Mittwoch, 23. November 2016

Essenz

M. Scagliero - Unbewegt

"Anfangen wird der Mensch, unbewegt vor der Bewegung seines Denkens zu stehen. Daraus wird die Fähigkeit erwachsen, auch dem Fluss des Fühlens, dem Fluss des Wollens in Unbewegtheit zu begegnen, unbewegt zu bleiben vor dem Sicherregen der Leidenschaften und Instinkte.


Der Mensch irrt, wenn er sich mit dem abstrakten, leblosen Denken identifiziert. Unbewegt zu bleiben, um das Denken in seiner Bewegung sehen zu können, heißt, sich mit ihm in Tiefen zu verbinden, in denen es das Licht des Lebens ist. Kommende Zeiten werden dieses Geheimnis entdecken."

Massimo Scaligero, Raum und Zeit, o.J. S. 81



Der höchste Formausdruck von innerer Bewegung ist die Wachheit. In ihr ist alles anschauende Stille. Kein Wenn und Aber. Nur stille Begegnung mit dem je Anderen. Interesse. Respekt. Ein stiller Gruss, lächelnd. Ein Weitergehen mit neuen Fragen an sich. Fragen, die die eigene Transformation selbstbefragend vorantragen. Nicht abstrakt, sondern lebensnah, weil sich selbst nicht ausklammernd. Der Auflösung der Dualität entgegen. Brüderlichkeit erfüllt sich im nondualen Sein.

Der Augenblick - verdichtete, intensivste Bewegung in Stille. Begegnung im Ausnahmezustand. Fragen lösen sich und stellen sich im gleichen Atemzug. Für die  Philosophie und Wissenschaft: Die Begegnung des Forschers in der Abstraktion, der abstrakten Denkbewegung, mit sich selbst. Die Aufgabe: Die Renaissance vollenden durch Auflösen aller inneren selbst errichteten Denk-Barrieren, Gefühls- und Willensblockaden. Die Hindernisse für eine Entwicklung innerhalb der gegenwärtigen Weltverhältnisse liegen in mir und sonst nirgends. Die Lösung: Im Ausnahmezustand sich selber in die Augen schauen und das Notwendende tun. Ob dies klein oder gross ist, alles ist von Bedeutung im grossen Fluss des Lebens. 

@ Bernhard Albrecht, 23.11.2016

Prozessor des Freien Denken

Zwei Kommentar Antworten
https://www.miekemosmuller.com/de/blog/der-phonix-aus-der-asche

„Ein jeder aber, der dies will, kann diesen Punkt in seinem Bewusstsein finden, wo das freie Denken entspringt.“
Ja nun, wenn das so einfach wäre. … Schiebt ein derartiger Gedanke sich nicht allzu leicht unversehens beim Lesen eines Zitates wie dem oben angeführten vor das eigene Bewusstsein und lähmt damit die in dem Zitat zu Tage tretende Aussage noch vor dem Erfassen der ihr innewohnenden lebendigen Dynamik ab, degradiert sie zum blossen Inhalt? Ist das nicht Alltagssituation?
Ich denke nicht, adaptiere lediglich Inhaltsformen, leere Worthülsen, deren Leben in der Abstraktion durch mein Nicht-Denken gefangen bleibt. Muss ich also deshalb resignieren? Oder gibt es einen alltagstauglichen Weg diesem Dilemma, das mein Bewusstsein einzunebeln droht, aktiv gegenüber zu treten und ihm zu begegnen?
Meiner Erfahrung nach kann sich der Weg zum freien Denken öffnen und immer differenzierter weiten über das Fragen. Über ein Fragen respektvollen Interesses, das ein „ja aber“ im Zaum zu halten weis. Denn dieses „aber“ kann eine leise sich anbahnende innere betrachtende Beweglichkeit in Bezug auf die an mich heran gebrachte Aussage unmittelbar wieder wie lähmen und im Steinbruch der Abstraktion in Nichts zermahlen. Es kommt also darauf an offene Fragen zu stellen wie: Könnte es so oder so sein, bzw., was wäre, wenn ich es einmal unter diesem oder jenem Gesichtspunkt betrachten würde, oder: Könnte es nicht auch ganz anders sein? Fragen, ohne auf eine Antwort innerlich sogleich aus zu sein. Das Fragen also als einen Vorgang des Aussähen betrachten und demgemäss bereit sein auf Antwort warten zu können. Und die kommt, wie jeder Keim eines schönen Tages sich mir als gereifte Frucht in die Hände legt.
Der Prozessor des freien Denkens ist das Fragen, denn das Fragen öffnet den Zeiten-Raum für das Gewahren-Können der Bewegung im Denken. und erst mit dem Erfahren der Bewegung wache ich dafür auf, dass „Ich“ derjenige bin, der denkt, der das „freie“ Denken aus sich zur Entfaltung bringt, mitten im Alltag.


Zunächst einmal vielen Dank, dass Sie ihre Gedanken auf Deutsch auszudrücken suchen. Gedanken, die ja gewissermassen in verschiedenen Kreisebenen zueinander sich bewegen.
Die stillen, auf Anhieb selten in geeignete Worte zu fassenden Fragen sind aus meiner Sicht dabei die eigentlich bedeutenden. Sie kommen aus der Kernzone, der Geburtszone des Ich und die Stille, in die sie wie eingelagert erscheinen fungiert wie eine Plazenta, sie trägt aus. In diesem Prozess wird die Frage, was ist der Mensch, mit den leisen Antworten reifender Fragen in mir zur Frage: Wer bin Ich? Und über diese Frage hinaus zu immer intensiveren Gewissheit: Ich bin der, der sich aus Fragen auf sich selbst hin bewegt. Ich bin der, der aus dem Plazenta-Raum seiner Fragen sich selbst zur Geburt bringt. Bewegt in Bewegung bin Ich.
Der andere Mensch, auch wenn es häufig so gar nicht danach aussehen mag ist mein Geburtshelfer, meine Hebamme. Deshalb ist Respekt füreinander, gerade dort wo es sehr schwer fallen mag, so ungemein wichtig. Denn mit der Respektlosigkeit reisst der Faden die vielleicht entscheidenden Fragen finden und mir stellen zu können: Warum ist der andere Mensch gerade jetzt so wie er ist? Solche Fragen halten meinen Ich-Geburtsprozess am Laufen und fördern im gleichen Atemzug unscheinbar auch den Ich-Werde-Prozess des anderen Menschen.
Damit bin ich aber in einem neuen Fragekreis gelandet.
Ich grüsse Sie ganz herzlich zurück,

@ Bernhard Albrecht 26.08./01.09.2016