Dienstag, 4. Januar 2011

Innere Herausforderung

Nach einigem Zögern will ich nun doch eine langjährige Arbeit von mir hier einstellen. Angesichts vielfältiger von aussen kommenden Impulse und daran anknüpfend sich individuell fortlaufend entwickelnder innerer, mehr oder weniger klar auf Erfahrungen gegründeter Schattierungen zum Thema "Erleuchtung", scheint es mir hilfreich zu sein einen alten Text vor diesem Hintergrund neu zu entschlüsseln.

Die Frage nach dem Ich ist bei genauerem und über längere Zeit anhaltendem, immer wieder neuem inneren Hinschauen, in meinen Augen keineswegs so weit geklärt, dass keine grössere Mühe mehr darauf verwendet werden könnte und müsste, da, so die sich beständig verbreiternde Anschauung hier in gewissen spirituell strebenden Kreisen, wir ja letztendlich ohnehin alle in einer All-Einheit lebten. Wie heisst es doch in vielfältigen Variationen aus dem Munde weiser Menschen: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als der Mensch ein in die bewusste Anschauung einer geistigen Welt.

Vorbei an der Notwendigkeit sich selber immer wieder neu und zunehmend wacher auf den Punkt zu bringen, die dynamisch geistesgegenwärtige Erfahrung eines inneren Auges sich zu vergegenwärtigen, aus dem die Erfahrung eigener Ich-Gegenwart erwachsen kann, erscheinen durch Selbsttäuschung und Sehnsucht hervorgerufene Ausweichmanöver der leichtere Weg in die All-Einheit zu sein. Nur wird in meinen Augen hier möglicherweise leichtfertig eine Geistes-Entwicklung von Jahrtausenden gefährdet, die mit naturwissenschaftlich exakter innerer Beobachtung auf das Ich hin zielt.

Der Weltengrund hat sich in den Menschen hinein ausgegossen, auf dass der Mensch durch sein Ich die Verantwortung für seine Enthüllung in einem zeitgemässen Denken Sorge trage. Dieses Denken aber denkt nicht als "Es", sondern mausert sich vom gedanklichen "Affentanz" zum eigentlichen Denken erst durch das Ich. Ohne Ehrfurcht für das was in mir lebt, kann das Ich nicht gefunden werden. Diese Ehrfurcht aber erwächst aus der Stille des Jetzt.

Johannes 1, 1 – 18 (21) Prolog

Alle schöpferische Freiheit ruht gegründet im Wort und das Offenbar-Werden dieser Vollmacht des Wortes ist in die Verantwortung eines jeden einzelnen Menschen gelegt, auf dass die Einzelnen ihr göttliches Ich entfalten durch die Kraft des Wortes.

Sie war und ist immer bei den Einzelmenschen, denn nichts von dem Gewordenen ist jemals anders als durch das Wort geworden. In ihm wird stets von neuem offenbar die Quelle allen menschlichen Seins und aus dieser Quelle strömt immerdar leuchtende Liebe für die Menschen. Diese Liebesfülle strahlt hinein in die Taträume der Menschen, rufend zu den Menschen mit wachen Sinnen und erflehend ihren Opfer- und Wandlungswillen.

Doch der immer wieder aufs neue im Selbstsinn erstarrende Wille der Menschen baut aus tief gegründeten Ängsten eine Mauer der Finsternis um sich herum, anstatt der Kraft des Lichtes im Wort zu vertrauen, die selbst geschaffenen Finsternisse aktiv zu durchdringen und im innerlichen Annehmen derselben die Kernung des eigenen Ich voranzubringen.

Denn durch das Licht ist und wird das Leben und aus dem Fluss dieses Lebens das lebendige Ich gezeugt. Dieses stets aufs neue sich fort zeugende Ich aber ist das Licht der Menschen. Durch das Du scheint die stille Aufforderung, in den eigenen blinden Flecken den Weg zum Ich-Werden zu sehen und zu eröffnen beständig in die Lebenswelt der Menschen. Doch die mangelnde Wachheit der Menschen lässt den Werde-Ruf, der in unendlicher Güte durch das Du auf stets neue Weise ausgesandt wird, in den Schatten des menschlichen Selbstsinns ersterben.

Es war da Johannes, auch der Täufer genannt, der seinem Schicksal nach ein Zeuge des Lichtes war und – da er in stiller Ergebenheit auch im Angesicht seiner Enthauptung nicht wankte für das Licht zu zeugen – ,ist er seither der verborgene Hüter eines jeden Du, das unter der Verneinung des Werde Rufes des göttlichen Ich als Zeuge für das Licht von den Mitmenschen verkannt wird. Nicht ist das Du und in ihm der es überschattende Geist des Johannes das Licht, nur ein Zeuge für die Offenbarung des göttlichen Lichtes an die Mitmenschen in einem jeden Augenblick ist das Du.

Auf das Licht hinter seinen Worten verweist ein jedes Du mit seinem Sagen zu jeder Zeit und durch all seine Worte, denn es sind niemals nur seine Worte, sondern unscheinbar auch die Worte des göttlichen Ich, das leise die Wege der Wandlung weist. Das göttliche Ich wandert alle Tage an der Seite der Menschen, auf das sie durch sein Licht Zuversicht finden auf den Wegen ihres Werdens.

Nicht war Johannes das Licht und nicht ist das Du das Licht. Das Du ist ein Träger des Lichtes, unscheinbar behütet und barmherzig begleitet von der Kraft des Johannes. Ein Zeuge des Lichtes ist das Du, denn das göttliche Licht ist auf allen Wegen des Du zugegen. An der Seite des Du ist das Licht auf dem Weg in die Erdenwelt und dieses Licht, das unentwegt strömt aus dem Urbild des Menschen wird alle Menschen erleuchten und ihr göttliches Ich erwecken.

Das göttliche Urbild des Menschen ist seit Anbeginn der Zeiten in der Welt, denn alles ist aus dem inneren Hinschauen auf dieses Urbild und der stets aufs Neue sich daran entzündenden Freiheitskraft des Menschen geworden, die Menschen aber haben es bisher noch kaum erkannt und in sich belebt.

Über das Du wendet sich das Licht an die Einzelmenschen und sucht sie in ihren Herzen zu erreichen, doch die Einzelmenschen ziehen es vor ihre Vorstellungen über das Sagen des Du weiter zu pflegen, anstatt sich dem göttlichen Ich zu öffnen.

Diejenigen aber, die sich dem göttlichen Ich innerlich zuwenden, indem sie ihren Selbstsinn opfern und durch innere Wandlung der Kernung ihres Ich den Weg ebnen, haben in den Worten des Du das Evangelium des menschlichen Urbildes vernommen. Sie bereiten hinfort, gesegnet von der Weisheit- und Liebekraft des dem menschlichen Urbild innewohnenden göttlichen Ich, dem Licht den Weg zu den Herzen der Menschen.

Als in die Göttlichkeit ihres eigenen Wesens hinein erwachende Menschen leben sie allein aus der Zuversicht auf das göttliche Ich hin und dürfen, wann immer sie dessen bedürfen, seine Kraft und Gegenwart erleben.

Nicht mehr leben sie im Rausch ihrer Illusionen und in der Fixierung auf ihre Vorstellungen, die von zerfallenden Blutskräften gewirkt, nichts als Dunkelheit um sie her schaffen. Nicht mehr leben sie aus dem leiblichen Begehren, ihren Selbstsinn gegenüber den Worten des Du durchzusetzen, sondern erfahren im Licht des göttlichen Ich, das ihnen durch die Pforte des Du entgegen leuchtet, die Geburt ihres eigenen göttlichen Wesens.

Sie leben aus der Wertschätzung für alles Menschliche und schaffen so dem Wort in ihren Ich-Taten einen irdischen Leib. So folgen sie dem nach, der zu allen Zeiten an der Seite der Menschen geht, dem aus dem Vater und Mutter Göttlichen geborenen Sohn.

Von jeher lebt das göttliche Ich in dieser Weise unter uns, für alle sichtbar, die mit wachen Augen durch die Welt gehen, denn für sie ist die Offenbarung seines Wesens an den Schwellen des Du eine beständige Tatsache. In den Schmerzen der Du-Begegnung geläutert, weitet sich ihr Blick für die Fülle seiner begnadenden Liebe und heilenden Wahrheit.

Auf das göttliche Ich-Urbild richtet sich die weisende Hand des Johannes. Im göttlichen Ich-Urbild ist gegründet das Du, das dich anspricht, wo immer du gehst. So nimmt dich auf deinen Schicksalswegen stets von neuem an seine Hand das Du und verkündet in seinem Sagen an dich, überschattet vom Geist des Johannes, die ewige Gegenwart des göttlichen Ich-Urbildes.

Und es spricht: Vernimm in meinen Worten nicht mich, sondern sieh dich selbst in deinem Spiegelbild, das sich im Schimmer des göttlichen Urbildes, das mich unscheinbar überlagert, sich abbildet. Geh den Weg deinen Sinn zu ändern und du wirst wissen, dass ich nur zu künden habe von dem, der nach mir kommt, der aber mir wie dir durch alle Zeiten vorangeht, um die Fülle seiner Liebe über uns beide auszugiessen.
Die Richtschnur des Gesetzes hat Moses gegeben. Die begnadende Liebe und heilende Wahrheit aber wird den Menschen in dem Masse zu Teil werden, wie sie die abweisende Hand gegenüber dem Sagen des Du zurücknehmen und sich im Schimmer des göttlichen Ich-Urbildes, welches das Du hinter seinem Sagen zu offenbaren berufen ist, sich selbst erkennen.

Wo solches geschieht und durch das erkennende Ich, das Du von der Last seiner Werde-Botschaft frei wird, tritt der Christus aus dem Schatten hervor und spendet seinen Emaus-Segen.
Mit diesem Segen aber ist für den Menschen der Weg offen, in der Schau auf den mütterlich-väterlichen Weltengrund, sein Wesen immer tiefer im göttlichen Ich-Urbild zu gründen.
© Bernhard Albrecht Hartmann 04.01.2011