Es gehört zu den täglich offenen oder mehr verborgen sich abspielenden
schmerzlichen Begebenheiten, dass ein tieferes Verstehen anderer Menschen auch
nur ansatzweise einzulösen häufig schon im nahen Oberflächenbereich scheitert.
Scheitert, wenn es denn überhaupt noch gewollt wird, weil der Wille von allzu
vielen selbst erzeugten Schutz und Abwehrbarrieren, bzw. äusseren Ereignissen
immer wieder wie in eine Lähmung versetzt wird oder durch biographische
Erlebnisse einfach nur nachhaltig verstört wurde und ein Verstehen von daher
überhaupt nicht mehr gesucht wird. Ein Fernsehspot dieser Tage macht es
deutlich, wir haben das „Miteinander-Sein“ verloren.
Miteinander-Sein … wie denn? Die nachhaltige Teilhabe mit offenem Visier. Das
bedingungslose Interesse. Bei genauerem Hinsehen eine Übung, die nachgerade
hilflos machen kann.
Denn: Einsamkeit hat sich wie eine zweite Haut unscheinbar um uns gelegt.
Jedenfalls ist Begegnung im eigentlichen Sinn des Wortes, im Sinne eines Aug
in Auge Bewusstsein nicht ohne tiefer reichende Anstrengung zu erreichen. Das
Leben spielt uns hierbei immer wieder Möglichkeiten mehr oder weniger offen
zu, die uns auf die eine oder andere Weise anstossen innere Hindernisse aus
dem Weg zu schaffen, damit erweiterte Begegnungsräume entstehen, wieder belebt
werden können.
Das Leben ruft uns zu. …
Begegnung, begegnen, über mich, meinen gegenwärtigen Horizont hinaussehen,
offen sein Vorhänge vor meinen Fenstern zur Welt beiseite zu schieben und auf
Fremdartiges zuzugehen - mir tiefer zu begegnen.
Wann begegne ich mir selbst in Tateinheit wirklich. Wann komme ich wenigstens
in eine Nähe zu mir, in eine Nähe, die mich nicht von allem Anfang an in
vernebelnde Selbstillusionen verstrickt. Cave Cerberus. Hüte Dich vor dem Hund,
der Deine Ego-Burg bewacht. Er ist wachsam, sehr wachsam.
Selbstillusionen, die hauptsächlichen Bausteine der Ego-Burg, haben sich
zumeist über Zeiträume hinweg, die bis in die Kindheit oder noch weiter
zurückreichen aus den unterschiedlichsten Geschehnissen heraus wie abgesondert
und von dort her Erlebnisse verkapselt, an die sich im Laufe der Zeit Narrative
banden, die ihre Träger in der Folge veranlassen können bestimmte Wahrnehmungen
von vorne herein auszuschliessen. Warum? Weil sie von heute her gesehen
verunsichern, bzw. ein Gefühl zunehmenden Unwohlseins auslösen, das den Boden
wie unter den Füssen wegzuziehen scheint. Momente, die genauer besehen vom
Grunde der Seele her eigentlich zum …. Aufwachen anregen, ein „Neu-Bewegen“
intendieren wollen, denen sich aber vielerlei individuelle Widerstände
entgegenstellen.
Die eigene Individuations-Geschichte just in dem Augenblick in die Hand zu
nehmen, da ein derart fragiles Erleben die Seele unmittelbar oder nicht
weniger bedrohlich mehr hintergründig peripher beunruhigend bestürmt, ist kein
leicht Ding. Weil: Weil diese seelische Fragilität eine Verletzlichkeit, um
nicht zu sagen auch Gefühle einer inneren Nacktheit mit sich bringen, die um
jeden Preis von den Menschen, die sie betreffen bedeckt gehalten werden wollen.
Und solche Menschen gibt es heute weit mehr als es nach aussen hin in
Erscheinung tritt.
Es ist nur einfach nicht opportun sich mit einer derartigen Verletzlichkeit
offen zu zeigen. Unter die Lupe genommen entpuppt sich der phänomenale Umkreis
einer derartig gegründeten Verletzlichkeit für den Beobachter als etwas höchst
Seltsames. Erblickt er doch hinter den Versuchen diese inneren Geschehnisse zu
verbergen, tief ummantelt in der Seele gleichsam die Gebärmutter von Prozessen
und in dem, was diesen zu Grunde liegt, was in diesen Prozessen auf den ersten
Blick hin sich ausdrückend lebt - „ein Nichts.“
Ja ein Nichts, das auf den Bereich des mittleren Brustbeins unscheinbar drückt
und dessen Wirkungen auf das Herz ausstrahlen. Doch halt. Wie kann ein Nichts
solcherart Wirkungen auslösen?
Es kann, weil dieses Nichts und die Möglichkeit es vor die eigene Anschauung
zu bekommen anscheinend in vollkommener Dunkelheit ruht. Der Mensch dem
solches widerfährt weis, dass da im Dunklen ein für ihn nicht Greifbares
schlummert, ein „Wie im Nichts“ sich Verbergendes sein Dasein hat. Nur reicht
die Kraft der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit für das Gewahren der damit einher
gehenden Phänomene nicht aus. Zumal diese Phänomene in ein beständiges
Fliessgeschehen eingebunden in Erscheinung treten. Ein gleichsam tastend sich
Einfinden in diesen dunklen Bereich der Mitte über dem Brustbein lässt
einander gegenläufige Bewegungen erspüren, Willensbewegungen, die recht
virulent agieren.
Die still sich anbahnende Geburt des Ich im Tod des Ego, eine Lichtgeburt
im stetigen Loslassen der in Vorstellungen gebannten Selbstillusionen. Die
soziale Herausforderung heute im Begegnen von Mensch zu Mensch.
Bernhard Albrecht
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