Samstag, 24. August 2019

Fragment 1/2019

                          „Das, was den Gegenstand schwer verständlich macht ist … nicht,
                            dass irgendeine besondere Instruktion … zu seinem Verständnis 
                         erforderlich wäre, sondern der Gegensatz zwischen dem Verstehen
                       des Gegenstandes und dem, was die meisten Menschen sehen wollen.
                  Dadurch kann gerade das Naheliegendste am allerschwersten verstanden
                      werden. Nicht eine Schwierigkeit des Verstandes, sondern des Willens
                                        ist zu überwinden." Ludwig Wittgenstein (1)

                 (1)   Ludwig Wittgenstein - Ein Reader: Das Wesen der Philosophie S. 315,                                Reclams Universal Bibliothek Nr. 9470, Druckauflage 2011
Die Notwendigkeit diesen „Gegensatz“ vor-gängig auflösen zu müssen stellt das vielleicht grösste Hindernis dar für die längst fällige Weiterentwicklungen im Selbstverständnis der Wissenschaft. Die Anschauung dessen was tatsächlich ist wird durch den Umstand der Vorstellungsüberlagerung oder um es noch pointierter auszudrücken der vor sich selber verschleierten klamm-heimlichen „Abbild-Besetzung“ durch das Subjekt behindert, um nicht zu sagen weitgehend unbemerkt geradezu verhindert. Wittgenstein findet hier lakonisch zutreffend die Worte „was die meisten Menschen“ diesbezüglich einfach nur „sehen wollen,“ bzw. nur noch sehen können.

Im Zuge des notwendigen Durchgangs durch den Dualismus in der Wissenschaftsentwicklung geht die „Wirklichkeit“ als vom Willen bewusst zu vollziehender, wie darüber hinaus nachhaltig zu überschauender Erkenntnisgewinn in einem sich mehr und mehr verschränkenden Abstraktionskonvolut verloren. Die Wissenschaft verliert den Zusammenhang mit ihrem tragenden gesellschaftlichen Umfeld und kann die Verbindung zu diesem ihrem Untergrund zunehmend nur noch über sogenannte „dolmetschende Experten“ aufrecht erhalten. Ein letztendlich gefährlicher Isolationsprozess.
Noch bedenklicher aber ist der Umstand, dass sich auf diese Weise die immanente Anlage im Wissenschaftsverständnis  auf eine zu entwickelnde nonduale Wissenschaftshaltung im Prozess der Erkenntnisgewinnung  nicht ihre zeitgemässe Weiterentwicklung findet.

                                                                                                        Bernhard Albrecht

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