Dienstag, 29. November 2016

Ein kleiner Rückblick

Nachfolgendes begleitet mich nun schon seit meinen jüngeren Jahren ein Leben lang. Es ist das „Gemunkel“ um das Wiederkommen von Rudolf Steiner um die Jahrtausendwende herum. Es war in den 70gern des vergangenen Jahrhunderts, als mich eine mit Leitung, Hochschule und Administration des Goetheanum gut vernetzte und mir heute auch nach wie vor vertrauenswürdige Person in einem ernsten Gespräch, gleichsam als Kontrast Untermalung dieses unseres Gesprächs nüchtern und kurz darauf zu sprechen kam, dass am Goetheanum eine Liste geführt würde, auf der gegenwärtig „64 Namen“ stünden, die in Zusammenhang damit gebracht würden, eine von diesen Personen könnte die Wiederverkörperung von Rudolf Steiner sein.
Zur gleichen Zeit gab es auf Hinweis und in einem Fall mir auch persönlich bekannt einige Menschen in Dornach, die darauf geeicht zu sein schienen anderen Menschen „ungefragt“ deren „angeblich“ zurückliegende Inkarnation an den Kopf zu werfen.
In den 90er Jahren wurde ich dann sogar einmal einer Frau persönlich vorgestellt, welche, von meiner Gastgeberin im Brustton der Überzeugung vorgebracht, die gegenwärtige Verkörperung Rudolf Steiners sei, „die ich doch unbedingt kennenlernen müsse.“
Ich kann diese Vorgänge auch heute nur als eine Prüfung für die eigene Selbsterkenntnis, die Klärung prozesshaften Denken, Fühlen und Wollens verstehen.
Im Laufe der Jahre habe ich dann immer mehr den Hinweis in Rudolf Steiners Buch: „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten“ verstanden, wonach die Eingeweihten unscheinbar untereinander vernetzt seien und aus dieser Verborgenheit hervorträten, wenn sie es für richtig hielten. Sie also nicht, auf welche Weise auch immer hervor gezerrt werden könnten, wenn auch noch so sehr erwartet.
Was ich selber in meinem Umfeld unmittelbar erfahren habe, das ist, dass sich eine solche Person sofort wieder wie verbirgt, mitunter bis dahin, dass diese Person nicht mehr als die gleiche wahrgenommen werden kann, als die sie eben noch gesprochen hat, wenn ihr eine auch nur indirekte Inkarnation bezüglich ihrer Person zugesprochen wurde. Um der Freiheit der eigenen Person willen und noch mehr um der inneren Unabhängigkeit der anderen Person. Und doch lebt in aus meiner Sicht heraus völligem Missverstehen einiger aus dem Zusammenhang gerupfter angeblicher Hinweise Rudolf Steiners ein Drang unter anscheinend nicht wenigen Anthroposophen mit der Wiederkehr Rudolf Steiners dann eine Galionsfigur zu haben unter deren Flagge sich versammeln zu können „alles“ zum Besseren hin wenden würde.
Mich macht das vor dem Hintergrund, dass Rudolf Steiner nach seinen Worten sein Lehramt im Zuge der Weihnachtstagung von 1923/24 niedergelegt hat  sehr nachdenklich. Dass dem nicht so sei, sehe ich im Gegensatz zu manchen Anthroposophen, die auf den äusseren Augenschein verweisen, meditativ darauf hin schauend nicht so. Welche einschneidende innere Haltungskorrektur ist aus dieser Sicht für diese unsere Jahrtausend Wendezeit dann gegenüber der Anthroposophie und im besonderen gegenüber der Anthroposophischen Bewegung einzunehmen? Das ist für mich die grosse Frage.
Der wiederkehrende Rudolf Steiner als  Galionsfigur.
Aus meiner Sicht ist dies ein geradezu tragischer Verständnis-Missgriff in Bezug auf eine zu erwartende Kulmination im Umkreis dieser Jahrtausendwende. Kulmination ist nämlich, wie ich es sehe, kein Verstandesbegriff, keine abstrakte Erlebniserwartung, sondern ein Denken, Fühlen und Wollen umfassender Prozessbegriff, ein innerer Erfahrungshorizont und kann als Realität nur insoweit erfahren werden, als alle Vorstellungen bis in ihre hartnäckigen Widerhaken hinein vorausgehend „verbrannt“ werden. Und das betrifft alle Vorstellungen, der oder die könnte etwa eine Reinkarnation von Allanus ab Insulis, von Roswitha von Gantersheim oder Kaiser Marc Aurel sein, sowie alle inneren Zuweisungen einer bestimmten Reinkarnation in Bezug auf sich selbst.
Mit anderen Worten, wer Kulmination erfahren will, der muss auf seiner Seelen-Meerfahrt vorrangig Skylla und Charibdis innerlich bezwungen haben. Denn ansonsten weis er nicht prozesshaft unmittelbar aus dem Geiste heraus zu kommunizieren. Seine innere Präsenz ist noch nicht zu dieser Höhe herangereift. Und da Präsenz ein innerer Zustand ist, der einer beständigen inneren Gleichgewichtsbildung unterliegt, ist er mit vielen, vielen Beschämungen unterlegt, die bewältigt sein wollen.
Eine weise Frau sagte mir einmal, scheinbar ohne Zusammenhang mitten im Gespräch mit ihr, wer Reinkarnation denkt ohne die Möglichkeit selber ein einfacher Bauer gewesen sein zu können, der hat einfach die tieferen Lebensprozesse überhaupt nicht verstanden. Denn, das was ich gewesen sein könnte ist ohne Belang, wirkt geradezu wie ein Giftpfeil in mir, der mich festhält in meinem inneren Durchgang auf eine Kulmination hin, bis ich ohne Angst, „ohne Rückversicherung“ dem Nichts entgegen zu treten bereit bin. Kulmination ist ein Erfahrungstatbestand auf dem Schwebebalken des Nichts und wer dort innerlich aufrecht bestehen will, der muss, wie es im Märchen so schön heisst, das Fürchten gelernt haben.
Ich bin über viele Jahre hinweg immer wieder einmal Menschen begegnet, die sich so in irgendwelche Reinkarnation Gedanken verwickelt hatten, dass sie bei hoher Intelligenz eine gebrochene Biographie in sich zu tragen schienen, mir das Bild eines Sysiphos, der „unter“ seinem Stein liegt, vermittelten. Rudolf Steiner hat ja seinerzeit eindrücklich vor den Gefahren einer verfrühten Reinkarnation Kenntnis gewarnt. Aus meinen Lebensbegegnungen heraus ist daher jedwedes Gerede über Reinkarnation, wen auch immer es betreffen mag Gift, Gift und noch einmal Gift. Gift für eine gesunde Bewusstseinsbildung hinauf und vielleicht ab und an sogar über den Schwebebalken des Nichts hinweg. Kulmination als Krafterfahrung.
Dass Rudolf Steiner als einer wiederkehren könnte, der gleich einem Till Eulenspiegel sich selber am Schopfe aus dem Sumpf zieht und neue Unterweisungen vermitteln würde wie andere sich ihrerseits aus dem Sumpf ziehen können, das kann ich nicht so sehen. Seine Kraftgestalt zu entwickeln, das kann ein jeder nur für sich alleine leisten. Die Samenkraft dafür ist ausgestreut.

Bernhard Albrecht




Etwas über den Spott

Auch wenn ich mich mit den folgenden Gedanken mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zwischen alle Stühle setze, so will ich mir angesichts dieser Möglichkeit nicht den Mund verbieten und sage das Folgende.
Humor, auch schwarzer Humor kann ja in bestimmten Situationen eine belebende Wirkung auslösen, kann mit seiner Feinsinnigkeit Erlebnisweisen in sozialen Zusammenhängen dahingehend neu ordnen helfen, dass die in sie eingebundenen Menschen dadurch eine Horizont Verschiebung erfahren, welche sie in die Lage versetzt die erörterten Sachzusammenhänge aus einer erweiterten Perspektive heraus anschauen zu können, mit der Folge über eigene Blockaden hinweg aufeinander wieder zugehen zu können. Wenn sich aber in den Humor der Spott mischt, dann verschliessen sich die Tore für eine soziale Annäherung unterschiedlicher Anschauungshorizonte und weitere Bemühungen laufen ins Leere.
Der Spötter übersieht nicht selten, dass diejenigen Teilhaber an einem Dialogprozess, die er mit Spott übergiesst, zwar mitunter nicht über dessen intellektuelle Scharfsinnigkeit verfügen, aber allermeist auf ein tief verwurzeltes Gefühl zurückgreifen können, auf das sie sich in derartigen Lagen dann beziehen, um sich zu schützen. Sie klinken sich aus dem Dialogprozess aus, weil sie sich in ihrer individuellen Eigenart nicht geachtet, nicht auf Augenhöhe angesprochen fühlen und verfolgen den Dialog, wenn überhaupt, dann nur noch als Zaungäste - nicht ohne eine für den achtsamen Betrachter nachvollziehbare Bitterkeit. Wunden, die durch Spott hervorgerufen werden gehen tief und nicht selten langanhaltend in das Seelenleben dieser Menschen ein.
Verfängt sich der Spott schlussendlich dann noch in einer eigenen Selbstgenuss Schlaufe, dann fällt unscheinbar ein Art Eiserner Vorhang herunter und die „miteinander“ um einen Dialog Bemühten hören in ihren Sachaussagen nur noch ihre eigenen Echos. Die Zaungäste aber halten sich möglicherweise vermehrt die Ohren zu, ohne aber tiefer hinein orten zu können, was da eigentlich schief läuft. Und da es keinen Dirigenten gibt oder besser gesagt, da sich zu wenige aktive und passive Teilhaber an diesem Geschehen aufgerufen fühlen mehr Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, welche Dissonanzen ihnen da und dort entschlüpfen, die begonnene Dialoge auf Abwege oder in Sackgassen führen, läuft der Dialogdampfer immer wieder auf Grund und keiner(?) der Beteiligten scheint zu bemerken welche Anteile er zu diesem Umstand vielleicht unversehens beigetragen hat.
Ohne mich selber aussen vor zu lassen bestürzt mich das immer mehr. Ist es wirklich so, dass unsere innere Dualität Ausrichtung sich so unauflöslich in uns verhakt hat, dass wir unsere eigenen Anteile, die Dialoge oft schon in den Anfängen ins Leere laufen lassen, bei allem unseren Engagement so wenig bemerken? Sind wir sosehr auf die Unebenheiten im Sagen des anderen Menschen von vorne herein innerlich ausgerichtet, dass wir überhaupt nicht daran denken, dass, was er gesagt hat (zumindest in Teilen) einen völlig anderen Bedeutungszusammenhang ausgedrückt haben könnte, als den, welchen wir ihm „unterstellen oder überstülpen?“

Ich denke einmal, das was ich, wir so manches Mal nach aussen in Worte prägen, befindet sich, im Nachhinein tiefer betrachtet vielleicht nicht einmal in der Nähe dessen, was wir eine Kulmination gedanklicher, wie erlebnistiefer eigenverantwortlicher geistiger Prozessgestaltung nennen können, ist mehr Reaktion aus irgendeiner nicht näher definierten Erregung heraus, als Ant-Wort mit auch nur einem fernen Einschuss von Selbsterkenntnis, entzündet an dem vorausgegangenen Sagen des anderen Menschen.

Bernhard Albrecht

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