Donnerstag, 11. April 2013

Zuruf


Es sind nicht andere "qualifizierte" Menschen, die über "mich" so dies und das denken könnten, es bin immer nur ich der im Begegnen eines anderen Menschen, auf welche Weise auch immer, in den Spiegel schaut und "sich selber begegnet.“ Der andere Mensch sagt mir gar nichts, auch wenn es so erscheinen mag, es bin nur immer ich, der sich etwas zuspricht oder auch nicht, je nach dem wie tief ich bereit bin in den Spiegel zu schauen, darin einen für mich anstehenden Entwicklungsschritt konstatiere und "meinem" Anschauen folgend das Notwendige in die Wege leite.
Wenn ich den Augenblicken, in denen ich einem anderen Menschen begegne, auch nur ein ganz klein wenig vor mir selber innerlich zurück trete, mich unbefangen dabei selber in den Blick nehme, dann kann ich das, "mit einer gleichsam naturwissenschaftlichen exakten Sachlichkeit auf die Phänomene hin" feststellen. Tue ich das nicht, dann wird mir früher oder später klar werden, dass ich ein Träumer war. Nicht weil der andere Mensch das von mir denkt, sondern weil ich in diesem Augenblick noch nicht bereit war, es noch nicht konnte, tiefer in den Spiegel zu schauen. Es ist alles eine Frage der Entwicklung, des inneren Wachsens und wachsen und entwickeln tust Du Dich dadurch, dass Du fällst, Dir mehr oder weniger erheblich weh tust, vielleicht deshalb, weil Du zur rechten Zeit nicht wachsam, nicht achtsam genug für das warst, was Dir im Spiegel vor Augen getreten ist, Du etwas beiseite gewischt hast.
Nicht der andere Mensch ist der "Qualifiziertere". Dadurch, dass ich lebe, stehe ich vor der Notwendigkeit mich selber zu qualifizieren, sonst lebe ich, genau besehen" nicht wirklich. Entwicklung, die daraus resultiert, dass ich in den Spiegel schaue, diese Art von innerer Regsamkeit macht mich erst zu einem authentischen Menschen. Auf dem Weg dort hin kannst Du machen, was immer Du willst. Dein innerer Spiegel begleitet Dich geduldig auf dem Weg Deines Erwachens zu Dir selber hin.
Wenn Du magst, dann lies einmal den Roman von Franz Kafka: "Der Prozess." Die Beschreibung eines inneren Prozesses und seiner Auswirkungen, wenn ein Mensch zu sehr den tatsächlichen Hinweisen im Blick auf den eigenen inneren Spiegel ausweicht. Welche Verwicklungen sich ergeben, wenn hier immer wieder Augen Wischerei betrieben, alle möglichen anderen "qualifizierteren" Menschen in die Verantwortung gerufen werden, nur um meiner alleinigen Selbstverantwortung für mich wieder ein Stück des Weges aus dem Weg gehen zu können.
Erwachsen bin ich, wie landläufig so gedacht wird, nicht mit 21 Jahren, sondern werde ich „ein Leben lang“ in dem Masse, wie „ich mir zu wachse, also zu dem er-wach-se," der ich im Grunde meines Wesens von allem Anfang bin. Leben in dieser Welt heisst, sich „ent-falten,“  dem Ego-Ei entschlüpfen als ein Ich. Mit 21 Jahren endet die Verantwortung der Eltern, bin ich gefordert Schritt für Schritt Selbstverantwortung für alles und jedes zu übernehmen. In dem Masse wie mir das gelingt qualifiziere „ich“ mich als Mensch.
Indem ich „Ich“ sage bin ich noch nicht Ich, ich bin auf dem Wege meine Ich-Kraft zu entfalten, mich als Ich bewusst zu etablieren. Zu tun, was ich will, bedeutet ab dem 21 Lebensjahr das Fallen in einem tieferen und weiteren Sinn zu lernen und damit umzugehen. Tue also weiter, was immer Du willst, vergiss dabei nur nicht das Lachen über die Verrenkungen und Verwicklungen, die Du Dir selber dabei verursachst, wenn Dich Dein innerer Spiegel dann gelegentlich auch etwas unsanft darauf aufmerksam macht. Du wirst es schon merken, wie entwicklungsfördernd das Lachen über sich im rechten Augenblick sein kann, neben der Strenge des Lebens die Leichtigkeit, beides im rechten Gleichgewicht, nicht ausser Acht zu lassen.
Und noch einmal, ich bin nicht einer von den „Qualifizierteren,“ auf die Du leise mit Deinem Finger hin deutest. Ich lese das, was Du sagst und schaue dabei in „meinen inneren Spiegel.“ Schaust Du wirklich sachlich exakt auf das hin, was ich sage, so ist damit kein Urteil über Dich verbunden. Dieses Urteil Dir zu zu sprechen steht allein Dir zu. Hier bist Du keinem Richter unterworfen als Dir allein (siehe Kafka: Der Prozess). Dass dies so ist, darin liegt auch die Würde des Menschen in seiner tiefsten Bedeutung begründet.
Ich grüsse Dich,

Bernhard Albrecht