Donnerstag, 22. September 2016

Anlässlich des Beschusses des UN - Hilfskonvois in Syrien

Seit bald 40 Jahren begleitet mich innerlich das Bild eines Holzschnitts (des anthroposophischen Malers Gerhard Reisch), das den Erzengel Michael mit seinem Schwert darstellt, wie er dieses sein Schwert mit der Spitze gegen den Boden gekehrt in einer einzigartigen Aufrechte an seiner Seite tragend von einem Hügel der Zerstörung in eine völlig zerstörte Landschaft hinein schaut.
Ich habe dieses Bild im Laufe der Jahre immer und immer wieder betrachtet, bis mir eines schönen Tages klar wurde, dass dieses Schwert leise auf eine vom Betrachter her zu vollziehende innere Umkehr seiner Kräfte weist.
Das Schwert, das die Zerstörung wie in sich hereinnimmt und in der Gegenbewegung eine heilende Präsenz kraftvoll abstrahlt und der Erzengel Michael Helfer im Vollzug einer derartigen Kräfteumkehr in jedem Betrachter, der durch das Bild an diese Erfahrung herangeführt wird.
Ich überlasse es dem Leser dieser Zeilen sich aus meinen wenigen Andeutungen über das Bild sich dieses imaginativ selber aufzubauen und im Hinschauen auf das Schwert seiner  eigenen inneren Präsenz jene heilende Präsenz-Strahlung einzuarbeiten, die in meinen Augen heute zeitnotwendig ist.

Es liegt nur wenige Tage zurück, dass ich mit dem Einsatzleiter eines Rotkreuz Hilfsteams nach seiner Rückkehr von den Kriegsfronten in den Ruhestand hier sprechen durfte, der mir von seinen Einsätzen in Syrien, im Irak, Afghanistan und in Afrika erzählte und dabei von Erlebnissen  und menschlichen Hintergründen berichtete, die noch weit schrecklicher waren, als wir sie über das Fernsehen kurzzeitig zu Gesicht bekommen, um sie meist allzu schnell wieder ins Vergessen abzuschieben. Während seines zweistündigen Berichts kehrte er immer wieder einmal für einige Augenblicke still wie in sich zurück, um dann, mich aus seinen klaren blauen Augen anschauend,  in seinem Bericht fortzufahren. Ein Mann, der viele Male zwischen den Fronten unvorhersehbarem Geschütz- und Granaten Explosionen ausgesetzt, dem Tod immer wieder Aug in Auge begegnet war, markant in seinen Gesichtszügen und … einem ungebrochen offenen Herzen.

Bernhard Albrecht



Dienstag, 20. September 2016

Ein- und Aussicht des Alterns


Ist es wirklich so, dass „der im Mauerwerk der Begriffe fast unsichtbare Eingang ins Innere des Turms des Denkens … geschlossen (ist)?“
Unsichtbar ist dieser Eingang gewiss, denn ansonsten gäbe es für den zur Freiheit unterwegs seienden Menschen nicht die Möglichkeit ihn im eigenen Inneren aufzufinden, ihn mit dem Hineinwachsen in die eigene Freiheitsfähigkeit der eigenen Reife gemäss nach und nach in die Weite hinein öffnen zu können. Demnach lässt also erst ein gewisses Mass an Freiheitsfähigkeit oder mit anderen Worten auch erst dem reiferen Alter möglichen heiteren Gelassenheit diesen Eingang voll umfänglich sichtbar werden.
Und … entschliesse ich mich den Turm durch diese je ganz individuelle Pforte dann auch zu betreten oder lässt mich mein Geschick manchmal auch erst später bemerken, wie ich immer wieder schon ein gutes Stück die Aufwärtsspirale im Treppengang dieses Turms hinaufgestiegen bin, was dann?
Aus  meinem  Erfahren  tönt  mir  im  inneren  Aufgang  dieses  Turms  nämlich  ein  „Erinnere Dich“ entgegen  und das so laut,  dass es mich zu Beginn  meiner  Aufstiegsbemühungen immer  wieder wie vor den Eingang des Turms zurückdrängt und mich erst vor der Pforte  wieder aus dem Traum meiner Selbstbefangenheit aufwachen lässt, im scheinbaren Anblick der  geschlossenen  Pforte. Die Tür  aber erscheint mir nur solange geschlossen bis ich mich darauf  besinnen kann, dass in meinen zahlreichen Menschenbegegnungen  es nicht in erster  Linie darauf  ankam, dass  der oder die  anderen Menschen mich in meinem Sagen, bzw.,  tieferen  Bestreben  verstanden,  sondern dass sie mir  über so  manche Schroffheiten, um nicht zu sagen  Feindseligkeiten  hinweg nur dazu  bestimmt  waren, dass ich lernte mich selber besser verstehen zu können.
Bin ich in meinem  inneren  Erfahren im  Aufstieg durch den  “Turm  des  Denkens“  an diesen Punkt gelangt, dann geht das „Erinnere Dich“ in ein „Besinne Dich“ über, dahingehend, dass ich eine ganze Reihe mehr Freunde hatte und  unscheinbar habe,  als  ich  bisher  annahm. Und  dass ich,  soweit ich lernte mich daran zu  erinnern,  wer ich bin, also meinem Ich leise zum  Leuchten i n  der  Dunkelheit verhalf, ich für weit weniger  „ungelöste  Beziehungen“  verantwortlich  bin,  als mir  das  der Irrwitz meiner Selbstbefangenheit bis an mein Lebensende da und dort weiter vorgaukeln mag. 
Ob der oder die  anderen  Menschen  an meinem  Lebensweg  ihrerseits  zu  diesem  „Erinnere Dich“ gelangen, dafür trage ich nicht die Verantwortung.
Rudolf Steiner hat dieses  „Erinnere Dich“  und das sich  unmittelbar daran  anschliessende „Besinne Dich“  in seinem  Grundstein-Spruch  niedergelegt.  Er hat damit  in meinen  Augen den  Keim  einer gänzlich neuen Sozialordnung hinterlassen.
Lieber Jostein Saether, ich grüsse Sie aus der weiten Peripherie von Herzen,
                                                                                                                           Bernhard Albrecht  Hartmann