einzunehmen, denn sonst wird sich keine Klarheit über das Denken heraus kristallisieren können.
Gedanken haben und Denken sind zweierlei Prozesse! Gedanken entlang einer Perlenschnur zu >zählen< ist das eine, Denken ist etwas gänzlich anderes! Die Gedanken, die ich aus meinem Denken heraus hier offen lege, sind lediglich T o r e, Wegweiser, hinein in das Reich eures Denkens. An euch ist es dem eigenen Denken an Hand einer zu entwickelnden inneren Prozess-Fokussierung, eines Beobachten nach innen, auf die Spur zu kommen.

Ich denke, hm! Ist das so?
Na klar, seit Descartes „cogito ergo sum“ kann das wohl niemand mehr so einfach bezweifeln, denn, wenn ich sagte, ich denke nicht, so würde das von Descartes her betrachtet heissen, dass ich nicht bin. „Ich“ denke nicht! Also bin „ich“ auch nicht!
Aber halten wir diesen Gedanken, selbst wenn er in den Augen so Mancher aufs Erste hin abwegig erscheinen mag, für einige weitere Betrachtungen einmal fest. Ich denke nicht, also bin ich nicht.
Wer aber denkt dann, wenn ich es nicht tue?
Ich denke doch, wenn ich diesen Gedanken hier lesend folge, oder? Nein, tue ich nicht, es sei denn, ich kann mich innerlich ganz in die Leere stellen und die Abfolge dieser Gedanken wie einen Strom in mir erlebend mir vergegenwärtigen. Mich als Teilhaber und bewegenden Hervorbringer dieser Gedanken begreifen. Und selbst dann, wenn dieses gelingen sollte, dann kann es im Anfang eines dahingehenden Vermögens geschehen, dass ich von diesem Gedankenstrom wie hinunter gezogen werde und nichts, aber auch gar nichts mehr verstehe - vorübergehend oder eine längere Zeit in nachfolgender innerer Betrachtung - was da vor meinem inneren Auge abgelaufen ist. Ich erblinde buchstäblich in meinem inneren Erleben in dem, was ich für mein Denken hielt. Und weil das zunächst kaum auszuhalten ist, mich dieser Tatsache innerlich zu stellen, treten schneller als mir das bewusst wird, Abwehrmechanismen auf den Plan, die mich >scheinbar< aus der Misere ziehen, mich von dem innerlich momenthaft erlebten Druck befreien, dass es eine Tatsache sein könnte, dass ich nicht denke, wenn ich vermeine zu denken.
Wer aber denkt dann, wenn ich es nicht tue?
Gedanken können sich wie Kraken verhalten. Sie umschlingen mich mit der ihnen eigenen Kraft und saugen sich unmerklich fest, haften sich gleichsam an meine Fersen, als ob es nichts anderes gäbe, als nur die eine Sichtweise auf die Welt und den Menschen, der gerade vor mir steht, nur diese Sichtweise und keine andere. Kennen wir das nicht alle?Und doch, wie oft geht ihr hier auch nur einen kleinen Schritt weiter und lasst am ferneren Horizont eures Bewusstseins die leise Frage zu, könnte es nicht auch ganz anders sein, als es mir gegenwärtig erscheint?
Und genau dies ist  d e r  Moment. Hier entscheiden wir, ob wir eigenständig denken oder es eben nicht tun, indem wir lediglich Gedanken aneinander reihen und sie je nach Bedarf mit diesem oder jenem Schleier einer uns gerade genehmen Umdeutung versehen, damit die Wirklichkeit wieder in unserem Sinne  s t a b i l  sich weiter vor unseren Augen so darbietet, wie wir geneigt sind sie als solche anzunehmen. Vorstellungen können wahre Aktionskünstler  -  Komödianten, Dramatiker und Kabarettisten in einem sein,  -  so willfährig betreten sie immer dann die Bühne unseres Bewusstseins, wenn es um die Sicherung ihres Überlebens geht. Kein Kotau ist ihnen zu viel, nur um uns zu gefallen. Kein Verzauberungstrank bleibt ungenutzt, der in ihrem Bemühen sich nicht als geeignet erweist das einmal mit ihnen manifest gewordene  W i r k l i c h k e i t s b i l d  bestätigen zu können.
Vorstellungen setzen auf unsere Trägheit uns fortwährend verändern, uns beständig neu erfinden zu wollen. Sie bauen auf unser Beharren im Ego - Bewusstsein. Und dieses Bewusstsein begleitet uns bis an die Grenzen der ego-zentrierten Dualität, bis an den Tag, an dem wir gelernt haben uns furchtlos im Spiegel unseres Selbst anzuschauen. Bis zu jenem Tag, an dem wir bereit sind unsere selbstschöpferische Verantwortung anzunehmen, wir durch das  T o r  hindurch treten als selbsttätige Ich Wesen, die angstfrei alle Ego-Anhaftungen hinter sich lassen können.
Dies ist der Tag, an dem das Du zurücktreten kann, weil wir es, ein jeder auf seine Weise nicht mehr bekämpfen müssen, um uns in unseren Wirklichkeitsüberzeugungen zu behaupten. Uns selbst erkennend darf das Du, wie wir es selbst sein. Wir entlassen es aus dem Dienst als Sparring-Partner. Der treue Johannes in Gestalt des Du hat seine Mission erfüllt und darf sich freuen, dass der Prinz sein Gefährt hinfort selbsttätig führen kann. Dies ist auch der Tag, von dem an das Nichts keine Gewalt mehr über uns hat, denn wir sind im Jetzt angekommen, im Jetzt unserer Ich-Potentialität. 

© Bernhard Albrecht Hartmann

Samstag, 5. Dezember 2015

Fragment

IS … Angst und Schrecken verbreiten diese Heckenschützen des Todes um sich und sind doch Getriebene ihrer selbst. Einem abstrakten, aller Menschlichkeit entleerten Religionsverständnis fanatisch unterworfen, suchen sie, sich selber entfremdet, mit vervielfältigter Hebelwirkung sich ins Paradies zu bomben, feiern, welch ein Widersinn, unter Drogen im Rausch des Anti - Mutes vermeintliche Siege. Und indem sie in ihrem Fanatismus die Ignoranz, die Verderbtheit und Ungläubigkeit der Mitteleuropäer im Namen Allahs glauben strafen zu dürfen begegnen sie nur ihrer eigenen dekadent, abstrakten Schattenwelt.
Doch die Brandfackel, die der IS glaubt nach Europa hereintragen zu müssen, damit alles im Sinne Allahs neu werden könne, sie bezeichnet auch die Unfähigkeit weiter Menschenkreise in Mitteleuropa sich auf die wesentliche Essenz ihrer eigenen Kulturentwicklung zurück besinnen zu können. Der zum selbst sich fort und fort entzündenden Handlungswahn mutierende Sicherheitsungeist, der niemals alle Lücken gegen diese Brandfanatiker wird schliessen können, er verschleiert nur das, um was es eigentlich geht - eine innere Umkehr aus der Kraft des Ich.

© Bernhard Albrecht Hartmann

Montag, 30. November 2015

Wenn das so einfach wäre ...

Eine nachträglich eingefügte Vorbemerkung.
Mitten im Schreiben an den nachfolgenden Ausführungen trat eine junge Frau an mich heran, die in einem inter-kulturellen geistigen Entwicklungs-Konflikt in hoch sich aufbäumende Wellen übereinander her stürzender gegensätzlicher Vorstellungswelten geraten war, die ihre physische Integrität bedrohten und noch bedrohen, wie ihre innere Welt in Katerakt Stürzen durch und durch wirbelte. Eine derartig kritische Schicksalssituation ist nicht mehr „aus überlieferten Vorstellungen“ heraus zu steuern und zu begleiten (siehe vergleichend dazu eine sinngemässe Bemerkung von Justus Wittich auf der erweiterten Klausur von Funktionären der AAG und der FHfG für eine geplante Michael - Konferenz 2016)   
(Abschnitt: Geplante Michael-Konferenz 2016) Hier geht es um den Mut sich eigenen Scham-Welten stellen zu können und aus der Erfahrung daraus mit einem solchen Menschen zu sprechen, um ihn hilfreich erreichen zu können. Kurz und bündig gesagt, erübrigt sich damit die Frage: „Wie kann das weltverbundene Ich als geistige Tätigkeit in der eigenen Seele entdeckt werden?“  
Denn die Erfahrung eigener Scham wird mir Quellpunkt jene Worte zu finden, aus denen heraus ein solcher Mensch in seine Ich-Aufrichte finden kann. Von daher sind die nachfolgenden Ausführungen aktueller und brisanter zu nehmen, als sie an der Oberfläche betrachtet zunächst erscheinen mögen. Dass ich, indem ich so denke mich um 180° gekehrt gegen die Auffassung von Bodo von Plato denkend bewege 
(Abschnitt: Keine geführte Gruppenmeditation) ist mir klar. Mit einer Selbst- oder Fremd-Deckelung eigener Schamwelten im Hintergrund kann ich in Konfliktlagen wie der hier angesprochenen nicht aktiv tätig werden. Aus meiner Sicht ist es daher aller höchste Zeit die Mumifizierung der überlieferten einschneidenden Erfahrung Rudolf Steiners von seinem „Gestanden Haben vor dem Mysterium von Golgatha als Sondererleben durch seine Nachwelt auf ihn allein bezogen herunter zu kommen. Denn, gehe ich hier nur von meinem Erfahren aus, so zeigt sich mir nämlich, dass solche Erlebnisse mittleren bis sehr tief reichenden Grades unter jungen Menschen immer mehr Verbreitung finden. .......
                           
Ohne die Gedankengänge von Burkhard Schildt 
in Frage zu stellen, will ich im Folgenden diesen einige weitere Gedankengänge zur inneren forschenden Betrachtung im seelischen Beobachten an die Seite stellen. „Ein Bild“ … „ist jede Welt.“ Ob „des Ich,“ das will aus meiner Sicht genauer unter die Lupe genommen werden.
Versuchsweise Schritt 1: Ein Archiv-Bild, ein Archiv-Bild meiner inneren Welt ist jede Welt, die vermeintlich mir von aussen entgegen tritt, eine Ablagerung aus Seelentiefen mithin oder schlicht, meine Vorstellung, mein zurecht gezimmertes Bild von Welt.
Will ich mich versuchsweise auf diese Sicht einlassen, so bekomme ich es von allem Anfang an hier mit einem meist blitzschnell zur Seite geschobenen Widerwillen zu tun. Ist doch die Auffassung in mir von Grund auf verankert, ich hätte es mit dem Denken des Anderen zu tun, dem ich gerade zugewandt bin. Und jetzt das, ein Archiv-Bild (oder doch in weiten Teilen ein aus meinen inneren Archiven geschöpftes Bild) meiner inneren Welt ist das, was ich aus einer Äusserung des anderen Menschen „zunächst“ ablese, wenn ich denkend etwas über das Denken eines anderen Menschen zum Ausdruck bringe.
Versuchsweise Schritt 2: Bin ich bereit mich innerlich der Bestürzung, dem Wanken meines fest in mir verankerten Bildes vom Denken zu stellen, was kann sich daraus des Weiteren ergeben? Ich will hier nicht die gesamte Vielfalt aller Aspekte, die sich für eine ausforschende Untersuchung auf dem Felde des seelischen Beobachten hier anbieten können, gewissermassen nacheinander ins Auge fassen. Das zu tun wäre die Aufgabe langwieriger innerer Laborversuche, die ein jeder, dem es ein tieferes Anliegen wird, nur sukzessive an Hand der immer wiederkehrenden Herausforderungen in der Auseinandersetzung mit den Denkweisen anderer Menschen wird vollziehen können. Insofern ist jeder andere Mensch eine sich anbietende neue Möglichkeit  der Wirklichkeit des Denken jenseits der Verfremdungen, die es durch meine Archiv-Bild Überlagerungen beständig erfährt, näher zu treten.
Was ergibt sich also jenseits der Bestürzung, so ich durch sie mich nicht aus dem Tritt habe werfen lassen? Ich befinde mich in der Situation den Boden unter meinen Füssen zu verlieren und wehre mich dagegen … durch Beharren auf meinen Vorstellungen gegenüber anderen Menschen oder konkreter, indem ich dem Hinterfragen meines Verhältnisses zur Anthroposophie auf mehr individualisierte Tiefe hin weiter ausweiche.
Selbstkritisches Hinterfragen ist ein schmerzlicher Prozess und Menschen, die direkt oder indirekt einen derartigen Prozess anstossen, werden allzu schnell zu Gegnern in einem bestimmten Sachzusammenhang hoch stilisiert, wenn eigene gewohnte Denkweisen eruptiv erschüttert werden. Ob laut argumentierend in eine Auseinandersetzung eingreifend oder still den Kopf schüttelnd über dies oder das Gesagte. Der Boden, den ich unter meinen Füssen zu haben vermeine, er umschlingt mich, mehr als mir dies zunächst bewusst wird mit einer Vielfalt gleichsam klebriger Fangarme. Meine Vorstellungen von der Welt entfalten nämlich eine höchst differenzierte Eigendynamik. Warum? Um nicht als Illusionen von mir in Bezug auf die Welt entlarvt werden zu können.
Denn: Die Illusion als Mutter der Sicherheit stellt sich mir verschleiert immer dann in den Weg, wenn ich mich mit dem Denken eines anderen Menschen auseinander zu setzen beginne. Solange ich nämlich nicht eine besondere Achtsamkeit darauf verlege, nehme ich meist deutlich mehr  Mass an meinen Vorstellungen, die ich mir (in der Vergangenheit) gebildet habe, als es mir im Augenblick des Geschehens zunächst bewusst wird. Kurz, ich setze sie in meinen Bemühungen mir das Denken eines anderen Menschen zu vergegenwärtigen, unmerklich als Marker, wenn nicht gar als fest einbetonierte Pylone in Szene.
Das Denken eines anderen Menschen unwidersprochen zunächst einmal gelten zu lassen und sich Zeit zu geben es je nach Sachlage auch über längere Zeit hinweg immer wieder unter neu eingenommenen Gesichtspunkten zu untersuchen - mit jeweils offenem Ende - diese Kunstfertigkeit, bildet sich aus meiner Erfahrung heraus sukzessive nur, wenn ich vor jedem Urteil über einen anderen Menschen zuerst einmal nachhaltig meine eigenen Vorstellungen, Vermutungen und Ängste, die im Zuge gewisser Gedankengänge von Seiten dieses anderen Menschen in mir in Erscheinung treten mögen, auf den Prüfstand stelle.
Lebendiges oder reines Denken bis in den Alltag hinein, entwickelt sich aus der Art und Weise ob und wie weit ich es gleichsam immer wieder schaffe verflüssigend auf eigene zu Tage tretende Vorstellungskomplexe Einfluss zu nehmen.
Die Märchengestalt des treuen Heinrich in dem Märchen der Gebrüder Grimm: „Der Froschkönig,“ kann sich in einer meditativen Betrachtung hier in der Weise tiefer erschliessen, dass mir klar wird, die eisernen Ringe fallen dem treuen Heinrich dann als Last ab, wenn es gelingt Vorstellungskomplexe in sozialen Interaktionen vom Herzen her aufzulösen. Gelingt das, indem ich Verantwortung ausschliesslich für mich übernehme und vorschnellen Widerspruch bändige, dann kann der „Prinz“(das Ich) in seiner Kutsche Fahrt aufnehmen, weil er die Kraft der Bewegung im eigenen Denken mehr und mehr erfährt, die ihn vorwärts trägt.

Mit dem Denken ist das also so eine Sache. Der Schein trügt. Das Erleben beständig innerlich mehr oder weniger von Gedanken umgeben zu sein gibt in meinen Augen noch keinen Aufschluss darüber zu wissen was Denken sei, geschweige denn so denken zu können, dass ich in meinen dahin gehenden Bemühungen nicht immer wieder in Illusionen hineinlaufe.
Doch wie kann ich dieser Gefahr begegnen? Vorstellungen haben es genauer betrachtet nämlich so an sich sich zu verfestigen und den einmal im Bewusstsein eingenommenen Platz von sich aus einfach so zu räumen liegt nicht in ihrem Sinne, es sei denn ich gehe immer wieder auf Neuland Wanderschaft und erweitere meine Innen- wie Ausseneinsichten und verändere meine Vorstellungen fortlaufend. Konkret gesagt: Ich bin bereit zu lernen, wie ich mir selber Feuer unter den Hintern legen kann. Etwas tiefer auseinander gefaltet, ich bin innerhalb meiner inneren, mich selbsterkundenden Höhlenwanderungen, bereit mich auf die Suche nach Brennholz zu machen. Und wo finde ich dieses (numinose) Brennholz? In meinen Vorstellungen, die letztlich nur darauf warten verbrannt zu werden!
Tue ich das nämlich von mir aus nicht regelmässig, Brennholz spalten und abfackeln, d.h. an  die Stelle vielleicht vor Zeiten einmal gebildeter Vorstellungen in einem lebendigen Denkprozess beständig  darauf bedacht zu sein neue zu entwickeln, ja dann geschieht das, was im Grunde ein jeder wissen könnte. Wenn abgelagertes Holz nämlich nicht in der rechten Weise belüftet oder zeitgerecht verbrannt wird, dann entzündet es sich irgendwann unerwartet von selbst und entfacht einen sozialen Netzwerkbrand.
Wie das? Muss ich das belegen? Ich denke, wer hier zur Sache gehen will, der kann in seiner eigenen Erinnerung Beispiele von Erfahrungen finden, wie er selbst schon diesen oder jenen sozialen Netzwerk-Brand durch unbedachten Umgang mit „Vorstellungsfeuerwerk“ ausgelöst oder befördert hat. Es ist also müssig sich diesbezüglich etwas vorzumachen. Was ich hier sage hat eine ganz praktische Seite, der sich ein jeder, nach innen hin forschend, wie gleichermassen nach aussen tätig, zuwenden kann. Und nebenbei noch hinzugefügt, könnten sich auf diese Weise zunehmend mehr Menschen auf den Weg begeben sich zu „Mit-Entwicklern“ zu befähigen im Hinblick auf die in meinen Augen dringend notwendige Erweiterung des gegenwärtigen Wissenschaftsverständnisses durch einen selbstkritischen Umgang mit dem eigenen Denken.
Und dieses scheint mir in einem laufenden Auseinandersetzungsprozess wechselseitig für beide Seiten, Gegner wie positive Vertreter in einer Streitfrage notwendig zu gelten. Im konkreten Falle aus meiner Sicht ganz besonders in den Auseinandersetzungen um die wissenschaftliche Edition der Grundwerke von Rudolf Steiner (SKA).
„Ein Bild“ … „ist jede Welt. Drum prüfe, wer ein Urteil fällt,“ … (was da von mir) „dem andern“ (möglicherweise)(auch posthum Rudolf Steiner)„ unterstellt“ wird, in vielleicht nicht tief genug hinterfragten eigenen Sach-Vorstellungen oder wie nebenbei übertragenen Angst - Komplexen, die dieser eine andere Mensch in mir leise (und damit für das seelische Beobachten zunächst auch zu überhören, bzw. blitzschnell beiseite gedrängt) auslösen mag, die aber für mich nur sichtbar an die Oberfläche treten, wo ich bereit bin „eigene Positionen“ mit einem langen Atem gründlich zu hinterfragen und andere Denkweisen wenigstens versuchsweise, ich wiederhole das hier mit Bedacht, ohne vorauseilenden Widerspruch, nicht nur auf diesen Menschen, sondern vielseitig vernetzt bezogen, mitzudenken.
Die seelische Beobachtung ist - ein weites, in die Tiefe reichendes Feld - das zur nachhaltigen Handhabung einen jeden Zeitgenossen immer wieder still auffordert. Individuell höchst variabel, befreit sie aus sich jene Kraft, die echten Erkundungswillen in die Erfahrung seiner Freiheit führt. Keine wie auch immer geartete Autorität, kein Anhaften an mehr oder weniger in Gewissheiten  erstarrtem Geistesgut kann dies. Ich, wir, sie alle sind hier also zur Übernahme von einem Mehr an  Initiative sich selber gegenüber, zu einer inneren Umkehr herausgefordert.
Nur mit Eigenverantwortung, mit einer Initiative zu nachhaltig mehr Eigentätigkeit und Selbstverantwortung kann es Entwicklung auf den Wegen eines sich weiter und tiefer entfalten wollenden „Anthropos“ geben. So sehe ich das und erzähle deshalb mit den hier niedergelegten Gedanken aus eigenem Erfahren. Vielleicht kann ich den einen oder anderen Leser damit auch ermuntern ganz in seiner Weise ein Ähnliches zu versuchen und wertschätzend dialogisch sich aus einer solchen Haltung heraus an geeigneter Stelle in soziale Netzwerke einzubringen, wo immer er dieses für sinnvoll erachten mag. Ich jedenfalls lausche dies der im unscheinbaren webenden Sprache des Zeitgeistes ab und lasse es durch meine Worte verlauten.   

Doch ich möchte die oben ansatzweise aufgenommenen Gedankengänge noch etwas erweitern für ein eigenes, über meine Gedanken hinaus gehendes Sinnen und erkundendes Forschen im Felde des Denkens. Aus meiner Sicht ist nämlich das vielleicht wesentlichste Hindernisse auf ein zu entwickelndes lebendiges oder reines Denken bis in den Alltag hinein, also herunter aus einem unterschiedlich ausgerichteten Abgehoben Sein, herein in das Jetzt (ob anthroposophisch oder in wissenschaftlich Diskursen), hinein in ein fliessend gestaltetes Denken des jeweiligen Augenblicks, das Ausüben desselben als abstraktes Geschehen. Es ist gewissermassen unser Bildungserbe, dass wir damit ausschliesslich mehr oder weniger auf ein abstraktes Denken hin geschult wurden. Im abstrakten Denken haben wir aber die von innen her zu gewahrende Verbindung zur Bewegung als Kraftgestalt des Denkens  verloren (R.Steiner spricht im Zusammenhang mit den Mysterien Dramen diesbezüglich verklausuliert vom Strader Mechanismus).
Selbst einem Geisteswissenschaftler nach dem heutigen  Wissenschaftsverständnis entgeht bei seinen mitunter höchst differenzierten Reflexionen im allgemeinen die Verbindung derselben zu entsprechenden Bewegungen, weil er seine Ideen als ziselierte Vorstellungskonstrukte handhabt und nicht mehr wie einst Platon zu schauen vermag. Tiefer betrachtet steht er in der Abstraktion also vor einem eingefrorenen Lichtprozess, einer im intellektuellen Denken zurück gedimmten Lichterfahrung, die Aristoteles noch über die Sinne erlebend zugänglich war.
Dies denkend negativ zu besetzen wäre aber grundfalsch, denn die Abstraktion ermöglichte es dem Menschen sich als ein Selbst der Welt gegenüber stellen zu können und eröffnete ihm damit die „Möglichkeit“ zur Freiheit
Für die Auflösung der Abstraktion im Denken des heutigen Menschen, mit seinen tiefgreifenden  Folgen für das Leben in sozialen Netzwerken könnte sich über die seelische Beobachtung zunehmend ein Weg eröffnen, wenn sie denn,  breiter ins denkende Bewusstsein gerückt würde, wie oben aphoristisch skizziert. Für die akademische Wissenschaft könnte in der praktischen Auseinandersetzung in inneren Labor Feldversuchen am Ende eine erweiterte Phänomenologie der inneren Kraftgestalt des Denkens stehen, welche die Behauptung von Kant, vor ihm hätte es noch keine Philosophie gegeben (siehe Eckhart Förster: Die 25 Jahre der Philosophie), unter einem ganz neuen Licht zu lesen ermöglichte.

Ich breche meine Gedankengänge hier ab, weil, wie in der Vorbemerkung angedeutet, wegen praktischer Handlungsnotwendigkeiten ich auch in der nächsten Woche keine Möglichkeit sehe weitere Notizen für diesen Blog Beitrag auszuarbeiten um ihn damit abzuschliessen. Für mich hat die konkrete menschliche Begegnung Vorrang vor jeder schriftlich „erwarteten“ weiteren Ausarbeitung zu Fragekomplexen um die seelische Beobachtung herum. Ich erlaube mir deshalb diese Gedankengänge als Fragment stehen zu lassen.

© Bernhard Albrecht Hartmann

Samstag, 14. November 2015

Entfesselung

Was gestern Abend und in der Nacht in Paris geschah scheint auf den ersten Blick ein bestürzendes Geschehen zu sein, das sich an einem von unserem Lebensbereich mehr oder weniger weit abgelegenen Ort ereignete. Ist das wirklich so?
Indem wir in diesen Stunden nach Paris blicken und unserer Mitgefühl mit den unmittelbar betroffenen Menschen teilen, wie zum Beispiel mit jenem jungen Mann, der gerade einmal zwei Monate verheiratet mich innerlich zutiefst aufgewühlt heute Morgen anrief, weil er seine Frau suchte, die berufsbedingt an diesem Wochenende in Paris weilt und der mitten in unserem Telefongespräch beinahe noch mehr innerlich zusammen knickte, vor Erleichterung und Freude, als er eine SMS erhielt, indem sie ihm mitteilte, dass es ihr gut gehe - reicht an diese inneren dramatischen Erlebnisweisen unser Erleben und Mitempfinden wirklich heran?  Oder werden wir letztlich doch von den sich überstürzenden Meldungen der Nachrichtenpresse mitgerissen, in Hilflosigkeit erstarrend in unsere Fernsehsessel gedrückt und „wie gebannt“ festgehalten?
Von der Politik hören wir, es sei alles zu überprüfen, unsere Sicherheitslage müsse angesichts der Ereignisse von Grund auf durchforstet werden, um sich mit den entdeckten Konsequenzen noch besser aufstellen zu können. Wer mag da schon nein sagen.
Doch ist es damit getan das Netz von Sicherheitsvorkehrungen im Aussen zu verstärken? Zielt dieser Terrorangriff über das Aussen nicht viel tiefer mitten in unserer aller Bewusstseinsräume hinein? Was heisst es von dort her sich neu aufzustellen, sich „mehr zentriert“ auszurichten auf das, was in mir geschieht und daraus zu handeln?
Habe ich, haben wir diese entfesselnden Kräfte nicht schon mehr oder weniger leise viele Male vor unserem inneren Auge wie vorbei huschend auf dem Bewusstseinsschirm gehabt? Was haben wir dann getan im Umgang mit derartigen Kräften in uns? Ich will nicht wiederholen, was ich alleine heute im Zuge der Ereignisse von Paris an Wut, Zorn und selbst überhebenden Massnahmen Empfehlungen schon zu hören bekam. Und von daher frage ich mich, kann es angehen mich in meiner Verantwortung für das, was in Paris, im nahen Osten oder sonst wo in Menschen verachtender Weise geschieht, mich wie auszuklinken, am Rande zuschauend stehen zu bleiben oder gilt es die „Drachenkräfte“ in mir deutlicher ins Auge zu nehmen?
Es gibt viele Arten von feurigem Zunder, der in mir knisternd leise vor sich hin schwelt, Zunder den ich von Anderen kommend weiter reiche, Zunder den ich entflamme und gezielt in sozialen Netzwerken platziere, ohne mich um seine Wirkung dort weiter zu kümmern oder gar an meine Verantwortung auch nur zu denken, wenn ich derartige Gedankenbildungen von mir gebe.
Der Drache ist für den, der bereit ist sich tiefer in dieser Welt „gegenwärtig“ zu verankern kein blosses Bild. Es ist eine beobachtend klar zu identifizierende Kraft in mir, die es gilt anschauend zu bändigen. Mit einer derartigen inneren Haltung vollzieht sich in meinen Augen zeitgerechte Verantwortung.

Bernhard Albrecht Hartmann

Montag, 20. Juli 2015

Von der inneren Umkehr (überarbeitete Version)

Unser Weltzugang ist in Folge langer Entwicklung und damit aus gefestigter Gewohnheit gemeinhin ein dualer. Einen anderen Menschen  s e h e n  und  a n  n e h m e n  lernen wie er ist, ihn sein lassen können, so wie das Leben ihn gerade jetzt sein lässt, das bedeutet einen steinigen Weg gehen. Denn was immer und überall mir in Bezug auf den anderen Menschen zunächst im Wege steht, ist, eine Vielzahl von Vorstellungen, die ich mir von der Welt gebildet habe und die ich nicht selten in Teilen dann auf den Menschen übertrage, der gerade vor mir steht.

Lauschen - machen wir uns diesbezüglich nichts vor, ist eine dem modernen Menschen, der aus seinen Lebensverhältnissen soviel eingelagerte Ruhelosigkeit in jede Begegnung unweigerlich zunächst mitbringt, Lauschen ist eine weit an den Rand unserer sozialen Lebenswelt gedrängte Fähigkeit. Sie ist in den Augen des Mainstream buchstäblich unter die Disteln des zu Vernachlässigenden geraten und steht den wenigsten Menschen heute noch in natürlicher Weise als handhabbare Handlungsmöglichkeit zur Verfügung. Auch wenn es in diversen Coach- und Manager Ausbildungen Angebote zum Erlernen und effizienten Handhaben des Zuhören gibt, so reicht das Lauschen gegenüber dem Zuhören doch sehr viel weiter und tiefer. Es nimmt gegenüber dem „Ist im Zuhörend Erfassten“ den Klang des Werdens, ein Ungeboren Werdendes im Umkreis gesprochener Worte in das Verstehen mit herein.

Wie aber kann es gelingen für den Klang des Werdens die rechten Worte zu finden? Ist doch schon das Tatsächliche meist nicht ganz leicht zu erfassen. Um wie viel schwerer  muss es sein, ein Werdendes, also ein bestenfalls in Teilen Sichtbares mit geeigneten Gedanken einen sprachlich Ausdruck zu verleihen. Und in der Tat ist dahin zu gelangen nicht ohne eine innere Umkehr zu erreichen. Ich muss mich nämlich auf nicht weniger als dieses einlassen, davon Abstand zu nehmen, die Welt ausschliesslich  unter meinem Blickwinkel zu betrachten. Von meinem jeweiligen Gegenüber her die Welt zu betrachten, mich in dessen Sichtweise auf die Welt einzuleben, an diesen unscheinbaren Schwellen entscheidet sich immer wieder auf ein Neues, ob in einem Gespräch durch mich ein aktiver Beitrag auf einen zu belebenden Humanismus hin geleistet wird oder eben unversehens nicht. 

Der Humanismus ist in unserem Weltwissen breit verankert. Ideelle Absichten ihn zu verwirklichen gab und gibt es landauf landab nicht wenig. Wie aber ihn in „alltäglichen“ Lebensverhältnissen lebendig zur Erscheinung bringen? Selbstkritisch betrachtet ist es eine immense Herausforderung, die gleicherweise immer wieder auch mit einem Scheitern verbunden sein kann. In einem angesichts eigenen Scheiterns beständig neu zu erringenden inneren Gleichgewicht gleichsam wachsend immer mehr Einsitz in sich zu nehmen, kann dies einen Weg zum Lauschen eröffnen? 

In mir Einsitz nehmen? Was soll das? Ist nicht der „Andere“ derjenige, der sich meinen Aussagen verstehend widersetzt? Wenn schon scheitern, ist dieses Scheitern dann nicht der „Dickhäutigkeit“ im Auffassen von Argumenten meinem Gegenüber anzulasten? Wenn differenziertes Sagen an ihm abprallt, was soll ich dann damit zu tun haben? So ähnlich läuft es doch in nicht wenigen Diskussionen, bzw. ansatzweisen Gesprächen, oder?  Werde ich von irgendetwas in dieser Art innerlich berührt, begegne ich da vor meinem inneren Spiegel nicht auch einer eigenen Dickhäutigkeit? Wie denn? Könnte es sein, dass ich bei der Untersuchung dieses Phänomens im Rahmen eines selbstkritischen Durchforschen innerer Seelenprozesse, im Auf und Ab, im Vollzug eines Gedankenaufbaus, auf zu fest gefügte eigene Vorstellungsbildungen stosse, die sich bei näherem Hinsehen als nicht oder wenig geeignet erweisen sich transparent in die Sichtweise des anderen Menschen einfügen zu können? Muss es bei derartigen Kommunikationsvorläufen dann verwundern, wenn die Resonanz ein Nicht-Verstehen nach sich zieht oder gar emotionale Ausbrüche lostritt? Erinnere Dich …

Eine Kultur des Lauschen, bzw. eine Fähigkeit dieser Art unter abgelagerten Schlämmen der vielfältig heute offen oder verdeckt zu Tage tretenden sozialen Spannungen, Brüche und Gegensätze zu befördern scheint mir eine Herkulesaufgabe zu sein. Der Augias Stall ist aufzuräumen und es mag befremden, wenn ich aus meiner Erfahrung heraus betone, dass es dabei nur um den jeweils eigenen Augias Stall geht, der aufzuräumen ist. Ändern kann nämlich nur ich mich. Ich kann und darf ein sich Ändern von Niemandem sonst erwarten. Pointiert gefragt, zielt die seelische Beobachtung nach naturwissenschaftlicher Methode dann in ihren ersten Schritten nicht genau auf das Aufräumen des eigenen Augias Stalles? Oder unter einer anderen Betrachtungsweise gefragt, führt mich eine tatsächliche Bereitschaft zum Erwachen am anderen Menschen zunächst nicht ebenfalls erst einmal alleine durch meinen Augias Stall hindurch?

Besinne Dich … Und im Nachgang solchen Besinnens ist Zuwendung in sozialen Prozessen, denn Lauschen bedarf einer ausserordentlichen Ausprägung davon, nicht mehr und mehr zu einer Unmöglichkeit verkommen? Oder anders ausgedrückt, ist ein achtsamer Abstand zu sich selbst als Raum schaffende Gebärde für einen anderen Menschen im Aufnehmen eines Gesprächsfaden noch etwas, dem von der eigenen Haltung her Bedeutung beigemessen wird, etwas, das vom Augenblick der Eröffnung des Gesprächs an aktiv geübt wird? Geht es in den gedanklichen Austauschbewegungen unter Menschen, wenn auch sachlich verschleiert nicht eher um Selbstdarstellung, fern der Anwendung einer Hebammen Kunst im Sinne des Sokrates? …                      
                                          
Von Sokrates ist bekannt, er hätte es verstanden Menschen so anzusprechen, dass ein bis anhin gesichertes Verständnis auf einen bestimmten Sachzusammenhang hin in Fragen erneut virulent werden konnte. Die Frage als bewegendes Element. Die Frage als neue Horizonte öffnendes Element. Die Frage mithin als eine Möglichkeit Ungeborenes zur Geburt zu bringen. Die Frage als Wegöffner für Verborgenes im sprachlichen Ausdruck, das „Lauschen“ in die Sichtbarkeit bringen kann. Sokrates stand zu seinen Lebzeiten noch in einer inneren Nähe zu Heraklit. Nach Heraklit  konnte der um Lebenserkenntnis ringende Mensch aber nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen. Heraklit verstand das Leben als ein vielstimmiges Unisono Klanggeschehen, als ein auf den Menschen hin angelegtes unendliches Wortschaffen aus sich selbst heraus. Und nur der Selbsttätige konnte damals und kann heute „Einwohnung“ nehmen in diesem fort und fort Fliessgeschehen, in dem er z.B. mit dem Aufgeben wissenschaftlicher Standpunkte Wandlung in einer Weise signalisiert, die neue Sichtweisen und Zusammenklang-Verhältnisse ermöglichen.

Dass sich die heutige Wissenschaft durch viele Verschleierungen hindurch in einer mehr als ernsten Krise ihres Selbstverständnisses befindet, diese Erkenntnis weiter vor sich her zu schieben, kann aus meiner Sicht nur von Menschen bezweifelt werden, welche das „Erkenne dich Selbst“ in der Konfrontation mit den Gedankenbildungen, mit denen sie sich auf ihren Lebenswegen auseinander zu setzen haben durch die Flucht in immer neue Abstraktionen weiter glauben umschiffen zu können. Die moderne Quantenphysik bringt  eine Tatsache unmissverständlich an das Tageslicht des Bewusstseins, dass der Beobachter das Versuchsgeschehen durch seine Teilhabe daran verändert. Diese Ein-Sicht aber verändert das Verhältnis von Objektivität und Subjektivität und ihr paradigmatisches Verständnis im heutigen Wissenschaftsbetrieb nachhaltig. In meinen Augen zeichnet sich damit die Notwendigkeit eines grundsätzlich neuen Verständnisses im Hinblick auf das Denken ab. Das Denken als ein inneres Blickorgan, das Denken als ein durch das Ich sich selbst hervorbringendes Geschehen? Fragen, Fragen, Fragen, die im Sinne des Gedichtes von R: M. Rilke: 

                                                     „Was mich bewegt“


                                                  „Man muss den Dingen
                                                  die eigene, stille,
                                                  ungestörte Entwicklung lassen,
                                                  die tief von innen kommt,
                                                  und durch nichts gedrängt
                                                  oder beschleunigt werden kann;
                                                  alles ist austragen -
                                                  und dann
                                                  Gebären...

                                                  Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt
                                                  und getrost in den Stürmen
                                                  des Frühlings steht,
                                                  ohne Angst,
                                                  dass dahinter kein Sommer
                                                  kommen könnte.
                                                  Er kommt doch!

                                                  Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
                                                  die da sind,
                                                  als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
                                                  so sorglos still und weit ...

                                                  Man muss Geduld haben,
                                                  gegen das Ungelöste im Herzen,
                                                  und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
                                                  wie verschlossene Stuben,
                                                  und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
                                                  geschrieben sind.

                                                  Es handelt sich darum, alles zu leben.
                                                  Wenn man die Fragen lebt,
                                                  lebt man vielleicht allmählich,
                                                  ohne es zu merken,
                                                  eines fremden Tages
                                                  in die Antwort hinein.“

              
... eines schönen Tages durch mutige philosophische Denker, die sich nicht länger von den abstrakten Purzelbäumen eines Skeptizismus gegenüber allem und jedem oder den vor sich selbst nicht wahrgenommenen Versteckspielen des Reduktionismus den freien inneren Blick durch scheinbar kunstfertig gewobene Gedankenschleier versperren lassen, einer Antwort entgegen wachsen.  

Der kürzlich verstorbene Philosoph Wilfrid Jaensch war ein mutiger Querdenker in genau diesem Sinne. Sechs Wochen vor seinem Tod (1) spricht er, ausgehend von der Erklärung der Menschenrechte, von der Notwendigkeit einer Geisteswillenschaft. Was den Menschen in seinem Kern ausmache, was ihn in die Lage versetze sich als Mensch zu bezeichnen, das müsse dabei ins Auge gefasst werden. Und er gibt die verblüffende Antwort: „Erst wenn ich den anderen Menschen bedingungslos anerkenne, bin ich Mensch.“            

Weiter gedacht, bedeutet das nicht, dass ich nur insoweit zu einem Menschen sukzessive werden kann, wie ich „selbsttätig“ meine Vorstellungen, die sich zwischen mich und meine Mitmenschen immer wieder stellen mögen, stets aufs neue übersteige, bereit bin sie gleichsam zu „verbrennen,“ durch meine Verschleierungen wie hindurch zu treten? Klingt das in einem Europa, in dem in Bezug auf muslimische Mitbürgerinnen ein Verschleierungsverbot immer wieder gefordert wird nicht sehr irritierend? Die europäische Menschheit in ihrer Gesamtheit unter dem Schleier. Dieses Bild, ohne wenn und aber innerlich einmal zugelassen, zeigt in meinen Augen welche immense Aufgabe mit einer Geisteswillenschaft verbunden ist, welches Vermächtnis uns da Wilfrid Jaensch hinterlassen hat.                                                

Ich höre darin die Aufforderung, dass es an der Zeit ist die Erforschung der inneren Kraftgestalt im Denken gleicherweise wissenschaftlich, wie sozial ästhetisch, forschend und praktisch in die Hand zu nehmen. Fragen, die nicht nur Renè Descartes zu seiner Zeit anhaltend beschäftigt, sondern schon Aristoteles geleitet haben. In den Tiefen des eigenen Denkens abgelagert, zeigt sich diese Kraftgestalt meiner inneren Anschauung und Erfahrung nach mehr als widerspenstig, sobald ich auch nur anfänglich Fragen in der Richtung stelle, auf welchem Boden stehe ich eigentlich, wenn ich denke. Hat das Denken überhaupt einen Boden oder ist es von vorne herein widersinnig im inneren Blicken auf das Denken von einem Boden zu sprechen?  Kann eine Kraftgestalt Boden geben, wenn es sie in Bezug auf das Denken denn überhaupt geben sollte? Dies alles und Vieles mehr scheinen mir Fragen zu sein, die sich aus den Wurzelfragen Rudolf Steiners seiner Einleitung zur Philosophie der Freiheit heute stellen und differenziert weiter entwickeln lassen.                       

Im Zuge der vorgesehenen Herausgabe der Erkenntniswissenschaftlichen Schriften Rudolf Steiners im Rahmen der Steiner Kritischen Ausgabe (SKA) durch Dr. Christian Clement im Verlag fromann- holzboog stellt sich mir die weitere Frage, welche die Bewertung Rudolf Steiners im Verhältnis zu Immanuel Kant ungemein versachlichen könnte. In der Vorrede zu seinem Frühwerk, „Gedanken zu der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte“ spricht Kant seine Leser wie folgt an: „Ich glaube, ich habe Ursache von dem Urteile der Welt, dem ich diese Blätter überliefere, eine so gute Meinung zu fassen, dass diejenige Freiheit, die ich mir herausnehme, grossen Männern zu widersprechen, mir für kein Verbrechen werde ausgelegt werden. Es war eine Zeit, da man bei einem solchen Unterfangen viel zu befürchten hatte, allein ich bilde mir ein, diese Zeit sei nunmehr vorbei, …“        

Rudolf Steiner hat eine Reihe erkenntniswissenschaftlich philosophischer Schriften verfasst und darin neben Kant so manchem anderen Denkern widersprochen, gewagt diese in der einen oder anderen Weise weiter zu denken.  Im Sinne der Freiheit hat er damit aber nicht weniger als Kant seinerzeit ausgedrückt, es möge ihm dies nicht als Verbrechen ausgelegt werden. Nun, Kant hat mit dem genannten Frühwerk zunächst auch nicht den Erfolg gehabt, den er sich vielleicht erhofft hatte. Professor in Königsberg wurde er erst nach langen Jahren des Hauslehrer Daseins. Diesbezüglich teilt Rudolf Steiner also in gewisser Hinsicht ein Schicksal der Nichtbeachtung mit ihm. Im Zuge der Herausgabe der SKA frage ich mich, ob diese Zeit jetzt vorbei ist und seine Gedanken nunmehr in einem „Blick von Nirgendwo“ von der akademischen Wissenschaft einer umfassend sachlichen Bewertung entgegen sehen können oder Neulande zumindest mit forschenden Fragen an sein Denken betreten werden.                            

„Der Blick von Nirgendwo“ ist der Titel eines Buches des amerikanischen Philosophen Thomas Nagel. In seiner Fragehaltung ein erfrischendes Buch im sokratischen Sinne. Es wäre sehr zu begrüssen, wenn eine Fragehaltung wie sie Thomas Nagel in diesem seinen Buch pflegt im Umgang gerade mit den erkenntniswissenschaftlich, philosophischen Gedankengängen Rudolf Steiners von Seiten der Wissenschaft Schule machen könnte. Lausche ich in die Wortfolge: „Der Blick von Nirgendwo,“ im Sinne des gleichnamigen Buches des amerikanischen Philosophen Thomas Nagel (2) hinein, so führt mich das unmittelbar an die erkenntniswissenschaftlichen Zeitfragen, die Gedankenzäune heran, wie sie Thomas Nagel im gegenwärtigen wissenschaftlichen Denken transparent zu machen weiss. Es weisst mich aber auch, um es vorsichtig auszudrücken, auf ein Versäumnis in anthroposophischen Zusammenhängen hin, die dynamische Kraft im erkenntniswissenschaftlichen Denken Rudolf Steiners angemessen zu würdigen und weiter zu entwickeln.                                   

Versuche in dieser Richtung wurden von einem breiten Mainstream, hier nicht weniger wie im öffentlichen Raum der Wissenschaft, immer wieder in Randnischen abgedrängt. Was im wissenschaftlichen Raum, aus meiner Sicht bis heute, eine Tabu Zone bezeichnet, die „mögliche“ Kraftgestalt des Denkens einer wissenschaftlich forschenden Untersuchung zuzuführen, wurde auch hier wie nebenbei zu Tabu Zone erklärt. Die Philosophie der Freiheit und die damit verbundenen seelischen Beobachtungen „nach naturwissenschaftlicher Methode“ wie sie Rudolf Steiner in einer e r s t e n  Versuchsanordnung auf den Weg brachte, fand auch hier nicht die Beachtung, wie er es   sich ursprünglich erhofft hat. Und damit wurden Philosophische Denker wie zum Beispiel Herbert Witzenmann und Wilfrid Jaensch als Entwicklungsfermente in Randzonen abgedrängt. Tragischer Weise, so erscheint es mir jedenfalls, wenn ich mir die gegenwärtigen internen  Auseinandersetzungen in anthroposophischen Zusammenhängen um die SKA anschaue, hat das duale Denken hier also nicht weniger Kraft, als im wissenschaftlichen Raum. Doch wenn ich mich besinne, war das duale Denken zu überwinden nicht das Grundanliegen Rudolf Steiners? Wo stehe ich also, wo stehen sie geneigte Leserinnen und Leser dieser Gedankengänge, wenn sie sich nach innen lauschend auf sie einlassen wollen?                            

„Der Blick von Nirgendwo,“ hier nunmehr zum vierten Mal aufgegriffen, er verweist mich auf ein äusserst dynamisches Denken, ein in sich bewegliches Denken, ein Denken, das sich beheimatet gewissermassen in einer Nullzone, ein Denken, welches die Illusion des Nichts als eine Membran des unendlichen Regresses innerlich umstülpt und damit mehr und mehr Zugang findet zu einer wachsenden inneren Kraftquelle. In diesem Denken  treten die Begriffe „subjektiv“ und „objektiv“ als Hervorbringungen eben dieses Denkens in Erscheinung. Sie als dual ausgerichtete Grenzpunkte des wissenschaftlichen Forschen zu betrachten geht also nur insoweit und so lange wie die selbsttätig hervorbringende Kraft, ein bewegt in Bewegung sich fort und fort selbst dynamisierendes Denken aus dem wissenschaftlichen Forschen ausgeblendet wird.    

Geht damit aber nicht aller Halt und alle Sicherheit verloren? Die Möglichkeit im wissenschaftlichen Diskurs sich hinter mehr oder weniger klaren Positionen zu verstecken und den jeweiligen Kontrahenten sachlich verbrämt der Lächerlichkeit zuzuführen, wenn dieser nicht im jeweils stillschweigend vorgegebenen Sinne systemkonform denken sollte, diese Möglichkeit, sowie die aus ihr abgeleitete Sicherheit wird auf Dauer nicht mehr Bestand haben können. Die Löcher in der eigenen Deckung, folge ich hier dem einen oder anderen Gedankengang von Thomas Nagel, werden mit weiteren Verschleierungen nur noch befristet abzudecken sein. Streitbare Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft dieser oder jener wissenschaftlichen Systemvariante scheinen mir der Vergangenheit anzugehören.                        

Auch wenn sich Beharrung in Überzeugungen auf vielen Ebenen menschlicher Kommunikation aus den unterschiedlichsten Gründen nicht selten anhaltend zu behaupten weiss, so scheint sie mir über ein im kommunikativen Tagesgeschäft gelegentliches  Ärgernis hinaus zu weisen. Denn, kann dem Begriff Beharrung nicht Bewegung gleichsam entgegengesetzt werden? Wo also Beharrung sich in menschlichen, bzw. wissenschaftlichen Auseinandersetzungen breit macht, könnte das nicht ein Hinweis darauf sein, dass über alle Parteiungen hinweg  sich zu wenig selbsttätige Denkkraft wirksam und authentisch bezeugt? Zeichnet sich in derartigen Phänomenen nicht zumindest indirekt eine Herausforderung ab dem Hervorbringungsaspekt des Denkens erfahrungsbasiert mehr Aufmerksamkeit entgegen zu bringen?                  

In meinen Augen stehen wir vor der Notwendigkeit einer grundständigen wissenschaftlichen Sichterweiterung. Es geht von der Seite der äusseren Wissenschaft, wie in internen Auseinandersetzungen von Menschen, denen Anthroposophie ein Anliegen ist, mit der Herausgabe der SKA nicht mehr um wissenschaftliches Denken kontra geisteswissenschaftliches Denken, sondern um eine existentiell erneuerte Sicht „auf das eigene Denken hin,“ mithin eine rundum zu erneuernde Denkhaltung und daraus zu entwickelnde, lebendig zu bezeugende neue Wissenschaftsgesinnung. Im Sinne von Wilfrid Jaensch bedeutet das aber auf den anderen Menschen zugehen, selbst wenn dieser konträr zum eigenen Denken steht. Gelebter Respekt dem fremden Denken gegenüber und ein aus dem Respekt heraus wachsendes Vermögen zu einem „Erkenne Dich selbst“ am fremden Denken, dies allein kann aus meiner Sicht für die kommende Zeit Freies Geistesleben lebendig bezeugen.                    

Sokrates prägte seinen Schülern gegenüber den Satz: „Ich weis, dass ich nicht weis“. Der Zusammenhang dieses Satzes mit dem Umstand, dass Sokrates späterhin sich nicht dem Tod durch den Schierlingsbecher entzog, obwohl er dies gekonnt hätte; die nach innen lauschende Beschäftigung mit diesem Zusammenhang hat mich für die gegenwärtige Zeit zu einer bestürzenden Erkenntnis geführt. Ich kann die ganze Kraft, die in dem Satz: „Ich weis, dass ich nicht weis“ gebunden ruht nur insoweit für mich frei setzen, wie ich bereit bin den Schierlingsbecher zu nehmen und mit ihm das Gift unangemessener Vorstellungen in meinem Denken gegenüber anderen Menschen verbrenne, bzw. in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen die Abstraktionen innerlich in Denkkraft Erfahrungen zu transformieren weiss.

© Bernhard Albrecht Hartmann 20.07.2015

(1)  www.enzyklika.blogspot.de (unter Apr 30 Geisteswillenschaft)
(2)  Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 2035, 1. Auflage 2012

Mittwoch, 15. Juli 2015

Eine Anmerkung zu Mieke Mosmullers Blog-Eintrag: Das dreifache spirituelle Ideal des Menschen

Wenn der Materialist nur für Sekunden sich einmal darauf einlassen wollte, das, was er in abstraktem Selbst-Illusionieren  an Bewegungsgeschehen im Protonenbeschleuniger des europäischen Kernforschungszentrums in Genf technisch veranlasst, im eigenen Bewusstsein für einen Augenblick als Erfahren zuzulassen, wenn er sich ermutigen könnte an dieses Geschehen erfahrend heran zu treten, er würde bis ins Mark hinein erblassen und womöglich ohnmächtig zusammenbrechen vor der Bewegungsmacht, die er, ausschliessend von seinem Ich im Ego gebannt hält.
Wenn Menschen, die nach ihrem Erleben sich einer Anthroposophie oder einer anderen massgeblichen spirituellen Zeitströmung zugeneigt empfinden, nicht den Krieg untereinander bereit sind zu beenden, dann wird all ihr Bemühen für einen erweiterten Wissenschaftsbegriff in heutiger Zeit einen Beitrag zu leisten ins Leere laufen. Denn eine vermeintlich nicht zu umgehende Auseinandersetzung mit anderen Menschen um „die Wahrheit“ vernebelt das entscheidende Geschehen, um das es eigentlich geht, die Furcht vor dem Sprung über den Abgrund, von in Abstraktionen erstarrten Ego-Anhaftungen in den Bewegungsfluss des Ich zu meistern.
Barmherzigkeit für den anderen Menschen fängt bei der Barmherzigkeit gegenüber mir selbst an, bei dem inneren Loslassen ich müsse einem anderen Menschen den Weg zur Wahrheit weisen. Wahrheit findet ein anderer Mensch ganz aus sich, je mehr ich meine Ego-Verhaftungen bereit bin zu lösen. Gelingt es mir einem anderen Menschen, der mich um der Wahrheit Willen heftig attackiert dennoch Respekt zu erweisen, dann ist dies der Beginn möglicher Barmherzigkeit vom Herzen her.
Wir leben nicht mehr im Mittelalter, sondern in einer Zeit, in der es um die innere Ausbildung einer Bewusstseinsseelen-G e m e i n s c h a f t  geht.

Bernhard Albrecht

Im Vorbeigehen einem alten Herrn zugesprochen

Vergesslichkeit ist nicht selten ein beklagter Selbstausdruck, wo eigene Anhaftung an die Erinnerung vergangener schöner Tage die Wirklichkeit vernebelt. Der Mensch ist ein sich entwickelndes Wesen. Wohl dem, der sich zu jeder Zeit erneut auf Reisen begeben kann dies Wunder Mensch immer wieder neu zu erkunden. Manch einer hat schon ein Leben lang neben einem „Schatz,“  auf hohem Level in sich verhakt vor sich hin gelebt, ohne auch nur in die Nähe dieses Schatzes an seiner Seite gelangen zu können, dessen verschleiert „an ihn gerichtetes Sagen“ in seinen Tiefen wirklich aus zu loten. 

Manch einer erkennt erst am Ende seines Lebens, dass er trotz nicht weniger Mühen, die er aufgewendet hat, die Welt des anderen Menschen zu verstehen, er den eigenen Gartenzaun Blick des stillen Vorurteils nicht bewältigt hat, mit dem er sich den Zugang zu der Welt des anderen Menschen letztendlich immer wieder selbst verstellt hat. 

Auf solchen Wegen baut sich nicht selten eine Schimäre vom Sein des anderen Menschen auf, die leichthin betrachtet und scheinbar schwergewichtig durch dies und das untermauert als Wirklichkeit gelten mag und doch ein Produkt eigner Selbstillusion ist. Der wirklich unbefangene Blick auf den mir nahen Menschen an meiner Seite ist eine der schwersten Lebensübungen, die uns als Menschen auferlegt wird. Und das nicht ohne Grund. Denn nicht anders als durch diesen mitunter sehr harten Widerstand können wir zu uns selbst erwachen. Am Widerstand des Du bildet sich die Erfahrung eigenen Ich - Werdens.

Ich kann wunderbar in einer planetarischen Meta Welt kreisen und dort in stiller (selbstverliebter) Selbstherrlichkeit residieren und wenn das nicht mehr geht z.B. im schwarzen Humor letztendlich nur mich selbst bedauernd mir eine Selbstbescheidung und Schein - Freiheit vorgaukeln, die Lebenslüge ist. Lebenslüge von der Art, die schon Platon in seinem Höhlengleichnis mehr als deutlich benennt.
Dem mir nahen Menschen an meiner Seite einmal für seine Treue zum Lebenswiderstand  zu danken, ist vielleicht eine etwas ungewöhnliche Sicht, aber bei Bereitschaft zum Einlassen auf diese Sicht auch ein Torbogen zu neuer Lebenskraft. Mit Herzenstakt gepaart sogar eine Möglichkeit zu mehr gemeinsamer Lebensfreude erneut hinfinden zu können.

Nichts für ungut für diese deutlichen Worte an dieser Stelle! Ein schriller Pfiff, bevor der Karren endgültig an der Wand zerschellt. Es ist nie zu spät von eigenen umnebelten Sichten Abschied zu nehmen. Und ... Möglichkeiten Liebe zu bekunden sind auch in scheinbar mehr als verfahrenen Situationen immer gegeben, es sei denn ich will den Stoffel in mir zum inneren Gott meiner letzten Lebenstage erheben.
Ich wünsche von Herzen allen erdenklichen Mut!

© Bernhard Albrecht Hartmann, 15.07.2015

Dienstag, 21. April 2015

Ich

Nachfolgenden Beitrag habe ich im Juni 2014 schon einmal hier eingestellt. Aus aktuellem Anlass tue ich dies erneut, ergänzt um einen kurzen Dialog aus dem Blog von Info 3, in dem dieser Beitrag ebenfalls veröffentlicht wurde, sowie einem neuen "Fadenschlag" zum Thema von mir aus den letzten Tagen. Mit und weiter denken aus dem Leserumkreis, in welcher Form auch immer, würde mich sehr freuen.

Bewegt in Bewegung. Ich ist nicht, wo diese fliessende Bewegung, dieses bewegt in Bewegung Sein nicht in sich aufgesucht werden kann.

Ich sehe den Einwand. Ich ist nicht? Das widerspricht dem Anschein nach jeglicher philosophischen Forschung über Jahrhunderte hinweg, die sich um dieses Thema bemüht hat. Es widerspricht auch den Forschungen der Entwicklungswissenschaften, die von einem ersten grossen Schritt der Ich Vergegenwärtigung des Kindes im Alter von etwa drei Jahren ausgehen. Das Kind spricht zum ersten Mal von sich als Ich.

Und jetzt: Ich ist nicht, wenn ... Ja wenn fliessende Bewegung in sich nicht aufgesucht, wenn eine Erfahrung dieser Art sich nicht eindeutig vergegenwärtigt werden kann. Ja, was nun? Fliessend erfahrene Bewegung in sich soll zum Ich führen und wo diese Bewegung sich nicht vergegenwärtigt werden kann, da ist kein Ich, da ist Ich nicht, noch nicht? Ja wie nun?

Ich und Bewegung, wie hängen sie zusammen? Und die andere zwangsläufig sich daraus ergebene Frage? In welcher Beziehung steht dazu die Erfahrung der Leere als scheinbarem Endpunkt einer Bewegung, als Erschöpfungszustand des Verstandes am Abgrund, als Sinnkrise, die heute so viele Lebensbereiche der Menschen durchzieht? Leere und Sturz ins Nichts, Depression. Nun, ich will hier diese Fragen nicht ins Einzelne gehend ausloten, vielmehr das Augenmerk allein auf einige wenige Tatbestände lenken, die zum Ausgangspunkt von eigenen inneren Erkundungen werden können.

Wer sich auf eine so geartete Selbsterkundung einlassen kann, der wird in deren Verlauf unschwer feststellen, dass nur das zu einer Erkenntnis hin reifen kann, was aus einer Eigentätigkeit hervorgeht. Mehr Wissen zu den angedeuteten Zusammenhängen führt, auch dies kann als Selbsterkenntnis aus einem derartigen Erkundungsgang hervorgehen, nur immer näher an eine zunächst schleichend auftretende Depression heran, mit der Folge früher oder später sich in panikartigen inneren Zuständen vor einen schwarzen Abgrund gestellt zu sehen.

Es ist heute eine allgemein zugängliche Erfahrung, dass sich unsere gegenwärtige Verstandestätigkeit als eine seit der griechischen Antike entwickelte Kulturtechnik des Denkens auf ein Aussen bezieht, also dual gepolt ist. Die Folge davon ist, dass sich daraus eine höchst differenzierte abbildende Denktätigkeit, ein abbildendes Wirklichkeitsverständnis entwickelt hat. Die bloss abbildende Tätigkeit des Denkens hat dabei eine derartige Intensität angenommen, dass unkritisch sich selber gegenüber sogar geistige Prozesse anscheinend nicht mehr anders als abbildend wahrgenommen werden können, mit der Konsequenz eines nahezu durchgehenden materialistischen Weltverständnisses.

Es scheint mir in dieser über alle Grenzen hinaus betriebenen Denkbemühung längst nicht mehr um die Abgrenzung von Subjektivität und Objektivität, was den wissenschaftlichen Blick auf die Ergebnisse des Denkens hin betrifft zu gehen, sondern um einen krampfhaft verdeckten Selbstausschluss der Kraftgestalt des Denkens innerhalb eigener innerer Erfahrungsmöglichkeiten schlechthin.

Ich und Welt erleben sich per paradigmatischer Festlegung als getrennt. Ich? Sagte ich nicht, Ich ist nicht, wenn es nicht in fliessender Bewegung, als in Bewegung auftretende Erfahrung erlebend gegenwärtig werden kann. Das aber ist die Schwierigkeit für ein abbildendes Verstandesdenken. Es hat die Verbindung zur schaffenden Bewegung in sich verloren, mit anderen Worten, die Kraftgestalt, aus der im ursprünglich aristotelischen Sinne das Denken hervor zu gehen hat, ist dem inneren Blickfeld entschwunden. Dieser Umstand aber ruft das Abgrund Erleben von immer mehr Menschen in der heutigen Zeit hervor. Die selbst geschaffene Dualität im Verhältnis zur Welt muss aus sich heraus dynamisiert werde.

Das mit diesem dualen Wirklichkeitsverständnis erworbene Selbstbewusstsein und daraus resultierend die Möglichkeit zur fortlaufenden Selbstbestimmung hat ihren Preis in einer immer offenkundiger zu Tage tretenden Angst, sprich einem fast pandemisch um sich greifenden Sicherheitsbedürfnis auf beinahe allen Ebenen des Seins. Der Mensch stürzt ins Nichts, erlebt sich in einer immer tiefer um sich greifenden Leere, die er durch alle nur erdenklichen Ablenkungen zu unterlaufen, von sich zu weisen sucht. Seine grösste Angst ist es dabei den Boden unter seinen Füssen und damit im Bodenlosen sich selber zu verlieren.

Die Schnelligkeit, die im äusseren Leben allenthalben gefordert und forciert wird, ist, tiefer betrachtet, ein Hinweis auf die notwendig zu entwickelnde Wachheit für im Inneren eigentätig zu gestaltende und fortlaufend tiefer zu erfahrende Bewegungen. Schwimmen lernen in geistigen Prozessen ist angesagt. Dort aber wo das abbildende Denken unterschwellig immer noch als Massstab für ein sich selbst ordnend im Denken Einfinden Können angesehen wird, ist der Sprung über diesen inneren Abgrund hinweg ein immer wieder auf ein Neues sich bemerkbar machendes und zu verdrängendes Ärgernis eigene Entwicklung nur selbstverantwortlich in die Hand nehmen zu können.

Ich in Bewegung zu erfahren scheint in der Tat für ein zur Gänze in die Abstraktion geratenes Denken unmöglich zu sein. Dennoch ist die Abstraktion ein nicht zu überspringender höchst bedeutsamer Schritt in der Entwicklung zu selbstbestimmtem Denken, führt sie den Menschen doch an eine einzigartige Grenze heran, an eine Grenze, die, so der denkende Mensch sich eine innere Anschauung von seinem Tun des Grenzganges verschafft, eindrücklich zum Erleben bringen kann, dass an dieser Grenze im eigentlichen Sinne überhaupt kein Abgrund vorhanden ist.

Die Abstraktion ist ein unendlich weites Feld und was in dumpfem Erleben hier einen Abgrund vorgaukelt, das ist genauer besehen der in Kraftlosigkeit hinein zusammenbrechende Ausdruck eigenen Denkens, ist Ausdruck von Muskelkater in Bezug auf die eigenen Möglichkeiten denken zu können. Die innere Spannkraft fehlt das Feld der Abstraktion in seiner verschleierten Imateralität zu durchdringen. Bildhaft gesprochen liegt der Abstraktion ein Denken im Glashaus zu Grunde. Das der Abstraktion innewohnende Wesenhafte kann nicht erfasst werden, weil dem Denken die Kraft dazu abhanden gekommen ist und Wege diese Kraft aufs Neue zu erwerben zwar vorhanden, aber allem Anschein nach als Quellgrund für ein weitreichendes forschendes Tätigwerden Können noch nicht ernsthaft genug begangen und erkundet worden sind.

Es mag verwundern, wenn hier gesagt wird, dass die Überwindung oder besser gesagt ein lebensvolles Durchdringen der Abstraktion nur über eine innere Neuausrichtung von Ich und Du im sozialen Raum möglich werden kann. Aus dem einfachen Grunde heraus, weil Gleiches nur durch Gleiches, Wesenhaftes also nur durch Wesenhaftes erkannt wird. Gelingt es das Wesenhafte im sozialen Raum sich erneut lebendig vor Augen zu führen, dann wird es auch möglich werden die Abstraktion in der Wissenschaft aufzubrechen, sie auszurichten auf einen Paradigmenwechsel in der Anschauung immaterieller geistiger Realitäten.

Was als Kraftgestalt hinter dem aristotelischen Denken liegt und was Aristoteles einstmals in seinen Dialogen, soweit sie noch erhalten sind, allem Anschein nach zum Ausdruck gebracht hat, das gilt es im Dialog zwischen Ich und Du erneut an das Licht des Tages, ins Bewusstsein herauf zu heben, wenn die über weite Ereignisfelder hin reichende gegenwärtige Bewusstseinskrise überwunden werden soll. Das Ego als ein Ergebnis dual ausgerichteten Wirklichkeit Verstehens will dynamisiert werden.

Dass ein vertieftes Verständnis, ein Durchschauen der dem Ego zugrunde liegenden Bewegungsdynamik für die Erweiterung des gegenwärtigen Wissenschaftsverständnisses in Richtung auf eine noch zu entwickelnde naturwissenschaftssysthematische Erforschung geistiger Realitäten von entscheidender Bedeutung sein könnte, das kann einem jeden einsichtig werden, der sich auf ein Erkunden der Bewegungsdynamiken innerhalb des Ich Du Prozesses über längere Zeit einlassen mag. Dass damit auf keinen leichten Weg verwiesen wird, das kann nicht verschwiegen werden. Bewusstseinsklarheit zu erringen, ganz gleich auf welchem Arbeitsfeld, das ist noch zu keiner Zeit eine einfache Aufgabe gewesen.

Ein Gewinn, den das abbildende Verstandesdenken in Bezug auf das heutige Wirklichkeitsverständnis gebracht hat, ist aber nicht hoch genug zu bewerten, nämlich ein damit einher gehendes Selbstbewusstsein des Menschen als Basis eines der Möglichkeit nach immer weiter um sich greifen könnenden Freiheitsbewusstseins. Dass an dieses Selbstbewusstsein nicht wenige auch leidvolle Erfahrungen von Verstrickungen in Ego Mustern innerhalb des eigenen sozialen Umgangs eingebunden sein können, das wird ein jeder Zeitgenosse auf seine ganz eigene Weise bestätigen können. Für den Fortgang der Bewusstseinsentwicklung ist das Ego aber nicht zu überwinden, sondern in seiner inneren Bewegungsdynamik anschauend zu verstehen. Kann doch bei genauerem Hinsehen das Ego verstanden werden als die Samenkapsel, aus der durch eine entwickelte Eigentätigkeit das Ich bewegt in Bewegung mehr und mehr in Erscheinung treten kann.

Die Abstraktion ist das Ergebnis eines auf sich bezogenen Ego zentrierten Denkens. Diesem Denken ist das Erleben der eigenen Kraft im Denken entglitten. Denken wird nicht als eine eigene Kraftbewegung erfahren und noch weniger als eine aus einem inneren Blicken hervor gehende Tätigkeit. Erwacht innerhalb dieser blickenden Tätigkeit das Bewusstsein für ein in fliessender Bewegung sich ausdrückendes Ich, dann keimt in der blickenden Tätigkeit zeitgleich ein Lichtprozess auf, der das Feld der Abstraktion mehr und mehr gleichsam aus einer Erstarrung wie aufweckt und den Blick öffnet auf ein Reich wesenschaffend zu einander in Beziehung stehender Wesenheiten.

Für mutige Wegsucher auf dem inneren Feld des Denkens wird damit auf ein weites Forschungsfeld verwiesen, das ein jeder nur Kraft eigenen Entschlusses betreten kann. Wahrheit kann nur dem zu Teil werden, der die Vertiefung eigenen Erfahrens nicht scheut. Keine Institution, kein wie auch immer ausgebildeter Mensch kann mir die Schritte zu Entwicklung einer inneren Eigentätigkeit abnehmen, auf dem sich Erfahrungs- und Forschungsfelder dieser Art eröffnen können und damit Selbstgewissheit in Bezug auf Wahrheit dessen was ist ermöglichen. Der Dialog über alle Grenzen unterschiedlichen Anschauens hinweg, bezüglich dessen, was ein jeder zunächst für wahr halten mag, baut Schwellenängste ab und lässt scheinbare Abgründe verschwinden. Wahrheit ist eine Prozesserfahrung im Dialog.

Bernhard Albrecht Hartmann 25. 06. 2014
Hallo Bernhard,
könntest Du mal Deinen Text auf das in ihm wohnende Prinzip, bzw. die von Dir gemachte Aussage darin (etwas) eindampfen?

Manroe 12.07.2014


Hallo Manroe

Zuerst einmal, ich freue mich sehr, dass Du als erster auf meinen Beitrag einsteigst. Da wir aber auch in der Vergangenheit eine gewisse Geschichte im Umgang auf verschiedenen Foren im Internet miteinander haben, ist es mir ein besonderes Anliegen Dir zu sagen, dass ich Dich mit keiner meiner Aussagen hier und heute und in Zukunft persönlich treffen will, auch dann nicht, wenn ich einmal hart vor dem Wind segelnd mit meinen Aussagen Dir in die Quere kommen sollte. Es geht mir immer um die Sache. Ich schätze deine Art sehr, selbst dann, wenn wir uns in unseren augenblicklichen Auffassungen zu einem Thema immer wieder einmal unterscheiden sollten. Für mich liegt in der Unterscheidung ein grosses Entwicklungspotential, wenn Ich/Du bereit sind sie jeweils innerlich auszuhalten und die Unterscheidung nicht zum Anlass nehmen sich voneinander abzuwenden.

Das Thema „Ich“ ist ein hoch sensibles. Aus meiner Sicht kann es da nicht um Meinungen gehen. Der kristalline Filz, der sich in einem weiten Bogen um dieses Thema auf verschiedenen Ebenen in meinen Augen abzeichnet, er will existentiell bearbeitet sein. Ich muss mich also im Geiste des Sokrates tief innerlich berühren lassen können und mich meinen Ängsten stellen. Denn: Die Frage nach dem Ich ist, wie ich es sehe, eng an die Aussage des Sokrates geknüpft, „ich weiss, dass ich nichts weiss!“

Daraus ergibt sich aber, wie Dir, meinem Sagen folgend, nunmehr bereits selber vielleicht innerlich gedämmert ist, dass ich meinen Beitrag für Dich hier und jetzt nicht „soweit“ eindampfen kann, dass Dir das „in ihm wohnende Prinzip“ damit sichtbar wird.

Wenn Du hier Klarheit weiter suchen willst, dann wird Dir nichts anderes übrig bleiben, als gewissermassen durch die innere Wand: „Ich weiss, dass ich nicht weiss“ hindurch zu gehen, den Schritt hinaus ins Nichts, in die Leere zu wagen. Ich selber bin diesen Weg viele, viele Male gegangen und das Ergebnis ist ein immer tieferes Gewahren eigener Gegenwärtigkeit in Bewegung.

Jede Frage, die Dir wie mir oder anderen Lesern hier bei einem derartigen Bemühen innerlich entstehen mag, sie miteinander ein Stück weit weiter zu bewegen, selbst dann wenn sie sich für einen jeden unterschiedlich weit auflösen mag, sehe ich als einen Gewinn an der Frage nach dem Ich existentiell beobachtend näher zu kommen.

Bernhard Albrecht 13.07.2014





Hallo Bernhard,

...freut mich ebenfalls Dich hier zu sehen und ich hoffe wir kommen bei einem weiteren Versuch etwas besser miteinander aus als so manches andere Mal. Lass es mich gleich zu Anfang kurz aus meiner Sicht beschreiben, warum wir aneinander geraten sind, aus meiner Sicht, natürlich :-). Du hattest immer "nur" so Andeutungen gemacht an entsprechend "heiklen" Stellen und sie dann nicht belichtet, weiter ausgeführt, was, meiner Ansicht, nicht Meinung nach, wenn es um das Ich geht, eben nicht geht. Da stehen sich dann "Auge" und "Auge" gegenüber, im Nullpunkt selbst und ein jeder Ausdruck der nun kommt ist dann im wahrsten Sinne der ent-scheidende, weil dann dem jeweiligen "Null-Ort" entsprechend sich neue Wege und Abzweigungen ergeben, die die jeweilige Schöpfung repräsentieren und aufzeigen, beschreiben, was gerade geschieht. Also frei nach Sokrates, man muss es dann aussprechen, um was es geht. Man schaut gewissermassen im Bilde ausgedrückt, werdenden Verzweigungen beim Auskristallisieren des gefrierenden Atems zu. Und jene "innere Wand" durch die es zu schreiten gälte, trennt ja ab das Reich vor meinem Atemzug von dem des sich auskristallisierenden, in der Überschau umfasse ich beide Seiten. Und ein Gespräch in diesem Sinne sollte im Sinn haben, dass das miteinander Ausgetauschte sich wieder auflöst dadurch, dass man sich gegenseitig gesehen hat, dann werden Kristalle wieder zu frisch belebtem Wasser, das dann in der Lage sein wird, wiederum neue Schöpfungen zu zeigen. Von Atemzug zu Atemzug.

Und, so sehe ich es, was absolut von Wichtigkeit ist, dass aus den in diesem Sinne getätigten Taten keine Lehren oder sonstigen gesetzmässigen Fakten angestrebt oder gar irgendwie ins geistige Erdreich betoniert werden, sondern ein Fluidum schwebend gehalten wird, das anders denn jene Fakten oder sonstigerlei in diesem Sinne wie beratend und ständig mich begleitend mich umhüllt. Keine harten Fakten, sondern transparente Schwingungen.

Manroe 15.07.2014


Im Prozess mit Manroe
"... Da stehen sich dann "Auge" und "Auge" gegenüber, im Nullpunkt selbst ..,"

„Auge“ und „Auge:“ Welches Auge steht da welchem Auge gegenüber, Deines dem Meinen oder schaust Du Auge in Auge mit Dir, Dir selber ins Auge, bist im Begriff Dich eigentätig auf den Punkt der Gegenwärtigkeit mit Dir zu zu bewegen? Sind wir beide bereit in den Augenblicken des einander Begegnen dies aus der bewegt in Bewegung sich bildenden immer neuen Gegenwärtigkeit heraus zu tun?
Wenn ich Deine Aussage hier so befrage, dann trete ich damit an eine aus meiner Sicht heraus ganz entscheidende innere Hürde heran, was das Durchschauen des Kommunikationsprozesses zwischen Ich und Du betrifft. Schwierig, weil hier ja permanent sich alles in Bewegung befindet.

Sich in Bewegung befindet? Will ich prüfen, in wie weit ich in Bezug auf ein mir begegnendes Du hin im Augenblick der Begegnung, also Auge in Auge mit diesem Du meinerseits wirklich in Bewegung mich befinde, also nicht aus einer statisch, dualen Haltung heraus auf das Du und sein aktuelles Sagen hinschaue, dann kann ich das z.B. daran ablesen, ob mir angesichts der Aussage des Du mehr oder weniger schnell ein „Ja Aber“ aufstösst. Im „Ja Aber“ falle ich nämlich sowohl aus dem inneren Anschauen der Aussage des Du heraus, bzw. komme erst gar nicht an deren Kernbereich heran, ich verliere darüber hinaus auch die Augenhöhe zu mir selber, schaue mir selber nicht mehr ins Auge, zumindest nicht mit der notwendigen inneren Wachheit.

Ich sagte ja, alles ist hier in Bewegung und meine Aufmerksamkeit für die vielfältigen Bewegungen kann hier sehr schnell in ihrer Eigentätigkeit durch diese oder jene Nuance des Geschehens ins Flackern geraten, für das Wesentliche erblinden; kann sich einnebeln durch unterbewusste Einflüsse, die sich im konkreten Augenblick noch der eigenen geführten Aufmerksamkeit entziehen, mit der Folge von Irrtümern und Missverständnissen. Das „Ja Aber“ baut innere Wände zwischen einander Begegnenden auf, kehrt die Aufmerksamkeit in mir um auf den eigenen vergangenheitsgeprägten Vorstellungsgehalt über eine bestimmte Sache und erzeugt sehr schnell eine Haltung das jeweilige Du in dieser oder jener Weise vermeintlich korrigieren zu müssen. Es führt ausserdem zu Übertragungseffekten eigener Vorstellungen auf das Du und öffnet damit einem Hick-Hack Tür und Tor, das so viele Diskussionen begleitet und Gespräche sehr, sehr erschwert, wenn nicht sogar verunmöglicht. Wenn Du Dich erinnern willst, dann kannst Du in Deinen eigenen Erlebnisräumen hier gewiss so manche Begebenheit in dieser Richtung ausmachen.

Es ist aus meiner Sicht ein nicht ganz leicht auszumachender Irrtum im Hinschauen auf eine Aussage des Du, Ich könnte in dessen Denkprozess so ohne weiteres einsteigen. Die jeweilige Denkdynamik ist in sich einmalig und kann nicht nachbildend kopiert werden. Noch schärfer ausgedrückt: Dort wo alles so eminent in Bewegung ist (auch in einem mehrheitlich abstrakten Denken lassen sich hinter Schleiern kraftvolle Bewegungen ausmachen und wirken aufeinander) kannst Du „nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen“ (Heraklit).

Wie kommt dann aber Verständigung von Du zu Du zustande? Du kannst nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen, was gleichermassen für den Denkprozess des Du gilt, wie für Deinen eigenen Denkprozess. Kommst Du auf dem Seelengebiet, in dem dies so nach und nach beobachtbar wird, in fortlaufend sich vertiefenden inneren Bewegungen immer mehr voran und kannst Du die Angst in Dir bändigen, bzw. im inneren Gleichgewichtsempfinden immer wieder auflösen, wenn Du einem kleinen Bergbach gleich zwischen Steinen, Gras- und Fels Katerakten in Deinen inneren Bewegungen vorwärts stürzt, auseinander gerissen und zusammen gepresst wirst, dann siehst Du Dich irgendwann wie vor eine innere Wand gestellt, an der nichts mehr weiter zu gehen scheint.

Hier geht im Wortsinne nichts mehr, denn alles, was sich bis an hin in Dir und um Dich bewegt hat, das entpuppt sich als nicht zu Dir gehörig, ist Abbild geprägtes Baugerüst, ist ein auf Dein Ego hin bezogener Ego Wirklichkeitstraum. Verkürzt gesagt, Du bist nicht Es. Es geschieht in Dir und um Dich, aber Du bist Es nicht.

Im inneren Zwiespalt zwischen dem „Tanz der Affen“ in Dir, den Du eigentlich bändigen willst und der Leere, die sich einstellt, wenn sich dies alles als Chimäre entpuppt, als nicht eigentlich zu Dir gehörig, weisst Du nicht, wohin Du Dich nun wenden sollst. Furcht und Angst breiten sich aus, der Boden unter Dir scheint weg zu brechen.

Du - in der Konfrontation mit dem Nichts und in einer gesteigerten inneren Erfahrungsweise mit der Leere. Das Nichts - ein Erlebnisfeld der Verzweiflung des Verstandes, der um seine gewohnten Haltestreben kämpft; die Leere - ein Erlebnisfeld langsam gegenwärtig werdender Bewegungskräfte, deren Tragfähigkeit in der noch Dunkelheit erprobt sein will.

Dies zu verstehen, auf was ich hier gerade hinzudeuten versuche, das ruft ein grosses, ein tiefgreifendes Dilemma mit auf den Plan. Die Begriffe Nichts, Leere und Dunkelheit sind über eine lange Zeit hinweg überlagert worden von einer immer dichter werdenden Patina materialistischer Vorstellungsschichten, so dass an ihre ursprüngliche Gestalt nicht ganz leicht heran zu kommen ist. Hier gewissermassen den Flammenwerfer in Gang zu setzten und alles niederzubrennen auf ein - „ich weis, dass ich nichts weis“ - hin, dazu gehört, konsequent durchgeführt, einiger Mut, denn ich schlage mir im Wortsinne damit unmittelbar und eigenhändig den Boden unter den Füssen weg, auf dem ich vermeintlich stehe.

Wenn ich auf meine Erfahrungen vieler Jahre zurückblicke, dann kann ich nur sagen Unkraut, in Form von Abbildern, also toter, lebensleerer Begriffe oder materialistischer Worthülsen, wächst hier von den verschiedensten Seiten (nicht nur von den oben bezeichneten Begriffen) her immer wieder nach und fordert Dein inneres Beweglich-Werden beständig neu heraus. Entgegen vieler spiritueller Bestrebungen hat der Materialismus bis in vermeintlich spirituelle Begriffe hinein sehr viel mehr seine Anker versenkt, als gemeinhin bemerkt wird.

Ernst genommen hat dies eine grosse individuelle Verantwortung zur Folge. Ich kann mich auf keine Aussage eines anderen Menschen mehr und sei es auch „ein noch so grosser Lehrer“ dauerhaft gleichsam setzten ohne, erwachend zu mehr Eigentätigkeit, diese Aussage bewegt in Bewegung zu prüfen und zu individualisieren, mit eigenen inneren Anschauungen erlebend zu durchdringen. Mit anderen Worten ausgedrückt mich beständig wiederum neu auf den Nullpunkt eigener Gegenwärtigkeit sachbezogen und nicht voreilig rechthaberisch zu zu bewegen.

Du sprichst ja Deinerseits von dem Nullort und der Möglichkeit von dort her einer beständigen Entkristallisation, Verflüssigung im inneren Durchdringen von Begriffen zu zu wachsen, Dich bewegt in Bewegung innerlich transparent in der eigenen Anschauung erfahren zu können in Resonanz mit rein geistigen Lichtschwingungen.

Leicht durch mich verwandelt, wie Du wohl siehst, lächel! Ich hoffe, Du nimmst mir das nicht übel, denn ich hoffe damit mit Dir einen möglichen Weg für weiteres Forschen und Selbsterfahren zu öffnen, für ein Beschreiben des selbst Erfahrenen von unseren jeweiligen Nullpunkten, Nullorten her.

Der Respekt füreinander, auch wenn sich wechselseitig vielleicht einmal nicht eine jede Aussage sogleich erhellen mag, sei der Wächter über unser Bemühen.
Ich grüsse Dich,

Bernhard Albrecht 13.08.2014 



Ein neuer Fadenwurf in einer schwierigen Fragestellung

Warum Du den angefangenen Dialog nicht weiter führst ist Deine Sache Manroe und bedarf keiner Erklärung oder gar einer Rechtfertigung. Wenn ich den Faden jetzt erneut aufgreife, dann tue ich das, weil mich die aufgeworfenen Fragen in Zusammenhang mit Deinem und meinem Sagen weiter beschäftigen. Fühle Dich also nicht genötigt hier mit zu denken. Das Ich spricht, wenn es aus sich heraus und aus nichts anderem als diesem sprechen will. Dies gilt auch für diejenigen Leser, die sich aus einer erweiterten Runde heraus für das bisher hier Gesagte lesend interessiert haben.

Ich lade alle Leser, die als „Ich“ hier sprechen wollen zum „Dialog“ ein. Denn das „Ich“ kann sich seiner selbst nur im Dialog gewahr werden, erfährt Belichtung dadurch, dass es das Wagnis eingeht sich sprechend zu zeigen.

Das Ich ist keine abstrakte Grösse, die gewissermassen auf einem Seziertisch in einem quasi Nullort Vakuum unter einem Mikroskop analysiert werden könnte. Das Ich ist eine Bewegungsentität, ist eine Kraftgestalt und kann demgemäss also nur in Bewegung, in bewegter Selbstbefragung überhaupt zu einer inneren Anschauung seiner selbst gelangen, zu einer Erfahrung in Bewegung werden.

Das Ich lässt sich mit Vorstellungen, gleich welcher Art, nicht einfangen oder abstrakt auch nur annähernd verstehen. Es ist eine einzigartige Kraftgrösse. Als diese kann es in einer Persönlichkeit langsam aufwachen, indem sich der Keimzustand des Ich, wie er in einem Kind von etwa drei Jahren erstmals sich zu regen beginnt in vielfältigen Du - Erfahrungen immer wieder aufs Neue spiegelt, in der Nährlösung dieser Erfahrungen innerlich reift und in Folge mehr und mehr seiner selbst gewahr werdend, in ein Eigenerfahren hinein wächst.

Von einem gewissen Augenblick an schaut das Ich seinem eigenen Auskristallisieren zu. Und diese Erfahrung ist im Anfang so erschütternd, weil Verantwortung einfordernd, dass ein keimend erwachendes Ich sich immer wieder hinter seiner Ego Schürze zu verstecken geneigt ist. Solange, bis die Erfahrung eigener Kraft gross genug ist, dass sie sich auch ungeschützt zeigen kann. In seiner tieferen Potenz ist das Ich nämlich unverletzbar. Dahin allerdings gelangen und in Erfahrungen innerlich stabil bleiben zu können ist ein sehr schweres Unterfangen.

Das Ich in seinem Werden zu schützen ist von da her der tiefere Grund für das Gebot: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Diese Würde zu schützen dafür braucht es den Respekt. Im Reden und Ringen um Klärung in dieser oder jener vielleicht tiefen Erkenntnisfrage ist dem Respekt die oberste Wächter Funktion zugewiesen.

In meinen Augen zeigt sich die Stärke eines Ich in seiner Fähigkeit zum Respekt über alle Grenzen hinweg.

Bernhard Albrecht, 04.04.2015

Mittwoch, 18. März 2015

"Cogito ergo sum" - "Ich denke also bin ich" (noch nicht) ...

"Welches Glück, wenn man mit dem Bewußtseinszustand den man gerade erreicht hat, etwas anfangen kann. www.egoistenblog.blogspot.de Wir sind die Sklaven der Vergangenheit
Dienstag, 10. März 2015 um 17:32:00 MEZ)
Für mich stellt sich im tieferen Hinlauschen auf diese Aussage die weitere Frage: Wann bin ich innerlich gegenwärtig in einem Bewusstseinszustand, in dem etwas gleichsam so zu mir spricht, dass ich damit etwas anfangen kann, sich mir eine Orientierung ergibt, ich mit der eigenen denkenden Prozessgebärde auf ein Sagen aus der Welt hin meinen inneren und äußeren Weg sinnvoll fortsetzen kann? Wann?
Zum eigenen Überprüfen will ich dazu das Folgende sagen. Ich kann mich einem derartigen Zustand, einer dahin gehenden inneren Verfasstheit aus meinem Erfahren schrittweise dann annähern, insoweit ich bereit bin mich mit meinen "eigenen Texten" textkritisch auseinander zu setzen, sie textkritisch unter die Lupe zu nehmen, zum Beispiel dahingehend wie eigenständig diese Texte, die ich tagtäglich in erheblichem Umfang denkend produziere von mir auch nur angemessen durchdacht sind und werden oder wieviele Einschüsse von anderen Denkern ich in "meinem sogenannten eigenständigen Denken" da unbemerkt mitschleife, ohne auch nur daran zu denken die Quellen auszuweisen, bzw. überhaupt für sie ein Bewusstsein zu entwickeln.
Und auch dieses ist mir nach wie vor lohnenswert innerhalb der eigenen Erfahrungswelt von Textentstehungen in innerem Gleichgewicht einer Betrachtung zu unterziehen: Die Textgeschichte der eigenen Textprodukte. Wie hat sich mein Denken durch meine Textprodukte hindurch, mehr oder minder blinde Adaptionen überwindend, entwickelt, verwandelt und möglicherweise metamorphosiert? Nicht nur bei Rudolf Steiner ist eine Textgeschichte nachweisbar, sie könnte zur Standarterfahrung einer jeden Individualität gehören, so ich darauf nur hinschauen will.
In einem weiteren Schritt könnte sodann, sofern ich wirklich kritisch "in erster Linie mit meinen denkend selbst erschaffenen Texten" Umgang gepflegt habe die innere Dynamisierung von eigenen Textelementen, Textsentenzen folgen, was meinem Erfahren nach in ganz natürlicher Weise zu einem Hineinwachsen in die seelische Beobachtung führt. Dass dies kein einfacher Weg ist, das kann schon nach wenigen Versuchen in dieser Richtung durchaus sichtbar werden. Diesen Schritt ernsthaft in Betracht zu ziehen scheint mir aber notwendig  zu sein im Hinblick auf meine Ausgangsfrage oben.

Textkritik im Sinne gegenwärtiger wissenschaftlicher Usancen haftet zunächst etwas Abstraktes an. Einfach aus dem Grund, weil ich mit Texten umgehe, deren begriffsbildende Ursprungsdynamik mir fremd ist, so ich ehrlich zu mir selbst bin und, weil ich nicht Hervorbringer dieser Gedanken war und bin. Mit Ideogenetik und der Ausforschung der Entwicklungsgeschichte eines Textkorpus kann ich mich ein Stück weit dem mir fremden Denken annähern. Ich kann über das mir fremde Denken denken, ich kann es aber nicht eins zu eins als dieses andere Denken denken.
Um hier weiter zu kommen scheint "mir" nur der eine Weg offen zu stehen, mich individuell verantwortungsvoll mit meinem eigenen Denken, den eigenen Vorstellungsbildungsprozessen entschiedener auseinander zu setzen. Verschaffe ich mir hier Zugang zu einem gewissen Bewusstsein, dann kann ich aus meiner Erfahrung heraus auch fremdes Denken mir nach und nach tiefer zu einem Verständnis bringen. Das stösst auf, ich weiss.
Ich bin auf meinem Weg inzwischen zu der Auffassung gelangt, was so nicht einfach übernommen werden kann, sondern jeweils individuell überprüft werden muss, dass abweichend von der Aussage René Decartes: "cogito ergo sum" ("ich denke, also bin ich"), ich eigentlich noch nicht bin, weil ich zwar denke, denkend aber keinen Anschluss an die Quelle meines Denkens, kein Bewusstsein von der Prozess gestaltenden Kraft meines Denkens in mir habe. Dahin zu gelangen ist ein schwieriges Unterfangen und hat mit den Vorstellungsüberlagerungen zu tun, in die ich gewohnheitsmässig solange hinein laufe, wie ich mir selber denkend nicht als ein Fremder gegenüber trete. Ich bewege mich durch Abbilder der sogenannten Wirklichkeit hindurch, abstrakt ..., nicht lebendig; verstandesklar, jedoch nicht im Bewusstsein der schöpferischen Kraftgestalt, die in meinem Denken schlummert. Diese Kraftgestalt gilt es aus meiner Sicht aufzufinden, wenn ich Glück empfinden will mit dem Bewusstseinszustand, den ich gerade erreicht habe.
Glück ist eine besondere Erfahrung von Freiheit, sie ist mit einer Empfindung von innerer Losgelöstheit verbunden. Losgelöst von was? Losgelöst von einer Sicht z.B. auf bestimmte Belange meines Alltags, in die ich mich kurz vor der Erfahrung dieses Glücksmomentes noch verfangen gesehen hatte, ohne Aussicht auf eine befreiende Sicht innerhalb dieses meines gegenwärtigen Alltags. Vorstellungen können wie Klebefallen an mir hängen. Werden sie auf die eine oder andere Weise von mir oder einem anderen in meiner unmittelbaren Umgebung in einem unvorhersehbaren Zeitmoment aufgebrochen, kann dies Glücksmomente auslösen.
Bilden solche Vorstellungsklebefallen aber die Hintergrundstrahlung von Auseinandersetzungen,  wie gegenwärtig um die Herausgabe der SKA durch Christian Clement, dann kann das zu   unüberwindlich erscheinenden Trennlinien führen, die dem Schutz, wie auch einer zeitgerechten Vertretung und Weiterentwicklung des Werkes von Rudolf Steiner abträglich sind.
Ich habe sehr überlegt im Hinblick auf den gegenwärtigen Prozess der Auseinandersetzung um die SKA den Begriff der Vorstellungsklebefalle hier eingeführt. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass, auf welcher Seite ich in einer Auseinandersetzung auch stehen mag immer Vorstellungsverklebungen die sachliche Verständigung behindern oder gar verhindern. Insofern ist höchste Achtsamkeit geboten und keine Seite kann für sich auch nur leise in Anspruch nehmen, sie sei von der Möglichkeit einer Verfilzung in solche Zusammenhänge weit entfernt, weil ja die Anderen in dieser oder jener Weise unmöglich argumentieren würden. Wer so meint denken zu können, der hat sich aus meiner Erfahrung heraus noch nicht nahe genug an "seine individuelle Schwellensituationen" in diesem raum-zeitlichen Zusammenhang heran bewegt. Mag er sich auch noch so sehr nur für eine Randfigur in einem derartigen Auseinandersetzungsprozess halten, jenseits möglicher Hauptlinien ist auch er mitverantwortlich vernetzt und damit schmerzlich betroffen gewissermassen seinen inneren Überwindungspunkt seelisch beobachtend ausfindig zu machen und in der Konsequenz einer derartigen Beobachtung aufzulösen.
Abschließend stellen sich mir aus der seelischen Beobachtung zwei dynamische Begriffsstränge vor Augen und das sind die sogenannte kalte Abstraktion, wie ihr entgegengesetzt wirkend die heisse Abstraktion in der individuellen Denkbewegung, die je spezifische Vorstellungsklebefallen vor sich herschieben. Mondenhaft stellen sich diese Klebefallendynamiken in unterschiedlichen Schattenausdrucksformen vor die sich anbietenden Möglichkeiten zu einem Ichausdruck. Aus dem Ringen um dynamische Gleichgewichtsfindung innerhalb meiner seelischen Beobachtungen wird so immer wieder eine selbstverantwortete Manifestation dynamisch tatsächlicher Art, also eine lebendig vom Herzen her getragene Wertschätzung gegenüber gerade auch anders denkenden Menschen unterlaufen.
Die uralte Frage: "was wirret Dir," beinhaltet die Frage eigener Willensumkehr und damit Willenserweckung über das "cogito ergo sum" im bisanhin standardisierten Verständnis hinaus. "Ich denke, also bin ich," wird aus meiner Sicht erst dort voll wirksam, wo das Ich, die Abstraktion überschreitend, aus der seelischen Beobachtung heraus im Willen erwachend in seine Selbstverantwortung gegenüber dem Weltprozess aktiv hinein wächst.
Ich weiß, dass ich mit diesem Sagen ein hoch sensibles Feld betrete, mit der Folge damit auch einen Sturm im Wasserglas auslösen zu können. Deshalb will ich hier noch anmerken, dass diese Gedankengänge lediglich meine Art der Verarbeitung tiefer Betroffenheiten in zahlreichen still verfolgten Dialogen im Zusammenhang mit der Herausgabe der SKA darstellt. Ich, (wir?) stehen vor einer Pforte des Herzensmutes. ...

© Bernhard Albrecht Hartmann, 18.03.2015