Sonntag, 18. Februar 2018

Pneumatischer Organismus und "Zurückdrängung des Leibes"

Einige weiterführenden Gedanken zu Mieke Mosmullers Blogeintrag vom 31.01.2018:
Geistleib, Ätherleib oder Astralleib … Ein philosophischer Versuch von Immanuel Hermann Fichte
https://www.miekemosmuller.com/de/blog/geistleib-atherleib-oder-astralleib-ein-philosophischer-versuch-von-immanuel-hermann-fichte?comment_Show=1

Die zusammenfassenden Verweise auf einige wesentliche Passagen von Immanuel Hermann Fichtes „Anthropologie“ machen in verschiedener Hinsicht nachdenklich. Zum einen über den versteckten Zusammenhang von Vorstellen und Täuschung, den Fichte durchschaut, ohne, wie viele seiner Zeitgenossen, darüber innerlich zu stolpern. Das Vorstellen, das die Anschauung dessen was ist (das tatsächliche Wirken von Sauerstoff, Stickstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff) verschleiert, noch bevor diese Anschauung gelingt.
Doch gelingt Anschauung nicht erst, wenn ein aktives  Anschauen dessen was ist, mithin ein in Wirklichkeit erschaffen desselben, den Boden dafür bereitet? Warum aber sollte das so sein? Weil Wirklichkeit nicht per se ist? Weil Wirklichkeit aus der aktiven Teilhabe, sowie der inneren Überschau über die Prozessabläufe des Anzuschauenden im Denken hervorgeht? Das jedoch würde heissen, dass Wirklichkeit aus dem individuell dynamisierten Willen in eigenständiger Selbstverantwortung hervorzubringen ist.
Demzufolge wäre der nicht durchschaute Prozess des Vorstellen unverblendet durchdacht dann also die Grundlage für die materialistische Weltanschauung, in der Abbilder die unvollendet bleibende Anschauung dessen was ist überlagern. Was heisst: Dass damit ein Schein von Erfahrung entsteht, der tatsächlich aber keine wirkliche Erfahrung beinhaltet, weil dieser Erfahrung kein Anschauen zugrunde liegt.
In der Folge hat dies nicht geringe Auswirkungen auch auf das individuelle Darinnenstehen in einer wie auch immer gearteten eigenen und im besonderen der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung. Pointiert gesagt: Wo Geisteswissenschaft nicht über das hinaus gelebt wird, was Rudolf Steiner zu ihrer Entwicklung einmal gesagt hat, wo Vorstellungen im eigenen Willen auf innere Anschauungen hin nicht dynamisiert werden, dort kann ein Freies Geistesleben sich nicht entfalten, ein Begegnen von Mensch zu Mensch wechselseitig wachstumsförderlich nicht wirklich ereignen.
Es wird unerkannt zu einer täuschenden Fata Morgana. Immanuel Hermann Fichte ist also nicht nur auf eine heute vergessene Weise wissenschaftlich hochaktuell, er ist es darüberhinaus auch in Bezug auf die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse im weitesten Sinne des Wortes. Seine innere Anschauung von dem, was den Leib letztlich konstituiert, das lässt nämlich auf gesellschaftliche Verhältnisse bezogen, seine Lehre vom pneumatischen Organismus in ganz neuem Lichte erscheinen. Wie steht es um das Kraftwirken in diesem pneumatischen Organismus und welche Kraft kann dieses Kraftwirken, das „Pneuma“ in ihm zur Entfaltung bringen? Was sind gewissermassen die Bedingungen, welche die dynamische Kraft des „Pneuma“ einer Menschen Gemeinschaft im wechselseitigen Austausch individueller ein- und ausströmender Kräfte bildend zum Fliessen bringen kann?
Ohne auf den Songtext von Helene Fischer „Atemlos“ näher eingehen zu wollen trifft der Titel dieses Songs genau den Nerv des Gemeinschaftsempfindens unserer Zeit. Wir sind in unserem einander Begegnen, bzw. Nicht-Begegnen mehr atemlos als wir uns das eingestehen wollen und können. Schon eine gleichsam nebensächliche Begegnung unter Menschen kann bei einer näheren Bemühung um Anschauung dessen was da geschieht diese Atemlosigkeit blosslegen.
Sie ist da, weil Kommunikation anstrengend ist, weil sie, wie wir durchaus wissen, zumindest aber versteckt spüren einen tiefer greifenden Willen einfordert, wir aber in der Regel dieser Anstrengung schlichtweg ausweichen. So breitet sich über derartige Geschehnisse fein zerstäubte, nichts sagende Atemlosigkeit, im schlimmsten Fall sogar der Atem unendlicher Verletztheit aus. Diese wiederum zieht leise das Gefühl der Vergeblichkeit und in Folge einer Leere nach sich, bzw. am Ende sogar eine schleichend progressive Depression. Von daher gesehen kann Depression als die Krankheit bezeichnet werden, die letztlich aus einem wechselseitigen Nicht-Einlösen von menschlicher Begegnung hervorgeht.
Was aber führt uns auf den Pfad Begegnung immer und immer wieder nicht oder doch nur unvollständig, d.h. nicht tief genug einzulösen. Unser jeweiliges Verhältnis von Nähe und Distanz zum anderen Menschen nicht mehr zu hinterfragen. Es ist die Angst dabei die eigene Bodenhaftung zu verlieren. Es ist die Angst vor den Konsequenzen, die eine tiefer gehende Bemühung um Anschauung dessen, was im Begegnen geschieht, einfordern könnte. Es ist die Angst vor dem unumgänglichen Neuwerden, das einer jeden Begegnung vom Grunde her anhaftet. Es ist die Angst dieser Angst zu begegnen. Es ist die Angst davor sich dabei in einer Weise in die Augen schauen zu müssen, welche die Selbstillusion bisherig eigener Selbstsicht sprengen könnte.
Angst ist also das Grundthema von Begegnung. Und diese Angst will im Sinne der Philosophie der Freiheit zurückgedrängt, nicht (wie zum Beispiel durch Zynismus oder Kanzel Rederei) verdrängt sein, damit in dem frei werdenden inneren Erlebensraum dasjenige angeschaut werden kann, was durch die Worte des jeweilig anderen Menschen im Begegnen tatsächlich zu mir spricht, frei von durch mich übergestülpten Abbildern, frei von damit einhergehenden Vorstellungsverklebungen.
Auf was kann uns nun aber das durch den pneumatischen Organismus wirkende „Pneuma“ aus heutiger Sicht hinweisen? - Atemlosigkeit versus schöpferischer Atem des Pneuma. Was spricht durch das Pneuma, wenn aktiv ausgerichtete innere Anschauung auf das Geschehen den Boden dazu bereitet? Was kann in diesen inneren Raum der Anschauung sprechend vernommen werden, wenn dieser Raum durch das, was Rudolf Steiner so rätselhaft die „Zurückdrängung des Leibes“ nennt, geöffnet werden kann? Zurückdrängung ein in erster Linie nicht körperlicher Prozess, sondern ein Prozess der Entflechtung von ätherischen und astralen Dynamiken, mit physiologisch körperlichen Folgewirkungen in Form innerer Verdunkelung und Schläfrigkeit, einer Art innerer Muskelkater des eigenen Willen, der überwunden, im Verlauf des übenden Umgangs mit der seelischen Beobachtung  sich in eine innere Präsenz wandeln kann.
Seelische Beobachtung: Wenn durch sie die Überschau der in der Seele ereignishaften geistigen Prozesse sich dem erwachenden inneren Auge nach und nach erschliesst, was kann dann Sprache dem inneren Ohr und Auge erfahrbar werden lassen. Wessen Sprache: Die Sprache der Vorgeburt. Ich wiederhole, die Sprache der Vorgeburt, denn sie ist im konkret irdischen Ablauf des Denkens unabweisbar angekommen. In der Sprache des jeweiligen Du spricht sie und kann dort vernommen werden, wenn die ätherisch und astralen Prozesse in der Seele entwirrt werden.
Sie, die Sprache der Vorgeburt ist angekommen im ganz alltäglichen Sprechen des Du, also auch im Sprechen von Passant zu Passant unter einander wildfremden Menschen. Ich kann hören die Sprache der Vorgeburt, wenn ich in der Seele die ineinander laufenden Prozesse von Äther- und Astralleib zu ordnen verstehe. Wenn ich dem Ego, das durch vorschnelles Vermeinen das Hinein-Hören in das Sagen des Du immer wieder zu blockieren sucht, in meiner wachsenden Wachheit gewissermassen den Weg abschneide. Ich-Präsenz aufbaue wider die Selbstgefälligkeit des Ego und seine subtile Selbstverliebtheit in die jeweils eigene Sicht der Dinge. Ich alles daran setze, dass das Ego einer tieferen Begegnung mit dem Du nicht länger mehr ausweichen kann. Mit anderen Worten das Ego seine Platzhalter Stellung zu Gunsten des Ich räumt.
Die Sprache der Vorgeburt, was ist gemeint. Es ist der beständig leise und deshalb so leicht überhörbare innere Anruf, was durch mich zu verändern sei, damit Begegnung, ein wechselseitig tieferes Hineinwachsen in die eigene Menschlichkeit gelingt. Das Gespräch oder anders ausgedrückt, die zum Leben erweckte Kategorie der Relation des Aristoteles ist mithin das Feld der Karma Auflösung. Gelebte Relation wiederum bringt das Pneuma im pneumatischen Organismus zum Fliessen, der nicht nur auf den je individuellen Menschen begrenzt ist, sondern über diesen hinaus am Leib sich entwickelnder Menschlichkeit mit baut. Was aber wäre in den bedrängenden Niedergangserscheinungen unserer Zeit wichtiger, als dabei mit Hand anzulegen. Im Augenkontakt zum Beispiel mit der Kassiererin an einer Supermarktkasse. Die Entmystifizierung des Karma Gedanken hinein in das alltägliche Leben, in die Liebe zum Kleinen. Ein konkret praktisches Anknüpfen auch an Immanuel Hermann Fichte im Hier und Jetzt, indem auf derartigen Wegen der pneumatische Leib mehr und mehr zum Leben erweckt, in die bewusste innere Anschauung und damit individuelle Erfahrung angehoben wird.

Bernhard Albrecht Hartmann


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