Freitag, 17. Mai 2013

Kann ich Leere fühlen ?

„Kann man Leere eigentlich fühlen? Im Grunde ist Leere nichts, und nichts kann man nicht fühlen. Weil wenn man sagt, man fühle sich leer dann fühlt man ja etwas aber man kann nichts fühlen was nicht da ist, oder?“ http://www.dashieristkeinblog.blogspot.com

Ja Inka , Leere kannst Du fühlen, so Du es mit dem Herzen tust. Nur vom Denken her ist Leere ein Nichts. Genauer gesagt vom abstrakten Vorstellen einer Wirklichkeit her. Dazu habe ich unter dem Titel: „sexy man“ auf meinem Blog: www.ich-quelle.blogspot.com am 19.11.2011 schon einmal für Julian etwas geschrieben.
Deine Frage geht nun viel tiefer als die von Julian dazumal und ich will versuchen mich schrittweise ein wenig an eine mögliche Antwort heran zu tasten. Dies ist für mich nicht leicht, denn angemessene Worte dafür zu finden, was sich auf diesem inneren Erlebnisfeld abspielt, das ist wirklich schwierig.

Auf ein Fühlen der Leere kannst Du innerlich nicht zugehen, auf ein derartiges Erleben kannst Du nur hinreifen, das heisst du kommst nicht umhin Dich hier auf einen längeren, mitunter auch recht schmerzlichen Prozess einzulassen, in dessen Verlauf Du in jenen Reifezustand hinein wächst, der Dich „angstfrei“ die Gewissheit der Leere in Dir fühlen lässt. Die nicht geringe Schwierigkeit, mit der Du es hier zu tun bekommst, ist der Prozess, denn unsere überwiegende Weltauffassung ist heute immer noch, auch wenn manches dagegen zu sprechen scheint, eine Statische.
Wir bewegen uns an der Laufleine abstrakter Begriffe oder toter Vorstellungsgebilde durch unseren Alltag. Wir haben Gedanken, oft mehr als uns lieb ist, aber wir verfügen selten über eine innerlich bewusster gegriffene Erfahrung, was eigentlich Denken ist. Und weil dem so ist, weil wir nicht „wissen,“ was Denken ist, deshalb sind wir auch mitunter so äusserst schmerzlich unseren Gefühlen ausgeliefert, werden von ihnen hinauf und hinab gezogen, ganz nach deren Belieben, beherrschen diese aber nur sehr wenig durch eigene innere Führung.
So kommt es, dass wir uns leer fühlen, so leer oft, dass wir uns selber nicht mehr spüren und aus der Unerträglichkeit solcher Zustände zu wenig passenden oder gar gefährlichen Mitteln greifen, um uns wieder zu spüren. Wir sind der inneren Leere ausgeliefert ohne im eigentlichen Sinne zu wissen, was dies ist, dem wir ausgeliefert sind.

Ich will mich über ein Bild herantasten an das, was Dich zu einem ersten bewussteren erfühltem Erleben dessen, was Leere ist, führen kann. Wenn Du Dich am Ufer eines strömenden Gewässers flach ins Gras legst und Deine Hand so nah als nur irgend möglich über die strömende Wasseroberfläche hältst ohne diese zu berühren, wenn Du Dich ganz auf diese Grenzerfahrung, dieses sich Erleben zwischen zwei Erfahrungsebenen, zwischen gewissermassen zwei Welten einlassen kannst, innerlich loslässt, dann bekommst Du einen feinen Windhauch zu spüren. Dieser Windhauch ist gleichsam ein Ausdruck einer Zwischenwelt.
Er fordert Dich leise auf einen mutigen Schritt vorwärts zu machen oder Du weichst erschauernd zurück vor den Unwägbarkeiten Neuland zu betreten. Es sind feine, sehr feine Wahrnehmungen, die im seelisch geistigen Erleben an solchen Grenzen auftreten und die, so wir nicht geübt sind an uns vorbei huschen, ohne dass wir ihrer dauerhaft habhaft werden. Und genau darin liegt das Angst auslösende Erfahren innerhalb des Bestrebens Grenzen zu überschreiten. Wir scheinen den Boden unter unseren Füssen zu verlieren.
Übertragen auf Dein seelisches Innenerleben tritt Dir in solchen Augenblicken ein Gefühl der Leere, des inneren Stehens zwischen allen Stühlen, eines sich nicht zugehörig Fühlens, eines ins Äusserste getriebene Fremdsein sich selber gegenüber, das einem schlussendlich zu dem Erleben führt, ich bin tot, entgegen. Du fühlst Dich tot, leer gegenüber einer Welt, die sich rund um Dich virulent beständig ereignet, ohne dass Du aus Deiner Verfassung heraus noch einen auch nur annähernden Zugriff auf sie irgendwie glaubst leisten zu können. Du bist in solchen Zuständen verfangen in einen Schauder(Windhauch)vor dem unwägbaren Strömen des Lebens unter Dir.
Das Strömen in Deiner Seele, das Du bei einem tiefen und stillen in Dich Hinein Lauschen jenseits des Todes Erschauern an dieser inneren Wahrnehmungsgrenze erleben kannst, ist das, was Dir nach und nach als zunächst leerer Wille erlebbar werden kann.
Vor dieser Art Konfrontation mit einem Willen, der in sich als leer erlebt wird, muss beinahe ein jeder Mensch heute erst einmal Reissaus nehmen. Denn dieses Erleben, wenn Du es denn wagst Dich diesem wirklich auszusetzen, ist so stark, dass es ohne eine innere Vorbereitung über längere Zeit nicht auszuhalten ist. Die Angst, die Dich an dieser inneren Grenze beschleicht, fungiert also durchaus als eine Art Schutz vor zu schwerem Erleben.

Der Zugang zu einer Möglichkeit Leere „wach“ zu fühlen öffnet sich über ein „verlebendigtes Denken.“ Denken ist nämlich seiner tieferen inneren Natur nach ein Lichtprozess. Diese Erfahrungsmöglichkeit wiederum an die Oberfläche zu holen ist die Aufgabe unserer Zeit.
Wen diese Möglichkeit zunächst befremdet, der hat noch nie einen beliebigen Edelstein oder unter diesen sogar einen Diamanten wirklich in Händen gehalten und genauer betrachtet, sich auf sein Lichtspiel innerlich eingelassen. Im Grunde birgt nämlich „ein jeder Gedanke“ den wir so tagtäglich durch unser Bewusstsein wälzen einen derartigen blitzenden Diamanten in sich. Wir sind nur zu denkfaul geworden, zu armselig in unserem inneren Bewegungsverhalten, so dass wir unfähig sind zu sehen, was wir da beständig in Händen halten, - strahlend fliessende Edelsteine und damit eine überbordende Werde- und Gestaltungskraft aus innerer Freiheit heraus.
Unser gegenwärtig so verbreitetes abstraktes Denken hat diese leuchtende Kraft in uns verdunkelt, so dass sie unserem inneren Zugriff entschwunden ist, aber sie steht uns erneut und in gesteigertem Masse von dem Augenblick an zur Verfügung, in dem wir aus uns heraus zu einem inneren Metanoia finden, bereit sind unsere ängstliche Ego Schale zu sprengen und Ich - Verantwortung für uns zu übernehmen.
Lehrer, die uns auf diesem Weg führen könnten, gibt es heute nicht mehr, auch wenn ein Bischof, ein Guru dieses oder jenes Couleurs dies immer noch für sich in Anspruch nehmen möchten. Es gibt nur noch die stillen Geburtshelfer, die in einem jeden Du, das unsere Wege kreuzen mag, uns auf irgendetwas aufmerksam machen, mitunter auch sehr schmerzhaft, auf das wir aus uns heraus zuwachsen können, soweit wie wir es zu dem betreffenden Zeitpunkt, aus unserer Freiheit heraus können und wollen, Stufe um Stufe.
Den leeren Willen kann nur ein Ich schrittweise beleben und ihm dadurch seinen Schrecken, seine gähnende Leere nehmen, ihn gleichsam entzaubern als freiheitliche Gestaltungspotenz.
Inka, du kannst die Leere fühlen, als befreite Kraft schöpferischer Freude und sie wird Dich so stark durchpulsen, dass Du Dich fragen wirst, wie konnte ich nur so lange zaudern und mein wahres Lebenspotential derartig in die hinterste Ecke verbannen. Ich spüre diese Kraft in Dir, deshalb schreibe ich Dir. Ich habe das Vertrauen, dass Du „Deinen Weg findest und gehst“ und grüsse Dich herzlich,

Bernhard Albrecht Hartmann