Mittwoch, 6. Dezember 2017

Dialogische Herausforderungen /1 - 2017

Eine Antwort auf Anonym 30.11.2017 um 12:45 MEZ
https://egoistenblog.blogspot.ch/2017/11/ralf-sonnenberg-vergangenheit-die-nicht.html?showComment=1512042321527#c5603489302077417728

Wenn Sie meinen dafür stehen zu können mit dem Habitus der Wissenschaftlichkeit die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners aus gegenwärtigen, gewiss nicht immer durchweg sachlichen geführten, aber nichts desto Trotz geführt in dem mutigen Ringen Klarheit für sich zu finden, was aus der Sicht von heute innerhalb zunehmender Verschleierungen und Verkleisterungen die Kernaussage und Kernaufgabe der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners sei, wenn Sie meinen sie aus diesen Auseinandersetzungen, diesem Ringen um Erkenntnis bis in die existentiell eigenen Willenstiefen hinein herausführen zu können, dann irren Sie sich. Was Sie herausführen ist ein toter Korpus, denn Sie trennen den Namen Rudolf Steiners von der Geisteswissenschaft. Ich bezeichne ein derartiges Unterfangen schlicht und einfach als einen Schachzug offener Rückführung in die kurialen Hallen einer fürsorglichen grauen Omnipotenz. Verbunden mit der indirekten Kernaussage: Wir vergeben das Imprimatur für das, was in Bezug auf die Geisteswissenschaft zukünftig als wissenschaftlich zu gelten hat.
Tiefer kann in meinen Augen Geisteswissenschaft im Sinne Rudolf Steiners nicht missverstanden, um nicht zu sagen verzerrt werden. Und das alles vollmundig in sonor einlullender Tonlage. Respekt, sehr gekonnt, aber dennoch durchschaubar.
Doch das eigentlich entlarvende Ihres Tuns zeigt sich daran, Sie tun was sie tun anonym, ohne den Mut im eigenen Namen zu sprechen, ohne die auch äusserlich sichtbare Anbindung an den eigenen tatsächlichen Namen, die eigene von daher individualisierte, von jeglicher Verschleierung freie Verantwortung. Grau, grau grau …
Rudolf Steiner hat ja nicht aus engen persönlichen Ambitionen heraus davon gesprochen die anthroposophische Geisteswissenschaft dürfe nicht von seinem Namen getrennt werden. Warum also dann? Er hat es getan, weil „seine Zeugenschaft für die reale Erfahrung der geistigen Welt“ nicht von dieser Wissenschaft getrennt werden dürfe. Darum ginge es ihm. Und Geisteswissenschaft in diesem Sinne wird sich nur weiter entwickeln, wenn sich Zeugen finden, die in diesem Sinne wissenschaftlich arbeiten, mit eigenem Namen ihre Zeugenschaft bezeugen.
Was Sie tun werter Anonym: Sie galvanisieren die Geisteswissenschaft in eine noch tiefere Schicht der Abstraktion hinein, als sie über das jahrzehntelange Exegetisieren von Steiner Aussagen bisher schon gelangt ist.

Bernhard Albrecht Hartmann

Die Antwort von Anonym
Donnerstag, 30. November 2017 um 19:04:00 MEZ


Vielen Dank für den Versuch einer Analyse meiner Standpunkte und Anthroposophie-Interpretation. Die schon mehrfach kritisierte Anonymität sehe ich als notwendiges Mittel, den in diesem blog bei Meinungsverschiedenheit leider üblichen und nicht selten weit unter die Gürtellinie gehenden persönlichen Angriffen etwas weniger Spielraum und Projektionsflächen zu gewähren, die in sachlichen Auseinandersetzungen ja auch keine Rolle spielen sollten.


Außerdem missverstehen Sie mich gründlich. Gerade ich habe immer wieder kundgetan, dass ich jede Anmaßung zu diktieren, was an der Geisteswissenschaft richtig oder unrichtig ist, zutiefst verabscheue. 

Warum behaupten Sie dann, ich würde so quasi das Imprimatur beanspruchen, ich würde für mich beanspruchen zu definieren "was in Bezug auf die Geisteswissenschaft zukünftig als wissenschaftlich zu gelten hat" ? Alles was sich als Wissenschaft bezeichnet, ist bis zu seiner Widerlegung als Wissenschaft anzusehen.


Sehen Sie es doch einmal so, ich trenne nicht die Anthroposophie von Steiners Namen, ich trenne sie sehr wohl aber von seiner Person.

Ich spreche mich gegen die Denigrierung der Person Steiner aus, was hier leider im Übermaß betrieben wird. Warum und aus welchen Motiven , hatte ich schon ausführlich begründet.


Heutige Anthroposophie kann nur dasjenige von Rudolf Steiner Mitgeteilte sein, das sich heute auch sinn- und gewinnbringend im geistigen Sinne einsetzen lässt. Wer also Steiner persönlich angreift, zum Beispiel als Antisemiten oder Rassisten, verfolgt damit das Ziel durch den damit suggerierten Zusammenhang seiner Person mit der Anthroposophie, gegen den ich mich vehement ausspreche, auch den Ruf und die Wirkungsmöglichkeiten der Anthroposphie selbst negativ zu beeinträchtigen.

Meine Erwiderung
Samstag 2.12.2017 um 13:56/13:57 MEZ

Werter Anonym, wenn sie meinen ich hätte ihre Aussagen einer Analyse unterworfen, so irren Sie sich gründlich. Was ich getan habe ist, ich habe in Ihr Sagen vertieft hinein gelauscht und aus den Klangräumen Ihrer Worte, den Ober- und Zwischentönen, die dabei an mein Ohr gelangt sind in meinen Worten einen Klangspiegel vor Ihren Augen aufgezogen, der ihnen die freie Möglichkeit vor Augen führt in diesen dynamisierten Klangräumen sich selber tiefer erkennend wahrnehmen zu können, wenn Sie das wollen. Doch wie es aussieht haben Sie auf Ihrem Lebensweg allem Anschein nach keine Vorsorge ausgelassen ein Verhältnis zur Anthroposophie aufzubauen, das sich auf nicht wenige aussen und innen Standpunkte stützt.
Nun haben es aber Standpunkte (das Stehen auf einem Punkt) so an sich, das Sie von dort her nur einen sehr begrenzte Sicht auf das hin erlangen können, was Sie in Ihre Betrachtung rücken, also in unserem Falle die Anthroposophie. Im Heilpädagogischen Kurs spricht Steiner von der Notwendigkeit ein Tänzer zu werden. Ich will hier dieses: „Werden Sie wie ein Tänzer“ einmal auf das Verstehen-Können von Anthroposophie beziehen und sagen, ohne eine hohe, eine sehr hohe innere Beweglichkeit im Denken „und“ Erleben zu entwickeln kann das Wesen Anthroposophie nicht erfasst werden.
Standpunkte sind zudem meist sehr tief beeinflusst von dem Selbstbild, das ein jeder Mensch durch sein Leben trägt, gewissermassen - um es bildhaft auszudrücken - als seinen Monteuranzug, auf dem alle Risse, Öl- und Schmierflecken usw. abgebildet sind, die er mit anderen Menschen schicksalhaft noch in der einen oder anderen Weise abzuklären hat. Wenn dann innerhalb seiner sozialen Begegnungen seine Schicksalsgenossen im Vorbeigehen aneinander von dem einen oder anderen Flecken wie getriggert darauf reagieren, dann hat das nicht unbedingt etwas mit negativer Projektion zu tun, sondern in erster Linie mit einem vielleicht sogar schmerzhaften Impuls dasjenige erinnernd (Geisterinnern!) innerlich heraufzuholen, was es noch zu bereinigen gilt. Hiergegen wehrt sich nun das eigene Selbstbild vehement, fühlt sich vielleicht so gar beschmutzt ohne zu bemerken, dass der Schmutz bereits tief in seine Bekleidung eingewoben vorhanden ist und es „nicht die Anderen sind,“ die dieses Kleid beschmutzen.
Damit habe ich „eine“ wesentliche Dynamik sozialer Interaktionen aus der seelischen Beobachtung heraus skizziert. Es gibt noch andere. Doch diese wesentliche Linie will zuerst bearbeitet sein, bevor aus meiner Sicht heraus ein fruchtbarer Umgang mit anderen Dynamiken möglich wird. Andernfalls kommt einem eine latente, vom Selbstbild gesteuerte Überheblichkeit allzu leicht in die Quere und treibt soziale Interaktionen an Abgründe heran und über diese hinweg. Die Geschichte der grossen und kleineren Konflikte innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft bietet hierfür mehr als ausreichendes Anschauungsmaterial.
Was Sie über die Angriffe auf Rudolf Steiner sagen, dazu will ich vorderhand nur dieses erwidern. Diese Angriffe auf Rudolf Steiner sind die Folge starker Defizite innerhalb der Anthroposophenschaft genau das untereinander zu bearbeiten, was ich Ihnen oben als Dynamik aus der seelischen Beobachtung heraus skizziert habe. Wäre dieses umfassender geschehen, so hätte sich damit auch gegenüber der Öffentlichkeit eine andere Sprache herausbilden können darauf einzutreten. So aber wird nicht wenig verdeckt ideologisch argumentiert, verharmlost, zugedeckt, gerechtfertigt und wer weiss was sonst noch. Die Probleme hier sind also in erster Linie hausgemacht und kommen nicht in dem Umfang von aussen wie es den Anschein hat. Wenn Sie tiefer hinschauen, können Sie auch von einer Sogwirkung im Hinblick auf gleichsam schwarze Löcher innerhalb der sozialen Abläufe in der Anthroposophenschaft sprechen. Kein inneres Tun oder nicht Tun bleibt ohne Aussenwirkung.
Abschliessend noch dieses: Ich habe nicht behauptet „Sie“ würden quasi das Imprimatur beanspruchen, „was in Bezug auf die Geisteswissenschaft zukünftig als wissenschaftlich zu gelten hat.“ Da Sie sich aber in Ihrem Sagen gerne nicht nur als Verteidiger Ihres Verständnisses von Anthroposophie darstellen, sondern auch auf eine unterschwellige Art gleichsam auch als Sprecher einer nicht näher umrissenen Gruppe anderer Menschen hat das Imprimatur oder besser gesagt  die „Haltung zu einem Imprimatur“ möglicherweise auch etwas mit Ihnen zu tun. Doch die möglichen tieferen Zusammenhänge mit Ihnen gesprächsweise zu bearbeiten, das ist nicht meine Aufgabe. Wenn Sie den oben skizzierten Weg gehen wollen, dann werden Sie es früher oder später schon selber herausfinden.

Bernhard Albrecht Hartmann

Montag, 23. Oktober 2017

Nachtgedanken

Der Flügelschlag als zarter Ausdruck eines Geschöpfes wie dem des Schmetterling weist auf das so schwer dynamisch zu findende und noch mehr zu haltende Gleichgewicht hin, mit den Fühlern des Interesses, einer beständig neu anlandenden Fühl- und Erlebnis Bereitschaft, wie gleicherweise innerlich getakteten Haltung gegenüber dem Fremden Weltoffenheit zu leben. Die Schatten der Verdächtigung und des Vor-Urteils sind allgegenwärtig. Unvermittelt verführen sie zu Übertragungen eines Vermeinens, dem eine differenziert ausgelotete Sachgrundlage mitunter fehlt, bzw. die auf die Schnelle hin nicht um-sichtig weit genug beigezogen wird und gegenüber dem anderen Menschen achtsam seinen Ausdruck findet.
Die Freiheitswege der Menschen um mich herum und ihre inneren Such- und Erfahrungswege sind eben  s e h r  anders ausgerichtet und von daher zu durchleben als meine Wege. Dies zu sehen, zuzulassen und auszuhalten, was eine sachliche Stellungnahme nicht ausschliesst, fällt in den Bereich der heute immer umfassender notwendig werdenden Klärung von Resonanzprozessen. Dual ausgetragen enden sie nicht selten unbefriedigend. Nach innen vertieft und durch zahlreich mögliche Filter des eigenen „erkenne Dich selbst“ geleitet können sie zu einer Keimkraft tatsächlich gelebten Freien Geisteslebens werden.
Der Schmetterling lebt uns die Möglichkeit dieser Berge versetzenden Kraft, die zu entwickelnde dynamische innere Haltung einer immer umfassenderen Präsenz, unscheinbar leise vor. Substanziell geankert in mir schafft diese Haltung Verbindung unter den Menschen.


Montag, 18. September 2017

Den Willen dynamisieren

                                      
                                                    Den Willen dynamisieren I

                                                                                      
                        „Das, was den Gegenstand schwer verständlich macht ist … nicht, 
                           dass irgendeine besondere Instruktion … zu seinem Verständnis  
                         erforderlich wäre, sondern der Gegensatz zwischen dem Verstehen 
                       des Gegenstandes und dem, was die meisten Menschen sehen wollen. 
                   Dadurch kann gerade das Naheliegendste am allerschwersten verstanden 
                      werden. Nicht eine Schwierigkeit des Verstandes, sondern des Willens 
                                           ist zu überwinden." Ludwig Wittgenstein (1)




                          Einige Anmerkungen zu Inhalt und Umkreis des Vorwortes 

                 von Eckhart Förster im Band 2 der Steiner Kritischen Ausgabe (SKA)


Eckhart Förster spricht in seinem Vorwort zu Steiner Kritischen Ausgabe Band 2 etwas aus, das nach meiner Kenntnis vor ihm noch niemand aus dem Umkreis der universitären Wissenschaft so benannt hat. „Ohne den bereitwilligen Versuch, ein solches sich selbst erzeugendes Denken im Sinne Steiners selbst auszubilden, wird sich über dessen Wirklichkeit nichts entscheiden lassen (2).“
Damit sind aus meiner Sicht, unabhängig davon in welchem Umfang und auf welche Weise es zu solchen Selbstversuchen kommt, bzw. bereits vorhandene Ansätze dazu einer akademisch wissenschaftlichen Würdigung unterzogen werden nicht wenige Auseinandersetzungen zu erwarten. Die Selbstbindung des abstrakten Denkens ist nämlich nicht so einfach aufzulösen. Und das betrifft keineswegs alleine die  akademische Wissenschaft, sondern auch und nicht weniger „anthroposophische“ Kreise und deren  Umgang mit dem Denken. Unbefangen angeschaut scheint es mir bei der Selbstanalyse des abstrakten Denkens primär um eine Vorstellungs-Befangenheit, um nicht zu sagen Vorstellungs-Blindheit bezüglich des Willens und der Art und Weise seiner Entwicklung  innerhalb des je eigenen Denkens zu gehen.
Ob der "Spielball" von Eckhart Förster aufgegriffen wird, ist in meinen Augen weniger an eine noch weiter anhaltende Vorurteilslage in Bezug auf Rudolf Steiner gebunden, als vielmehr an das methodische Paradigma des Umgangs mit dem Denken in wissenschaftlichen, wie auch in anthroposophischen Zusammenhängen und von da her bis in die Alltagswelt hinein. „Das unbeobachtete  Element unseres gewöhnlichen Geisteslebens“ (3) scheint heute noch mehr dem Beobachten entschwunden zu sein als zu Lebzeiten von Rudolf Steiner. Auf die Spitze hin formuliert bedeutet das in meinen Augen, das Denken hat sich in der Abstraktheit seiner Begriffe möglicherweise etwas zu weit selbst verloren. 
Von daher sind die Hemmnisse das eigene Denken gewissermassen in seiner grundständigen Ausrichtung umstellen zu müssen, um es auf eine Ebene des sich selbst Erfahren zu führen, erheblich. Es entspricht der Art und Weise einer langen Wissenschaftstradition, dass das Denken nach aussen gerichtet wird. Das aber führt dazu, dass im Interesse einer Objektivierung eines von sich selbst absehenden Denkens, dieses abstrahierende Denken vorrangig die dunklen Flecken im Denken des jeweiligen Gegenübers sucht und von dort her untersucht.
Ein allem Sprechen vorauseilender, bzw. dieses begleitend, erlebender Bezug zum eigenen Denken und seinen Schattenspielen scheint auf Grund der Abstraktheit desselben immer schwerer erreichbar zu sein. Und das bedeutet, so der Anschein, eine Betrachtung des eigenen Denkens in Bezug auf die Wesensebene des Wortes, mit dem umgegangen wird, ist immer schwerer innerlich zu bewerkstelligen. Ein Abgrund tut sich auf und zwischen den Worten, den miteinander sprechenden Menschen, breitet sich unscheinbar das Absurde in willkürlichen Faktizität-Ansprüchen aus.
Von der Wesensebene des Wortes zu sprechen erscheint im heutigen Wissenschaftsumkreis gewagt zu sein. Das abstrakte Wort gilt als das allein Objektive, das wissenschaftliche Untersuchungen begleiten kann und darf. Anders könne Wissenschaftlichkeit nicht gewährleistet werden.
Wenn ich darüber sinne wie dieser Umstand verstehend zu verorten sei, so denke ich dabei an Kant. An Kant und sein Ansinnen „der Philosophie erstmalig den Status einer Wissenschaft zu verschaffen (4).“ Dazu wie nebenbei angemerkt: Auch Rudolf Steiner wollte nichts weniger als das. Er suchte die Geisteswissenschaft in einem durch sich selbst erfahrbaren Denken zu gründen und - scheiterte wie Kant.
Diese Art der Gegenüberstellung mag den einen oder anderen Denker irritieren, ihm vielleicht sogar unzulässig erscheinen. Ich denke hier jedoch: Können wir nicht wenigstens für einige Augenblicke versuchen von der ritualisierten Denkweise des üblichen Wissenschaftsdenkens Abstand zu nehmen, sowie einer sich vor sich selbst verschleiernden anthroposophischen Exegeten Denkweise in Bezug auf Rudolf Steiner? Und wollen wir nicht wenigstens versuchen wie von einem Aussenstandpunkt unbefangen diesen möglichen Tatbestand zu betrachten? Geben wir uns doch den Freiraum zu einem tastenden Betrachtung und Überschau zu gelangen, ohne die Angst damit sogleich bisher uns geltende Grenzen zu überschreiten, bzw. uns aus gutem Grund geltende Prinzipien und Treue Haltungen zum Wanken zu bringen oder sie gar zu verraten. Sind Kant und Steiner in ihrem jeweiligen Ansinnen gescheitert? Sich Fragen zu stellen, ohne damit beidseitig ein vermeintliches Sakrileg zu verletzen?
Für Kant, den Begründer der klassischen Transzendentalen Philosophie, war das Ich eine bloss logisch formale Identitätsbestimmung der Vernunft. Es bezeichnete den Gedanken eines Gegenstand konstituierenden Bewusstseins vor jeder Erfahrung, mithin die formale Struktur, welche eine vernünftige Ordnung der Welt mittels des Denkens grundständig überhaupt erst ermöglichen sollte. Dieses Ich war auf Logik gebaut, nicht auf Anschauung, nicht auf erfahrungsbasiertem Wissen und schon garnicht auf Bewusstsein-Gegenwärtigkeit im inneren Tun. Es war und ist nach wie vor ein abstrakter Quellcode der Denkmöglichkeit. Für Kant blieb das Denken damit ein letztlich ungelöstes Koan.
Dem gegenüber suchte Steiner mit seiner Philosophie der Freiheit und den beiden Grundschriften, die dieser vorausgingen umrisshaft einen Weg zu eröffnen, die Abstraktheit zu überwinden, in die Kant das Denken noch kleiden musste, weil er „Erfahrung“ nicht anders als zeitbedingt nach aussen gerichtet denkend verstehen konnte. Er veranlagte die Philosophie der Freiheit als einen Willensweg, der im inneren Nachvollzug dieses Gedankenweges, wie in darüber hinausgehenden eigenen Untersuchungen - die Willensbewegung, konsequent immer wieder aufgenommen und verfolgt - das Denken nur immer deutlicher in die eigene innere anschauende Erfahrung erheben kann. Denkwille als selbstinduzierte Setzung des Ich im Denkblick (5).
Eckhart Förster hat in seinem Vorwort unversehens eine Türe aufgestossen und damit unübersehbar ein weites, wie gleicherweise hoch komplexes Forschungsfeld eröffnet. Wird dieser Spielball  tiefer gehend aufgenommen, so sind zweifelsohne mannigfaltige Kontroversen zu erwarten. In einem bisher eher marginal betriebenen Umgang mit den wesentlichen Intentionen Rudolf Steiners in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung könnte das zu einer langsamen Kehrtwende führen. Eckhart Förster hat mit leisen Tönen einen „bereitwilligen Versuch, (von Seiten der Wissenschaft sachlich angemahnt) ein … selbst erzeugendes Denken … selbst auszubilden.“
So wie aussen, so auch innen, gewissermassen als notwendige Fortsetzung und Ergänzung einer vor langer Zeit begonnenen Aufklärung, an der Kant einen grossen Anteil hat, was bedeutet die nach aussen hin gerichtete geschärfte Beobachtungskraft umzukehren auf eine nach innen hin nicht weniger differenziert auszubildende Beobachtungsfähigkeit. Wird diesbezüglich der Forderung Kants gefolgt alles auf Erfahrung zu gründen hiesse das, den Denkwegen nicht nur abstrakt zu folgen, sondern eine die Abstraktion durchdringende Reflexionsfähigkeit, zu einer dynamischen Beobachtung innerer Willensprozesse hin zu erweitern, … wenigstens für den, der wagt versuchsweise gewohnte Bahnen zu verlassen und „Selbstkritik“  über das bisherige Mass hinaus auf sein eigenes Tun hin grenzöffnend zuzulassen.
Eckhart Förster scheint mit seinem vorsichtigen Herantasten an das Wie des Denkens Rudolf Steiners über eigene Selbstversuche zur Selbstvergewisserung eines sich selbst erzeugenden Denkens zu gelangen, jenseits  von Polemiken das Forschungsvorhaben Rudolf Steiners, wie dieser es in seinem Untertitel zu seiner Philosophie der Freiheit: „Seelische Beobachtungsresultate  n a c h  naturwissenschaftlicher Methode“ sich selber und der Nachwelt als  > Forschungsprojekt <  vor Augen gesetzt hat, für die universitäre Forschung gewissermassen aus dem Dornröschenschlaf zu wecken.
Das bedeutet, so ich das „als ein Nachgeborener“ ernst nehme, sich, wie ein Fremder (6) und wie von aussen aufgefordert zu sehen, in ein derartiges Forschungsprojekt erlebend hineinzustellen. Ich sagte es ja schon, es sind Fragen zu stellen, Fragen, Fragen und noch einmal Fragen. Und ich sehe das wirklich ganz konkret so. Wer sich davor scheut, im Angesicht bestimmter Gedanken, nicht immer und immer wieder sich einmal die Augen zu reiben, um den Blick wie durch die Nebel eigener Vorstellungen hindurch bringen zu können, ihn von darüber abgelagerten Spinnweben zu befreien, der wird den eigenen Willen nicht dynamisieren können.
Fragen sind nämlich wie Keime, aus denen dynamisierte Willenskraft wachsen kann. Und dies wiederum macht es dort, wo Kant und Rudolf Steiner und andere auf ihren Wegen in ein zu erweiterndes Bewusstsein hinein Fragen ausgestreut, bzw. offen gelassen haben, diese überhaupt erst zu sehen, damit ich als Nachfahre sie mutig aufgreife, sie in mir weiter entwickle, anstatt mich hinter Kant und Steiner mit dem Finger einer ritualisierten Deutungshoheit in Vorstellungen zu verstecken. Es bedeutet „den Prinzen in sich“ auf die Reise zu schicken durch die Dornen-Landschaften eigener Vorstellungsverstrickungen und in damit einher gehender wachsender eigener Willenskraft die jungfräulich weibliche Weisheitskraft  Dornröschens in der eigenen Seele zu erwecken.
Unter einem anderen Blickwinkel gesagt bedeutet es, es wird von Kant her gesehen keine „erstmalig wirklich wahrheitsfähige Philosophie“ geben und durch sie zu einer Kulmination im Denken kommen, wenn Kants Erfahrungsbegriff nicht auf von ihm gesetzte Ausschlüsse von Erfahrung hin tiefer untersucht wird. In meinen Augen ist Kants Projekt einer „erstmaligen Philosophie“ in den Anfängen hängen geblieben und - weiter virulent einer Lösung harrend. Dass die Welt einen erweiterten inneren Erfahrungszugang zum Denken braucht kann heute noch mehr als zu Kants Zeiten einem jeden sichtbar werden, der bereit ist an ihn letztlich nur selbst schützenden Scheuklappen innerlich zu rütteln.
Ich will es einmal so anschauen, Kant hat durch seine Art der Begriffsmeditation in seinem Werk  eine nicht hoch genug zu schätzende Vorarbeit auf die noch ungeborene „erstmalige Philosophie“ (6) geleistet, die nach dem bahnbrechenden Werk von Eckhart Förster in ihrer Art noch weiter wissenschaftlich heraus zu arbeiten wäre. Er hat und musste in evolutionärer Folgerichtigkeit die Begriffe in seiner  Transzendental-Philosophie um des Erringen der  Freiheit im Selbstbewusstsein willen (seelisch beobachtet im Sinne Rudolf Steiners) in eine Art innere Lähmung versetzen. Die Abstraktion als Kunstgriff, um das Denken vor den Gefahren der Selbstillusion zu schützen, um ein durch sich selbst zu stabilisierendes Selbstbewusstsein hervorbringen zu können. Sollte „diese erstmalige Philosophie“ einmal tatsächlich in Erscheinung treten, dann wäre das der grosse zu würdigende Beitrag Kants.
Die Abstraktion als verdichtete Kraftgebärde eines im eigenen Bewusstsein zu umfassenden und zu lenkenden Denkblicks. Die Abstraktion als innerer Kraft-Umkehrpunkt in das Erfahren eigener Willensdynamik hinein. Die Abstraktion als Übergang  vom Stehen in der Kraft (Ver-Stand) in die immer bewusstere Teilhabe mit den Kräftebewegungen dieser Welt auf unterschiedlichen Bewusstseinsebenen. Die Abstraktion aber auch als fortlaufend tiefer um sich greifendes Gefahrenmoment einer unterschwelliger Angst den Boden unter den Füssen zu verlieren und sich in einem substanzlosen Nichts zu verlieren. Die Abstraktion, weil nicht bewältigt - in ihrer Kraftgebärde erfahrend erschlossen - als subjektseitige Abwehrfalle sich in eigenen Vorstellungswelten und damit einher gehenden Wirklichkeitsverschleierungen wechselnd abzukapseln oder zu verlieren. Die Abstraktion, „bildhaft,“ als Schwellengebirge vor dem möglichen Übergang in ein Bewusstsein, das diesen Namen verdient, weil selbsttätig erzeugt, bzw. hervorgebracht.
Damit berühren diese Ausführungen unausweichlich ein in meinen Augen hoch problematisches Selbstverständnis bestimmter anthroposophischer Kreise in ihrem Verhältnis zu Rudolf Steiner. Kann ein „Überhöhen“ der Persönlichkeit Rudolf Steiners hilfreich sein für die vertiefende Entwicklung seiner Intentionen? Kann ein indirekt gläubiges Aufschauen zu seiner Person ein selbsttätiges Denken wirklich unterstützen und voranbringen? Ist es so, dass Menschen, die sich dem Werk dieses Mannes zugeneigt sehen tatsächlich seinem Namen verbunden bleiben - im Sinne der Aussage Rudolf Steiners, dass sein Werk nicht von seinem Namen getrennt werden dürfe? Gibt es eine Art des Umgangs mit dem Werk Rudolf Steiners, die nicht mit seinem Namen kompatibel wäre und demgemäss zu einer Trennung des Namens Rudolf Steiners von seinem Werk führen könnte? Wer befindet über eine Verbindung/Trennung von Werk und Namen oder geschieht das in einem Prozess unscheinbar fliessend - wie nebenbei - und liegt damit in der Verantwortung eines jeden Einzelnen sich dessen bewusst zu werden und gegebenenfalls gegensteuernd darauf Einfluss zu nehmen?
Kurz zusammengefasst, hat die eigene Art mit diesem Werk zu arbeiten Einfluss auf diesen Prozess? Was ist das Kernstück von Rudolf Steiners Werkschaffen? … Das Denken selbsttätig hervorbringen zu lernen. … Wenn dem so ist, welche Konsequenzen leiten sich von daher für jeden Einzelnen ab, der sich Rudolf Steiner zugeneigt erlebt?
Das eigene Arbeiten auf ein selbsttätiges Denken hin auszurichten und zu vertiefen, um die Verbindung von Rudolf Steiners Werk mit seinem Namen zu stützen  —  wenn ich genau hinschaue, ist hier nichts in Stein gemeisselt.
Am Anfang eines Selbsttätigen Denkens und dem aus diesem hervorgehenden sich dynamisierenden Willen steht in meinen Augen die Selbstkritik. Sie öffnet aus meiner Erfahrung heraus die Quellen eigener selbsttätiger Kraft und fördert das innere Überschauen-Können und dynamische Erfassen, Durchdringen und gebändigte Integrieren von Willensprozessen im Hinblick auf eine über das Verstandesdenken hinaus reichende Bewusstheit.


                                                 Den Willen dynamisieren II

 
                                      Am Wegesrand steht eine Rose. Welch schöne Rose!
                                     Wir stellen es fest und gehen weiter. Immer gehen wir weiter.
                                                              Wir haben verlernt zu verweilen.
                               Doch nur im horchenden Verweilen kann uns das Zeitlose in der Zeit,
                             das WESEN begegnen, das in und jenseits der Rose und aller Dinge ist.
   
                                                                 Karlfried Graf Dürkheim (7)

                                                 

Am Anfang eines Selbsttätigen Denkens und dem aus diesem hervorgehenden sich dynamisierenden Willen steht in meinen Augen die Selbstkritik. Sie öffnet aus meiner Erfahrung heraus die Quellen eigener selbsttätiger Kraft und fördert das innere Überschauen-Können und dynamische Erfassen, Durchdringen und gebändigte Integrieren von Willensprozessen im Hinblick auf eine über das Verstandesdenken hinaus reichende Bewusstheit.
Demzufolge ist Kritik über andere Menschen auszuschütten ohne eine vorauseilende, mindestens aber parallel einzubindende Selbstkritik, wie gleicherweise grundständige Wertschätzung des fremden Denken kontraproduktiv. Ohne echte Teilhabe am wechselseitig fremden Denken ist eine konstruktive Fortführung von Denkansätzen im Felde auszutauschender seelischer Beobachtungen nicht möglich. Der Sturz in die Dualität folgt auf dem Fuss und lässt damit  allzu schnell ein Kampffeld entstehen, auf dem quasi mit Rammböcken aufgefahrene wechselseitig vorgebrachte Vorstellungen über den jeweils anderen Menschen Nebelgefechte nach sich ziehen, anstatt dass sie auf einem Weg der Verständigung bestrebt sind an gemeinsamen Problemlösungen - also weniger gegeneinander als vermehrt miteinander - zu arbeiten.
Die Spannungsverhältnisse, die dabei im eigenen Innenleben auftreten können sind nicht zu unterschätzen. Bei der Erweiterung des Erfahrungsraumes von einer klassisch naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise - mit dem beigeordneten wissenschaftlichen Verständnis Erfahrung sei aussenbezogen zu bearbeiten und nur so wissenschaftlich anzuerkennen - um Bewusstseins-Erfahrungsräume, die seelisch beobachtbar sein sollen, müssen verstandesgeleitete Vorstellungskomplexe in Abwehrfront gehen. Dies ist eine natürliche Reaktion auf ein unterschwelliges Erfahren der Boden unter den eigenen Füssen entzieht sich mir hier und jetzt leise. Dieses Erfahren öffnet, was … übersehen werden kann, den Horizont auf die eigentliche Frage nach dem michaelischen Mut, der aus dem Erfahren dieser Schwellensituation allein zu entfalten ist.
Konnte bei Erscheinen der Philosophie der Freiheit der Untertitel dieses Buches auf die damalige Wissenschaftswelt noch wie ein Giftpfeil wirken, der nichts anderes als ein Ablehnen von Rudolf Steiners Ansinnens nach sich ziehen musste und zwar eine von der Sache her im Wesentlichen ungeprüftes Abweisen der tatsächlich von ihm vorgebrachten wissenschaftlichen Intention. Mit dieser Haltung wurde nicht einmal in Erwägung gezogen seine Grundaussagen gewissermassen als Hypothesen in wissenschaftlich Untersuchungen versuchsweise näher zu treten, was doch eigentlich zum Grundinventar wissenschaftlicher Auseinandersetzung gehört. Das zeigt nur, dass sie nicht wirklich verstanden wurden, bzw. welche grosse innere Hürde das abstrakte Denken samt seinem Selbstverständnis darstellt, das einem Verstehen von Rudolf Steiners wissenschaftlicher Intention im Wege zu stehen scheint. Womit wir wieder bei dem leisen, zu Beginn dieses Beitrags bereits angeführten, Anmahnen Eckhart Försters wären: „Ohne den bereitwilligen Versuch, ein solches sich selbst erzeugendes Denken im Sinne Steiners selbst auszubilden, wird sich über dessen Wirklichkeit nichts entscheiden lassen.“
Der Tatbestand von heute ist nun der, dass sich in den letzten einhundert Jahren das abstrakte wissenschaftliche Denken sogar noch weiter verstärkt hat. Der praktische Problem-Lösungsdruck, der in Folge dieser Art zu denken sich immer deutlicher einstellt, weil allem Anschein nach in vielen Bereichen Probleme vermehrt nur noch verschoben oder zugedeckt werden können, wird im Tagesgeschäft von Mainstream Verlautbarungen, hinter vielfältigen Expertenäusserungen für den, der tiefer hinein hört dabei immer wieder deutlich. Kurz gesagt, es lässt sich nicht mehr verbergen und das erzeugt im sozialen Raum lähmende, wie gleicherweise eruptive Prozesse aus, die immer weniger zur Seite gewischt werden können.
Der Eindruck, das wissenschaftliche Denken könnte sich heute in einer selbst erzeugten Abstraktionsfalle verfangen haben, folge ich diesbezüglich etwa den Denkwegen von Thomas Nagel in seinem Buch: „Geist und Kosmos“ (8) oder dem Aufsatz von Holm Tetens: „Der Naturalismus, das metaphysische Vorurteil unserer Zeit?“ (9) ist aus meiner Sicht nicht mehr so einfach von der Hand zu weisen. Es wäre aber grundfalsch vor diesem Hintergrund sagen zu wollen, die Philosophie der Freiheit Rudolf Steiners böte die Lösung für das bezeichnete Problem heutigen wissenschaftlichen Denkens.
Rudolf Steiner hat mit diesem Buch seinen eigenen Denkweg nachgezeichnet und damit auf eine „grundständig zu verändernde Haltung,“ auf eine gegenüber dem abstrakten Denken deutlich auf Erfahrung oder innere Anschauung der dabei sich vollziehenden Prozesse verwiesen. Die Art und Weise des sich im Denken Bewegen ist nicht weniger von Bedeutung als die Gegenstände des Denkens, bzw. die sie der Möglichkeit nach ausdeutenden Begriffe. Er hat für die Wirkgeschichte dieses Buches einen Rahmen von 500 Jahren benannt, wohl wissend, dass sich der von ihm ansatzweise beschriebene Umgang mit dem Denken eine lange Zeit brauchen würde sich zu entwickeln.
Zudem ist es ein Dilemma von Pionieren im Allgemeinen und hier in Sonderheit von Rudolf Steiner, dass er den gesamten Umfang des von ihm mit seiner Philosophie der Freiheit neu betretenen Forschungsfeldes nicht von Anfang an auch nur annähernd umfassend beschreibend dokumentieren konnte. Pioniere auf einem derartig komplexen Forschungsfeld sind auf Nachfolger angewiesen, die bereit sind  sich ihrerseits auf einen inneren Forschungsweg zu begeben, den Weg ein „sich selbst erzeugendes Denkens auszubilden“ und dieses in Folge dann tiefer zu untersuchen.
Leider greift Christian Clement diesen Aspekt in seiner Einleitung zu SKA Band 2 nicht wirklich auf. Er umkreist skizzenhaft die Denkwege Rudolf Steiners von den verschiedensten Seiten her ohne auf dessen methodischen Ansatz der seelischen Beobachtung kritisch einzugehen und verbleibt so - im Wesentlichen - in einer  philologischen Textdokumentation. Was eine eigene Thesen und Hypothesenbildung in Bezug auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Rudolf Steiner betrifft, darin hält er sich bedeckt. In meinen Augen hätte es seine Arbeit die Grundschriften Rudolf Steiners kritisch editiert herauszugeben gut vertragen wenigstens ansatzweise hinweisend deutlich zu machen, unter welchen Gesichtspunkten eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Rudolf Steiner heute tiefer greifend beginnen könnte, wie sie angesichts der gegenwärtigen Befindlichkeit des Denkens in Wissenschaft und gesellschaftlichen Zusammenhängen verschiedenster Art in meinen Augen mehr als überfällig ist geführt zu werden.
So bleibt er bedauerlicherweise hinter dem oben genannten leisen, aber nichts desto trotz mutigen Hinweis  Eckhart Försters zurück. Aber vielleicht kann sich Eckhart Förster nach seiner Arbeit über die 25 Jahre der Philosophie (10) in einer weiter gehenden Betrachtung dazu aufgefordert sehen zukünftig den wissenschaftlichen Dialog mit Rudolf Steiner von seiner Seite vertiefend aufzugreifen. Es könnte sich als fruchtbar herausstellen den von Kant so benannten „Beginn der Philosophie“ innerhalb dessen philosophischer Erörterungen dahingehend erneut und weitergehend ins Auge zu fassen, dass eben diesen Beginn bei Kant Rudolf Steiner in seiner Philosophie der Freiheit erneut aufgegriffen hat. Weiter könnte zu Tage treten, dass Rudolf Steiner mit dieser „ersten Skizze“ ein bis dahin nicht ins Auge gefasstes, ein auf diese Ausgangslage hin zu erweiterndes Forschungsfeld zur weiteren Bearbeitung eröffnet und der Wissenschaft hinterlassen hat. Ein Forschungsfeld, das nicht nur das „Was,“ sondern gleicherweise das „Wie“ des Denkens ins Auge zu nehmen hätte - gewissermassen als einen Versuch eine über das abstrakte Denken hinausreichende erweiterte innere Haltung und daraus hervorgehend innere Anschauung in Bezug auf den Umgang mit dem eigenen Denken zu dokumentieren.
Gewiss, ein Verständnis von der Methode der seelischen Beobachtung, wie sie Rudolf Steiner nicht nur im Untertitel, sondern durchweg untergründig seiner ganzen Philosophie der Freiheit in meinen Augen dynamisch unterlegt ist nicht so ganz einfach heraus zu arbeiten, denn Rudolf Steiner beschreibt diese Methode selber nicht direkt, d.h. als eine gleichsam kopierbare Konstrukt-Schablone. Er geht in seiner Philosophie der Freiheit einen Weg und der fragend offene Nachvollzug dieses Weges erhellt schrittweise die zu Grunde liegende Methode der seelischen Beobachtung. Genau so wie das Befragen eigener Gedankenwege, samt ihren individuell sehr unterschiedlich zugreifenden und zu bändigenden inneren Wirkfaktoren in einem fortgeschritteneren Stadium vertiefter Selbstkritik zu immer klareren Begriffen, sprich einer inneren Anschauung derselben im Denken führt.
Mit dieser Anschauung geht ein wachsendes Erfahren der inneren Bewegungen des Denkens im Umgang mit Begriffen einher. Was Wille ist erhellt sich auf eine gänzlich neue Weise. Es kann sich aus meiner Sicht darüber hinaus auch die Möglichkeit des Zugriffs auf die innere Erfahrung eines subjektfreien Denkens über den Denkblick einstellen, der im Zuge eines dynamischen, durch Selbstkritik befreiten eigenen Denkens gleichsam als Steuerorgan der Denkprozesse in Erscheinung tritt.
Zu erwarten ist in meinen Augen, dass alles, wirklich alles zukünftig auf eigene Erfahrungen im Denken gegründet werden kann und von daher wissenschaftlich zu erforschen sein wird. Und das bedeutet auch, dass nicht wie noch vor 100 Jahren weiter hilfsweise „von einer übersinnlichen Welt gesprochen werden muss,“ da diese als Kraftgestalt im eigenen Denken wirksam anwesend so lange schlummert, bis das Denken sich dynamisch weit genug entfaltet hat, dass sie einsehbar wird. Nichts mehr ist und bleibt okkult, alles tritt unmittelbar und nondual im eigenen Denken zu seiner Zeit in Erscheinung, sofern der Wille im eigenen Denken dahingehend aktiviert werden kann und bewegt in Bewegung eine neue Dimension des Seins sich öffnet.
Auf Aristoteles geht die Peripatetik, zumindest in der stringenten Anwendung derselben zurück, Denken und Sprechen im Schreiten, Denken und Sprechen in und aus der Bewegung hervor. Von was sprach Aristoteles also, wenn er in seinen Vorlesungen denkend und sprechend vor seinen Schülern auf- und abschritt? Er erzählte ihnen von seinem inneren Forschen in eben diesem Augenblick, während er zu ihnen sprach. Wer sich auf Selbstversuche die Peripatetik  innerlich auszuforschen einlässt, der kann entdecken, dass er mit etwas Übung seine Gedanken immer flüssiger aus dem Augenblick schreitend lernt zu entwickeln und ein vorgefertigtes Sprechkonzept auf diese Weise hinter sich lassen kann. Die praktische Peripatetik führt das Denken in seine Gegenwärtigkeit, begleitet es an die Grenzen des Wissens und insofern es willensdynamisch aktiviert wird über diese hinaus.
Aristoteles berichtete seinen Schülern also von seinem inneren Grenzgang entlang des Nichtwissens; mit den Worten des Sokrates, wie sie von Platon übermittelt wurden von seiner Art des: „Ich weiss, dass ich nicht weiss.“ Aristoteles schritt, wenn er sprach demzufolge entlang des Ursprungs im Denken, vermittelte die Ursprünglichkeit der Bewegung im Denken und was von daher in Erscheinung treten kann.
Er erzählte ihnen, dass „er“ sie nichts lehren könne. Nur aufzeigen, was von ihnen gefunden werden könne, das sei ihm möglich, wenn sie ihrerseits, wie er an die Grenzen des „ich weiss, dass ich nicht weiss,“ sich vorwagten. Im Zusammenschluss mit der stetig fliessenden Bewegung des Denkens würde von daher erfahrbar werden, was in diesem ihren ureigenen forschenden biographischen Augenblick zu erfahren möglich sei. Das sei das innere Geheimnis des „Aktus,“ in dessen Umfeld er so einiges forschend einer ersten Klärung zugeführt habe. Er könne ihnen nur die von ihm weiter entwickelte Fragetechnik des Sokrates ans Herz legen und sie ermuntern in Selbstversuchen niemals in einem über ihn hinaus gehenden Erforschen innerer Bewegungen nachzulassen. Der Wille dürfe unter keinen Umständen vom Denken getrennt werden.
Der Wille wird als Bewegung erst in dem Masse greifbar, wie eine unmittelbare Annäherung an ein „Erleben“ des „ich weiss, dass ich nicht weiss“ tatsächlich erfolgt. Eine Vorstellung vom Inhalt dieser Aussage, selbst so etwas wie eine Art Empfindung davon, das lehrt die Erfahrung im vertieften Ringen um Annäherung an die Tatsächlichkeit des "ich weiss, dass ich nicht weiss“ sind nicht selbsterklärend. Das Denken als Bewegung, als Willensstrom, wird erst in diesen Grenzbereichen, wenn Grenzen sich auflösen und der Forschende dennoch weitergeht wirklich erfahrbar und ist in der Isolierung, dem fliessenden immer neuen Fokussieren auf nichts als den Willen hin, gelinde gesagt, nicht einfach zu verarbeiten.
Wer sich hierher vorwagt, der weiss aus eigenem Erfahren, dass er Katarakt artige innere Erfahrungs-Abbrüche wie auch unvermittelte Stürze zu überwinden und zu verdauen hat. Die fliessende Bewegung ist eine Erfahrungsweise, die blinde Flecken in dem solchermassen Erfahrung Suchenden sehr schmerzhaft sichtbar machen. Entsprechend stark umdrängen Ego-Spiele dieses Klärungsfeld um eine tatsächliche Begegnung und innere Verbindung im Denken mit dem zum jeweiligen Forschungsaspekt gehörenden Willensanteilen.
Einen modernen Vertreter und ausgezeichneten Logiker, der in meinen Augen auf eine hintergründig keimhafte Art und Weise über die Kimme des Abstrakten Denkens auf ein Prozesshaftes im Denken hinzuschauen scheint (siehe unten unter 1.1 … Gesamtheit der  T a t s a c h e n,  nicht der Dinge) sehe ich in Ludwig Wittgenstein. Wenn er selbst in seiner auf strenge Form hin ausgerichteten Sprache dies auch wie verhüllt (11). In meinen Augen zeigt sich hier die alte Bruchlinie, welche die Logik schon bald nach Aristoteles immer deutlicher durchzieht - die langsame Trennung von Form und formbildender Kraft, mit anderen Worten die Trennung des Willens vom Denken. Was in der Peripatetik des Aristoteles noch präsent war, verliert sich in der Folgezeit mehr und mehr und endet schliesslich in der Abstraktion.
Dem Wortstamm nach kommt Logik von Logos. Bis zu Aristoteles hin waren die Menschen noch mehr oder weniger verbunden mit den Logos-Kräften. Heute können wir auf diese Art von Verbindung nicht mehr zugreifen. Wir müssen neue Wege suchen. Wege, die der modernen Wissenschaft zugänglich sind. Übersetze ich „Logos-Kräfte“ in moderner Sprache mit „Struktur bildende Kräfte,“ so könnte das ein Ansatz für eine zeitgerechte wissenschaftliche Forschungsinitiative sein. Herbert Witzenmann hat in dieser Richtung weisend die Skizze einer  Strukturphänomenologie (12) vorgelegt und Johannes Wagemann hat mit seiner Dissertation „Gehirn und menschliches Bewusstsein“ (13) diesen Ansatz in einer bemerkenswerten Weise wissenschaftlich bearbeitet. Leider haben beide Arbeiten in SKA 2 keinen Eingang mehr gefunden, denn sie hätten das Format an so prominenter Stelle benannt zu werden und in weiteren wissenschaftlichen Aufsätzen aufgegriffen und fortgeführt zu werden. Nicht zuletzt auch als ein Beispiel wie wissenschaftlich forschender Geist aus anthroposophischem Hintergrund heraus sich mit klassisch akademischer Wissenschaft fruchtbar verbinden lässt.
Schliessen will ich dieses Essay mit einer Anregung an die Leser den Anfang des Tractatus logico-philosophicus  einmal in einer von mir prozesshaft bearbeiteten Version zu betrachten und daran ein vielleicht sogar erstmaliges Gefühl für den Willen in der  Sprache zu entwickeln. Ich selber will mich dazu an dieser Stelle weiterer Kommentierungen enthalten:
    
     Das Original:
     1         „Die Welt ist alles, was der Fall ist.
     1.1      Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.
     1.11    Die Welt ist durch die Tatsachen bestimmt und dadurch, dass es alle Tatsachen sind.
     1.12    Denn, die Gesamtheit der Tatsachen bestimmt, was der Fall ist und auch, was alles
                nicht der Fall ist.
     1.13    Die Tatsachen im logischen Raum sind die Welt.
     1.2      Die Welt zerfällt in Tatsachen.
     1.21    Eines kann der Fall sein oder nicht der Fall sein und alles übrige gleich bleiben.
     2         Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten.
     2.01    Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen (Sachen, Dingen).
     2.011  Es ist dem Ding wesentlich, der Bestandteil eines Sachverhaltes sein zu können.
     2.012  In der Logik ist nichts zufällig: Wenn das Ding im Sachverhalt vorkommen kann, so
                muss die Möglichkeit des Sachverhaltes im Ding bereits präjudiziert sein.
     2.013  Jedes Ding ist, gleichsam, in einem Raume möglicher Sachverhalte. Diesen Raum
                kann ich mir leer denken, nicht aber das Ding ohne den Raum.“ … (14)
    
    Meine Version:
    1          Die Welt ist alles, was im Bewusstsein in Erscheinung tritt.
    1.1       Die Welt ist die Gesamtheit der von mir tätig hervorgebrachten Tat-Sachen.
    1.11     Die Welt ist durch Tat-Sachen bestimmt, Tatsachen, die als Bewusstsein-Prozesse in
                mir aktiviert, sich allesamt als tätig von mir hervorgebrachte Tat-Sachen zeigen.    .
    1.12     Denn die Gesamtheit dessen was tätig hervorgebracht bestimmt, was der Fall ist
                und auch, was nicht der Fall ist, weil nicht selbsttätig hervorgebracht.
    1.13     Die Tat-Sachen, d.h. das was der Fall ist, ist tätig hervorzubringender 
                Bewusstseinsprozess und der Ausdruck immanenten Universalien-Geschehens
                im Prozessraum des Logos der Welt.
    1.2       Die Welt zerfällt und ersteht in Tat-Sachen, im selbsttätigen Dekomponieren und
                tätigen Hervorbringen derselben in Bewusstseinsprozessen.
    1.21     Eines kann der Fall sein oder nicht der Fall sein, weil tätig hervorgebracht           
                oder nicht und alles übrige gleich bleiben, weil nicht von Bewusstsein erfasst.
    2          Was der Fall ist, die Tat-Sache, ist wie aus dieser eigentätig
                Sachverhalte hervorgehen.
    2.01     Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Prozesssequenzen, die in geistigen und
                materiellen Gegenständen Form annehmen.
    2.011   Es ist dem Ding wesentlich ein in eine spezifische Form verdichter Bestandteil,                                     eine prozessgelenkte Ausrichtung eines 
                sachgeleiteten Bewusstseinsprozesses sein zu können.
    2.012   In einer der Abstraktheit enthobenen Logik, mithin dem    
                fliessenden Niederschlag der Logos- bzw. Struktur gebenden
                Kräfte ist nichts zufällig.  Alles ist mit allem                                                         
                in beständigen Kräfteverbindungen verbunden
                und in diesen als Kraftpotenz der Möglichkeit nach enthalten.
                sachgeleitete Prozess-Ausrichtungen präjudizieren ein mehr oder weniger
                breites Spektrum von Sachverhalten, die in entsprechenden
                Formen sich als Ding ausdrücken.
    2.013   Jedes Ding als in die Form geronnener Ausdruck einer sachgeleiteten 
                Prozessausrichtung konstituiert sich in Bewusstseinsprozessen als zumindest
                vorübergehende Raumgebärde in bestimmten Sachverhalten. Dieser Potentialraum
                ist im Denkblick, der dynamisch seiner selbst bewussten Kraftmitte, dem
                Steuerungsorgan des Denkens erfahrend zu verorten, ist bestimmungslos und kann
                damit in sich als leer oder reine Potenz erfahren werden. …

Ob gegen die Auffassung von Ludwig Wittgenstein (15) in der Zukunft vielleicht doch einmal davon gesprochen werden kann, der Wille könne der Träger des Ethischen sein, muss gegenwärtig in meinen Augen offen bleiben.  Ich weiss, das kann als verhaltene Kritik gedeutet werden. Hat nicht Rudolf Steiner in seiner Philosophie der Freiheit vom ethischen Individualismus gesprochen? Gewiss doch. Inwieweit dieser ethische Individualismus im Einzelfall eingelöst, eben das ist die Frage? Für mich besteht die Quintessenz der Philosophie der Freiheit, als einem Willensbuch durch und durch, darin, dass der durch dieses Buch auszulösenden Selbstkritik auch innerlich standgehalten werden kann. Wie soll das gehen? Eben dadurch, dass dieses Buch nicht inhaltsbezogen gelesen wird.  Dynamisch ist dieses Buch zu lesen, als beständiger Begleiter durch meinen Alltag, indem ich mich in selbst aktualisierten seelischen Beobachtungen herausfordere mein Tun und Lassen unter die Lupe zu nehmen, um auf diese Weise mehr tatsächlichen Kontakt zu meinem Denken zu bekommen. Das mündet dann in Folge gewissermassen in einem inneren Umstülpen des eigenen Erkenntnisverhaltens, lässt mich meine je soziale Umwelt mit anderen Augen sehen und meine Verantwortlichkeiten aus einer so geweiteten Sicht neu bestimmen. Bündig gesagt, die seelische Beobachtung als fortlaufende Alltagsübung entwickelt die Fähigkeit eines gelebten ethischen Individualismus. Mit ihm wiederum kann ich, in Verbindung mit Ludwig Wittgenstein, auf eine moderne Weise selbstbestimmt bestimmen, „was der Fall ist.“
In einer Zeit der >fake news<  und  >bad comments<, die Menschen und deren Biographien von einem Augenblick auf den anderen unter Umständen nachhaltig schädigen und sogar zerstören können, ist da eine neue Sicht auf das Denken nicht mehr als dringlich geboten? Mit was gehe ich da eigentlich um, wenn ich denke und wie steht es um meine Verantwortung, wann immer ich denke? Ist Denken etwas, das ich einfach so beiläufig und beliebig freisetzen kann oder erzeuge ich damit unter Umständen weitreichende  und schwerwiegende Wirkungen? Warum hat Rudolf Steiner so eindringlich darauf verwiesen, dass alle Vorstellungen zu verbrennen seien? Warum hat er dies zuletzt sogar damit in Verbindung gebracht, dass  den Grundstock der von Weihnachten 1923 her neu zu schaffenden Gesellschaft nur Menschen bilden könnten, die genau dies zu tun bereit seien? Alles sei mit Leben zu erfüllen, mit einem zu befreienden Willen aus ethischem Individualismus heraus. Und heute beinahe 100 Jahre danach? In meinen Augen ist Denken und Bewusstheit die alles entscheidende Frage.
Kant legt den Finger auf den Punkt, es geht um nichts weniger, als um die Willenskonfigurierung von Philosophie gegründet auf Erfahrung. In dieser Beziehung hat er seinerzeit auch gegen Swedenborg einen Damm errichtet, einen Damm gegen jede Art von „visionärem Zauber“ auch heute. Mit Ludwig Wittgenstein gesagt, geht es um das, was Tat - Sache ist, was als Wille durch mich in Wirkung versetzt und nicht um „ein Träumen in als ob Vorstellungen“ eines Seins-Zustandes, der nicht ist, weil nicht selbsttätig hervorgebracht.  Es geht darum Kant und Steiner als Zen-Meister einer je eigenen Gegenwärtigkeit zu sehen, die über die Zeit hinweg einander zuarbeiten „Ungeborenheit“ in ein verdichtet/fliessendes Jetzt hinein anzustossen (16) und um einen zeitgemässen offenen, wie allseits wertschätzenden Dialog im zutiefst sokratischen Sinn.

Bernhard Albrecht Hartmann


(1)   Ludwig Wittgenstein - Ein Reader: Das Wesen der Philosophie S. 315,                                                     Reclams Universal Bibliothek Nr.9470, Druckauflage 2011
(2)   Steiner Kritische Ausgabe  (SKA) 2, Frommann-Holzboog Verlag Stuttgart-Bad Cannstatt
        2016, daselbst Vorwort von Eckhart Förster S. XVI
(3)   SKA 2, Die Philosophie der Freiheit - Das Denken im Dienste der Weltauffassung, S.103
(4)   Eckhart Förster: Die 25 Jahre der Philosophie, Vittorio Klostermann Verlag Frankfurt a.M.,
        2. Auflage 2012, S. 185.
(5)   siehe hierzu die Untersuchungen von Herbert Witzenmann in: Intuition und Beobachtung
       Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1977 und 1978
(6)   SKA 7, Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten, Innere Ruhe
(7)   Karlfried Graf Dürckheim, Ton der Stille S. 44, N.F. Weitz Verlag, Aachen 1986
(8)   siehe Thomas Nagel: Geist und Kosmos, Suhrkamp Verlag Berlin, 5. Auflage 2014
(9)  siehe Information Philosophie: Die Zeitschrift, die über Philosophie informiert, 03/2013                          Teten Holms: Der Naturalismus, das metaphysische Vorurteil unserer Zeit, S. 8 - 17
(10) Eckhart Förster dito S.14
(11) Ludwig Wittgenstein, dito  Tractatus logico-philosophicus S. 45 Traktate 6.54 und 7
(12) siehe Herbert Witzenmann: Strukturphänomenologie, Gideon Spicker Verlag
        Dornach 1983
(13) siehe Johannes Wagemann: Gehirn und menschliches Bewusstsein, Neuromythos und
        Strukturphänomenologie, Shaker Verlag, Aachen 2010
(14) Ludwig Wittgenstein, dito S. 9, Traktate 1 - 2.013
(15) Ludwig Wittgenstein, dito Tractatus logico-philosophicus S. 43 Traktat 6.423   
(16) https://egoistenblog.blogspot.ch/2017/08/zen-meister-bankei-und-rudolf-steiner.html
(17) https://wege-der-befreiung.blogspot.ch/2017/08/glockengelaut.html#comment-form
(18) Nike von Samothrake, Paris Louvre



Freitag, 1. September 2017

Mitgefühl

Er geht auf die Menschen zu, will Land und Leute kennen lernen, ihre Kultur, ihre Verschlossenheit und ihr Lächeln, ihre Sprache sich aneignen - auf seinem Weg beinahe 1500 km kreuz und quer durch die Schweiz. Erstaunlich wie gut er sich bereits ausdrücken kann, auch wenn er immer wieder einmal das passende Wort sucht, um sich verständlich zu machen, wo er doch erst ein halbes Jahr im Land ist. Seine Offenheit, seine Freude an kleinen Dingen, sein so unmittelbar Staunen-Können scheinen die Menschen anzuziehen, denen er begegnet.
Bei befreundeten Menschen unsererseits zu Besuch begegnen wir einander. Unsere Gastgeberin hat aus der Presse von seiner Wanderung durch die Schweiz gehört, über sein Asylanten Wohnheim Kontakt mit ihm aufgenommen und ihn auf seinem Wanderweg für eine Nacht zu sich auf den Bauernhof, auf dem sie mit ihrem Mann lebt, eingeladen. So sitzen wir jetzt also alle zusammen um einen grossen Tisch und essen und lachen miteinander. Sein Wissensdurst ist gross, ihn interessiert so viel. Abweisung, der er auf seinem Weg auch begegnet, Verstocktheit und Vorurteil quittiert er mit einem Lächeln oder übersieht es einfach. Die Menschen sind so und ich bin so anders. Es ist schwierig Grenzen zu überschreiten. Ich weis es. Schon die Grenzwächter an den äusseren Grenzen können einem in Angst und Panik versetzen. Wie steht es da erst um die inneren Grenzwächter. Ich muss Geduld haben und weiter vertrauen.
Wenn ich dieses mir eingeborene Vertrauen nicht gehabt hätte, ich wäre nicht hier. Mit meiner Frau auf der Flucht vor den Warhols, zu Fuss von Afghanistan. Die eineinhalbjährige Tochter auf dem Arm und je einem Rucksack auf unser beide Rücken, sowie einem aufgeschnallten Leichtzelt, so sind wir hier angekommen. Schaue ich zurück, ich weis nicht wie wir das geschafft haben.  Den Sandsturm in der iranischen Wüste, das beinahe Ertrinken von uns allen dreien in der Ägäis … 
Meinen Bruder, der mit uns floh, hat wohl die iranische Polizei verhaftet. Eines morgens stiess er aus seinem Versteck nahe der Strasse durch den Iran nicht mehr zu uns. Die Gefängnisse dort sind grauenhaft. Afghanische Flüchtlinge werden regelmässig zu Tode gefoltert. Doch davon spricht hier niemand. Wir sind nicht selten einfach nur Wirtschaftsflüchtlinge, nicht einmal Kriegsflüchtlinge. Doch dass wir zuallererst um unserer Freiheit und Würde geflohen sind, das wird übersehen.
Europa, die Schweiz nennt sich frei. Haben die Menschen hier noch Kontakt zu ihrer Freiheit? Wissen sie, dass Würde etwas ist, das ein Mensch unter keinen Umständen preisgeben darf?
Er schaut mich an während diese knapp gehaltene Geschichte beinahe verschämt aus seinem Mund wie tröpfelt. Ich werde hier Fuss fassen. Das bin ich meinen Eltern schuldig, die Freiheit und Würde so tief in mir eingepflanzt haben, meinem Bruder, der uns bei seiner nächtlichen Verhaftung nicht verraten hat. Wir Afghanen sind ein stolzes Volk. Wir haben allermeist unsere Frauen nicht weggesperrt und unter den Schleier gezwungen. In den Bergen lebend gaben sie uns nach unser harten Tagesarbeit Wärme und inneren Halt den Kampf um unser Überleben nicht aufzugeben. Dabei schaut er seine Frau und sie ihn an. Ihrer beide Augen sagen alles.
Erst als Khomeini sich im Iran festsetzte schwappte immer mehr ein dunkler Nebel auch über unser Land. Der Fanatismus spaltete die afghanischen Bergvölker untereinander. Dort wo bisher Freiheit und Würde das Leben zusammenhielt, zog Angst und Hinterhältigkeit ein.
Die Schweiz hat so prachtvolle Berglandschaften, die eine solche Kraft ausstrahlen, sind seine letzten Worte, bevor wir uns von ihm verabschieden.

Bernhard Albrecht

Dienstag, 20. Juni 2017

"Schau und sieh"

Kommentar zu:
https://egoistenblog.blogspot.ch/2017/06/was-war-was-ist.html?showComment=1497958055883#c2286132522408961216

„Schau und sieh:“ Diese Aussage der nachfolgenden wahren Geschichte vorangestellt, was wollte uns Rudolf Steiner durch diese Lebensepisode aufzeigen?

Einmal stand Rudolf Steiner in seiner Wohnung und nahm ein Paket entgegen. Das Paket kam von der Druckerei. Er ging mit dem Paket in sein Zimmer und öffnete es. Mit ihm standen einige Damen in dem Zimmer. In dem Paket war ein Buch. Es war eine weitere Neuauflage seiner „Philosophie der Freiheit“.
Steiner nahm das Buch heraus und öffnete es. Keine einzige Seite war bedruckt. Er blätterte es langsam und andächtig durch. Fast 300 leere Seiten. Kein Buchstabe. Nichts. Leere. Weiss.

Steiner hörte nicht auf in dem Buch zu blättern. Dann sagte er: „So sieht die wahre Philosophie der Freiheit aus. Ja, im Grunde müsste ich so die Philosophie der Freiheit schreiben.“

Die umstehenden Damen lachten und kicherten.

Da hob Rudolf Steiner das Buch in die Höhe und schleuderte es mit ungeheurer Kraft zu Boden. Dann schrie er so laut, wie die Damen ihn noch nie hatten schreien hören: „Das meine ich absolut ernst. Das ist die wahre Philosophie der Freiheit und sonst nichts!“

Er dreht sich um, ging an den entsetzten Damen vorbei, öffnete die Tür, ging hinaus und schlug die Tür mit einem lauten Knall zu.

NICHTS

                                            "Der Mensch muss seine ganze Kraft
                                                   aus dem Nichts heraus finden."
                                                              (Rudolf Steiner)

(Zu lesen auf dem Blog von Sebastian Gronbach: „missionmensch“ am 30.08.2009 unter dem Titel: "Die wahre Philosophie der Freiheit")

Schau hin und sieh. Das Wesentliche, liegt es nicht im weissen Hintergrund zwischen den Zeilen des Gesagten?  Dort wo die weisse Rose aufblühen kann? Die weisse Rose als leise Mahnung wider die Hartnäckigkeit eigenen Vermeinens? Die weisse Rose, die an der Schwelle zwischen Diktatur des Geistes und Selbsterkenntnis des Geistes aufblüht … für den, der tiefer hinschauen will. … Was alles andere als leicht, heute jedoch möglicher als vor 100 Jahren ist. Deine Zeilen zeigen es, Michael. Danke.

Bernhard Albrecht

Donnerstag, 20. April 2017

Unter der Platane - Ein Dialog über die Zeiten hinweg im zeitlosen Nullfeld, Teil III

Kretos: (Aus dem Schlaf hoch fahrend) Was tönte da an mein Ohr? 
Rief mich da nicht jemand sehr eindringlich?
Aristoteles? ...
Ich will, ... ich muss nach ihm sehen.
(Während er sich bekleidet klopft es leise an der Tür)

Phöbus: Welch ein Glück, Kretos, Du bist wach und ich muss Dich nicht wecken. Aristoteles bat mich Dich noch einmal zu rufen, er habe Dir noch Wichtiges anzuvertrauen.

Kretos: Ich bin bereit, wir können sogleich gehen.
Noch ehe Du an meine Türe klopftest, bin ich nämlich aus dem Schlaf erwacht, weil mir war, als ob mich Aristoteles gerufen hätte. Ich wollte soeben von mir aus nach Ihm sehen.

Phöbus: Das wundert mich vor dem, was ich parallel zu Dir erlebte überhaupt nicht. Diese Nacht hat es in sich. Einerseits ist sie in einer Weise sternenklar, wie ich es hier vorher noch nie erlebt habe, andererseits geht ein Schauer wie durch mich hindurch, der mich ängstigt.
Aristoteles hat sich, seit er uns gemeinsam entliess, selber nicht zur Ruhe begeben. Er ging fast die ganze Zeit in dem grossen Raum auf und ab.
Wenn ich ihn von der offenen Türe her bei meinem Rundgang durch das Haus leise beobachtete, dann sah ich ein Leuchten von seiner Gestalt ausgehen, das um ihn herum den Raum  mehr und mehr unscheinbar erfüllte. Auch war es mir, als ob er in gewissen Augenblicken wie über sich hinaus wachsend an Grösse zunahm. Ich musste mir mehrfach die Augen reiben. War das noch Aristoteles, den ich da sah? Was ging da vor sich?
Schaute ich späterhin wieder nach ihm konnte ich ihn wie zusammengekrümmt in seinem Lehnstuhl sitzen sehen. Seine Augen waren dann von einem Schmerz umflort, der mich erschauern lies. Ich war schon im Begriff zu ihm hinein zu gehen, weil mich sein Zustand beunruhigte, hielt mich aber ein jedesmal wieder zurück, weil ich nicht wusste, wie ich mit dem allem, was ich sah, umgehen sollte.
Bis zu dem Augenblick, da er aus seinem Lehnstuhl aufblickend mich in der Türe stehen sah. Er lächelte und winkte mich zu sich herein. Meinen Kopf zu ihm neigend, flüsterte er mir zu. Rufe mir bitte Kretos, ihn alleine, denn ich habe ihm noch Wichtiges für die kommende Zeit zu sagen. So bin ich also zu Dir geeilt, um Dich zu holen.

Aristoteles: Ich sehe, dass Du meinen Ruf gehört hast, mein lieber Kretos. So lass uns an dem Fenster gemeinsam Platz nehmen, durch das die Morgensonne uns begrüssen wird.
(Und nach einer Weile des Nachsinnens, ...)
Was ich Dir jetzt sagen will, fällt mir alles andere als leicht. Gebe ich damit doch eine Last an Dich weiter, die ich seit den Tagen, da es zum Bruch zwischen mir und Platon kam, immer wieder Schmerz geplagt, mit mir herum trage.

Kretos: Seit jenem Gewitter Nachmittag auf der Akropolis habe ich mich in den Jahren, in denen wir uns nicht mehr begegneten, so manches Mal gefragt, wie geht wohl Aristoteles im Nachhinein mit diesem Geschehen um? Sie waren doch Freunde im besten und tiefsten Sinne des Wortes. Platon war über seine anfänglich väterliche Rolle Dir gegenüber weit hinaus gewachsen, er war Dir zum Freunde geworden. Es schien mir im Rückblick, als ob er Dich heimlich gerne als seinem Nachfolger gesehen hätte und nur damit zögerte dies offen auszusprechen, weil Du kein Bürger von Athen warst.
Er suchte deswegen sogar mehrmals die Ratsversammlung von Athen auf.
Ich weis es definitiv, da ich in diese Versammlung hinein von anderer Seite über eine Verbindung verfügte.

Aristoteles: Was Du nicht sagst, Kretos. Du bist wirklich sehr diskret im Umgang mit Hintergrundwissen über Deine Freunde. Du schweigst, wo es nicht an Dir ist darüber zu sprechen. Und eben das schätze ich an Dir so. Du lässt Dir die Hintergründe von dem angelegen sein, was Du siehst und, Du hörst tiefer in die Worte hinein, die zu Dir gesprochen werden.
Weil dies so ist und aus keinem anderen Grund nahm ich Dich, wo ich nur konnte, so gerne mit. Und übergab Dir auf diesem Wege das Vermächtnis meines praktischen geistigen Arbeitens, das in der Lage zu verstehen nur Du warst. Keiner meiner Freunde hat dies so verstanden wie Du. Nur deshalb konnte sich über die Jahre der Trennung hinweg unser beider Weg zu einem Weg der Geistes-Gefährtenschaft hin entwickeln. Gefährten sind in sich und von einander unabhängig.

Kretos: Das ist wohl so. Wenn ich zurückblicke, dann starb ich nach unser beider Auseinandergehen in Folge Deiner Trennung von Platon tausend innere Tode. Ich wurde damit nämlich auf eine sehr schmerzhafte Weise in die Eigenständigkeit wie hinein geworfen und musste das alleine auf mich gestützte Gehen und Sprechen buchstäblich wie neu lernen. Das dauerte …
Erst Jahre später bekam ich bei einem Besuch von Daphne in meiner Steinhauer Schule, die ja heute eine von drei weiblichen Meistern unter uns sieben ist, eine Rückmeldung von ihr, die mich beinahe aus den Schuhen hob und mir meine innere Meisterschaft überraschend und nicht weiter zu verbergen vor Augen führte.
Nachdem sie lange versonnen vor einer schreitenden Nike gestanden hatte, sagte sie unvermittelt zu mir: Flügelschlag, Handbewegung und Füsse verbinden in der Bewegung Himmel und Erde in nicht nachzuahmender Weise. Ich sehe Dich hier frei geworden über die Marktplätze von Athen schreiten, mit dem stillen Lächeln des Aristoteles im Hintergrund.

Aristoteles: Das genau ist die grosse Qualität von Daphne, sie kann Zusammenhänge mit wenigen Worten auf den Punkt bringen, um dann wieder wie im Nichts zu verschwinden. Sie scheint wie träumend durch die Welt zu gehen und ist untergründig doch immer hoch präsent. Sie sieht wo die grosse Mehrzahl ihrer Zeitgenossen nichts sieht. Sie zaubert buchstäblich hervor, was andere übersehen und das was sie dann anspricht ist von Wichtigkeit, um nicht zu sagen immer bedeutsam. Sie ist eine Repräsentantin beredten Schweigens.

Kretos: Das sehe ich genauso. Doch bewegt Dich im Grunde Deines Herzens etwas ganz anderes, das Du im Meer des Schweigens, wie mir scheint, schon viel zu lange zurückhältst. Wir kennen uns jetzt 40 Jahre, also beinahe ein ganzes Leben lang. In dieser Zeit habe ich gelernt die Sprache Deiner Augen zu verstehen.
Was bedrückt Dich also wirklich? Was hat Dich die letzten Stunden nicht ruhen lassen, obwohl Du Dir Schonung hättest angedeihen lassen müssen? Warum hast Du mich so eindringlich gerufen, dass ich dies sogar im Schlaf vernahm, noch bevor Phöbus an meine Tür klopfte? Mich allein - ohne die Anderen? Was quält Dich?

Aristoteles: Du bist wirklich ungemein feinfühlig. Deinen Augen und Ohren entgeht wirklich gar nichts. Du hörst und siehst, auch wenn Du Dich nicht in meiner unmittelbaren Nähe befindest bis in mein Herz hinein, erspürst meine feinsten Schwingungen.
Du weisst als einziger, abgesehen von Platon, wie ich mich jahrelang gegenüber der Schule von Eleusis sehr bedeckt verhielt, weil ich nur so dem Neuen, wie ich es aus dem Welten-Logos ablas, hoffen konnte einen Weg zu öffnen. Vor dem Mysterien-Hintergrund der Schule von Eleusis ging ich damit einen hoch riskanten Weg.
Und das um so mehr, als ich ursprünglich Zugang zum innersten Kreis der Mysterien von Eleusis hatte und auf eine tief verborgene Weise diesem noch immer verbunden bin. Du weisst, in welche Verantwortung Du Dich da hineinstellst.

Kretos: Wenn ich es recht bedenke, so habe ich Dich seit unserem gemeinsamen Aufstieg mit Platon zur Akropolis nicht mehr in einer derartigen inneren Verfassung erlebt. Deine nachtschwarzen Pupillen sind mächtig geweitet und befeuert von einem goldgelben Licht, das eine innere Stärke zum Ausdruck bringt, die ausgehalten sein will. Was steht also so unbedingt zur Entscheidung an, dass es nicht mehr bis zum Morgen in gemeinsamer Runde warten kann?

Aristoteles: Die Morgensonne wird für mich den Weg über die Brücke ins Licht freigeben und mein Ansinnen für eine Erneuerung der Mysterien in künftigen Zeiten den Augen der All-Durchsicht übergeben. Einen gemeinsamen Morgen mit euch Sieben allen zusammen wird es nicht mehr geben. Mein lieber Kretos, lass uns also die mir noch verbleibende Zeit nutzen und miteinander reden.

Kretos: Und Du, du  … lächelst mich dabei gütig an! …

Aristoteles: Das Leben wird doch nur grösser und weiter im Schreiten über diese Brücke hinweg. Es ist nicht düstere Unterwelt oder begrenzte Oberwelt, nicht Diesseits oder Jenseits, das Leben ist durchleuchtete Gegenwart in Bewegung. Arbeiten wir also bis zuletzt daran, dass dieses Lebensverständnis in der Zukunft sich wirkkräftig in uns und unter den Menschen um uns ausbreiten kann.
Sich in und mit dem Denken zu bewegen ist nicht gerade eine beliebte Kunst. Auch wenn ich den Peripathetos, den fliessend bewegten Schritt im Denken lange geübt und dies später im Umgang mit meinen Schülern fortgesetzt habe. Zu einer in sich stabilen Fähigkeit ist diese Art des sich Bewegens nur in wenigen Menschen herangereift. Auf der Höhe des „Aktus“ sich zu halten oder diese Höhe auch nur anzustreben ist nach wie vor furchteinflössend. Du bewegst Dich da im Raum des "ich weiss," dass ich Nicht weiss. Dem inneren Erfahren von da her geht jedesmal so etwas wie ein Sturz in die totale Dunkelheit voraus. Hier erfährst Du, was Freiheit wirklich ist. Gelebte Verantwortung ganz alleine aus Dir heraus.
Selbst Platon hat mich da nicht wirklich verstanden. Ich bin ihm aber meinerseits zu grossem Dank verpflichtet, denn ohne seine Denkweise hätte ich meine frühen Mysterien Erfahrungen nicht verarbeiten können. Die innere Bewegung dieser Erfahrungen musste in eine neue Form gegossen werden, die ich im Denken, das Platon so weitreichend und in die Tiefe gehend entwickelt hatte schliesslich fand. Ich konnte den inneren Bewegungsmodus des Denkens, seine freie Selbststeuerung aus dem Aktus heraus mir in voller Transparenz zur Anschauung bringen.
Ein Weniges davon habe ich euch davon ja berichtet. Soweit das überhaupt möglich ist.

Kretos: Ja das hast Du. Nachdem Du uns ein erstes Mal von diesen Deinen Erfahrungen berichtet hattest, fragte ich mich, warum erzählt er uns nicht mehr darüber. Mittlerweile weiss ich aber durch eigene Erfahrung, dass dies nicht sinnvoll ist.

Aristoteles: Ihr verfügt alle, ein jeder auf seine Weise über derartige Erfahrungen. Lasst nicht nach sie an der Unbestechlichkeit eures Denkens zu prüfen und ihr werdet immer tiefer auf den Grund des Seins hin vordringen. Die Logik, wie ich sie entwickelt habe, kann euch dabei Leitlinie sein. Jedoch nur so lange, wie ihr euer Forschen aus dem Fluss des Peripathetos heraus voranbringen wollt. Verliert ihr den Kontakt zum inneren Fliessgeschehen im Denken kann die Logik zu einem Sperrriegel werden, verhüllen sich die Mysterien des Geistes vor euren Augen.

Kretos: Dass wir dieses Fliessende im Denken nicht aus den Augen verlieren, dafür wird unter uns Sieben schon Kore die Erinnerung beständig hochzuhalten wissen. Wie „sie“ geht ist nämlich ein einzigartiger Ausdruck eines permanenten Fliessgeschehens. Sie schreitet über den Erdboden ohne in ein Schweben abzuheben und hält auch in den überraschendsten Lebenslagen von innen her den ungebrochenen Kontakt zum Boden. Sie ist bis in die Fussspitzen hinein in ihrem Tun präsent, was ich in dieser Weise von Niemandem, den ich gegenwärtig kenne, so sagen könnte.

Aristoteles: Ja, Kore ist in dieser Beziehung wirklich eine Ausnahmeerscheinung. Sie ist es darüber hinaus aber noch in einer anderen Weise. Sie kann von den einfachsten Gegenständen unseres Alltags her bis zu den tiefsten Rätseln des Seins Fragen stellen und fliessend offen halten.

Daphne führt Zusammenhänge aus dem Schweigen heraus auf den Punkt, Kore öffnet durch ihre Art des Fragens Räume für Entwicklungen, indem sie Begebenheiten mit den entsprechenden Fragen erneut in ein Fliessgeschehen einbindet. Ich möchte sogar sagen, ihre Fragetechnik übertrifft die des Sokrates bei weitem, weil sie nicht nur in die Höhen des Geistes, sondern auch in dessen Tiefen den inneren Blick weitet. Sie weiss Idee und Praxis durch ihr unmittelbares Wissen nahtlos miteinander zu verbinden.

Kretos: Und Saphira? Wenn ich mich nicht sehr täusche bist Du ihretwegen in den letzten Stunden nicht zur Ruhe gekommen.

Aristoteles: Du durchschaust mich wirklich in jeder Hinsicht. Um den heissen Brei herumzureden ist mit Dir nicht möglich. Mit grosser Wertschätzung lässt Du mich ausreden, um mir dann am Schluss zu sagen und „das da“ fehlt noch. Wolltest Du dazu nicht auch noch etwas sagen?

Kretos: Dich über Jahre hinweg über die Marktplätze dieser Welt begleiten zu dürfen, das hat mich zu dem gemacht, den Du heute in mir siehst. Ich wurde zum Auge und Ohr von Dir Aristoteles. Das hatte natürlich auch eine Kehrseite. Seitens gewisser Kreise aus der Schule von Eleusis wurde und werde ich nämlich seither der kleine Aristoteles genannt.

Aristoteles: Was Du nicht sagst. Es hat aber eine latente Überheblichkeit in Dir, wie ich sehe, verwandelt.

Kretos: Ja das hat es, denn die grosse Lebenszeit, die ich an Deiner Seite verbringen durfte, war gleichzeitig eine Herausforderung für mich meinen eigenen Lebensort in ein fortlaufend neues Gleichgewicht zu bringen. Das Erkenne dich selbst in einer Weise zu leben, die mich in die Selbsterfahrung führte wer ich selber bin. Es ist nicht leicht mit einem Grossen wie Dir Seite an Seite zu gehen.
Doch abgesehen davon, es erstaunt mich, wie Du davon wissen kannst, dass ich auf diese Weise bis heute hochgenommen werde, wo ich doch alles getan habe Dich dies nicht merken zu lassen.

Aristoteles: Das hast Du. Doch wenn ich mit der Schule von Eleusis äusserlich auch nicht mehr verbunden bin, so weiss ich doch, was intern dort so alles vor sich geht.
Schaue ich von heute auf mein Leben zurück, dann griffen Verhaltensweisen wie Du sie andeutest von Jahr zu Jahr mehr um sich und liessen neben den Schülern auch die Lehrenden immer respektloser das Wort führen. Es wurde zur Ware des Vermeinens und eitler Selbstbespiegelung. Da eine "tatsächliche" Verbindung zum Geistigen der Mysterien herzustellen sich als immer schwieriger erwies, wurde schliesslich mehr Zuflucht genommen zu visionär manipulativen Vorgehensweisen, um sich den Anschein einer Geistverbundenheit zu erhalten. Der Körper wurde auf die eine oder andere Weise überbeansprucht, anstatt in ihm den Leib, die mikrokosmische Wohnstatt des Geistes zu sehen und von daher sorgsam mit dem Leib  umzugehen.
Das Wort aber ahndet dergleichen Verhalten beinahe auf dem Fusse, indem es den unmittelbar lebendigen Zugang zu seinen Mysterien verdunkelt.

Kretos: Höre ich das richtig? Du scheinst mir mit diesen Worten, wie nebenbei, eine völlig neuartige Deutung des Mysterien Verrates zu vermitteln.

Aristoteles: Du hast ganz recht verstanden. Nicht was aus den Mysterien heraus nach aussen gelangt und öffentlich wird bewirkt den Mysterien Verrat, sondern wie du in diesem Zuge das Wort führst. Der Wesensgrund des Logos ist durch und durch fliessende Bewegung.
Nur wenn ich meinerseits die Hürde auf diesen Grund zu peripathetisch bereit bin zu meistern, können sich mir die Mysterien immer tiefer eröffnen. Kann ich diese Kraft der Bewegung hingegen im Umgang mit dem Wort innerlich nicht aktivieren, dann schliessen sich die Tore zu den Mysterien, bzw. können sich erst gar nicht öffnen oder erneut auftun. Die Menschen werden unversehens zu Mysterien Verrätern.
Ich sehe eine Zeit kommen, da wird das Erschrecken über das, was wir getan haben gross sein. Vielleicht ist aber gerade dies notwendig, bevor die Mysterien sich erneut öffnen können. Dann wenn eine grössere Anzahl von Menschen auf dem tiefsten Grund des Nichts angekommen sein werden.


Kretos: Es ist lange, sehr lange her, das Du in einer Deiner Vorlesungsreihen ausführlich über Ephesus gesprochen hast. Du sagtest damals, dass sich mit der Brandnacht dort die Tore zu den Mysterien des Logos schlossen.
Der Egoismus hatte in Deinen Worten die Kraft der Bewegung innerlich so weitgehend korrumpiert, dass das Wort aus sich selbst heraus immer weniger bewegt in Bewegung sich in seinem Mysterien Gehalt enthüllen konnte. Die Schüler der Mysterien waren nur noch selten in der Lage die mit dem Egoismus einher gehende Verdichtung des Leibes aus eigener Kraft zu durchdringen. Eine Verbindung zum lebendigen Logos-Walten liess sich damit zum Leidwesen vieler Lehrender auf Dauer hin gesehen nicht mehr aufrecht erhalten. Das Ende des Zugangs zu den Mysterien schien unumgänglich.  …

Aristoteles: Und in dieser höchst zerbrechliche Umbruchszeit in Eleusis trat Ich dann in Erscheinung. Das wolltest Du jetzt doch sagen, Kretos? Oder irre ich mich da?

Kretos: Nein, das tust Du nicht. Die Geschichte von Ephesus nach Eleusis fortgeschrieben, warst Du nämlich der Letzte, der in Eleusis völlig unerwartet, weil als Schüler vermeintlich viel zu jung, in den Prozess der höchsten Einweihung eintrat und … diesen Prozess abbrach.

Aristoteles: Du weisst, dass ich abgebrochen habe?

Kretos: Ja. Nicht von der Quelle des äusseren Geschehens her, sondern aus dem inneren Durchgang dessen, was Du uns selber von Deinen Erfahrungen im Heiligtum von Eleusis berichtet hast. Auch wenn Du uns in meinen Augen davon nur einen Bruchteil dessen erzähltest, was Du tatsächlich erfahren hast. Die wenigen Hinweise, die Du gegeben hast, vermittelten mir den mehr als hinreichend starken Eindruck, was Du tatsächlich erfahren haben musstest.
Ich konnte Deine Bestürzung, wie auch die Deines Begleiters innerhalb dieses Prozesses mehr als nachvollziehen.

Aristoteles: Dem kann ich nichts hinzufügen. Nach den für mich so bestürzenden Erfahrungen war es mein ganz grosses Glück, dass ich an die Akademie von Platon kam. Ohne die strenge Denkschulung dort hätte ich meine Erfahrungen wohl kaum so verarbeiten und in mein weiteres  Leben integrieren können. Das Wissen der Schule von Eleusis reichte dazumal nämlich nicht  mehr aus meinen Einweihungsprozess mit den durch ihn aufgebrochenen Fragen sicher zu einem Ende zu bringen. Die Lehrenden dort waren schlichtweg ratlos und taten alles um dieses Dilemma nicht öffentlich werden zu lassen, was auch weitgehend gelang.
Dass ich die Einweihung dennoch abschliessen konnte, dies ist mein ganz persönliches Verdienst. Erst Jahre später gelang es mir nämlich aus eigener Kraft die fliessend bewegliche Kraft des Denkens mir bewusst zu machen. An diesem Punkt meines Forschens angekommen verstand ich, was ich in Eleusis seinerzeit noch nicht konnte und mich demzufolge zutiefst erschütterte. In diesem von mir nunmehr errungenen Bewusstsein war der erste Schritt für eine Wissenschaft vom Geiste und darüber hinaus leise der Zugang für ein späterhin neu zu belebendes Mysterien Wesen getan.

Kretos: Dass man Dich, anfangs hinter der vor gehaltenen Hand des Mysterien Verrates bezichtigte, das geschah mehr aus Neid heraus, als aus dem tatsächlichen Wissen Du habest Mysterien Wissen verraten. Du hattest Dir eine unübersehbare wissenschaftliche Reputation erarbeitet, während die Lehre in Eleusis so vor sich hin dümpelte. Platon bekam durch Dich immer mehr Schüler, die Eleusis gar bald sehr fehlten.
Und so lag es auf der Hand mit den Jahren gezielt die Behauptung des Mysterien Verrates zu streuen. Dass Dich selbsternannte Mysterien Wächter in Athen nicht vor ein Anklage Tribunal bringen konnten, das verdanktest Du allein dem grossen Ansehen von Platon, der seine Hand über Dich hielt. Späterhin wagte dann niemand aus der Reihe dieser subversiven Wächter das Wort zu laut zu erheben, weil sie die Macht von König Philipp von Mazedonien fürchteten, in dessen Dienst Du getreten warst.
So kam es, dass erst mit dem Tod von Alexander dem Grossen, den Du posthum im Gespräch mit uns ja als einen uns gleichrangigen Schüler von Dir bezeichnet hast, dass erst dann diese Hitzköpfe den Mut hatten vor dem Hohen Rat in Athen die Anklageerhebung gegen Dich zu fordern. Ich bin froh, dass Du die Verhaftung voraussehend rechtzeitig hierher nach Euböa gereist bist, wo Du vor dem Zugriff aus Athen sicher bist.

Aristoteles: Welch ein Widersinn. So werden diejenigen zu Mysterien Verrätern, die per öffentlicher Proklamation meine Verhaftung als eine unbedingt notwendige Massnahme zum Schutz der Mysterien darzustellen versuchen. Menschen, die selbst über keinen eigenständigen Zugang zu den Mysterien mehr verfügen, können in meiner Person einen Weg diskriminieren, der eben einen Neuzugang zu diesen Mysterien eröffnen könnte.
Eitelkeit und Machtgehabe verschliessen das Tor zu den Mysterien. Die totale Verdrehung des Wirklichen.
Dabei gefährde ich doch niemandes Position innerhalb der Schule von Eleusis. Einige Menschen dort scheinen sich bedroht zu fühlen ohne einen handgreiflichen Grund vorweisen zu können. Sie haben Angst und machen diese ihre Angst an nicht haltbaren Gründen fest. Dass ich ein Mazedonier bin ist doch kein hinreichender Grund in mir einen Mysterien Verräter zu sehen. Hier wird aus einem emotional verdunkelten Denken heraus gearbeitet.

Kretos: Wenn ich die Mysterien tatsächlich schützen will, dann muss ich doch zuallererst an jenes Wort denken, das einem jeden Mysterien Schüler zu Beginn seines Mysterien Weges mit auf den Weg gegeben wird: "Erkenne Dich selbst."

Aristoteles: Und mit jedem Schritt auf diesem Weg wächst für den Mysterien Schüler die Verantwortung die Selbsterkenntnis aus dem "erkenne dich selbst" nur immer tiefer zu übernehmen. Das ist schmerzhaft. Sehr schmerzhaft sogar, wenn Dir die Endlichkeit Deiner Person immer bewusster wird. In Deinem inneren Fortschreiten kommst Du zu keiner Zeit an einen Punkt, an dem Du Dich in Bezug auf Deine Mysterien Erkenntnisse am Ziel angekommen fühlen könntest. Je länger Du vorwärts gehst, um so mehr siehst Du Dich mit der Anschauung konfrontiert ein Anfänger zu sein. Ich würde sogar sagen, der innere Anfängerstatus ist das Merkmal lebendiger Mysterien Schülerschaft schlechthin.

Kretos: Deine tägliche Herausforderung ist, beständig um die innere Gleichgewichtsbildung ringen zu müssen und dabei den Mut im weiteren Vorwärtsgehen nicht zu verlieren. Nur dem Mutigen können sich Mysterien Wege weiten, Ein- und Ausblicke vertiefen.
Ich habe es in den Jahren Deines Abstand Nehmens von mir mehr als deutlich erfahren müssen. Das war Kampf, ein beständig innerer Kampf im Medium des Denkens, des denkenden Kunstschaffens gegenüber dem hintergründig in diesem immer mächtiger zu Tage tretenden Fliessgeschehen des Logos nicht den Boden unter den Füssen zu verlieren. Dich nicht als Hineingeworfen in dieses Feld zu sehen und diesem Zustand gegenüber als unterworfen ohne Ende zu empfinden, sondern immer stärker auf Deine Gegenwärtigkeit im Augenblick hin zu arbeiten.
Eine innere Anschauung des Aktus herauszuarbeiten, darauf hast Du uns durch Deinen Gleichklang zwischen Sprechen und Gehen während Deiner Vorlesungen in der Akademie Platons auf jede nur erdenkliche Weise aufmerksam zu machen versucht. Von heute her gesehen wurdest Du uns zum beredten Vorbild. Meisterschaft besteht nämlich im Vorbild sein, nicht in der Anmassung eines höheren Ranges gegenüber dem Schüler.


Aristoteles: Du hast mir soeben das Stichwort geliefert, mit dem ich zum Schluss unseres nächtlichen Gespräches kommen kann, denn die Sonne wird in Bälde über den Horizont aufsteigen.
Es betrifft die innere "Anschauung" des Aktus. Damit komme ich gleicherweise auf das Zentrum meines lebenslangen Forschen und Erfahren zu sprechen, wie auf Platon "und" Saphira. Beiden Menschen war und bin ich unendlich tief verbunden. Beider Weg war über eine sehr lange Zeit auch mein Weg, erlebnistief die Mysterien Welt zu erfahren.
Nur bin ich innerlich durch den Tod dieser Mysterien Erfahrung geschritten. Platon ist an dieser Schwelle wissentlich stehen geblieben und hat mich gerade dadurch ermutigt über diese Schwelle hinweg zu gehen. Saphira hat in Eleusis an dieser Schwelle eine sehr tiefe innere Erfahrung gemacht, den Blick auf diese Erfahrung, wie ich es sehe, aber wie mit einem Vorhang vor sich selber wieder verschlossen.

Kretos: Wenn ich nicht so sehr mit Deinem Denken und Tun vertraut wäre, dann würde ich jetzt angesichts Deines Sagen höchste Vorsicht anmahnen. Ich verstehe auf Grund eigener Erfahrungen mit Dir aber unmittelbar, warum Du die letzten Stunden ruhelos in dem grossen Wohnraum Deines Hauses auf- und abgeschritten bist. Zäsuren unter Freunden zu setzen ist das Schwerste, was einem Freund in bestimmten Lebensaugenblicken als ein Muss zufallen kann. Es bricht einem dabei das Herz.
Wie ich Saphira kenne, wird sie allein beim Anblick Deines Ansinnens auf ein Erstes hin geneigt sein Blitz und Donner gegen Dich zu schleudern.  Doch Du neigst Dich aus eigenem tiefen Erfahren heraus mit Deinen Worten ja ihr zu und reichst ihr ... den Schlüssel zu einem Heilungsraum.

Aristoteles: Ich hoffe sehr, dass sie es eines schönen Tages lang so sehen kann. Ein Schlüssel ist dies in der Tat, den ich Dir damit in Obhut übergebe. Du weisst aus eigenem Erfahren, wie damit umzugehen ist. Ich bin voller Zuversicht, dass Du den rechten Ton im Umgang mit Saphira finden wirst.

Kretos: Ich werde Deine Botschaft überbringen, sobald sie von ihrer Reise  nach Ägypten zurückgekehrt ist.

Aristoteles: Es wird sich erweisen, was Dein Bemühen dann erwirken kann. Meine Zeit ist jetzt gekommen. 
Die Sonne schickt gerade ihre ersten Strahlen über den Horizont. Ich will mich hinlegen. ...

Abschied von Dir zu nehmen, warum sollte ich das tun? Du kennst meine Anschauung vom Leben. Ich will im Angesicht der Sonne am zurückweichenden Nachthimmel ihr auch von innen weiter entgegen wandern, so wie ich es ein Leben lang in meinen Forschen um den Aktus versucht habe zu tun — bis zum letzten Atemzug.

Kretos: So kenne ich Dich. Ein Anfänger, ja das bist Du und hast daraus nie einen Hehl gemacht. Anfängergeist zu sein auf neuen Wegen in die Welt der Mysterien hinein, hier Zugänge zu erschaffen, das hat Dich zum Vorbild gemacht für all jene, die Dich kannten oder im Erproben Deines Weges Dich wirklich kennenlernen wollten.
Wie Du weiss auch ich mich als Anfänger, sind wir Gefährten auf Wegen in das Morgenrot erneuerter Mysterien. Auch wenn wir nicht wissen, wann diese innere Sonne in den Herzen vieler Menschen wirkkräftig über den Horizont aufsteigen wird, wir bleiben verbunden. …

Aristoteles:  Begrabt mich so wie ich hingegangen bin, verhüllt nur mit dieser leichten Decke, an der höchsten Steilklippe Euböas. Meinen Kopf ausgerichtet auf ein fernes Land im Nordwesten. Dort werden wir uns dereinst wieder sehen und zusammen das begonnene Werk fortsetzen.
Den von mir dafür ausersehenen Platz werdet ihr finden, wenn ihr von hier aus über den Platanenhain hinaus die Felsen ein kleines Stück hinunter steigt.
Jetzt aber reiche mir still noch einmal Deine Hand …

Aristoteles: Noch ein Letztes, Kretos. Sieh zu, dass ihr in die kommende Zeit hinein untereinander nicht den Kontakt verliert. Es ist unvermeidlich, dass so dies und das von innen, wie von aussen an euch herantritt, das Veranlassung dafür geben kann euch voneinander abzuwenden. Dies werden die Prüffelder für die tatsächliche Umsetzung des "erkenne Dich selbst" sein.
Das "erkenne Dich selbst" und die daraus hervor gehende Selbsterkenntnis als Leitlinie im individuellen Wahrheitsausdruck eures Mysterien Weg Schreiten -- verliert das in eurer inneren Anschauung nicht aus dem Auge.
Keiner wird auf dem Mysterien Weg auch nur einen Schritt weiterkommen, der im Angesicht des anderen Menschen nicht bereit ist sich immer wieder total in Frage zu stellen. Ich habe das ein Leben lang getan und nur dadurch den "Aktus," die höchst mögliche wache Verdichtung im Fliessgeschehen der Logos Kräfte innerhalb des Denkens mir unverstellt vergegenwärtigen können.

Kretos: Ich bin ganz still und höre nur noch zu, denn ich sehe, dass Du die Brücke bereits betreten hast. Es ist Deine grosse Geisteskraft, die mich Dich noch hören lässt. Dein Leib kann Dir nicht mehr Resonanzkörper sein, so geweitet bist Du bereits.
Die Logos Kräfte sprechen unmittelbar. …

© Bernhard Albrecht Hartmann, 23.04.2017


Der Anfang zu diesem Dialog (Teil 1) ist zu finden unter: 
  https://ich-quelle.blogspot.com/2015/01/unter-der-platane-ein-dialog-uber-die_10.html

Ein weitere Fortsetzung (Teil 4) wird zu gegebener Zeit erscheinen.