Mittwoch, 7. April 2021

Alpha und Omega

 Lieber Daryl

Erinnerst Du Dich noch an unsere kleine Kommentar-Begegnung auf meinem Blog (1 und 2)? Vermutlich eher nicht, denn die Begegnungen im Raum des Internet sind flüchtig, ähnlich vielleicht Begegnungen von der Art, die wir beim Gehen durch die Fussgängerzone einer Stadt haben können, wenn uns im Vorbeigehen irgend ein Gesicht kurz beeindruckt, ohne dass wir genau sagen können warum eigentlich, es tut es und dieses momenthaft Beeindruckt-Sein wieder verschwindet wie eine blühende Blume, die vor unseren Augen an einem Flussufer in der Strömung des Wassers an uns vorüber gleitet. Einfach so. 

Doch das Leben ist niemals oberflächlich, auch nicht in derartigen Begebenheiten. Es erinnert uns immer an irgendetwas, auch wenn wir diese Erinnerung nicht sogleich tiefer zu fassen vermögen oder innerlich auf längere Sicht gegenwärtig halten können. Mitunter kann es sogar Jahre dauern, bis in uns ein Verstehen aufsteht oder sich in einer mittlerweile vertieften Sicht aus den Strömungen des Lebens neu zusammensetzen kann. 

Das Leben ist ein Netzwerker, der grösste den es gibt - ohne jegliche technische Ausstattung. Leider vergessen wir das allzu oft oder bekommen es überhaupt nicht auf den Schirm unseres Bewusstseins. Und so tippen wir auf unseren Handys in der U-Bahn oder sonst wo vor uns hin und verlieren das tatsächliche Leben um uns oder in uns aus den Augen. Und was entsteht … Du beschreibst es auf Deinem Blog: „Die ewige Leier, es dreht sich im Kreis. Alpha und Omega, der Anfang und das Ende. Könnte gähnen, so ermüdend ist dieses Thema für mich. Lasst uns die Gewohnheit feiern, denn in der Gewohnheit liegt die Sicherheit und in der Sicherheit? Tja, da können wir uns verkriechen. Wer hat denn schon Lust den Kreis zu durchbrechen …“ (3).

Das Alpha und Omega. Grosse Worte, die Du hier - genauer besehen - in einem ihnen fremden Zusammenhang gebrauchst. Von ihrer Ursprungsbedeutung her sind es nämlich Worte der Schöpfung, Worte von Anfang und Ende, von Tod und Auferstehung. Sie weisen auf ein Kräftewirken des Mutes und des inneren sich Aufgerichtet-Haltens durch alle Wirrnisse des Lebens. Es sind Worte, die in ihrer einzigartigen Tiefen-Dimension auf ein Bewusstsein deuten, das mächtiger ist als gebündelte Atomkraft. Worte, die auf die Ur-Schöpfermacht verweisen, die als Keim in jedem Menschen schlummert, bis er sie durch sein Entscheiden nach und nach in ihrem Wirksamwerden zum Sein erweckt.

… „bis er sie durch sein Entscheiden …“: Hm, welche Entscheidungen wirst Du im Hinblicken auf das hier vorausgehend Gesagte bezüglich Deiner Gewohnheiten treffen? Wirst Du Dich der tief in Dir verankerten Kraft des „Alpha und Omega erinnern, in Tateinheit erinnern wollen? 

Gewohnheiten sind nämlich sehr hartnäckige seelische Kräftegebilde. Sie sind auf Ego-Einstellungen fussende und da allermeist auf sehr unbewusste, fort und fort auf Bequemlichkeit hin sich ausrichtende, wenig rationale Vorstellungen mit einem steigend irrationalen Charakter bezogen. Kurz gesagt sind sie von daher verdeckte Produkte der eigenen inneren Faulheit. Mithin also  Selbsterzeugnisse aus dem Ruder laufender Triebkräfte und alles andere als ein Alpha und Omega.

Das Alpha und Omega fusst nämlich auf der Fähigkeit zur Selbstbestimmung und stetig wachsender Selbstermächtigung. Sich in die Kraft des Alpha und Omega hineinstellen ist von daher alles andere als bequem. Es ist eine Entscheidung auf eigene Authentizität hin. Bedeutet für die Würde des Menschen in immer weiter reichender Weise durch den Alltag des Lebens einstehen zu wollen und zu können.

Das Alpha und Omega findet seinen Ausdruck in schöpferischen Ich-Taten, in Kreis-Durchbrecher-Taten. Es ist kein Selbstläufer im ewig Gleichen, sondern fordert leise und beständig die Entscheidung Deines Ich-Willens, der Dir allein die Freiheit wahren Menschseins immer mehr verleihen kann. Wenn Du also so dies und jenes in Deinem Leben beklagst siehst Du nur Dir selber in die Augen, denn allein Dein Ich-Wille kann die Schlösser zu Veränderungen in Deinem Leben öffnen. Oder siehst Du das etwa anders?

Bernhard Albrecht

(1)  https://ich-quelle.blogspot.ch/2013/04/zuruf.html  

(2)  https://gedankenpoesie.blogspot.ch/2013/04/hauptsache.html#comment-form 

(3)  https://gedankenpoesie.blogspot.ch/2020/06/850-keine-lust.html