Samstag, 17. Oktober 2020

Aus aktuellem Anlass ...

Nachfolgender Text war ursprünglich als Kommentar auf einen Beitrag von Michael Eggert vor 13 Monaten geschrieben (1). Aus aktuellem Anlass stelle ich diesen Kommentar nun hier ein weiteres Mal ein, versehen mit einem Zusatz.



Kommentar 28.08.2019


Der Selbstgefühligkeit in sich in ihren vielfältigen Schattierungen zu Leibe zu rücken ist wahrlich kein leicht Ding. Wenn Du das, Michael, von Dir her nicht auch da und dort als Erfahrung mit Dir herumtrügest, Du hättest dies in Deinem Beitrag nicht so sensibel ansprechen können. Mit Wilfried Jaensch gesprochen, den Du mit einigen Gedankengängen zur Bedeutung der „Kraft der Unterscheidung“ in diesem Blog-Beitrag zitiertest (2) ist in meinen Augen die zentrale Kraftdynamik benannt, die ein Freies Geistesleben „überhaupt erst“ in seiner tieferen Bedeutung zur Erscheinung verhelfen könnte. 


Noch ist die Kraft der Unterscheidung im Wesentlichen nach aussen gerichtet. Wenn es denn gelänge diese Dynamik neben dem Aussenbezug im Innenverhältnis jeweils ganz bei sich zur Anwendung zu bringen, ohne irgendwelche direkten oder verdeckten Projektionen, Unterstellungen oder Vermutungen, wenn die bisher mehrheitlich gängige abstrakte Reflexion mit ihrer immanenten Versuchung zum dualen Streit-Diskurs in eine non-duale seelische Beobachtung hinein sich bändigen könnte, dann würden sich noch ganz andere Dimensionen im Verständnis von Rudolf Steiner auftun. So meine Auffassung in Folge einiger Aha-Erlebnisse.


Manchmal kommt es mir so vor, wenn ich so gewisse Diskurse über ihn verfolge, dass da - im Bilde gesprochen - gleichsam fünf Töne aus einer Fuge von J. S. Bach herausgelöst werden, um vollmundig abzuleiten, Bach sei ein kompositorischer Spinner. Ich betrachte das und das ist jetzt bewusst sarkastisch gehalten als „eine wissenschaftlich sachliche Spitzenleistung.“ Ist denn Rudolf Steiner ein Kratzbaum für jede Art von Gefühligkeit, verkleidet in abstrakte Reflexionen?Und damit verteidige ich Rudolf Steiner noch nicht einmal, ich lege lediglich den Finger auf die Art und Weise wie mit seinem Werk immer wieder methodisch umgegangen wird.



Zusatz 17.10.2020


Selbstgefühligkeit ist gemein hin viel weiter verbreitet als auf ein erstes hin angenommen. Nicht nur in privaten Unterredungen, sondern auch innerhalb wissenschaftlicher Diskurse. Vorurteil und Unterstellung sind hintergründig mitunter mehr als der äussere Anschein dies ausweist anwesend und vernebeln von daher unmerklich die Faktenlage, verlagern, weil den Sachzusammenhang nicht tief genug befragt, sich selbst in den eigenen Einstellungen nicht wirklich in Frage gestellt, was eigentlich zur Grund-Haltung des zeitgerechten wissenschaftlichen Forschen gehörte und drängen so die notwendig allseitig gebotene sachliche Unterscheidungskraft durch verschleierte Ideologie Einschübe unversehens aus der Mitte wertschätzender Untersuchung und Befragung über Ränder, die durchgehend sachgeleitet nicht überschritten würden.


Das Nirgendwo abendländischer Wissenschaftlichkeit, d.h. der Erkenntnisgewinnung aus inneren und äusseren Dialogen - im Wortlaut des Sokrates das „ich weiss, dass ich nicht weis“ - wird unversehens einem je unterschiedlichen Belieben geopfert.


Im Diskurs Wissenschaft versus anthroposophische Geisteswissenschaft geht es aber um sehr viel mehr als das Verweisen auf wissenschaftliche Paradigma oder das Beharren auf unterschiedlichen wissenschaftlichen Positionen. Es geht entlang der jeweiligen Diskurs Linien um die Handhabung des Denkens, das sich nicht wie bisher hinter Abstraktionen in seinem begrifflichen Verständnis der jeweiligen Sachverhalte zu verstecken weis, sondern sich allseitig wissenschaftlich forschend auf den Weg begibt. Allseitig, d.h. das „Wie“ des Denkens in die Sachuntersuchung mit einbezieht, also prozessorientiert auf das eigene erkenne Dich selbst hin zu denken.


Auf den Punkt hin gesagt geht es um das Bezeugen der jeweils eigenen lebendig durch individualisierten Geisteshaltungen in achtsam wie gleicherweise stringent geführten Dialogen. Dass dies alles andere als leicht ist versteht sich aus der Sache von selbst. Innere Entwicklung war noch zu keiner Zeit leicht (3). Und schon gar nicht ein eigenständiges Denken zu entfalten und durchgängig aufrecht zu erhalten ohne andere Denkwege dadurch zu diskriminieren, ein Freies Geistesleben nicht nur als ideologische Schildwehr vor sich her zu tragen, sondern in konkreten Lebensereignissen zu manifestieren.


Bewusstseinsseele reift im Realisieren des eigenen erkenne Dich selbst, wie gleicherweise in der Wertschätzung fremder Erfahrungswege des Denkens innerhalb damit einhergehender Dialoggeschehnisse in ihre individuell/überindividuelle Wirklichkeit hinein. Der Widerstand den mir andere Menschen dabei entgegensetzen verhilft mir dazu mein Erkenne Dich selbst mit Bewusstsein zu durchdringen, mithin der eigenen Freiheit gegenwärtig zu werden. Das Vernachlässigen dieses erkenne Dich selbst innerhalb dieser Prozessereignisse bedeutet mehr als einen Rückschritt aus der Zeitgeistigkeit, es zieht, entgegen aller anders lautender Lippenbekenntnisse, das Abkoppeln von dem was Rudolf Steiner inaugurierte nach sich.


Rudolf Steiner in seinen Aussagen unmerklich auf die Ebene von Bank-Wertschriften zu minimieren, deren Kurs mit Haken und Klauen zu verteidigen seien, kommt einem Ausverkauf der je eigenen Entwicklungsfähigkeit zu tatsächlich individueller Freiheit gleich.


Die moderne Jordan Taufe vollzieht sich im eigentätigen Untertauchen in den Fluten des Erkenne Dich Selbst innerhalb der dafür den Rahmen gebenden Dialogereignisse, die das je individuelle Metanoia nach sich ziehen.



© Bernhard Albrecht Hartmann  17.10.2020

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https://egoistenblog.blogspot.com/2019/08/die-geistige-currywurst-aus.html 2. und 3.Absatz 

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