Dienstag, 13. November 2018

Verständnisverwerfungen zwischen abstraktem und lebendigem Denken

Was zeichnet eine charakterisierende gedankliche Einlassung aus? Sie weisst auf eine grundständige Tendenz oder Eigenart hin, hebt eine „mögliche“ Entwicklung hervor, rückt sie in den Vordergrund. Sie regt damit an den Sachzusammenhang ins Einzelne gehend näher zu untersuchen und individuelle Parameter abzuklären. Was auch heissen kann beobachtend auf „verschiedenen“ Ebenen Wirkverhältnisse zu untersuchen und dabei eventuell zusätzliche Einflussfaktoren mit in Betracht zu nehmen.
Was eine Charakterisierung schon von ihrer Art der Problemzeichnung her „nicht“ tut ist eine bloss lineare Auseinandersetzung anzustossen. Vielmehr wird die Charakterisierung immer dann gewählt, wenn es sich bei dem Problemzusammenhang um eine tiefer reichende und weit verzweigte Angelegenheit handelt.
Die Charakterisierung ist also im Grunde eine freilassende Aufforderung zum Brainstorming im Sinne heutiger Usancen. Sie ist eine Einladung (Rudolf Steiners) zur Bewusstseinsarbeit und in Sonderheit zur Bewusstseinsgegenwärtigkeit.

Bernhard Albrecht

siehe auch: https://egoistenblog.blogspot.com/2018/11/siegfried-im-osten-michaelischer.html#disqus_thread

Sonntag, 11. November 2018

Ein Verweis auf den Illusionsschleier dualistischer Strukturen

Reto Andrea Savoldelli
26. September 2018 um 18:23
"In aller Kürze melde ich mich nochmals mit einem Kommentar zu Eurem Gespräch zu Wort. Ihr werdet sehen, ob Ihr ihn berücksichtigen, d.h. mich einbeziehen könnt oder wollt. R.Steiner äussert in seiner Freiheitsphilosophie, dass das „allgemeine Ich“ sehr wohl in dem dem Denken zugänglichen Geistbereich zu finden, dass hingegen die Bildung des „Ich-Bewusstseins“ an die persönliche Organisation mit seiner Zeitraum-Limitierung gebunden sei.
„Genauer betrachtet muss das doch heissen, dass ich wenn ich „Ich“ sage, nicht in meinem Ich gegenwärtig bin, denn ansonsten müsste ich nicht nach dem wirklichen Ich fragen“, lese ich von Bernhard Albrecht. – Nun, genau so ist es! –
Da die Ich-Individualisierung sich allein in der Zeit und durch verschiedene Inkarnationen vollenden kann, lädt die Vertiefung der Frage „Was ist das wirkliche Ich?“ das allgemeine, höhere Ich in den persönlichen Bewusstseinsumkreis ein. Es wird insofern ausgeladen, als ich jenes mir nur als „abstrakt allgemeines“ vorzustellen mich genötigt sehe. Ich entgleite der prozesshaften Bildungsmacht des wirklichen Ich, wenn ich mit meinen zweifellos ichhaften Denkakten mich mit dem dabei auftretenden leibabhängigen Willenserlebnis zu begnügen suche. –
Wenn es die geistige Spannung zwischen „gewöhnlich selbstbewusst denkendem“ und „wirklichen“ Ich nicht gäbe, müsste man Rudolf Steiner einen grossen Vorwurf daraus machen, dass er seine Schüler mit einer Meditation wie der folgenden auf Erkenntnisabwege lockte (in seinem letzten Londoner Vortrag, 2.Sept.1923): «Ich schaue in die Finsternis. In ihr entsteht Licht, lebendes Licht. Wer ist dies Licht in der Finsternis? Ich bin es selbst in meiner wahren Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit des Ich tritt nicht ein in mein Erdendasein. Ich bin nur Bild davon. Ich werde es aber wiederfinden, wenn ich guten Willens für den Geist durch des Todes Pforte gegangen.»
Schönen Abend und gute Nacht!"
https://rolandwiese.com/2018/08/27/das-wirkliche-ich/comment-page-1/#comment-38
Lieber Reto Andrea
Leider ist mir Dein zweiter Kommentar innerhalb des Gespräches mit Roland bis heute entgangen. Er war wohl zum Zeitpunkt meiner Antwort (https://ich-quelle.blogspot.com/2018/09/nachtrag.html) auf Deinen ersten Kommentar hin von Roland noch nicht eingestellt, ansonsten wäre meine Antwort an Dich nicht nur auf Karl Ballmer bezogen geblieben. Wenn heute nach Deinem zweiten Kommentar auch schon mehr als sechs Wochen verstrichen sind, will ich mich dennoch darauf beziehen. Ich halte Deine Einlassungen nämlich für so wesentlich, dass ich sie unbedingt in den laufenden Gesprächsfaden mit Roland einbinden will.

Du schreibst, … „dass hingegen die Bildung des „Ich-Bewusstseins“ an die persönliche Organisation mit seiner Zeitraum-Limitierung gebunden sei.“
Womit wir im Zusammenhang mit der seelischen Beobachtung bei der Zurückdrängung des Leibes wären. Beim Aufräumen des eigenen Augias-Stalles nach der inneren Weisung, die ich mir aus meinem Beobachten zusprechen will. Aus der Spannung Interesse … Interesse und noch einmal Interesse, das Rudolf Steiner vor allem nach der Weihnachtstagung vehement einfordert (für den, der ernsthaft hinhören will), dem bedingungslosen Interesse für den anderen Menschen also einerseits und der Selbstkritik aus seelischem Beobachten heraus andererseits, aus dieser auszuhaltenden Spannung heraus kann sich Ich-Bewusstsein bilden. Diese Spannung ist also der Kern und gleicherweise der Keim aus dem Erwachen am anderen Menschen sich herausarbeitet zu einer wirklichkeitsgemässen Geistes Repräsentanz in heutiger Zeit.
Von daher gesehen ist auch ein Freies Geistesleben keine formale Struktur gesellschaftlicher Zusammenhänge, sondern es kann als fortlaufendes Arbeitsergebnis nur aus den Ich-Bewusstseins-Anstrengungen der in unterschiedlichen „Zeitraum-Limitierungen“ auf und auch gegeneinander bezogenen Menschen hervorgehen. Freies Geistesleben ist also alles andere als ein in der Empfindung mitunter subjektiv hochgepushtes Nirvana-Erleben (in dem Sinne: „wir“ sind Inselwächter seiner Realität). Es fusst vielmehr auf ernster täglicher Arbeit in den eigenen herakleischen Augias Ställen, was in zahlreichen dualistisch ausgetragenen „alltäglichen“ Auseinandersetzungen unter Menschen nicht selten vollkommen aus dem Blick gerät.
Aus meiner Sicht noch pointierter gesagt: Solange die zeitbedingte Grundspannung der Dualität heute noch vornehmlich „gegen“ den jeweils anderen Menschen ausgetragen und nicht als genuine Grundspannung meiner und nur meiner ureigenen zu bearbeitenden Entwicklungsspannung begriffen wird, solange können dringend notwendige Entwicklungen auf der Weltbühne wie in privaten Umräumen weiter nur zögerlich vorankommen. Im Kleinen  haben wir hier eine viel grössere „wirksame“ Verantwortung für das Ganze, als wir in innerem Stammtisch-Gebaren“ uns gegenüber zuzugestehen bereit sind. Der „Andere“ steht mehrheitlich im Fokus unser einschätzenden Betrachtungen und nicht ich. Der Andere und nicht meine ätherisch-astralische, bzw. meine in Denkblick und Denkwille gelenkten Innenprozesse einer  „notwendigen“ Entflechtung meiner Seelenkräfte und damit der Grundprozess der Zurückdrängung des Leibes.
Rückblickend auf das bisher Gesagte ein vielleicht notwendiger Einschub zur Klarstellung: Ich kritisiere hier weder Dich Reto noch sonst irgendeinen möglichen Leser dieser Zeilen, sondern ich erlaube mir lediglich ungeschminkt den Illusionsschleier über einigen heutigen allgemein zugänglichen inneren und äusseren menschlichen, wie welthaften Erscheinungsweisen etwas anzuheben, was in meinen Augen zu einer zeitgerechten Bewusstseinsarbeit unbedingt dazugehört. Wer will kann sich dem anschliessen und als Anregung aufnehmen eventuelle weitere individuelle Illusionsschleier für sich aufzudecken.
Du schreibst in Deinem Kommentar weiter: „Ich entgleite der prozesshaften Bildungsmacht des wirklichen Ich, wenn ich mit meinen zweifellos ichhaften Denkakten mich mit dem dabei auftretenden leibabhängigen Willenserlebnis zu begnügen suche.“ –
Dem will ich hinzufügen, dass Ich mich mit meinem leibabhängigen Willenserlebnis insoweit begnüge, wenn ich dieses als Bollwerk missbrauche für streitbare Dualität-Rangeleien um den Vorrang eigenen Vermeinens. Hat nicht Rudolf Steiner immer wieder und besonders eindringlich in den letzten beiden Lebensjahren darauf hingewiesen, dass alle Vorstellungen zu verbrennen seien? Ich will das Beharren in Vorstellungen hier einmal bildschaffend als den weit ausgreifenden und letztlich todbringenden Arm von Ich-Bewusstseinsbildung benennen. Abwegig? Oder tiefer betrachtet ins Zentrum treffend?
Um der möglichen Auflösung dieser Frage ein wenig näher treten zu können will ich an das von Dir benannte Zitat Rudolf Steiners in seinem Londoner Vortrag vom 02.09.1923 anknüpfen. „ «Ich schaue in die Finsternis. In ihr entsteht Licht, lebendes Licht. Wer ist dies Licht in der Finsternis? Ich bin es selbst in meiner wahren Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit des Ich tritt nicht ein in mein Erdendasein. Ich bin nur Bild davon. Ich werde es aber wiederfinden, wenn ich guten Willens für den Geist durch des Todes Pforte gegangen.“
Wenn ich mich dem Verbrennen, dem tatsächlichen Veraschen von Vorstellungen wirklich entschiedener zuwende, was ein sehr langer sich fortlaufend vertiefender Prozess ist, dann bringt mich dies in einen inneren Zustand, dass mehr und mehr Haltestangen meines bisherigen Selbstgefühls weg brechen. Ich schaue im Sinne Rudolf Steiners buchstäblich in die Finsternis, sehe mich vor ein Nichts gestellt, dass mich wie aufzusaugen droht. Das dahin gehende Erleben kann dabei so bedrängend über mich herfallen, dass ich die Flucht nach rückwärts antrete, um  für mich wieder an diversen Vorstellungen Halt zu finden.
Da solches heute auch mehr unbewusst im Alltag begleitend geschehen kann ist es verständlich, wenn in sozialen Auseinandersetzungen nicht selten geradezu verbissen um die Erhaltung des eigenen Standpunkt gekämpft, bzw. in bestimmten Internet Foren sogar ein „sportlicher“ Hashtag betrieben wird einzelnen Teilnehmern in einer unbewussten Gegenbewegung alle Haltestangen wegzunehmen. Geistige Dunkelheit ist bei der heutigen äusseren Lichtüberflutung und Informations-Überreizung etwas, was in der einen oder anderen Weise nicht so einfach auszuhalten ist und deshalb auf jede nur denkbare Weise übertüncht und übertönt wird.
Weiter: „In ihr (der Finsternis) entsteht Licht, lebendes Licht.“ So ein derartiges Erfahren nicht in oder nach krisenhaften Lebensereignissen eintritt, dann kann dieses Lichterleben innerhalb eines fortgeschritteneren beweglichen Denken eintreten. Das individuelle Ich kann im Verlauf derartigen Erlebens gewissermassen leise hervortreten und mit der Zeit zu einem Brennpunkt unmittelbar geistigen Erfahrens werden, eines Erfahrens das in seiner um sich greifenden Dynamik umso eher zentriert gehalten werden kann, je stärker das Denken gleichlaufend weiter ausgebildet und in sich vertieft wird. Es ist dies ein Prozess, der mit aller gebotenen Zurückhaltung im Bilde einer Brückenüberquerung, im sokratischen Sinne eines „Durchgangs“ durch das „ich weis, dass ich nicht weis,“ andeutend zu beschreiben ist.
Brückenüberquerung: Setze ich mich damit im Sinne des oben genannten Londoner Vortrags von Rudolf Steiner nicht in einen Widerspruch zu ihm? Heisst es doch dort: „Diese Wirklichkeit des Ich tritt nicht ein in mein Erdendasein. Ich bin nur Bild davon.“ Es steht dort aber auch zu lesen, dass ich dieses Ich „wiederfinden (werde), wenn ich guten Willens für den Geist durch die Pforte des Todes gegangen.“ Wer dies lauschend liesst, dem kann in der inneren Anschauung ein Bogen, eine Brücke vor Augen treten, die empfindungsstark beide Satzsequenzen überspannt.  Zwischen beiden tritt nämlich im oben skizzierten Sinne ein markantes Todes-Erleben oder eine ganze Kette von inneren Todes-Empfindungen ein, die sich über den Zeitraum ihres Erlebens zu einem Gesamterleben bündeln. Im Sinne von Angelus Silesius tritt hier also zu Lebzeiten der Tod ein („Wer nicht stirbt bevor er stirbt, der verdirbt“). Mit diesem Todes-Erleben werde ich in Folge dahin geführt das eigene Ich in meinem Erdenleben immer wirksamer finden zu können. Das Ich wird zu einer Leben spendenden Quelle.

Bernhard Albrecht


Montag, 5. November 2018

Im Gespräch über die seelische Beobachtung

rolandwiese
25. Oktober 2018 um 0:00
Lieber Bernhard Albrecht, Ja zu deinem Beitrag! Mein Blick geht aber in eine etwas andere Richtung. Das, was du beschreibst ist ja gewissermaßen eine Art Grundvoraussetzung für den individuellen und gleichermaßen sozialen Entwicklungsprozess. Mein Blick hat als Hintergrund die merkwürdige Figur des Dionysos. Das Eindringen in die dionysische Wirklichkeit des Lebens hat die Voraussetzung, dass mein Denken empfindungswirksam wird. Bestimmte Denkformen sind aber einfach nicht in der Lage solche Empfindungen auszubilden, die wiederum das Leben, das Lebendige, empfindungsfähig werden lassen. Also Bewusstsein wird Leben; Leben wird Bewusstsein. Die Raserei entsteht an der Stelle, an der Bewusstseinsformen auf das zusammenhängende Leben treffen, die diese elementaren Verhältnisse chaotisieren. Die elementaren Verhältnisse in unserem Organismus und in der Natur sind aber auf solche Empfindungsmöglichkeiten angewiesen. Dionysos wird zum fürchterlichen Gott in den Menschen, die mit einem nicht angemessenen Denken und in der Folge mit nicht angemessenen Empfindungen in die Elementarwelt, das heißt in das Leben eindringen.
Eine Ursache für dieses Geschehen liegt in der zunehmenden Aushöhlung des alten Selbstgefühls, seit der Mitte des letzten Jahrhunderts und der damit einher gehenden Notwendigkeit, dieses schwächer werdende Selbstgefühl (als Grundlage des Egos) zu substituieren, also zu ersetzen und künstlich zu verstärken. Das Abnehmen des natürlichen und früher meist gruppenhaften Selbstgefühls ist aber ein Prozess der notwendig ist; er führt aber in krisenhafte Zuspitzungen, oder den horro vacui, also in eine Leere und Langeweile, die nur durch eigene individuelle Produktion wieder neu erfüllt werden kann. (Beuys war nicht zufällig genau in der zentralen Phase dieses Prozesses in dieser Richtung hin wirksam). Es ist ein gewisser Schwellenübergang in dieser Richtung hin erfolgt. Und dadurch entsteht natürlich auch die ungeheure Situativität in jeder Begegnung und die Möglichkeit, dass sie in die eine oder andere Richtung (oder beides) sich entwickelt. Und schon die Beurteilung darüber nicht mehr nach ‚bürgerlichen‘ Maßstäben möglich ist, sondern sich erst mit der Zeit zeigt….

Lieber Roland. Ich sinne über Deine Antwort nach und wage eine erweiternde Ansage, die einen innerlich möglicherweise schmerzhaften Ruck auslösen kann. Weichst Du mir in Deinem Sagen nicht vielleicht „unmerklich“ ein wenig aus, denn prozesshaftes Denken kann ohne eine vertiefende Vergegenwärtigung auf eigene Empfindungen hin überhaupt nicht in Gang kommen?

Die im Umraum des Denkens sich bildenden Empfindungen müssen nämlich begleitend so weit geklärt werden, dass ich selbst nicht mehr in einer abhängigen Bindung zu ihnen stehe, was heisst, dass ich lerne ihnen frei in der inneren Anschauung gegenüberzustehen, ohne in der einen oder anderen Weise mich von ihnen da oder dorthin ziehen zu lassen. Ich bin also aufgefordert Herr im inneren Erlebnis-Umraum zu werden, Herr im eigenen Haus zu sein. Insofern kann seelische Beobachtung auch als ein gleichsam spagyrischer Reinigungsprozess gesehen werden.

In der seelischen Beobachtung geht es um äusserste Exaktheit im Umgang mir selber gegenüber, sind Empfindungen, die zunächst an die eigenen inneren Denkfiguren gebunden auftreten auf ihre Bindungsgegebenheiten hin genauestens zu untersuchen. Nur insoweit dies fortlaufend immer tiefer geschieht, ist die seelische Beobachtung ein wissenschaftstaugliches Instrument. Rudolf Steiner stellt damit höchste Anforderungen an diejenigen Menschen, die sich als Repräsentanten einer weiter zu entwickelnden Geisteswissenschaft sehen wollen.
Wenn ich vor diesem Hintergrund Deine Aussage „bestimmte Denkformen sind aber einfach nicht in der Lage solche Empfindungen auszubilden, die wiederum das Lebendige empfindungsfähig werden lassen,“ die also im Sinne Deines weiteren Wortlautes „Bewusstsein ins Leben“ hineintragen und umgekehrt „Leben in Bewusstsein“ erwachsen lassen näher betrachte, dann frage ich mich: „Überhebst“ Du Dich damit genauer besehen nicht ein wenig, triftest in eine duale Anschauungsweise ab, wo es doch darum geht nonduale Brücken im Sozialen zu bauen?
Oder noch konkreter, was ist es, das mich eben jetzt seitwärts blicken lässt, mir Nebenwege vorgaukelt und möglicherweise die tiefere Verankerung in mir, die Betrachtung des Hier und Jetzt leise unterwandert. An den stillen Quelldolen des in Wirksamkeit hinein sich befreienden Ich geschieht Herausforderndes, das die eigene Aufrechte auf ihre tatsächliche Bodenhaftung hin prüft, immer wieder und hartnäckig. Solange, bis wir bereit sind die Schlangenwege zu verlassen uns selber aus dem Weg zugehen, indem wir aus Gewohnheit unseren Blick fast „nur“ auf den jeweils anderen Menschen richten.
Sind es nicht wir, die mit unserer Empfindungsfähigkeit in Vorleistung gehen müssen, damit die Empfindungen Anderer daran Orientierung erleben und sich „erkannt fühlend“ über sich hinaus wachsen können? Das auch noch so leise Beklagen, was nicht ist bringt die Welt um keinen Quadratmillimeter weiter nach vorne. Jedoch ist in scheinbar „nur“ rudimentären Empfindungen für den, der sich darum bemüht ein Rauschen in der Tiefe zu vernehmen, das unter geeigneter Hilfestellung sich in vertiefte Empfindungen hinein befreien und ausdrücken lernen kann - soweit meine Erfahrung.
Im Übrigen ist die Qualifizierung einer sogenannten „minderen“ Empfindungsfähigkeit im Äquivalent vielleicht auch mehr an die Trägheit, um nicht zu sagen an die innere Faulheit des jeweiligen Umgebungsfeldes und seiner Akteure gebunden, die vor lauter (geistes)wissenschaftlichen Meta-Diskussionen das notwendige praktische Handling, das aus anhaltenden seelischen Beobachtungen hervorgehen könnte schlichtweg vernachlässigen.
Derartiger Selbstkritik wird jedoch gerne ausgewichen, womit ich keine Kritik gegen irgendwen ausdrücke, also auch nicht per se gegen Dich, sondern nur ein weiteres Mal auf die seelische Beobachtung verweise, die derartige Ausweichmanöver im eigenen Ausübungsprozess dieser Methode einem oft genug vor Augen stellen kann. Wenn Bewusstsein in Leben hineinwachsen will hat die Prüfung dessen was ist in meinen Augen primär bei einem selbst anzusetzen. Alles andere endet nur in dualen Selbstfesselungen und unterstützt damit indirekt die weitere Aushöhlung des Selbst von der Du sprichst.
Natürlich hast Du recht wenn Du von der Aushöhlung des Selbstgefühls in unserer Zeit sprichst. Doch gilt in meinen Augen auch hier, dass die eigene fort und fort entwickelte Empfindungsfähigkeit hier vor ungeahnten Möglichkeiten steht dies jeweils situativ auch verändern zu können. Dabei ist es allerdings nicht zu umgehen, dass Du Deinem eigenen Horror Vacui begegnest und innerhalb dessen den vielfältigen Scharaden des Dionysos. Dies solange, bis, wie ich schon sagte Du Dir nicht mehr selber ausweichst, Dich im dauerhaften inneren Gleichgewicht einfindest in der Spur des wirksamen Ich.
Das wirksame Ich ist die Frucht strengster Selbstkritik, einer Selbstkritik die in die notwendige Tiefe hinein heute allein aus der seelischen Beobachtung hervorgehen kann. Hierin ist Rudolf Steiner so ungemein modern - was bisher aus meiner Sicht nicht annähernd wirklich erfasst wurde - weder von Anthroposophen, noch von diversen Vertretern der gängigen wissenschaftlichen Forschung. Rudolf Steiner hat nämlich mit dieser Methode der kritischen Forschungsweise der Naturwissenschaft jenes Element hinzugefügt, das sicherstellen kann, dass der Mensch und die tatsächliche, nicht nur halbherzig nachgeschobene Achtung seiner Würde in der wissenschaftlichen Forschung präsent, sprich wirksam bleiben kann. Er hat damit auf nicht weniger verwiesen, als dass die Aufklärung der Vergangenheit und die mit ihr einhergehende Ausbildung nach aussen gerichteter kritischer Forschung ergänzt werden müsse um eine nicht minder kritische Forschung des inneren Selbstgefüges des Menschen. Andernfalls würde der in die abstrakte innere Diaspora vertriebene Mensch die lebendige Anbindung an den Geist nur verlieren können.

Bernhard Albrecht

Freitag, 2. November 2018

Fragment 4/2018

Miteinander. Mit - ein - ander, was heisst „mit“ dem „anderen“ Menschen werdend sich zu bewegen,  mit ihm und der fortlaufend zu erneuernden eigenen inneren Bereitschaft sich weiter zu entwickeln, … auf Ein … ander immer wieder Schritt für Schritt zu zu gehen.
„Durch“ den anderen Menschen angeregt auf die Einheit, das Einssein, das im Einklang sich erlebend Befinden im Innenverhältnis "miteinander," dem mutigen Ich-Ausdruck im Aussenverhältnis und der letztlich daraus hervor gehenden individuellen Erleuchtung im Denken - das Fühlen und Wollen einschliesst - zu zu wachsen. „Und“ damit die gemeinsam aneinander erwirkte soziale Erneuerung, samt ihren Früchten eines in Tateinheit gelebten freien Geisteslebens untereinander zu weiterem Wachsen zu teilen.

Bernhard Albrecht