Montag, 26. Februar 2018

Hagiographie

Eine Antwort auf zwei Kommentare zu meinem Beitrag. "Den Irrtum verwandeln"
https://egoistenblog.blogspot.ch/2018/02/friedrich-benesch-nationalsozialist.html?showComment=1519646278567#c2634013363375082818

„Wir wissen das, aber mancher ist von seiner hagiographischen Sichtweise so abhängig, wie der starke Raucher von seinen Kippen.“

Die seelische Beobachtung gleicht in mancher Hinsicht einem Brunnen mit unendlich vielen Klangräumen. Vieles bleibt verborgen, wenn sich Ohr und Auge dafür nicht aufschliessen können. Ich könnte auch sagen, ein jeder Mensch trägt in sich einen derartigen Brunnen mit einem schwer auszulotenden Grund. Sich angesichts dieses Grundes den Mut immer wieder neu abzuringen für das Erreichen des nächsten „Jenseits-Ufers“ ist schwer. Tändelnd auf der Mauer zu sitzen und im „Wir-Ton“ zu munkeln über hagiographische Attitüden angesichts derartigen Bemühens, ich weis nicht, für mich klingt das respektlos und zudem naiv gegenüber eigenen, anscheinend nicht hinterfragten Vorstellungsverklebungen. Aber die Geschichte vom Splitter in den Augen anderer Menschen und dem Balken vor der eigenen Sicht ist ja so alt wie es Menschen gibt.
Damit ist nicht der Verharmlosung von Irrtümern das Wort geredet sondern nur leise an die Würde des Menschen erinnert. Meine Art des Umgangs mit Irrtümern umzugehen kann nicht die Gangart eines anderen Menschen sein damit umzugehen. Niemals. Dieser Weg ist immer ein individuell zu verantwortender und für das Reden über das Wie von Irrtumsbewältigung anderer Menschen bleibt am Ende nur das Schweigen, wenn die eigene Würde dabei nicht unversehens ins Kannibalische abgleiten soll. Der öffentliche laute und noch mehr der leise Hashtag zwischen den Zeilen und die damit anscheinend weitgehend unbemerkt bleibende Lust hinter vorgehaltener notwendiger sachlicher Aufklärung, die eigene Selbstkritik geht damit verloren. Und damit gerät auch das letztlich Unantastbare der menschlichen Würde vollkommen aus dem Auge.
Auf unbefriedigende soziale Verhältnisse lässt sich indirekt nur einwirken über die Umwandlung eigener innerer Zustände. Was ich aussen sehe und meine vollmundig kritisieren zu können wird die Welt um kein Jota verändern können. Ein wirklich griffiger Beitrag kann in meinen Augen hier, jenseits der zweifelsfrei notwendigen „sachlichen“ Aufklärung nur die eigene Selbstkritik mit den daraus abzuleitenden Konsequenzen liefern. Eben erwachen am anderen Menschen. Und … den eigenen vorgeburtlichen Entschlüssen im Erwachen bereit sein in die Augen zu schauen. Das wiederum ist alles andere als leicht und kann und wird immer wieder schnell einmal bei Seite geschoben. Wir leben eben gegenwärtig nicht gerade in einer Zeit, die bereit ist sich für die leisen Töne im eigenen Inneren zu öffnen. Sie werden sang- und klanglos einfach kurzgeschlossen weil es eben äusserst unbequem ist die eigene Willensdynamisierung an die Hand zu nehmen.
Nach meinem Kenntnisstand war die letzte Lebenszeit von Friedrich Benesch von einer durch ihn weitgehend verborgen gehaltenen tiefen Einsamkeit überschattet. Er wusste darum, dass der Umgang mit seinem mitunter erratischen Wesensausdruck für manche gefühligen Ausdrucksweisen in seinem Umfeld, bzw. unter Menschen, die ihn noch besuchten, nicht einfach war. Doch er war wie er war und blieb sich selber treu - eine Herausforderung für viele andere Menschen zu sein, von den Anfängen in Jugendjahren bis zu seinem Lebensende.

„… aber mancher ist von seiner hagiographischen Sichtweise so abhängig, wie der starke Raucher von seinen Kippen.“ Kann ich das wirklich illusionsfrei wissen? Und wenn, was wären die Voraussetzungen für ein Erfahren ohne Vorstellungsverklebungen?

Bernhard Albrecht

Freitag, 23. Februar 2018

Den Irrtum verwandeln

«Denn die wirkliche Wahrheit ist nicht die Wahrheit, sondern der überwundene Irrtum».

Ich kannte Friedrich Benesch, aus mancherlei persönlichen Gesprächen und bin ihm, seinen Vorträgen lauschend, im Kreise vieler junger Menschen an verschiedenen Orten über Jahre hinweg immer wieder begegnet. Er war ein Meister der pointierten leisen Wortbetonungen, die sich für den, der ein Ohr dafür hatte dann überraschend weit in ihrer Bedeutung und Tragweite öffnen konnten, ohne dass er selbst dazu grosse Erläuterungen hinzufügen musste. Er ging auf seine Art immer hautnah an der Kimme der Worte und Gedanken Netzwerke entlang, die er sich für seine Vorträge zum Thema gewählt hatte. Und gerade das konnte unter seinen Zuhörern ein Gefühl für ihre eigene innere Freiheit wecken und in Folge Begeisterung hervorbringen.
Graniten sein Denken, ja. Doch da war noch etwas anderes, das dem inneren Anschauen sich nicht unbedingt zeigte. Ein Feuer, das um seine Zügelung und innere Führung mit grosser Disziplin rang. Benesch war ein starker Raucher, aber keiner aus Lust oder ausgefranster Gewohnheit heraus. Er benutzte unter anderem das Rauchen, um sein Feuer in den Klüften seiner kräftigen physischen Gestalt abschirmend bändigen zu können. Wie schwer ihm das auch werden konnte, das trat nicht oft und wenn überhaupt nur ganz leise in Erscheinung.
Den Kopf in die linke Hand gestützt, den Körper leicht nach links und hinten geneigt, so konnte er in der Runde junger Menschen in seinem Lehnstuhl sitzen. Ein leises, nach innen gewandtes Lächeln, so, als ob er dort etwas bewachte, verbunden mit einem Flor von Schmerz, bevor er seinen Falken gleichen Blick wieder voller Interesse auf die jungen Menschen um sich herum richtete. Einfach unauffällige Präsenz in Person.
Einmal erzählte er wie nebenbei von seiner dramatischen Flucht mit den Bewohnern von Birk aus Siebenbürgen. Ein Kette von Ereignissen, aus dem sich eine heldenhafte Vita stricken liesse. Doch er lenkte dabei den Blick, als er den Flüchtlingstreck als Anführer kurz entschlossen eine Brücke im Galopp nehmen lies, die schon unter Beschuss stand und die kurz danach in sich zusammen brach auf ein ganz anderes Ereignen. Grau im Gesicht, die Pupillen seiner Augen wie arretiert auf ein bestimmtes Nacherleben gerichtet, lies er mich an dem Ineinander Fallen von Vergangenheit und Zukunft in diesem dramatischen Augenblick teilhaben. Danach verlies er die Runde der jungen Menschen, was er meiner Erfahrung nach in einer Seminarpause niemals vorher getan hatte.
Erst Jahre später begriff ich wie viel mehr noch mit diesem Geschehen verbunden war. Was in esoterischen Kreisen heute oft so gerne vermarktet wird, der eindringliche Verweis auf das Hier und Jetzt kann zu einem intellektuellen Fallstrick werden, wenn nicht das Dahinter in ihm … bewegt in Bewegung … innerlich gefasst wird.
Friedrich Benesch hat seine nationalsozialistische Vergangenheit an entscheidender Stelle offenbar nicht aufgedeckt. Er hat aber die Verwandlung seines Irrtums durch tausend Tage nachfolgenden Alltags in einer nicht alltäglichen Präsenz vor aller Augen, die das sehen wollten, unauffällig vorgelebt. - Seine Art von Freiheit nicht nur zu sprechen, sondern diese auch zu leben.

„Denn die wirkliche Wahrheit ist nicht die Wahrheit, sondern der überwundene Irrtum“
https://egoistenblog.blogspot.ch/2018/02/friedrich-benesch-nationalsozialist.html?showComment=1519390543203#c1615849764438047754

Sonntag, 18. Februar 2018

Pneumatischer Organismus und "Zurückdrängung des Leibes"

Einige weiterführenden Gedanken zu Mieke Mosmullers Blogeintrag vom 31.01.2018:
Geistleib, Ätherleib oder Astralleib … Ein philosophischer Versuch von Immanuel Hermann Fichte
https://www.miekemosmuller.com/de/blog/geistleib-atherleib-oder-astralleib-ein-philosophischer-versuch-von-immanuel-hermann-fichte?comment_Show=1

Die zusammenfassenden Verweise auf einige wesentliche Passagen von Immanuel Hermann Fichtes „Anthropologie“ machen in verschiedener Hinsicht nachdenklich. Zum einen über den versteckten Zusammenhang von Vorstellen und Täuschung, den Fichte durchschaut, ohne, wie viele seiner Zeitgenossen, darüber innerlich zu stolpern. Das Vorstellen, das die Anschauung dessen was ist (das tatsächliche Wirken von Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff) verschleiert, noch bevor diese Anschauung gelingt.
Doch gelingt Anschauung nicht erst, wenn ein aktives  Anschauen dessen was ist, mithin ein in Wirklichkeit erschaffen desselben, den Boden dafür bereitet? Warum aber sollte das so sein? Weil Wirklichkeit nicht per se ist? Weil Wirklichkeit aus der aktiven Teilhabe, sowie der inneren Überschau über die Prozessabläufe des Anzuschauenden im Denken hervorgeht? Das jedoch würde heissen, dass Wirklichkeit aus dem individuell dynamisierten Willen in eigenständiger Selbstverantwortung hervorzubringen ist.
Demzufolge wäre der nicht durchschaute Prozess des Vorstellen unverblendet durchdacht dann also die Grundlage für die materialistische Weltanschauung, in der Abbilder die unvollendet bleibende Anschauung dessen was ist überlagern. Was heisst: Dass damit ein Schein von Erfahrung entsteht, der tatsächlich aber keine wirkliche Erfahrung beinhaltet, weil dieser Erfahrung kein Anschauen zugrunde liegt.
In der Folge hat dies nicht geringe Auswirkungen auch auf das individuelle Darinnenstehen in einer wie auch immer gearteten eigenen und im besonderen der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung. Pointiert gesagt: Wo Geisteswissenschaft nicht über das hinaus gelebt wird, was Rudolf Steiner zu ihrer Entwicklung einmal gesagt hat, wo Vorstellungen im eigenen Willen auf innere Anschauungen hin nicht dynamisiert werden, dort kann ein Freies Geistesleben sich nicht entfalten, ein Begegnen von Mensch zu Mensch wechselseitig wachstumsförderlich nicht wirklich ereignen.
Es wird unerkannt zu einer täuschenden Fata Morgana. Immanuel Hermann Fichte ist also nicht nur auf eine heute vergessene Weise wissenschaftlich hochaktuell, er ist es darüberhinaus auch in Bezug auf die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse im weitesten Sinne des Wortes. Seine innere Anschauung von dem, was den Leib letztlich konstituiert, das lässt nämlich auf gesellschaftliche Verhältnisse bezogen, seine Lehre vom pneumatischen Organismus in ganz neuem Lichte erscheinen. Wie steht es um das Kraftwirken in diesem pneumatischen Organismus und welche Kraft kann dieses Kraftwirken, das „Pneuma“ in ihm zur Entfaltung bringen? Was sind gewissermassen die Bedingungen, welche die dynamische Kraft des „Pneuma“ einer Menschen Gemeinschaft im wechselseitigen Austausch individueller ein- und ausströmender Kräfte bildend zum Fliessen bringen kann?
Ohne auf den Songtext von Helene Fischer „Atemlos“ näher eingehen zu wollen trifft der Titel dieses Songs genau den Nerv des Gemeinschaftsempfindens unserer Zeit. Wir sind in unserem einander Begegnen, bzw. Nicht-Begegnen mehr atemlos als wir uns das eingestehen wollen und können. Schon eine gleichsam nebensächliche Begegnung unter Menschen kann bei einer näheren Bemühung um Anschauung dessen was da geschieht diese Atemlosigkeit blosslegen.
Sie ist da, weil Kommunikation anstrengend ist, weil sie, wie wir durchaus wissen, zumindest aber versteckt spüren einen tiefer greifenden Willen einfordert, wir aber in der Regel dieser Anstrengung schlichtweg ausweichen. So breitet sich über derartige Geschehnisse fein zerstäubte, nichts sagende Atemlosigkeit, im schlimmsten Fall sogar der Atem unendlicher Verletztheit aus. Diese wiederum zieht leise das Gefühl der Vergeblichkeit und in Folge einer Leere nach sich, bzw. am Ende sogar eine schleichend progressive Depression. Von daher gesehen kann Depression als die Krankheit bezeichnet werden, die letztlich aus einem wechselseitigen Nicht-Einlösen von menschlicher Begegnung hervorgeht.
Was aber führt uns auf den Pfad Begegnung immer und immer wieder nicht oder doch nur unvollständig, d.h. nicht tief genug einzulösen. Unser jeweiliges Verhältnis von Nähe und Distanz zum anderen Menschen nicht mehr zu hinterfragen. Es ist die Angst dabei die eigene Bodenhaftung zu verlieren. Es ist die Angst vor den Konsequenzen, die eine tiefer gehende Bemühung um Anschauung dessen, was im Begegnen geschieht, einfordern könnte. Es ist die Angst vor dem unumgänglichen Neuwerden, das einer jeden Begegnung vom Grunde her anhaftet. Es ist die Angst dieser Angst zu begegnen. Es ist die Angst davor sich dabei in einer Weise in die Augen schauen zu müssen, welche die Selbstillusion bisherig eigener Selbstsicht sprengen könnte.
Angst ist also das Grundthema von Begegnung. Und diese Angst will im Sinne der Philosophie der Freiheit zurückgedrängt, nicht (wie zum Beispiel durch Zynismus oder Kanzel Rederei) verdrängt sein, damit in dem frei werdenden inneren Erlebensraum dasjenige angeschaut werden kann, was durch die Worte des jeweilig anderen Menschen im Begegnen tatsächlich zu mir spricht, frei von durch mich übergestülpten Abbildern, frei von damit einhergehenden Vorstellungsverklebungen.
Auf was kann uns nun aber das durch den pneumatischen Organismus wirkende „Pneuma“ aus heutiger Sicht hinweisen? - Atemlosigkeit versus schöpferischer Atem des Pneuma. Was spricht durch das Pneuma, wenn aktiv ausgerichtete innere Anschauung auf das Geschehen den Boden dazu bereitet? Was kann in diesen inneren Raum der Anschauung sprechend vernommen werden, wenn dieser Raum durch das, was Rudolf Steiner so rätselhaft die „Zurückdrängung des Leibes“ nennt, geöffnet werden kann? Zurückdrängung ein in erster Linie nicht körperlicher Prozess, sondern ein Prozess der Entflechtung von ätherischen und astralen Dynamiken, mit physiologisch körperlichen Folgewirkungen in Form innerer Verdunkelung und Schläfrigkeit, einer Art innerer Muskelkater des eigenen Willen, der überwunden, im Verlauf des übenden Umgangs mit der seelischen Beobachtung  sich in eine innere Präsenz wandeln kann.
Seelische Beobachtung: Wenn durch sie die Überschau der in der Seele ereignishaften geistigen Prozesse sich dem erwachenden inneren Auge nach und nach erschliesst, was kann dann Sprache dem inneren Ohr und Auge erfahrbar werden lassen. Wessen Sprache: Die Sprache der Vorgeburt. Ich wiederhole, die Sprache der Vorgeburt, denn sie ist im konkret irdischen Ablauf des Denkens unabweisbar angekommen. In der Sprache des jeweiligen Du spricht sie und kann dort vernommen werden, wenn die ätherisch und astralen Prozesse in der Seele entwirrt werden.
Sie, die Sprache der Vorgeburt ist angekommen im ganz alltäglichen Sprechen des Du, also auch im Sprechen von Passant zu Passant unter einander wildfremden Menschen. Ich kann hören die Sprache der Vorgeburt, wenn ich in der Seele die ineinander laufenden Prozesse von Äther- und Astralleib zu ordnen verstehe. Wenn ich dem Ego, das durch vorschnelles Vermeinen das Hinein-Hören in das Sagen des Du immer wieder zu blockieren sucht, in meiner wachsenden Wachheit gewissermassen den Weg abschneide. Ich-Präsenz aufbaue wider die Selbstgefälligkeit des Ego und seine subtile Selbstverliebtheit in die jeweils eigene Sicht der Dinge. Ich alles daran setze, dass das Ego einer tieferen Begegnung mit dem Du nicht länger mehr ausweichen kann. Mit anderen Worten das Ego seine Platzhalter Stellung zu Gunsten des Ich räumt.
Die Sprache der Vorgeburt, was ist gemeint. Es ist der beständig leise und deshalb so leicht überhörbare innere Anruf, was durch mich zu verändern sei, damit Begegnung, ein wechselseitig tieferes Hineinwachsen in die eigene Menschlichkeit gelingt. Das Gespräch oder anders ausgedrückt, die zum Leben erweckte Kategorie der Relation des Aristoteles ist mithin das Feld der Karma Auflösung. Gelebte Relation wiederum bringt das Pneuma im pneumatischen Organismus zum Fliessen, der nicht nur auf den je individuellen Menschen begrenzt ist, sondern über diesen hinaus am Leib sich entwickelnder Menschlichkeit mit baut. Was aber wäre in den bedrängenden Niedergangserscheinungen unserer Zeit wichtiger, als dabei mit Hand anzulegen. Im Augenkontakt zum Beispiel mit der Kassiererin an einer Supermarktkasse. Die Entmystifizierung des Karma Gedanken hinein in das alltägliche Leben, in die Liebe zum Kleinen. Ein konkret praktisches Anknüpfen auch an Immanuel Hermann Fichte im Hier und Jetzt, indem auf derartigen Wegen der pneumatische Leib mehr und mehr zum Leben erweckt, in die bewusste innere Anschauung und damit individuelle Erfahrung angehoben wird.

Bernhard Albrecht Hartmann