Freitag, 28. Juli 2023

Michael - heute 2 ... (überarbeitet)

Die Umkehr von wo auch immer wirkkräftig umzusetzen, so schrieb ich am Ende meines vorausgehenden Beitrags. Umkehr: Nicht so ganz leicht, denn diese Wortaussage mit seinem aus meiner Sicht zunächst weitgehend verborgenem inneren Gestalt-Umraum sehe ich im Kreise jener Worte stehen, auf die - wenn überhaupt - nur sehr zögerlich zugegangen wird. Selbsterkenntnis von dort her ist demnach ein schwieriges Unterfangen, denn wer stellt sein eigenes Tun und Sagen schon gerne wirklich grundlegend zur Disposition. Und doch, ohne an die Basis eigener Selbsterkenntnis zu gehen und die Tatvorgänge des eigenen Lebens bereitwillig aus anderen als den bisher eingenommenen Blickwinkeln der inneren Überprüfung unterziehen zu wollen, kann ich damit meinem wirklichen Ich (1) begegnen, ihm existentiell echten individuellen Ausdruck verleihen? 

Ich-Sagen aus in sich gegründeter Verantwortung, mithin der in jeder Hinsicht an den Tag gelegten intellektuellen Redlichkeit (2) in inneren Dialogen denkend, wenn mitunter auch erst nachträglich mehr Raum zu geben, kann dieses überhaupt ohne diese innere Umkehr - Ich-Tat - zu jener Zeitenwende führen, die allseitig wir heute gefordert sind sie einzulösen?

Ist Freiheit und Zeitenwende etwas, das ich dem demokratischen Rechtsstaat gegenüber anmahnen, bzw. sogar ihm gegenüber einfordern kann? Oder: Basieren sie wesentlich auf dem, was ich in Ich-Taten dem sozialen Gefüge dieses Staates als Substanz des Tun von den Orten meiner jeweiligen Verantwortung innerhalb dieses Gefüges her nur aktiv zur Verfügung stellen kann, damit sie über die sozialen Netzwerke zu politischen Beiträgen in echten Zeitenwende Gesetzverfahren sich entwickeln, bzw. der Freiheitlichen Grundordnung dienen können?

Vierter zu prüfender Frage-Umkreis: Kann es sein, dass der im individuellen Umraum, wie auch im sozialen Gefüge verborgen liegende grösste blinde Fleck (3) die Erkenntnis der Notwendigkeit zur eigenen Umkehr aus den zu sprengenden Banden der Selbsterkenntnis ist? Zeitenwende sich eben nicht per Knopfdruck von oben vollzieht, sondern der je eigenen Entscheidung bedarf. Der Entscheidung z.B. nicht länger selbstinduzierten Täuschungen auf den Leim zu gehen und von Naivität in die Knie gedrängt Verschwörungen dort zu sehen, wo sie bei durchgehender redlicher Denkbemühung stichhaltig nicht wirklich ausgemacht werden können. Denn in einer anderen Abfolge zu denken als es mir richtig erscheint ist allein noch kein Verweis auf eine tatsächlich stattfindende Verschwörung. Pointiert gesagt, wenn Fragen nach der Redlichkeit meiner eigenen denkenden Bemühungen sich nicht immer wieder in mir aus seelischen Untergründen da und dort einstellen, dann kann dies so gelesen werden, dass ich der entscheidenden inneren Frage und der von dort her sich entwickelnden Erfahrung - „dass ich weis, dass ich nicht weis“ - existentiell noch nicht tief genug auf den Leib gerückt bin. Wer geneigt ist Verschwörungen innerhalb eigener Denkabläufen in den Vordergrund zu spielen, der hat in meinen Augen allen Grund sich mit der Redlichkeit des eigenen Denkens zu befassen. Zeitenwende fordert nämlich im Sinne des Sokrates dynamisch denkend den Weg durch das Nichts zu gehen und den Giftbecher eigener Ego-Verblendungen mutig zu leeren, anstatt respektlos im eigenen sozialen Umfeld seinen Ego-Müll anderen Menschen vor deren Haustüre zu kippen.

Ich weis,  dass diese meine  Ausführungen mit einer  gewissen Art zu  denken schnell zu  widerlegen sind. Hier ist selbstverantwortlich zu prüfen, ob diese  Widerlegungsbemühungen wirklich  durchgehend in sich tragfähig  sind. Mit  Schnellschüssen ist eigenes  Unbehagen leicht  abzudrängen. Für einen  Zeitenwende-Beitrag durch mich ist damit genauer besehen nichts getan. Der eigenen Illusion auf die Sprünge helfen ist eben alles andere als ein leichtes Unterfangen, insbesondere dann wenn ich mitbedenke, dass schon Platon zu seiner  Zeit der  Illusion bezüglich der  tatsächlichen  Einschätzung des  Diktators von Syrakus mächtig             aufsass und diesen Umstand beinahe mit dem Leben bezahlt hätte.

Für Frieden auf die Strasse zu gehen und Pro Russland Fahnen zu schwingen, bzw. als Rechtfertigung dafür Anti-Amerika Haltungen durchgehend vor sich selbst glaubhaft für die eigene innere Haltung bemühen zu können ist eben kein bis an die eigene Existenz reichendes Argument. Der „böse Bube sitzt nämlich nicht irgendwo in Amerika oder im Reiche Putins. Er lauert an allen Orten allein in mir und weis mich in vielfältigen Ego-Fallen davon abzuhalten meinen eigenen Ich-Weg zu gehen. Ohne den Weg eigener innerer Umkehr zu betreten ist Protest jeglicher Art aus meiner Sicht heute nicht mehr als eine illusionäre halbseidene Bemühung. Freiheit will tief von Innen her hervorgebracht sein und kann eben nicht auf Fahnen oder Friedensproklamationen welcher Art auch immer vor sich her getragen werden. 

Das Bild vom Erzengel Michael, auf das ich im ersten Teil dieser Ausführungen zu sprechen kam und der darin zum Ausdruck gelangende stille Hinweis subtile Bereiche der eigenen Existenz  in die Zeiten notwendende innere Umkehr einzubeziehen ist ein geistiger Zeiten-Wende Ruf, ein Ruf zu grundlegender Umkehr, auf die Rudolf Steiner in seiner letzten Ansprache vom 28.09.1924 in strenger Wortwahl den Finger legte. Michal kann von heute her gesehen nicht mehr als eine durchgehend übersinnliche Tatsache aufgefasst werden, denn er hat sich aus meiner Sicht in stiller Weise tief mit dem schöpferischen Kräftebereich eines jeden Menschen verbunden, sprich mit seinem zu entwickelnden dynamischen Denken. 

Ich trage über eine sehr lange Zeit die immer und immer wieder überprüfte Auffassung in mir, dass es entgegen mir bekannter Überlegungen keine Wiederkehr Rudolf Steiners in naiver Fortsetzung seines Tuns von anno dazumal geben kann und wird. Rudolf Steiner hat seinerzeit sein Lehramt unmissverständlich niedergelegt. Von daher gesehen kann es folglich keine Fortsetzung  eines Bemühens selbst in einer verwandelt ähnlichen Weise mehr geben. Wir sind in die selbstverantwortliche Nachfolge aus eigenen zu induzierenden Willensumkehrungen heraus gerufen. Die Spatzen pfeifen es von Washington bis St Petersburg weltweit von den Dächern. Wie lange wollen wir im Hoffnungsoptimismus noch hin warten bis wir uns auf unseren Reitersattel hinaufschwingen, getreu dem Ruf des Johannes "ändert euren Sinn“ und mit unserer eigenen inneren Umkehr vertiefter umgehen, was heisst den Kampf mit dem Drachen in unseren Seelentiefen Zeitenwende bildend aufnehmen? Wer zur Ich-Taten in täglich kleinen Willensumkehrungen nicht bereit ist, den bestraft das Leben. Aufmerksamkeit (4) ist die allseitig umkämpfte Zeitenwende Währung schlechthin.

© Bernhard Albrecht Hartmann, 28.07/01.08.2023

(1) https://ich-quelle.blogspot.com/2018/09/ich-karl-balmer-die-frage-geht-weiter.html    

      https://ich-quelle.blogspot.com/2018/09/fragment-22018_11.html

      https://ich-quelle.blogspot.com/2018/09/die-frage-nach-dem-wirklichen-ich-eine.html  

      https://ich-quelle.blogspot.com/2018/09/die-frage-nach-dem-wirklichen-ich-3teil.html  

      https://ich-quelle.blogspot.com/2018/10/fragment-32018.html  

      https://ich-quelle.blogspot.com/2018/10/die-schmetterlingspuppe-offnen.html  

(2) Das Wort Redlichkeit ist dem Buch von Thomas Metzinger

      Bewusstseinskultur - Spiritualität, intellektuelle Redlichkeit und planetare Krise entlehnt,

      3. Auflage Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH Berlin/München 2023

(3) https://ich-quelle.blogspot.com/2021/01/blinde-flecken-ii.html 

(4) Siehe dazu z.B. Matthew B. Crawford, Die Wiedergewinnung des Wirklichen

      Eine Philosophie des Ichs im Zeitalter der Z rstreuung, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016