Freitag, 28. September 2018

Nachtrag

Aus Anlass eines Kommentars auf dem Blog von Roland Wiese von Reto Andrea Salvodelli
will ich meinem bisherigen Sagen zu Karl Ballmer und der Frage nach dem wirklichen Ich diesen Nachtrag hinzufügen.

„Ich weiss wohl, was Ballmer seinem Kollegen mitteilen wollte. Aber da er es nicht gesagt hat, sondern sich – wie auch sonst so oft – provokativ abgekürzt zu äussern beliebte, ist dasjenige, was Sinn machen würde, in seiner Äusserung doch nicht drin. Ich meine, die vermeintlich vergangene zentrale Frage der „Erkenntnistheorie“ (Steiners): „Was ist das Erkennen?“ geht nicht durch Überspringung ihrer selbständigen Vertiefung – d.h. erkenntnispraktischen Beantwortung – in die Frage „Wer ist das Erkennen?“ über. Für Ballmer blieb „Erkenntnistheorie“ immer Theorie. Das stachelte ihn dazu an, mit dem Hammer zu philosophieren, wofür er, posthum, von etlichen allgemeine Bewunderung erfahren hat.“

Reto Andrea Savoldelli

Ach Reto Andrea …
Das Lauschen scheint nicht unbedingt Deinem praktischen Sinnen nahe zu liegen. Das anschauende innere Abstand-Nehmen … und von daher die Sachzusammenhänge, das Wort, Karl Balmer aus sich sprechen zu lassen … ohne das aufprägende Überstülpen eigenen Vermeinens, sprich das untergründig Mitschwingen Lassen von unreflektierten Kurzschlüssen  über wie Karl Ballmer im Verständnis gewisser Zeitgenossen „angeblich war“. Nach meinem übenden Umgang mit Erkenntnistheorie gehören solcherart Fingerübungen mit seelischen Beobachtungen unter anderem zum Grundbestand praktischer Vermittlung einer Erkenntnistheorie.
Karl Ballmer war kein einfacher Zeitgenosse, für eher empfindungshafte Weggenossen mitunter geradezu eine schreckhafte Herausforderung. Seine unterschwellige Zen-Gebärde in seiner verkürzten Wortwahl vielleicht auch für den einen oder anderen bedrohlich.
„Stell Dich auf Deine eigenen Füsse“ leuchtete durch nahezu all sein Tun auf. Darin war er unbequem, galt in gewissen Kreisen als Querkopf ohne Taktgefühl für andere Daseinsweisen. Dass er damit aber nur sich selbst über alle Widerstände hinweg treu blieb, die Fackel einsamer Ich-Herrschaft hochhielt, dahin reicht bis heute nur das Verständnis ganz weniger Menschen. Ich wage hier zu sagen, dass seine tiefere Bedeutung für die praktische Seite der Erkenntnistheorie in Zukunft erst noch wirkkräftig zu enthüllen sein wird.
Aus dem tieferen Umgang mit seinem Bildwerk kann jedoch schon heute hervorgehen, dass Karl Ballmer geradezu rigoros in der Art war, was er sich in jedem Pinselstrich seines malerischen Arbeitens an äusserster Bewusstheit abverlangte und auferlegte. Sich vor die weisse Leinwand setzend rang er bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus stundenlang und das über Wochen hinweg immer wieder mit der puren weissen Leinwand oder auch einigen wenigen gesetzten Pinselstrichen, … bis jegliche perspektivische Vorstellung über ein Bildgestalten sich von innen her aufzulösen begann und er ganz in den Erfahrungsraum seines eigenen Sehorgans, seiner denkenden schöpferischen Sehkraft (1) eintreten konnte. Imagination aus dem Hintergrund aufgelöster Perspektive „schüchtern“ im malerischen Tun in Erscheinung treten konnte.
Die gewissermassen vibrierenden Inn- und Umräume vieler seiner scheinbaren auf ein Äusserstes hin reduzierten flächigen Bildelemente können einem abstrakten Bildbetrachter daher nicht anders als verborgen bleiben. Das Bildschaffen von Karl Ballmer zu verstehen, dazu gehört eine grosse innere Regsamkeit, bzw. sehr, sehr viel Unvoreingenommenheit und Offenheit. oder wie es Peter Suter sagt: „Mit unerschrockener Direktheit wird hier eine Einladung formuliert, die Enge konventioneller Erkenntnis zu überwinden.“ (2)
Karl Ballmer lebt und bezeugt in der Art seines künstlerischen Schaffens das „was Erkennen ist, wer der Erkennende“ im Erkennen ist. Er ist darin streng, wie gleicherweise milde. (3)

Bernhard Albrecht Hartmann


(1)    Karl Balmer: „Drei Vorträge über Kunst,“ Verlag Fornasella, CH-6863 Besazio,      
         2. Auflage 1996 Seite 29
(2)    Peter Suter in: Karl Ballmer Kopf und Herz, Aargauer Kunsthaus, Aarau /
         Ernst Barlach Haus, Hamburg,
         Verlag Scheidegger und Spiess AG Zürich 2016, Seite 139
(3)    Thomas Hunkeler über Samuel Beckett begegnet Karl Ballmer in: dito, Seite 133

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