Donnerstag, 25. Dezember 2014

Notwendiges Beginnen

Einige Anmerkungen zu dem gegenwärtig auf www.egoistenblog.blogspot.com laufenden Dialog der von Christian Clement herausgegebenen SKA  (Steiner Kritische Ausgabe).

Lieber Christian Clement

Das Leben ist ein Fluss vielfacher Geschehnisse und damit verbundener Resonanz Prozesse, denen achtsame Gegenwärtigkeit geschuldet ist, deshalb kann ich mich nur sehr bedingt zeitnah in die Dialoge um die SKA einschalten.
Wenn auch verspätet, so freue ich mich dennoch wenigstens einige wenige Gedanken zu den hier in der letzten Zeit Geäusserten einstellen zu können. Zu weiteren Dialogpunkten mich zu äussern werde ich hoffentlich noch später Gelegenheit finden.
Ein Fachphilosoph im engeren Sinne des Verständnisses ist Rudolf Steiner nicht gewesen. Dass er über ein grosses philosophisches Wissen verfügte, dass dürfte hingegen durch seine Publikationen auf diesem Felde hinreichend belegt sein. Dies führt mich zu der Frage, was zeichnet einen philosophischen Denker aus und welches Gewicht kommt in diesem Zusammenhang den offenkundigen arbeitstechnischen Mängeln zu, die in der wissenschaftlichen Diskussion um Werk und Person Rudolf Steiners immer wieder vorgebracht werden.
Wenn ich hier die Aussage von Professor Heinrich von Stein zu der Dissertation Rudolf Steiners heranziehe, dann wird darin in wenigen Worten Wesentliches zu meiner oben angeführten Frage zum Ausdruck gebracht.
"Ihre Dissertation ist nicht so, wie man sie fordert; man sieht ihr an, dass Sie sie nicht unter der Anleitung eines Professors gemacht haben; aber was sie enthält, macht möglich, dass ich sie sehr gerne annehme."
Aus meiner Sicht sind diese Worte so zu lesen:
Heinrich von Stein erkennt nicht nur die selbständige Denkart Rudolf Steiners, er stuft darüber hinaus gehend die aus dieser Denkart hervorgehenden Gedanken als so wertvoll ein, dass er trotz unabweisbarer Mängel der Arbeit, was ihren technischen Unterbau betrifft, bereit ist diese Arbeit anzunehmen. Er hätte sie ja mit der Bemerkung zurückweisen können: Kommen Sie wieder, wenn sie zu ihren bemerkenswerten Gedanken auch noch den wissenschaftlichen Apparat erarbeitet haben. Die eigenständigen Gedankengänge Rudolf Steiners in den Vordergrund schiebend ist er vielmehr bereit sich über die offenkundigen Mängel hinweg zu setzen und die Arbeit nicht nur entgegen zu nehmen, sondern "sehr gerne" anzunehmen.
Ich leite daraus für den wissenschaftlichen Apparat dieser Arbeit die Note ausreichend bis mangelhaft, für die Gedankenführung die Note gut bis sehr gut ab. Aber was mir beinahe noch wichtiger erscheint, das in diesen wenigen Worten zum Ausdruck kommt, das ist der Respekt Heinrich von Steins, den er mit seinen Worten Rudolf Steiner zuspricht.
Warum hebe ich an dieser Stelle den Respekt so hervor, weil ich denke, dass dies, selbst auf die Gefahr hin, dass ich mich mit dieser Aussage schwer in die Nesseln setze, da ich sie nicht zu begründen gedenke, sondern die Verifizierung einer vertieften eigenen forschenden Arbeit unter Einbeziehung der Methode der seelischen Beobachtung überlassen möchte, dass Respekt zu leben ein tiefer Wesenszug Rudolf Steiners war.
Diesen Faden noch ein wenig weiter spinnend will ich fragen, haben zumindest gewisse Kreise unter den Anthroposophen in Tateinheit schon ein respektvolles Verhältnis zu Rudolf Steiner entwickelt? In meinen Augen bedeutet es nämlich einen Menschen auf den Thron der Unerreichbarkeit zu setzen diesen "Mensch" nicht zu respektieren. Respekt hat etwas mit Augenhöhe zu tun, auch mit innerer Freiheit. Schwärmerische Verehrung oder schleichende Kanonisierung seines Wissensstandes als unumstösslichen Massstab eigenen Denkens halte ich diesem Menschen gegenüber nicht für respektvoll  und betrachte ich auch nicht als zeitgemäss.
Gleicherweise erhebt sich für mich die Frage nach der Seite der Kritiker Rudolf Steiners hin, die über Rudolf Steiner zu einem Urteil kommen - unter Umgehung von dessen zentralen wissenschaftlichem Ansatz, der Anwendung der Methode der seelischen Beobachtung. Pointiert gefragt: In welcher Zeit leben diese Kritiker? Sind sie nicht auf eine andere Weise "ihrem Wissenschaftssystem gläubig verbunden," wie gewisse Anthroposophen "ihrer Vorstellung von Hellsichtigkeit." Ist diese Vorstellung im Durchgang durch die seelische Beobachtung kompatibel mit der Aussage Rudolf Steiners, dass es für die Zukunft darauf ankomme im Denken sichtig zu werden?
Wie steht es daher um einen von beiden Seiten in grössere Tiefen vordringen wollenden Wissenschaftsgeist?
Rudolf Steiner lebte in einem tiefen Respekt gegenüber den philosophischen Denkern, mit denen er sich auseinandersetzte, nicht zuletzt auch gegenüber der Denkweise z.B eines Immanuel Kant, wo ihm im Zuge seiner Umgangsweise mit diesem von seinen Kritikern vorgehalten wurde, er habe ihn nicht verstanden. Nehme ich derartige Vorhaltungen im Ansatz ernst, so ergibt sich notwendigerweise, was bedeutet dann im Sinne der Intentionen Rudolf Steiners verstehen? War seine Absicht Kant und andere Denker eins zu eins in seinem Denken abzubilden oder suchte er den Metamorphose Ansatz im Denken eines Immanuel Kants ausfindig zu machen? Und wenn dem so sein sollte, ergeben sich aus dieser Sichtweise dann nicht mindestens zwei Weisen verstehenden Umgangs mit Kant? Die systematisch analytische Herangehensweise und die einer durch Metamorphosen hindurch sich wandelnden intuitiven Herangensweise!
Der analytisch vorgehende Wissenschaftler wird keine Mühe haben Rudolf Steiner Mängel im Umgang mit Gedankengängen Immanuel Kants nachzuweisen, während der eher intuitive Denker im Blick auf Kant scheinbare Gedankensprünge,  ein Ausser-acht-lassen von diesem und jenem als ein besonderes Vermögen im Denken Rudolf Steiners zu würdigen weiss Wesentliches in den Gedankengängen eines Denkers wie Kant zu erkennen und weiter zu denken. Beide Sichtweisen sind auf ihre Weise berechtigt. Bedenklich wird die Sache erst dann, wenn zwischen beiden Denkweisen nicht oder ungenügend unterschieden wird und Rudolf Steiner demzufolge unter Gesichtspunkten eine Bewertung seiner Sichtweise auf Kant erfährt, die ihm sachlich nicht zugeordnet werden kann, weil er ein völlig anderes Ziel im Umgang mit Kant verfolgte.
Wenn ich die inneren Bewegungen, die in der Fachphilosophie ablaufen, um in einem Bilde zu sprechen, als der Tendenz nach mit einem eher trägen Lavastrom vergleiche, dann kann es eigentlich nicht verwundern, wenn aus dieser Hintergrundbewegung im Denken, Rudolf Steiner nicht als Fachphilosoph gesehen werden kann. Aus dieser Haltung heraus ist die diesbezügliche Einschätzung unwidersprochen als stimmig anzusehen.
Zum Fachphilosophen fehlte die breit abgestützte Systematik in den Herleitungen seiner Gedankengänge zu Kant und anderen Denkern. War deshalb sein Blick auf diese Philosophen ein verkürzter? Oder war er sogar tendenziös oder schlampig in der Verarbeitung gewisser Gesichtspunkte von Spinoza, Kant und Fichte, hat er Fichte gar abgekanzelt? Ich denke nein, denn er hatte für sich eine ganz andere Herangehensweise an die Philosophie gewählt, als dazumal üblich.
Um das obige Bild fortzusetzen, war Rudolf Steiner aus meiner Sicht heraus im Sinne dieses Bildes eher ein durch die Philosophie eilender intuitiver Funken Schlag, mit einem tiefen Sinn für die Punkte, wo einzelne Denker seiner Zeit fortgedacht werden konnten und mussten. Damit berührte er natürlich von vornherein bestimmte akademisch, intellektuelle Narzissmen auf eine subjektiv unangenehme Weise und zog mit dieser seiner Art des Herangehen von Anfang an Ablehnung auf sich. Aber wer Neulande zu betreten sich anschickt, der kann auf Bedenken Träger nur bedingt Rücksicht nehmen. Die Geschichte der Entdeckungen zeigt das zu Genüge. Er musste seinen Weg gehen und konnte nicht darauf Rücksicht nehmen, ob ihm andere auf diesem Weg unmittelbar folgen konnten, sonst wäre er "gestürzt." (Nebenbemerkung: Auch Spinoza musste sich von seiner jüdischen Gemeinde durch viele Anfeindungen hindurch zuerst trennen, um seinen Weg gehen zu können.)
Rück - Sicht! Rudolf Steiner musste das Zurückschauen, die Sicht nach hinten radikal abschneiden, um im Gehen nach "Vorne" nicht zu straucheln. Das ist der Preis, den ein jeder Neulandgeher hinterlegen muss, wenn er Sichten auf Neues, wenn er die Fenster aufreissen will, um einem zu erweiternden wissenschaftlichen Forschen den Weg zu öffnen. Wie hoch der Preis für solches Handeln sein kann, das führt uns das Schicksal von Sokrates deutlich vor Augen. Seine Zeitgenossen fällten über ihn das Todesurteil, setzten ihn dem öffentlichen Geschrei aus, er verführe die Jugend durch Spekulationen, er sei ein Gotteslästerer. Sie peitschten ihn seelisch betrachtet lieber aus, als selbsttätig gedankenkünstlerisch sich dem Nichts zu stellen.
Von heute aus betrachtet hiesse das im Hinblick auf Rudolf Steiner von den eigenen Vorstellungen soweit zurück zu treten, sie zu löschen, dass damit ein existentiell innerlich zu beobachtender Erfahrungsprozess des "ich weiss, dass ich nichts weiss" (Sokrates) vor jeder möglichen Spekulation oder Quellenbelegung in Erscheinung zu treten eine Chance bekommt.
Ich für mich wenigstens vermisse im heutigen Wissenschaftsbetrieb so manches Mal den tiefer greifenden interpretatorischen Umgang mit Quellenmaterial. Die Quelle als Manipulationsinstrument, als Vernebelungskanone "gegenüber dem eigenen Bewusstsein" des Forschenden, das auch nur eine gewisse Zeit innerlich Aushalten des "ich weiss, dass ich nichts weiss," bei aller scheinbar stringent in Erscheinung tretenden Quellenlage, das Christian Clement, das scheint mir dem heutigen Wissenschaftsbetrieb mancherorts zu fehlen. Naive Quellengläubigkeit verhindert vertieftes wissenschaftliches Forschen! Könnte das nicht sein?
Um genau dies etwas mehr zu konkretisieren, war es von Dir Christian, in der Art und Weise wie es geschehen ist, nicht etwas naiv hier davon zu sprechen Rudolf Steiner habe sich mit dem Gedanken getragen einen Doktortitel sogar zu kaufen? Bei dem gegenwärtig hoch sensibilisierten gesellschaftlichen Umgang, was den Erwerb eines Doktortitels auf der Grundlage einer seriösen wissenschaftlichen Arbeitsweise betrifft? Hast Du Dir da nicht möglicherweise ein Eigentor geschossen, was die Akzeptanz Deines wissenschaftlichen Arbeitens zu Rudolf Steiner in gewissen Kreisen der Anthroposophenschaft angeht, unter Menschen, die ihr Idol durch eine solche "Arbeitsweise" beschädigt sehen? Und hast Du Dir vielleicht sogar, ohne es zu bemerken, noch ein weiteres Eigentor geschossen gegenüber Deinen textkritischen wissenschaftlichen Kollegen im weltweiten gesellschaftlichen Umfeld? Können einige dieser Kollegen auf der Grundlage dieser Deiner Bemerkungen, wenn sie ohnehin schon einen inneren Vorbehalt gegenüber Rudolf Steiner in sich tragen, nicht dahin gelangen, mit diesem "Wissenschaftler" müssen wir uns weiter nicht ernsthaft beschäftigen und auseinandersetzen? Ist es für Dich nachvollziehbar, dass in bestimmten entscheidenden Situationen unter Menschen ein Weniges genügen kann, ob ein Mensch einen Schritt vorwärts oder zurück macht?
Und auch dies will ich noch anmerken: Du kannst nach meinem Verständnis hier auf diesem Blog Dich nicht privat äussern. Du bewegst Dich im wissenschaftlichen, wie im privaten Sinne immer im gleichen Medium, nämlich in Deinem Denken. Wissenschaftliches Denken ist abstrakt formal nicht von privatem Denken zu trennen. Über alle methodischen und handwerklichen Besonderheiten des wissenschaftlichen Denkens gegenüber einem gewissermassen privatem Denken hinaus könnte sich Wissenschaftlichkeit gerade dadurch auszeichnen, dass wissenschaftliches Denken sich in jeder Lage in der eigenen Haltung klar und präzise zum Ausdruck bringt. Gegen alle etwa davon abweichenden Gewohnheiten auf diesem Felde verbinde ich wissenschaftliches Denken mit einer inneren Haltung des Respektes.
Müssen von daher gesehen Argumente, die ich im anthroposophische privaten Bereich vorbringe nicht einer erhöhten Achtsamkeit unterzogen werden, weil vor allem Denken Gefühlsverbindungen zu Rudolf Steiner verletzt werden können. Wenn also das Denken in einem solchen Zusammenhang Deinen Argumenten folgen können soll, müssen dann Deine diesbezüglichen Argumente nicht sehr viel mehr belegt sein, d.h. durch Quellenquerverweise vernetzt und durch die eigene Haltung bezeugt, wenigstens aber freilassend hinterfragt werden?
Tretminen sind durch Unachtsamkeit schnell gelegt.
Auch ironischer Sarkasmus, den Michael im Verlauf des Dialogs oben geistesgegenwärtig sogleich zurecht gerückt hat, ist, auch wenn er Dich innerlich für einen kleinen Augenblick entlastet haben mag, letztlich nicht zielführend. Unterbewusst bleibt da in so manchem Leser einiges hängen, was im weiteren Verlauf dann Deine Arbeit beeinträchtigt. Du baust Dir nicht unwesentlich das Bett für Deine Arbeit. Es sind nicht die Anderen, die Dich behindern, auch wenn es vordergründig so erscheinen mag.
Doch ich will hier noch einmal zurückgreifen und den Gedanken Faden von weiter oben weiterführen.
Rudolf Steiners Art selektiver Argumentationsführung kann aus meiner Sicht nicht wirklich verstanden werden ohne eine subtilere Kenntnis der mittelalterlichen Disputatio. Diese Rede- und Argumentationskunst, auf dem Höhepunkt der Scholastik, arbeitete stark selektiv und hatte in der Auswahl einzelner Argumentationssentenzen doch das Ganze des philosophischen Gegenspielers im Auge. Die Disputatio war kämpferisch ausgerichtet, sie war zeitgleich aber auch ein geistiges Fitnesstraining, wie auch ein Spiel reiner Freude im Umgang mit dem Wort. Auch nur annähernd Vergleichbares gibt es aus meiner Kenntnis heute nicht mehr.
Für eine derartige Mobilität im Denken zeitgemäss wieder ein Tor zu öffnen, das scheint mir eine Hintergrund-Zielperspektive Rudolf Steiners im Verlauf des Schreibens seiner Philosophie der Freiheit gewesen zu sein, - neben dem Entwickeln und Darstellen der Methode der seelischen Beobachtung.
Hat Rudolf Steiner deshalb Fichte abgekanzelt, wenn er dem Anschein nach verkürzt Aussagen von ihm zielführend in seinem Sinne verwendete? Hat er das wirklich, hat er das Christian Clement? Disputatio - dem freien Geist ein Tor öffnen?!
Ich habe ja oben schon auf die möglicherweise manipulative Kraft zweifelsohne notwendiger Quellenapparate verwiesen. Unter dem Diktat von Quellenapparaten könnte ja unter Umständen der Blick für das Wesentliche, das Rudolf Steiner in diesem Zusammenhang im Auge gehabt hat, verloren gehen. Wenn Du also Rudolf Steiner diesbezüglich kritisch befragst, muss dann nicht auch die Quelle dazu kritisch auf ihren tieferen Aussagegehalt hin befragt werden, bzw. die blitzschnell und unbewusst ablaufenden Vorstellungsüberlagerungen im "wissenschaftlich forschenden" Umgang mit dieser Quelle. Möglicherweise passt sie gar nicht zu der "Aussage Dynamik" von Rudolf Steiner an dieser Stelle.
Bin ich achtsam mit den Vorstellungen umgegangen, die ich in strenger innerer Selbstdisziplin innerhalb der wissenschaftlichen Klärungsarbeiten zu Rudolf Steiners Arbeitsweise gleichsam wie unter die Lupe genommen habe oder ist es mir entgangen, dass ich unbedachter Weise eigene Vorstellungen der Quelle vor gängig unterschoben habe, um sie im Nachgang dann als scheinbare von der Quelle belegte Tatsachenaussagen der Quelle wiederum zu entnehmen. Ist das Spekulation?
Ich denke nein, denn aus meiner Sicht fängt genau an dieser Stelle das wirklich eigenständige Denken überhaupt erst an. Die seelische Beobachtung kann innerhalb eines wissenschaftlichen Diskurses viel mehr erhellen, als aus meiner Sicht heraus bei Unternehmungen dieser Art bisher schon geschehen. Und damit komme ich zu einem vorläufig letzten Strang von Anmerkungen zu Deiner Arbeit an der SKA.
Wenn in der Zeitschrift "Nature" ein neue Entdeckung innerhalb wissenschaftlicher Forschungsarbeiten zur Quantenphysik publiziert wird, dann bemühen sich innerhalb weniger Tage zahlreiche Forschungsinstitute auf der ganzen Welt darum den publizierten Versuch nachzustellen, um ihn zu verifizieren, bzw. darzulegen, dass ihnen bei ihren eigenen Versuchen eine Verifizierung nicht gelang. Die möglicherweise unterschiedlichen Ergebnisse solcher nachgestellten Versuchsreihen münden in der Folge dann in einen wissenschaftlichen Diskurs, innerhalb dessen das Für und Wider aller Aspekte oft über Jahre hinweg anhaltend erörtert und durch neue Versuchsreihen ergänzt wird, welche die erweiternden Aspekte der vorangegangenen Diskurse in die forschende Betrachtung miteinbeziehen. Soweit so gut.
Rudolf Steiner hat mit seiner Philosophie der Freiheit die naturwissenschaftliche Methode im Vollzug auf den Umgang mit geistigen Prozessen hin beschrieben, um ganz genau zu bleiben, er hat seelische Beobachtungen nach naturwissenschaftlicher Methode vollzogen und beschrieben. Ein Tabu-Bruch vor dem Hintergrund seiner Zeit, denn er hat damit implizit das dualistische Weltbild zugleich in Frage gestellt.
Heute ist es weit verbreitet von Paradigmenwechseln da oder dort zu sprechen. Zu Rudolf Steiners Lebzeiten war es aus meiner Übersicht der damaligen Zeit undenkbar in einer derartigen Weise dieses Grundparadigma auch nur mit einem Wort in Frage zu stellen. Geist und Natur waren zwei Forschungsbereichen zugeordnet und eine  Forschungsmethode, die dezidiert der Forschung an der Natur zugewiesen war, die naturwissenschaftliche Methode auf die Beobachtung des Denkens anzuwenden, das war undenkbar. Im Wortsinn  u n d e n k b a r.
Die sogenannte akademische Wissenschaft hat sich mit der Methode Rudolf Steiners, ich sage das jetzt bewusst argumentativ auf die Spitze getrieben noch nicht wirklich auseinandergesetzt und will doch ein Urteil über ihn fällen?!
Ich will es im Nachgang zur obigen sehr spitzen Argumentation noch einmal anders formulieren. Mit dem Vorhaben Rudolf Steiners, dass es möglich sei seelisch-geistige Prozesse einer naturwissenschaftlichen Beobachtung zu unterziehen, eröffnet er ein neuartiges forschend zu ergründendes Beobachtungsfeld. Auf diesem Felde von der Beobachtung und noch mehr von der Beschreibung her naturwissenschaftlich exakt zu arbeiten ist schwierig. Um beschreibend im Bilde zu sprechen klettert der denkend Forschende gleichsam in innerlichen Denkbewegungen durch Seelenlandschaften, um auf seiner sich voran tastenden Suche die zueinander passenden Denkfäden exakt zusammenzuführen. Das wiederum kann unweigerlich in Situationen hinein führen, in denen der Denkende aus dem Gleichgewicht geraten kann. Mögliche Zusammenhänge entziehen sich wieder und wieder, weil die eigene fokussierende Denkkraft nicht stark genug ist bestimmte Denkbewegungen innerlich exakt zusammenzuführen. Im Bemühen diese Methode zur Anwendung zu bringen können innere Spannungsabfälle in der Fokussierung auf aufzubauende Denkzusammenhänge in jedem Augenblick geschehen und es dauert lange bis es gelingt hier deutlich sichtbare Fortschritte für sich zu erzielen oder anders gesagt eine innerlich nur einigermassen stabile forschende Verfassung herzustellen.
Um an Hand eines Beispiels zu sprechen: Viele, die am Computer arbeiten, beschäftigen sich dabei auch dann und wann mit Bildbearbeitung. Bei dieser Unternehmung wird in unterschiedlichen Ebenen gearbeitet. Die seelische Beobachtung ist aus meiner Erfahrung heraus eine Arbeit gleichsam in fliessenden Gewässern, mit Gegenströmungen sehr wechselhaften Tempos, ist eine Arbeit in blitzschnell sich verlagernden Tiefen Bereichen, unter Umständen weite Zeiten übergreifend und steht dabei, weil dies alles noch nicht genug ist unter dem mehr oder weniger starken Einfluss wechselnder persönlicher seelischer Wetterlagen. Forschen auf einem derartigen Terrain? Da halte ich mich doch lieber an akademisch Bewährtes, bewege mich in abstrakten Gedankenräumen, als mich einer derartigen Virulenz auszusetzen. Deckel drauf und fertig.
Und damit der Zugang zu dieser, in konkret gemeinter Anlehnung an das Höhlengleichnis von Platon, nicht erneut betreten wird, Verschleierung, Verschleierung, Verschleierung; Spekulation, Spekulation, Spekulation. Mit meinen Worten ist die seelische Beobachtung  die Leuchtlampe nach dem Ausstieg aus der Höhle hinein in Sonnenhöhen der Abstraktion für ein Zurück in die selbige, ein Hindurch durch die eigene Unterwelt, hin zur letztendlichen Erfahrung, dass "ich" nie im wirklichen Sinne gefesselt war, ich mich nur durch mein eigenes Denken selber in Fesseln gelegt habe.
Ganz persönlich gesagt, überzieht mich ein Schauer bei der immensen inneren Arbeit und Forschungsaufgabe, die da für viele Generationen von Forschern in die Zukunft hinein aufgetan ist und darauf wartet mutig angegangen zu werden. Bei all dem, was ich mir persönlich im Zuge der Anwendung der seelischen Beobachtung bis in meine Alltagspraxis, oft recht schmerzlich, erarbeitet habe, sage ich mir in diesem Augenblick, Du darfst Dich nicht kopfscheu machen lassen von zu erwartenden Todschlag-Argumenten, wenn Du Dich jetzt in diese beginnende wissenschaftliche Auseinandersetzung einklinkst. Es ist an der Zeit, dass diese Auseinandersetzung verstärkt und hoffentlich in die Tiefe hinein, auch in eine grössere sachliche Fairness aller Beteiligten untereinander eröffnet wird. Ist das naiv gedacht?
Nein es ist aus der Erkenntnis heraus gedacht, dass ich und ein jeder hier in diesem Diskurs sich auf einer sehr konkreten individuellen Entwicklungsebene, in einer  e i n z i g a r t i g e n Entwicklungsdynamik bewegen und Übertragungen oder Erwartungen aus meiner Art des sich Bewegen auf einen anderen sich hier Bewegenden nicht gemacht werden können, ja  k ö n n e n. Sie werden und ich weiss von vorne weg, diese pointierte Aussage wird mir dieser oder jener übel nehmen, möglicherweise sogar sehr übel nehmen, sie werden nicht ineinander passen. Verdächtigungen, Unterstellungen, in Mutmassungen verpackte sogenannte Aha Erlebnisse sind aus meiner Sicht kein Ausdruck eines  g e l e b t e n  freien Geisteslebens. Da haben Eruptionen und Strömungen aus der eigenen Unterwelt heraus mit die Hand am Steuer meines Denkens.
Wenn ich mich recht entsinne, dann hast Du sinngemäß im Verlauf des Dialogs um die SKA vor einiger Zeit einmal gesagt, dass Du noch keinen michaelischen Streiter siehst, der sich in der Arbeit an der SKA an Deine Seite stellen würde. Das hat mich aufhorchen lassen. Und zwar in dem Sinne: Auf einen michaelischen Mitstreiter wirst Du nach meiner Erfahrung solange warten müssen, bis Du Dich selber als ein solcher erwiesen hast. Wie ich es sehe, so hältst Du Dich noch sehr hinter vorgeschobenen abstrakten Denkweisen Deines wissenschaftlichen Verständnisses bedeckt zurück. Die zentralen Fragen zur Methode der seelischen Beobachtung sind aus meiner Sicht noch nicht gestellt. Oder sollte mir da etwas entgangen sein? Ich gebe zu, dass mich nicht nur meine beruflichen Verpflichtungen, die ich nun endlich im Januar abschließen kann, sondern darüber hinaus noch andere weit vernetzte Aufgaben daran hindern Deine Arbeit an der SKA immer zeitnah zu verfolgen.
Ob Du Dich nun in Deiner weiteren Arbeit an der SKA noch mehr aus der Deckung hervorwagen wirst oder nicht, Du wirst weder dem sogenannten wissenschaftlichen Establishment, noch den Pharisäern unter den Anthroposophen gerecht werden können. Da gibt es keine Brücken im äusseren Sinne des Wortes zu bauen. Wenn Du Dir ... und nur Dir aber wissen - schaf (fen) - t - l - "ich" treu sein kannst, dann wird diese Deine standhaft bleibende innere Haltung mehr und mehr ein Ausdruck sein können einer dynamischen Brückenbildung aus der Ich - Bewegung heraus.
Meinen Respekt für Deinen Mut die Aufgabe der SKA anzugehen hast Du und das Vertrauen auf Deine zukünftig noch zu leistende Arbeit auch, selbst wenn dabei herauskommen sollte, dass Du aus meiner Sicht in Deinem wissenschaftlichen Bemühen um einen sachlichen Blick auf Rudolf Steiner andere Wege gehen solltest oder aus Deiner Sicht sachlich belegt zu einem anderen Ergebnis, als ich es aus dieser Sachlage herausarbeiten würde. Solche Art von Unterscheidungen in einem wissenschaftlichen Diskurs tut einem gelebten freien Geistesleben nur gut.
Die Aufgabe, der Du Dich unterziehst, ist einfach zu gross, als dass sie am Ende in jeder Beziehung glatt gelöst in Erscheinung treten kann. Jeder noch so wissenschaftliche Diskurs hat seine Ecken und Kanten und das darf auch so sein, denn wir sind allesamt nur Menschen auf unserem je individuellen Weg zu wachsender Verantwortungsfähigkeit aus dem Ich heraus und damit einher gehenden fortschreitend grösseren menschlichen Reife.
Ich grüsse Dich,

Bernhard Albrecht Hartmann

PS.: ... ungewöhnlich ... dieser Gedankengang vielleicht, ... aber könnte es nicht sein, dass, weil ich im Blick auf dunkle Flecken im eigenen Bewusstseinsfeld mir selber gegenüber nicht barmherzig begegnen, ich auch gegenüber anderen Menschen, die meinen Lebensweg kreuzen in bestimmten Momenten nicht mehr Barmherzigkeit walten lassen kann? Brüche zwischen Menschen oder innerhalb von Menschengemeinschaften sind sie vielleicht letztendlich auf eine unbarmherzige Haltung mir selber gegenüber zurück zu führen? ...


Dienstag, 11. November 2014

"... Im Elemente des Ursprungs ..."

„Im Denken steht der Mensch im Elemente des Ursprungs der Welt, hinter dem etwas anderes zu suchen als sich - den Denker - selbst, für den Menschen keine Veranlassung besteht.“ Carl Ballmer

Was ist aber dann dieses Element des Ursprungs und was heisst es in der konkreten Erfahrung in diesem Elemente zu stehen, sich im Stehen in der inneren Aufrichte halten zu können? Ist das Denken wirklich das Element mit dem ich im Ursprung stehe, stehen kann? Und wenn dem so sein sollte, in welcher Weise und wann kann ich dann von einem Denken, in dem der Mensch zeitgleich im Ursprung der Welt steht, sprechen?
Stehen ist eine Kraftbewegung gegen die Schwerkraft und eingebunden in diese gegen die Müdigkeit und eigene Schläfrigkeit. Weil ich schläfrig in der seelischen Beobachtung meines Denkens bin, weil ich denke, ohne im tieferen Sinne zu wissen, mit was ich da innerlich eigentlich umgehe, wird mein Körper im Wortsinn zu einem Schwerkraft Element, der das Erfahren der Kraftbewegung im Augenblick möglicher Erfahrung des Denkens und damit des Elementes des Ursprungs sofort wieder verschleiert.
Das klingt nach hartem Tobak und demzufolge heftigem Gegenwind in möglichen Antwort- Argumentationen. Dennoch will ich mein Fragen noch mehr auf die Spitze treiben. 
Wie weit haben wir wirklich ein „echtes Erfahrungswissen“ über das Denken oder bewegen wir uns mit ihm unter dem Feigenblatt angeblicher seelischer Beobachtung mehrheitlich nach wie vor in abstrakten Räumen ohne echten Erfahrungsbezug? Vielleicht sollte ich hier sogar besser und damit gleichzeitig unumkehrbar  noch provokativer sagen, bewegen wir uns nicht in „tendenziell stark abgehobenen Sphären,“ wenn wir vermeintlich denken?
Damit mich hier niemand missversteht, ich unterstelle keinem Leser dieser Zeilen, dass er das Denken gänzlich unbewusst gebraucht. Ich räume nur auf meinem Schreibtisch auf, auf dem sich im Laufe vieler Jahre so allerlei Utensilien über ein so oder anders geartetes Verständnis des Denkens angesammelt haben und lasse für mich dabei keinerlei Tabus in der Herangehensweise auf das Denken mehr gelten.
So frage ich also weiter: Welchen Stellenwert hat der Hinweis Rudolf Steiners in seiner Philosophie der Freiheit auf die „Zurückdrängung des Leibes“ als inneres Erfahrungsfeld in Bezug auf das Denken? Ein aus meiner Sicht viel zu wenig beachteter Zusammenhang in den Auseinandersetzungen über das Denken und die Art und Weise wie dieses dabei in einer inneren „wachsamen“ Weise zur Anwendung kommt. Komme ich durch den Leib zur Erfahrung des Ursprungselementes im Denken? Muss ich etwa, um das Denken wirklich tiefer zu verstehen und anwenden zu können, lernen mit dem ganzen Körper zu denken?
Eine wenig schmeichelhafte Herausforderung für den Denker, der sich sein Leben auf dem Himalaja Plateau seines Kopfdenkens wohlfeil eingerichtet hat?! Es wird ihm grauen vor dem Absturz in die Schluchten des Nichts. Und dennoch führt aus meiner Sicht kein Weg daran vorbei, will ich das Denken und seine Ursprungsqualität auf das Leben hin verstehen, dass ich vorausgehend alle Vorstellungen über das Denken in mir zuerst „löschen“ muss.
Ist Denken in Anlehnung an Sokrates ein Tanz auf dem Felde des „ich weiss, dass ich nichts weiss?“ Ist ein Erfahrungsausblick auf das Denken, ein Erfahren der Kraftgestalt des Denkens letztlich nur über das Aufrecht Stehen Lernen im Nichts zu gewinnen?
Über Nondualität zu reden ist eines, das Wagnis einzugehen  Denken nondual auch erfahren zu wollen ein ganz anderes.
Aus meiner Sicht lässt sich das Lebenswerk Rudolf Steiners auf einen einzigen Satz hin verdichten: Lerne nondual denken!

© Bernhard Albrecht Hartmann, 09.11.2014

Sonntag, 5. Oktober 2014

Pause

Ich gehe in die Ferien und danach in eine kreative Pause, in eine Pause und Neuorientierung auch nach der nunmehr definitiven Beendigung meiner Berufszeit. Mein Schreiben hier auf meinen beiden Blogs „Wege der Befreiung“ und „Ich Quelle“ wird gewiss weiter gehen, in welcher Form, das wird sich zeigen.
Mehr aktive, auch kontrovers denkende und erlebende Leser könnten meine Kreativität in dieser Richtung sicher beflügeln. In diesem Sinne würde ich mir für die Zukunft mehr Mut zum "Dialog" wünschen.
Was ich bisher in Worte zu fassen versuchte, das betrachte ich als Keime, die in den verschiedensten Richtungen weiter gedacht und vertieft werden könnten, nicht nur poetisch. Für mich war und ist die Poesie ein Mittel hoch sensiblen Bewusstseinsvorgängen eine Sprachform angedeihen zu lassen, in der das Wort nicht nur vom Kopf her, sondern gleicherweise vom Herzen her erlebt, wie gedacht werden kann.
Im Denken sehend zu werden, aus meiner Sicht eine Zeitforderung für Menschen, die durch die gegenwärtigen Weltverhältnisse sich nicht nur mehr oder weniger bewusst zwischen Resignation und hemmungsloser Jagd nach diesem oder jenem Hipe langsam aber sicher zerreiben lassen, sondern die Verantwortung ganz aus dem Kleinen der schlichten Bewusstseinsbemühungen ihrer Lebenswelt heraus „bewegen“ und dabei bemerken, dass sie sehr viel mehr bewegen können, als sie zunächst annahmen jemals zu können. Dies ist jedenfalls meine Erfahrung.
Keiner ist eine Insel. Das Ego mag einem eine gewisse Zeit vorgaukeln können, dass dies so sei und Abschottung oder filigraner besserwisserischer Hochmut Mittel der Wahl sein könnten, um in dieser Welt zu bestehen. Wenn nun aber das Ego nicht die sichere Insel, sondern nur der Hafen ist, von dem aus das Ich seine Fahrt zur kreativen Vernetzung mit anderen gleich gesinnten Menschen (nicht unbedingt gleich denkenden Menschen) aufnehmen will, was dann. Dann bleibt nur die Verantwortungsbereitschaft für meine kreativen Beiträge zum Wohle des Ganzen und das Gezerre um ein Recht Haben in diesem oder jenen Aspekt wird zur Nebensache.
Im Vordergrund steht dann das miteinander Weiterdenken, das fragende sich wechselseitige Inspirieren für Lösungen in dieser oder jener Richtung.
Die Begegnung von Ich und Ich auf dem Leuchtschiff des je potentiell evolutionäre Türen öffnen könnenden Du, die echte Begegnung mag dann einen initiatischen Prozess auslösen, in dessen Verlauf sichtbar wird, dass keiner mehr über dem anderen steht, sondern der eine alleine um der Förderung des anderen Willen seinen Weg geht. Mit Mut durch alle äusseren und inneren Wirrnisse hindurch.

Bernhard Albrecht Hartmann

Mittwoch, 25. Juni 2014

Ich

Bewegt in Bewegung. Ich ist nicht, wo diese fliessende Bewegung, dieses bewegt in Bewegung Sein nicht in sich aufgesucht werden kann.
Ich sehe den Einwand. Ich ist nicht?
Das widerspricht dem Anschein nach jeglicher philosophischen Forschung über Jahrhunderte hinweg, die sich um dieses Thema bemüht hat. Es widerspricht auch den Forschungen der Entwicklungswissenschaften, die von einem ersten grossen Schritt der Ich Vergegenwärtigung des Kindes im Alter von etwa drei Jahren ausgehen. Das Kind spricht zum ersten Mal von sich als Ich.
Und jetzt: Ich ist nicht, wenn ...
Ja wenn fliessende Bewegung in sich nicht aufgesucht, wenn eine Erfahrung dieser Art sich nicht eindeutig vergegenwärtigt werden kann. Ja, was nun? Fliessend erfahrene Bewegung in sich soll zum Ich führen und wo diese Bewegung sich nicht vergegenwärtigt werden kann, da ist kein Ich, da ist Ich nicht, noch nicht?  Ja wie nun?
Ich und Bewegung, wie hängen sie zusammen?
Und die andere zwangsläufig sich daraus ergebene Frage? In welcher Beziehung steht dazu die Erfahrung der Leere als scheinbarem Endpunkt einer Bewegung, als Erschöpfungszustand des Verstandes am Abgrund, als Sinnkrise, die heute so viele Lebensbereiche der Menschen durchzieht? Leere und Sturz ins Nichts, Depression.
Nun, ich will hier diese Fragen nicht ins Einzelne gehend ausloten, vielmehr das Augenmerk allein auf einige wenige Tatbestände lenken, die zum Ausgangspunkt von eigenen inneren Erkundungen werden können.
Wer sich auf eine so geartete Selbst Erkundung einlässt, der wird in deren Verlauf unschwer feststellen, dass nur das zu einer Erkenntnis hin reifen kann, was aus einer Eigentätigkeit hervorgeht. Mehr Wissen zu den angedeuteten Zusammenhängen führt, auch dies kann als Selbsterkenntnis aus einem derartigen Erkundungsgang hervorgehen, nur immer näher an eine zunächst schleichend auftretende Depression heran, mit der Folge früher oder später sich in panikartigen inneren Zuständen vor einen schwarzen Abgrund gestellt zu sehen.
Es ist heute eine allgemein zugängliche Erfahrung, dass sich unsere gegenwärtige Verstandestätigkeit als eine seit der griechischen Antike entwickelte Kulturtechnik des Denkens auf ein Aussen bezieht, also dual gepolt ist. Die Folge davon ist, dass sich daraus eine höchst differenzierte abbildende Denktätigkeit, ein abbildendes Wirklichkeitsverständnis entwickelt hat. Die bloss abbildende Tätigkeit des Denkens hat dabei eine derartige Intensität angenommen, dass unkritisch sich selber gegenüber sogar geistige Prozesse  anscheinend nicht mehr anders als abbildend wahrgenommen werden können, mit der Konsequenz eines nahezu durchgehenden materialistischen Weltverständnises.
Es scheint mir in dieser über alle Grenzen hinaus betriebenen Denkbemühung längst nicht mehr um die Abgrenzung von Subjektivität und Objektivität, was den wissenschaftlichen Blick auf die Ergebnisse des Denkens hin betrifft zu gehen, sondern um einen krampfhaft verdeckten Selbstausschluss der Kraftgestalt des Denkens innerhalb eigener innerer Erfahrungsmöglichkeiten schlechthin.
Ich und Welt erleben sich per paradigmatischer Festlegung als getrennt. Ich? Sagte ich nicht, Ich ist nicht, wenn es nicht in fliessender Bewegung, als in Bewegung auftretende Erfahrung erlebend gegenwärtig werden kann. Das aber ist die Schwierigkeit für ein abbildendes Verstandesdenken. Es hat die Verbindung zur schaffenden Bewegung in sich verloren, mit anderen Worten, die Kraftgestalt, aus der im ursprünglich aristotelischen Sinne das Denken genauer besehen hervorzugehen hat, ist dem inneren Blickfeld entschwunden. Dieser Umstand aber ruft das Abgrunderleben von immer mehr Menschen in der heutigen Zeit hervor. Die selbstgeschaffene Dualität im Verhältnis zur Welt muss aus sich heraus dynamisiert werde.
Das mit dem dualen Wirklichkeitsverständnis erworbene Selbstbewusstsein und daraus resultierend die Möglichkeit zur fortlaufenden Selbstbestimmung hat ihren Preis in einer immer offenkundiger zu Tage tretenden Angst, sprich einem fast pandemisch um sich greifenden Sicherheitsbedürfnis auf beinahe allen Ebenen des Seins. Der Mensch stürzt ins Nichts, erlebt sich in einer immer tiefer um sich greifenden Leere, die er durch alle nur erdenklichen Ablenkungen zu unterlaufen, von sich zu weisen sucht. Seine grösste Angst ist es dabei den Boden unter seinen Füssen und damit im Bodenlosen sich selber zu verlieren.
Die  Schnelligkeit, die im äusseren Leben allenthalben gefordert und forciert wird, ist, tiefer betrachtet, ein Hinweis auf die notwendig zu entwickelnde Wachheit für im Inneren eigentätig zu gestaltende und fortlaufend tiefer zu erfahrende Bewegungen. Schwimmenlernen in geistigen Prozessen ist angesagt. Dort aber wo das abbildende Denken unterschwellig immer noch als Massstab für ein sich selbstordnend im Denken Einfinden Können angesehen wird, ist der Sprung über diesen inneren Abgrund hinweg ein immer wieder auf ein Neues sich bemerkbar machendes und zu verdrängendes Ärgernis eigene Entwicklung nur selbstverantwortlich in die Hand  nehmen zu können.
Ich in Bewegung zu erfahren scheint in der Tat für ein zur Gänze in die Abstraktion geratenes Denken unmöglich zu sein.
Dennoch ist die Abstraktion ein nicht zu überspringender höchst bedeutsamer Schritt in der Entwicklung zu selbstbestimmtem Denken, führt sie den Menschen doch an eine einzigartige Grenze heran, an eine Grenze, die, so der denkende Mensch sich eine innere Anschauung von seinem Tun des Grenzganges verschafft, eindrücklich zum Erleben bringen kann, dass an dieser Grenze im eigentlichen Sinne überhaupt kein Abgrund vorhanden ist.
Die Abstraktion ist ein unendlich weites Feld und was in dumpfem Erleben hier einen Abgrund vorgaukelt, das ist genauer besehen der in Kraftlosigkeit hinein zusammenbrechende Ausdruck eigenen Denkens, ist Ausdruck von Muskelkater in Bezug auf die eigenen Möglichkeiten denken zu können. Um das Feld der Abstraktion in seiner verschleierten Imateralität zu durchdringen fehlt die innere Spannkraft. Bildhaft gesprochen liegt der Abstraktion ein Denken im Glashaus zu Grunde. Das der Abstraktion innewohnende Wesenhafte kann nicht erfasst werden, weil dem Denken die Kraft dazu abhanden gekommen ist und Wege diese Kraft aufs Neue zu erwerben zwar vorhanden, aber allem Anschein nach als Quellgrund für ein weitreichendes forschendes Tätigwerden Können noch nicht ernsthaft genug begangen und erkundet werden.
Es mag verwundern, wenn hier gesagt wird, dass die Überwindung oder besser gesagt ein lebensvolles Durchdringen der Abstraktion nur über eine innere Neuausrichtung von Ich und Du im sozialen Raum möglich werden kann. Aus dem einfachen Grunde heraus, weil Gleiches nur durch Gleiches, Wesenhaftes also nur durch Wesenhaftes, Ich und Du als wechselseitig Wesenhaftes nur auf Augenhöhe und in Respekt für einander als gleicherweise wesenhaft erkannt werden können. Gelingt es das Wesenhafte im sozialen Raum sich erneut lebendig vor Augen zu führen,  dann wird es auch möglich werden die Abstraktion in der Wissenschaft aufzubrechen, sie auszurichten auf einen Paradigmenwechsel in der Anschauung immaterieller geistiger Realitäten.
Was als Kraftgestalt hinter dem aristotelischen Denken liegt und was Aristoteles einstmals in seinen Dialogen, soweit sie noch erhalten sind, allem Anschein nach zum Ausdruck gebracht hat, das gilt es im Dialog zwischen Ich und Du erneut an das Licht des Tages, ins Bewusstsein herauf zu heben, wenn die über weite Ereignisfelder hin reichende gegenwärtige Bewusstseinskrise überwunden werden soll. Das Ego als ein Ergebnis dual ausgerichteten Wirklichkeit Verstehens will dynamisiert werden.
Dass ein vertieftes Verständnis, ein Durchschauen der dem Ego zugrunde liegenden Bewegungsdynamik für die Erweiterung des gegenwärtigen Wissenschaftsverständnisses in Richtung auf eine noch zu entwickelnde naturwissenschaftssysthematische Erforschung geistiger Realitäten von entscheidender Bedeutung sein könnte, das kann einem jeden einsichtig werden, der sich auf ein Erkunden der Bewegungsdynamiken innerhalb des Ich Du Prozesses über längere Zeit einlassen mag. Dass damit auf keinen leichten Weg verwiesen wird, das kann nicht verschwiegen werden. Bewusstseinsklarheit zu erringen, ganz gleich auf welchem Arbeitsfeld, das ist noch zu keiner Zeit eine einfache Aufgabe gewesen.
Ein Gewinn, den das abbildende Verstandesdenken in Bezug auf das heutige Wirklichkeitsverständnis gebracht hat, ist aber nicht hoch genug zu bewerten, nämlich ein damit einher gehendes Selbstbewusstsein des Menschen als Basis eines der Möglichkeit nach immer weiter um sich greifen könnenden Freiheitsbewusstseins. Dass an dieses Selbstbewusstsein nicht wenige auch leidvolle Erfahrungen von Verstrickungen in Ego Mustern innerhalb des eigenen sozialen Umgangs eingebunden sein können, das wird ein jeder Zeitgenosse auf seine ganz eigene Weise bestätigen können. Für den Fortgang der Bewusstseinsentwicklung ist das Ego aber nicht zu überwinden, sondern in seiner inneren Bewegungsdynamik anschauend zu verstehen. Kann doch bei genauerem Hinsehen das Ego verstanden werden als die Samenkapsel, aus der durch eine entwickelte Eigentätigkeit das Ich bewegt in Bewegung mehr und mehr in Erscheinung treten kann.
Die Abstraktion ist das Ergebnis eines auf sich bezogenen Ego zentrierten Denkens. Diesem Denken ist das Erleben der eigenen Kraft im Denken entglitten. Denken wird nicht als eine eigene Kraftbewegung erfahren und noch weniger als eine aus einem inneren Blicken hervor gehende Tätigkeit. Erwacht innerhalb dieser blickenden Tätigkeit das Bewusstsein für ein in fliessender Bewegung sich ausdrückendes Ich, dann keimt in der blickenden Tätigkeit zeitgleich ein Lichtprozess auf, der das Feld der Abstraktion mehr und mehr gleichsam aus seiner Erstarrung wie aufweckt und den Blick öffnet auf ein Reich wesenschaffend zu einander in Beziehung stehender Wesenheiten.
Für mutige Wegsucher auf dem inneren Feld des Denkens wird damit auf ein weites Forschungsfeld verwiesen, das ein jeder nur Kraft eigenen Entschlusses betreten kann. Wahrheit kann nur dem zu Teil werden, der die Vertiefung eigenen Erfahrens nicht scheut. Keine Institution, kein wie auch immer ausgebildeter Mensch kann mir die Schritte zu Entwicklung einer inneren Eigentätigkeit abnehmen, auf dem sich Erfahrungs- und Forschungsfelder dieser Art eröffnen können und damit Selbstgewissheit in Bezug auf Wahrheit dessen was ist ermöglichen. Der Dialog über alle Grenzen unterschiedlichen Anschauens hinweg, bezüglich dessen, was ein jeder zunächst für wahr halten mag, baut Schwellenängste ab und lässt scheinbare Abgründe verschwinden.
Wahrheit ist eine Prozesserfahrung im Dialog.

© Bernhard Albrecht Hartmann, 25. 06. 2014