Mittwoch, 18. März 2015

"Cogito ergo sum" - "Ich denke also bin ich" (noch nicht) ...

"Welches Glück, wenn man mit dem Bewußtseinszustand den man gerade erreicht hat, etwas anfangen kann. www.egoistenblog.blogspot.de Wir sind die Sklaven der Vergangenheit
Dienstag, 10. März 2015 um 17:32:00 MEZ)
Für mich stellt sich im tieferen Hinlauschen auf diese Aussage die weitere Frage: Wann bin ich innerlich gegenwärtig in einem Bewusstseinszustand, in dem etwas gleichsam so zu mir spricht, dass ich damit etwas anfangen kann, sich mir eine Orientierung ergibt, ich mit der eigenen denkenden Prozessgebärde auf ein Sagen aus der Welt hin meinen inneren und äußeren Weg sinnvoll fortsetzen kann? Wann?
Zum eigenen Überprüfen will ich dazu das Folgende sagen. Ich kann mich einem derartigen Zustand, einer dahin gehenden inneren Verfasstheit aus meinem Erfahren schrittweise dann annähern, insoweit ich bereit bin mich mit meinen "eigenen Texten" textkritisch auseinander zu setzen, sie textkritisch unter die Lupe zu nehmen, zum Beispiel dahingehend wie eigenständig diese Texte, die ich tagtäglich in erheblichem Umfang denkend produziere von mir auch nur angemessen durchdacht sind und werden oder wieviele Einschüsse von anderen Denkern ich in "meinem sogenannten eigenständigen Denken" da unbemerkt mitschleife, ohne auch nur daran zu denken die Quellen auszuweisen, bzw. überhaupt für sie ein Bewusstsein zu entwickeln.
Und auch dieses ist mir nach wie vor lohnenswert innerhalb der eigenen Erfahrungswelt von Textentstehungen in innerem Gleichgewicht einer Betrachtung zu unterziehen: Die Textgeschichte der eigenen Textprodukte. Wie hat sich mein Denken durch meine Textprodukte hindurch, mehr oder minder blinde Adaptionen überwindend, entwickelt, verwandelt und möglicherweise metamorphosiert? Nicht nur bei Rudolf Steiner ist eine Textgeschichte nachweisbar, sie könnte zur Standarterfahrung einer jeden Individualität gehören, so ich darauf nur hinschauen will.
In einem weiteren Schritt könnte sodann, sofern ich wirklich kritisch "in erster Linie mit meinen denkend selbst erschaffenen Texten" Umgang gepflegt habe die innere Dynamisierung von eigenen Textelementen, Textsentenzen folgen, was meinem Erfahren nach in ganz natürlicher Weise zu einem Hineinwachsen in die seelische Beobachtung führt. Dass dies kein einfacher Weg ist, das kann schon nach wenigen Versuchen in dieser Richtung durchaus sichtbar werden. Diesen Schritt ernsthaft in Betracht zu ziehen scheint mir aber notwendig  zu sein im Hinblick auf meine Ausgangsfrage oben.

Textkritik im Sinne gegenwärtiger wissenschaftlicher Usancen haftet zunächst etwas Abstraktes an. Einfach aus dem Grund, weil ich mit Texten umgehe, deren begriffsbildende Ursprungsdynamik mir fremd ist, so ich ehrlich zu mir selbst bin und, weil ich nicht Hervorbringer dieser Gedanken war und bin. Mit Ideogenetik und der Ausforschung der Entwicklungsgeschichte eines Textkorpus kann ich mich ein Stück weit dem mir fremden Denken annähern. Ich kann über das mir fremde Denken denken, ich kann es aber nicht eins zu eins als dieses andere Denken denken.
Um hier weiter zu kommen scheint "mir" nur der eine Weg offen zu stehen, mich individuell verantwortungsvoll mit meinem eigenen Denken, den eigenen Vorstellungsbildungsprozessen entschiedener auseinander zu setzen. Verschaffe ich mir hier Zugang zu einem gewissen Bewusstsein, dann kann ich aus meiner Erfahrung heraus auch fremdes Denken mir nach und nach tiefer zu einem Verständnis bringen. Das stösst auf, ich weiss.
Ich bin auf meinem Weg inzwischen zu der Auffassung gelangt, was so nicht einfach übernommen werden kann, sondern jeweils individuell überprüft werden muss, dass abweichend von der Aussage René Decartes: "cogito ergo sum" ("ich denke, also bin ich"), ich eigentlich noch nicht bin, weil ich zwar denke, denkend aber keinen Anschluss an die Quelle meines Denkens, kein Bewusstsein von der Prozess gestaltenden Kraft meines Denkens in mir habe. Dahin zu gelangen ist ein schwieriges Unterfangen und hat mit den Vorstellungsüberlagerungen zu tun, in die ich gewohnheitsmässig solange hinein laufe, wie ich mir selber denkend nicht als ein Fremder gegenüber trete. Ich bewege mich durch Abbilder der sogenannten Wirklichkeit hindurch, abstrakt ..., nicht lebendig; verstandesklar, jedoch nicht im Bewusstsein der schöpferischen Kraftgestalt, die in meinem Denken schlummert. Diese Kraftgestalt gilt es aus meiner Sicht aufzufinden, wenn ich Glück empfinden will mit dem Bewusstseinszustand, den ich gerade erreicht habe.
Glück ist eine besondere Erfahrung von Freiheit, sie ist mit einer Empfindung von innerer Losgelöstheit verbunden. Losgelöst von was? Losgelöst von einer Sicht z.B. auf bestimmte Belange meines Alltags, in die ich mich kurz vor der Erfahrung dieses Glücksmomentes noch verfangen gesehen hatte, ohne Aussicht auf eine befreiende Sicht innerhalb dieses meines gegenwärtigen Alltags. Vorstellungen können wie Klebefallen an mir hängen. Werden sie auf die eine oder andere Weise von mir oder einem anderen in meiner unmittelbaren Umgebung in einem unvorhersehbaren Zeitmoment aufgebrochen, kann dies Glücksmomente auslösen.
Bilden solche Vorstellungsklebefallen aber die Hintergrundstrahlung von Auseinandersetzungen,  wie gegenwärtig um die Herausgabe der SKA durch Christian Clement, dann kann das zu   unüberwindlich erscheinenden Trennlinien führen, die dem Schutz, wie auch einer zeitgerechten Vertretung und Weiterentwicklung des Werkes von Rudolf Steiner abträglich sind.
Ich habe sehr überlegt im Hinblick auf den gegenwärtigen Prozess der Auseinandersetzung um die SKA den Begriff der Vorstellungsklebefalle hier eingeführt. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass, auf welcher Seite ich in einer Auseinandersetzung auch stehen mag immer Vorstellungsverklebungen die sachliche Verständigung behindern oder gar verhindern. Insofern ist höchste Achtsamkeit geboten und keine Seite kann für sich auch nur leise in Anspruch nehmen, sie sei von der Möglichkeit einer Verfilzung in solche Zusammenhänge weit entfernt, weil ja die Anderen in dieser oder jener Weise unmöglich argumentieren würden. Wer so meint denken zu können, der hat sich aus meiner Erfahrung heraus noch nicht nahe genug an "seine individuelle Schwellensituationen" in diesem raum-zeitlichen Zusammenhang heran bewegt. Mag er sich auch noch so sehr nur für eine Randfigur in einem derartigen Auseinandersetzungsprozess halten, jenseits möglicher Hauptlinien ist auch er mitverantwortlich vernetzt und damit schmerzlich betroffen gewissermassen seinen inneren Überwindungspunkt seelisch beobachtend ausfindig zu machen und in der Konsequenz einer derartigen Beobachtung aufzulösen.
Abschließend stellen sich mir aus der seelischen Beobachtung zwei dynamische Begriffsstränge vor Augen und das sind die sogenannte kalte Abstraktion, wie ihr entgegengesetzt wirkend die heisse Abstraktion in der individuellen Denkbewegung, die je spezifische Vorstellungsklebefallen vor sich herschieben. Mondenhaft stellen sich diese Klebefallendynamiken in unterschiedlichen Schattenausdrucksformen vor die sich anbietenden Möglichkeiten zu einem Ichausdruck. Aus dem Ringen um dynamische Gleichgewichtsfindung innerhalb meiner seelischen Beobachtungen wird so immer wieder eine selbstverantwortete Manifestation dynamisch tatsächlicher Art, also eine lebendig vom Herzen her getragene Wertschätzung gegenüber gerade auch anders denkenden Menschen unterlaufen.
Die uralte Frage: "was wirret Dir," beinhaltet die Frage eigener Willensumkehr und damit Willenserweckung über das "cogito ergo sum" im bisanhin standardisierten Verständnis hinaus. "Ich denke, also bin ich," wird aus meiner Sicht erst dort voll wirksam, wo das Ich, die Abstraktion überschreitend, aus der seelischen Beobachtung heraus im Willen erwachend in seine Selbstverantwortung gegenüber dem Weltprozess aktiv hinein wächst.
Ich weiß, dass ich mit diesem Sagen ein hoch sensibles Feld betrete, mit der Folge damit auch einen Sturm im Wasserglas auslösen zu können. Deshalb will ich hier noch anmerken, dass diese Gedankengänge lediglich meine Art der Verarbeitung tiefer Betroffenheiten in zahlreichen still verfolgten Dialogen im Zusammenhang mit der Herausgabe der SKA darstellt. Ich, (wir?) stehen vor einer Pforte des Herzensmutes. ...

© Bernhard Albrecht Hartmann, 18.03.2015